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Julia (Name wurde geändert) ist zum Zeitpunkt des Interviews 41 Jahre alt. Sie ist 13 Jahre mit ihrem Partner liiert, davon 11 Jahre verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern (Alter 10 und 4 Jahre) in einer Wohnung in einem städtischen Gebiet in Kärnten.

Finanziell ist die Familie gut situiert, beide Elternteile arbeiten – Julia Teilzeit als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und ihr Mann Vollzeit (mit geregelten Arbeitszeiten) in einer Bank. Ihren Beruf übt sie seit 22 Jahren aus und arbeitet schon 17 Jahre im gleichen Haus. Durch den Beruf als DGKP ist Julia mit Tag- und Nachtschichten sowie mit Wochenend- und Feiertagsdiensten konfrontiert. Julia ist für 25 Stunden in der Woche angestellt, arbeitet aber meistens zwischen 30 und 35 Stunden, wobei die Überstunden durch Zeitausgleich wieder abgebaut werden können.

Die 12-Stundendienste werden vom Arbeitgeber vorgegeben und die Arbeitszeiten sind strukturbedingt. Logistisch gesehen sind 12-Stundendienste für Julia sinnvoll, körperlich und mental sieht sie im erhöhten Arbeitstag jedoch Nachteile. Auf die Nachfrage hin, wie sie die Arbeitsbedingungen einschätzt (auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 sehr anstrengend und 5 nicht anstrengend ist), gibt sie dem körperlichen Bereich eine 2 und dem geistigen und emotionalen Bereich eine 1.

Julia hat bereits vor ihrer jetzigen Arbeitsstelle in einem Krankenhaus auf der Endoskopieabteilung gearbeitet, wo sie geregelte Arbeitszeiten hatte – Montag bis

100 Freitag, täglich 8 Arbeitsstunden von 06:30 Uhr bis 14:30 Uhr. Diese Arbeitszeiten bezeichnet sie als „angenehm“, jedoch nur solange man keine Kinder hat.

Die Zufriedenheit mit ihrer Work-Life-Balance ist bei Julia monatsabhängig. Es gibt Monate, die sehr stressig sind, in denen ihr nur wenig Freizeit bleibt und andere, die sehr ausgeglichen sind.

Julia kann sich nicht vorstellen, mit 50 Jahren noch in diesen Turnusdiensten zu arbeiten, weil von Jahr zu Jahr mehr Herausforderungen auf das Personal zukommen.

Es wird immer mehr verlangt und gleichzeitig werden Arbeitsstellen abgebaut. Sobald die Kinder größer sind, möchte Julia wieder in einen geregelten Dienst wechseln und – wie Julia es ausdrückt – ein „normales“ Leben führen.

Kontaktherstellung: Auf der Suche nach passenden InterviewpartnerInnen hat die Interviewerin online über ein soziales Netzwerk einen Aufruf gestartet, wo sich Julia gemeldet und sich für ein Interview bereit erklärt hat. Sie war von Anfang an sehr offen und neugierig und hatte keine Bedenken, als ihr Anonymität zugesichert wurde.

Schilderung der Interviewsituation: Das Gespräch findet in der Küche der Interviewpartnerin statt. Die Wohnung wirkt klein und dunkel und ist einfach eingerichtet. Julia ist eine mittelgroße Frau und hat einen korpulenten Körper. Sie strahlt Offenheit und Herzlichkeit aus. Ihre Redeweise ist selbstsicher und laut, sie lacht während des Interviews immer wieder lautstark, und wirkt kaum angespannt. Im Laufe des Interviews kommt immer wieder eine Katze in den Raum, die von der Interviewpartnerin jedoch kaum beachtet wird. Die Interviewerin erklärt Julia vor dem Interview noch einmal, worum es bei dem Gespräch geht und sichert ihr nochmals volle Anonymität zu. Auch auf die Frage hin, ob das Interview aufgenommen werden kann, nickt Julia sofort. Im Raum sind keine Hintergrundgeräusche hörbar, die Kinder befinden sich in der Schule/im Kindergarten und der Mann auf der Arbeit.

101 Sequenzenanalyse

Die Alltagsgestaltung von Sarah lässt sich in die nachfolgenden 9 Sequenzen einteilen:

Familie

Die meiste Zeit von Julias Alltag wird mit der Familie verbracht. An Tagdiensten muss Julia um 5 Uhr in die Arbeit fahren, wodurch alles im Vorhinein gut organisiert werden muss.

gonze Essen koch i vor, dass es donn eigentlich nur mehr zum Aufwärmen is, also do 49

muss i holt immer schaun, dass es im Vorfeld olles gregelt is.

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Ihr Mann kümmert sich darum, dass die Kinder morgens in die Schule/den Kindergarten gehen und betreut sie nach der Arbeit bzw. auch am Wochenende, bis Julia nach Hause kommt, die Schulaufgaben kontrolliert und die Kinder ins Bett bringt.

Die freien Tage nutzt Julia vor allem dafür, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

[…] für mi persönlich is es anfoch so ge, wenn man amol Kinder hot, is es praktischer 29

die Dienste recht geballt zu hoben, dafür donn wieder länger frei zu hoben weil i donn 30

unter der Woche anfoch mehr Zeit für die Kinder hob, de nit jeden Tog abschieben muss, 31

auf Deutsch gesagt den gonzen Tog, ge, beziehungsweise a mit da Großen die Zeit hob 32

für die Schule zu oabeiten, ge, und jo das funktioniert so anfoch leichter, a mit de 33

Nochtdienste.

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Auf der einen Seite ermöglichen die 12-Stundendienste mehr freie Tage, die mit der Familie verbracht werden können. Auf der anderen Seite empfindet Julia die 12-Stundendienste auch als familienfeindlich, vor allem wenn mehrere Tage hintereinander gearbeitet werden müssen.

Jo es is holt a so, unta da Woche, wenn i zwa Tog die 12er 64

hintereinander hob, hob i am Obend genau a holbe Stunde die Kinder (2) mehr nit, weil 65

donn gehn se schlofn.

66

Du bist müde, mochst olles für den nächsten Tog und gehst schlofen. Ge, also du host 68

eigentlich gor nix davon, de zwa Tog sein aus da Woche gstrichen, wos Familienleben 69

onbelongt. Des gleiche ist a am Wochenende, wenn i des gonze Wochenende im Dienst 70

bin (3) gibt es keine Familie.

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102 Auch ist es für Julia keine Selbstverständlichkeit, Feiertage mit der Familie zu verbringen, was Julia als Nachteil für das Familienleben sieht.

Weil für 363

viele ises anfoch selbstverständlich, dasse Weihnachten oder Ostern frei hom, ge. Für 364

mi nit. I hob jetz noch den Bonus mit klane Kinder, dasse sogen, i brauch am 24.

365

Dezember nit oabeiten, jo 25. und 26. sein für mi normale Oabeitstoge, 366

Silvesternachtdienst, ge, is für mi normaler Oabeitstog […]

367

Solange die Kinder noch kleiner sind, sieht das Ehepaar diese Arbeitssituation als eine gute Lösung. Sobald die Kinder selbstständiger werden, wünschen sie sich jedoch eine berufliche Veränderung, zu normalen Arbeitszeiten bis höchstens 30 Wochenstunden, um mehr gemeinsame Zeit als Paar verbringen zu können.

Freunde

Julia hat viele Freunde, die den gleichen Beruf ausüben, wodurch sie auch unter der Woche Zeit füreinander finden. Ihr Freundeskreis hat sich durch die Arbeit verändert, weil die vielen Wochenenddienste die Zeitfindung für Freunde mit fixen Arbeitszeiten/

-tagen erschwerten.

Jo da Freundeskreis ändert sich irgendwie glabi automatisch. Weil du anfoch am 168

Wochenende nimma die Zeit host, bzw. weil du donn in der Arbeit abhängst oder de 169

Nochtdienste host, ge, des hot sich schon vor die Kinder so a bissl geändert, weil du am 170

Wochenende anfoch nimma die Möglichkeit host auszugehen oda etwos zu 171

unternehmen. Und so host du anfoch wirklich eher Freunde in dieser Berufsgruppe, wo 172

du holt donn unter da Woche relativ viel unternehmen konnst. Jo, des ändert sich donn 173

schon.

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Hobbys

Julias Hobbys haben sich vor allem durch die Familie verändert. Bevor die Kinder ins Schulalter kamen, ging Julia gerne Skifahren und nutzte die freien Tage unter der Woche aus, an denen in den Skigebieten wenig los war.

Also früher amol vor die Kinder, im Winter, do 189

woa i irrsinnig viel Skifahren, ge. Do woa i echt viel Skifahren, des woa a des feine weil 190

i unter da Woche viel frei ghobt hob, do woa nix los auf den Skigebieten, do bist echt 191

kamot Ski foan gongen, ge. Jo, des hob i echt gern gmocht. Des geht sich jetzt zeitlich 192

leider nimma aus. Also unter da Woche, wenn die Kinder so wie, also so long se im 193

Kindergoaten sein, konn man sich noch viel einteiln. Des hob i a gmocht, ge, oba sobald 194

des donn mit da Schulpflicht beginnt und se müssen von Montag bis Freitag gehn, (2) 195

geht nix mehr. Do muss man des hinten onstelln. Jo, solong man no flexibl is, wenn man 196

no in kan System drin is, geht des, donn jo, geht des nimma.

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Aktuell drehen sich ihre Hobbys – mit Ausnahme vom Lesen – rund um die Familie.

So schließt Julia Ausflüge und Thermenwochenenden in die Kategorie Hobby mit ein.

103 Haushalt

Den Haushalt erledigt Julia an ihren freien Tagen. Da der Haushalt jedoch nicht zu ihren Lieblingstätigkeiten zählt, zieht die Familie es in Erwägung, in Zukunft eine Haushaltshilfe anzustellen.

Zurzeit no nit, oba in Zukunft sicha (lachen). Des werma uns sicher mol leisten. Jetz 177

zurzeit ises no nit Not, oba wenn i donn mol sog, dass i vielleicht die Möglichkeit hob, 178

dass i von Montag bis Freitag in an normalen Dienst wechseln konn, jo weil donn tua i 179

mir des nimma on, warum a, in meiner Freizeit donn des zu mochn. Da Haushalt is jetz 180

nit mei Hobby schlecht hin (lachen).

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Sorgetätigkeiten

Je nachdem wie die Arbeitszeit von Julia ist, teilt sich das Ehepaar die Betreuung der Kinder auf. Wenn beide tagsüber auf der Arbeit sind, werden die Kinder nachmittags im Kindergarten bzw. im Hort betreut. Mit die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen ist Julia zufrieden, der Kindergarten hat 9 bis 10 Stunden täglich offen, was sich mit den Arbeitszeiten des Vaters gut vereinbaren lässt. Wenn beide 12-Stundenschichten hätten, wären sie noch auf eine weitere private Betreuungsperson angewiesen. Ebenso ist die Familie vor die Herausforderung gestellt, die Ferien zu überbrücken, da die Einrichtungen eine gewisse Zeit geschlossen haben. 12 bis 13 Stunden hat nach Julias Wissen nur der Betriebskindergarten im Klinikum geöffnet und für Kinder, die eine öffentliche Einrichtung besuchen, wurde eine „Kinderwerkstatt“ eingerichtet, die bis 20 Uhr geöffnet hat, wenn Eltern länger arbeiten müssen.

Weitere Betreuungspersonen, auf die die Familie zurückgreifen kann, ist zeitweise Julias Mutter und wenn es notwendig ist auch ein bezahlter Babysitter. Wenn ein bezahlter Babysitter in Anspruch genommen werden muss, wird die Familie neben den eigentlichen Betreuungskosten – von Kindergarten und Hort – zusätzlich finanziell belastet.

Jo, also wenn du verdienst schon. In unserer Situation woa es ok. Wobei i sog, du zohlst 136

wirklich für a Stunde, wobei derjenige jo nur Anwesenheitspflicht hot, wirklich 15€. Do 137

muss man donn schon a überlegen. Dazu a no die Betreuungskosten, de man donn no 138

sowieso mit Kindergarten und Hort und so hot, do staut sich schon wos zommen.

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Um pflegende Angehörige muss sich Julia derzeit nicht kümmern, sie hätte aber auch nicht die Möglichkeit dazu.

104 Die Familie wird ergänzt durch eine Katze. Es wäre auch ein Hund erwünscht, der mit den Arbeitszeiten jedoch nicht vereinbar wäre, da Hunde zu viel Auslauf und Aufmerksamkeit benötigen.

Zeit für sich

Julia hat derzeit neben der Arbeit und den familiären Verpflichtungen genug Zeit für sich. Dafür werden vor allem die freien Vormittage und manchmal auch ganze Tage genutzt.

[…] wenn i mol 4-5 Tog 242

hintereinander frei hob, die Vormittoge de ghören donn mir und des sein meine Zeiten.

243

Fertig, jo, des nehm i mir ausa, jo. Und zwischendurch is es donn a so, dass wir mit 244

Freunden schaun, wonn wir olle frei hom und donn foama a ob und zua noch Graz 245

shoppen oder sonst irgendwas. Also des nehmar uns schon ausa, ja, absolut, weil sonst, 246

des braucht man schon mol, wirklich mol Zeit für di, mochen wos di freut und nit nur 247

Familie oder sonst wos, anfoch mol selber Mensch sein. So baut man a den gonzen 248

Stress ob. Des sein holt donn so de Tage, wo du sogst, des is wie Urlaub.

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körperliche und psychische Auswirkungen

Zum Positiven hat sich durch die Arbeit für Julia nichts verändert. Neben der körperlichen Müdigkeit ist es vor allem die geistige Erschöpfung, die Julia zu schaffen macht. Ebenso sind die Nachtdienste für Julias Körper sehr belastend, da sie sich tagsüber mit der Familie beschäftigt und mit dem darauffolgenden Nachtdienst 27 Stunden am Stück ohne Schlaf auskommen muss. Genug Erholungszeit nach mehreren Tagschichten bzw. einer Nachtschicht ist durch den Dienstplan nicht immer gegeben.

Es konn zwor vorkemmen, dass man noch a 213

poa anstrengende Tage, zum Beispiel noch zwa Tagdiensten und an Nochtdienst donn 214

a poa Toge frei hot zum Erholen, wos man dann a wirklich braucht, oba des is holt nit 215

immer so. Also es konn schon sein dass man wirklich nur den Schlaftag hot, der offiziell 216

jo nit frei is sondern wirklich der Schloftog is, an Tag frei und donn is man schon wieder 217

in da Oabeit. Des is donn schon zach. Oba donn gibs holt wieder längere freie Tage, des 218

sein dann halt so Phasen, wo sich wieder olles einspielen onfong.

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gesundheitsbezogenes Verhalten

Julias Arbeit beeinflusst ihr gesundheitsbezogenes Verhalten an Tagen, an denen sie arbeitet. Vor allem steigt der Konsum von Kaffee und Zigaretten, um der Müdigkeit und dem Stress entgegenzuwirken.

Jo oba wos holt schon is, man trinkt irrsinnig viel Kaffee, anfoch a um de 220

Müdigkeit oft zu überbrücken, jo. Und mitn Rauchen, es is holt so, dass i an den Togen, 221

105 wo i Dienst hob sicher wesentlich, in da Pause oda wie a immer, vor dem Dienst oda 222

danoch, sicher mehr rauch, als wenn i frei hob, ge. Wenn i frei hob, donn follt an des oft 223

goa nit ein. Jo, im Dienst do denkt man sich donn oft schon „Mah schnell ane…“. Da 224

denkt man sich „Mah schnell mol fünf Minuten weg vom Stress“ und donn geht’s schon 225

wieder.

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Ebenso hat sich Julias Essverhalten geändert. Durch den Stress in der Arbeit schafft es Julia nicht immer, in der Mittagspause ein warmes Essen einzunehmen, wodurch dies auf den Abend verschoben wird. Während der Arbeitszeit wird nebenbei schnelles und ungesundes Essen verzehrt.

verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben

Wenn ein privater Notfall eintritt und Julias Ehemann verhindert ist, verlässt Julia ihre Arbeitsstelle auch während der Arbeitszeit, weil es keine Person gibt, auf die die Familie kurzfristig zurückgreifen kann.

Also es is zum Beispiel schon vorkemmen, dass die Lehrerin ongruafen hot, dass die 256

Anna kränklich is, ge. Jo i man donn muss i sogen „So tuat mir lad oba jetz muss i leider 257 gehn.“ Des muss donn gehn, des is mir donn egal in der Situation. Wenn mei Monn nit 258

grad allan im Büro is, wenn sie, also des is a imma so a Sache, er is die meiste Zeit allan 259

im Büro, er konn donn nit weg, weil sonst hom die holben Banken in der Stodt ka Geld.

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Wenn er oba zu zweit im Büro is, donn is des ka Thema, donn wird er angrufen und donn 261

geht er anfoch.

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In ihrer Freizeit ist Julia auch mit arbeitstechnischen Erledigungen konfrontiert. Für ihren Zusatzbereich kann es vorkommen, dass Julia außerhalb der Arbeit Protokolle oder Emails abarbeiten muss. Ebenso werden Weiterbildungen, sowohl während der Arbeitszeit als auch in der Freizeit, gemacht.

Also wir müssen mindestens 60 Stunden in 5 Jahren mochen. Des is 275

verpflichtend. Ahm du mochst, i moch Sochen, de mi selber interessieren in meiner 276

Freizeit, ge, wir hom oba a vom Betrieb recht viel Weiterbildungen, de als Oabeitszeit 277

gelten, wo man oba a 4 oder 8 Stunden, i man morgen hob i a sechsstündige Fortbildung, 278

de man donn drin is. Wo man donn wieder zu viele Überstunden kimmt.

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Julia hat mit der Zeit gelernt, sich in der Freizeit gedanklich gut von der Arbeit zu trennen. Wenn sich Notfälle im Arbeitsalltag ereignen, kann es vorkommen, dass Julia den Vorfall in der Freizeit kurz Revue passieren lässt, was sie aber nicht lang belastet.

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