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3.3 Sinn der Arbeit

4.2.6 Freizeit im 20. Jahrhundert

Mit Ende des Ersten Weltkrieges wurde 1918 der 8-Stundentag für Industrie und Verwaltung beschlossen, wobei die Wirtschaft später viele Ausnahmebestimmungen dafür genutzt hat, um die tägliche Arbeitszeit wieder nach oben zu bringen. An Samstagen wurden weniger Stunden gearbeitet, vereinzelt wurde er sogar als arbeitsfreier Tag gesehen. Zudem wurde auch der jährliche Urlaubsanspruch erhöht, was sich jedoch gesetzlich neben den arbeitsfreien Samstagen erst nach dem zweiten

Weltkrieg durchsetzen konnte. In den ersten vier Jahren nach dem ersten Weltkrieg sowie durch die Weltwirtschaftskrise 1929 kam es durch eine hohe Arbeitslosenrate zu einer unfreiwilligen erhöhten Freizeit, was jedoch auch viel Armut mit sich brachte.

Dies wirkte sich wiederum auf die Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung aus, wodurch sich der Großteil der Menschen in die Nutzung von leistbaren Massenmedien, wie z. B. Radio, Presse, Film und Fernsehen, flüchtete. Die Zeit vor der Weltwirtschaftskrise wird die „goldenen Zwanziger“ genannt, da der wirtschaftliche Aufschwung viele Möglichkeiten des Ausprobierens und Feierns geboten hatte. Es entstanden neue Musik-, Literatur-, Tanz- und Kunststile – jene die sich nicht leisten konnten in die Oper zu gehen, hatten die Möglichkeit über Medien daran teilzuhaben.

Die Menschen konnten sich frei von Vorgaben – wie es in früheren Zeiten durch höhere Gesellschaftsschichten bestimmt wurde – eigene Meinungen über „Dos“ und „Don’ts“

in der Kulturwelt machen. Neue Interessen haben sich auch in den wissenschaftlichen Disziplinen der Philosophie, Psychologie, Soziologie und Politologie gebildet, wodurch die Freizeit einen neuen Zweck angenommen hat. Neben der Abwesenheit von Arbeit galt die Freizeit auch als Raum für Denk- und Verhaltensexperimente. Konservative und faschistische Gruppen wehrten sich jedoch erfolgreich gegen diese Entwicklung und nutzten, mithilfe von politischer Macht, vor allem das Radio und das Kino dazu, die Bevölkerung zu beeinflussen, damit die Freizeit weiterhin im Sinne des Volkes gestaltet wurde (vgl. Prahl 2002, S. 104ff.).

Der Nationalsozialismus übernahm diese Entwicklungen und sorgte dafür, dass die Menschen in ihrer Freizeit durch Vereine, wie z. B. die „Hitlerjugend“ oder die „Kraft durch Freude“, ihre Lebenseinstellung zum Nutzen des Nationalsozialismus ohne Widerrede führten. Die Funktionen der Erholung und des Konsums wurden in dieser Zeit bewusst in den Hintergrund gedrängt und durch Veranstaltungen und Organisationen streng kontrolliert. Solche Gruppen waren anfangs bei der Bevölkerung sehr beliebt, da diese neben verschiedenen Unterhaltungsveranstaltungen materielle Dinge angeboten hatten, die für viele privat nicht leistbar waren. Dies führte zu einem kollektiven Wohlstandsanstieg, der gleichzeitig die Massenloyalität anwachsen lies, wodurch auch die Teilnahme an streng kontrollierten und gezwungenen Kriegsvorbereitungsübungen meist freiwillig geschah. Neben den umfangreichen sportlichen Aktivitäten wurde die Freizeit auch mit tanzen, singen und musizieren verbracht, mit dem Hintergedanken, völkische und nationalistische Inhalte in Umlauf zu bringen, wofür auch gerne Medien verwendet

wurden. Später wurde das Radio jedoch teilweise auch als Feind angesehen, da man die Möglichkeit hatte, ausländische Sender zu empfangen, die sich gegen den Nationalsozialismus aussprachen, wodurch das Hören von solchen Sendern mit der Todesstrafe geahndet wurde. Freizeit wurde in der Zeit des Nationalsozialismus vor allem in der Öffentlichkeit verbracht, gleichzeitig wurde die Privatsphäre immer weniger, denn auch das Familienleben wurde streng kontrolliert, damit gegen ablehnende Tendenzen gegenüber dem Regime so früh wie möglich angekämpft werden konnte (vgl. Prahl 2002, S. 106-109).

In den 1950er bis 1980er Jahren war die Gesellschaft vor allem vom Geldverdienen und Geldausgeben geprägt (vgl. Opaschowski 1993, S. 233).

Horst W. Opaschowski hat Ende des 20. Jahrhunderts die Zukunft der Freizeit kritisch gesehen. Laut ihm wird in unserer Gesellschaft immer weniger gearbeitet und sich mehr freie Zeit gegönnt. Mehr Freizeit verbindet Opaschowski aber auch mit mehr Stress, weil wir immer mehr Konsum und Vergnügen anstreben und auch in unserer Freizeit wenig zur Ruhe kommen. Ende des 19. Jahrhunderts kritisierte man die fehlende Zeit aufgrund von zu viel Arbeit, Ende des 20. Jahrhunderts war die freie Zeit auch mit weniger Arbeitszeit noch knapp, da der Freizeit, durch Hobbys, Sport, Urlaub, Kinder etc., das Gefühl von „Frei-Sein“ nach wie vor fehlte. Für viele Berufstätige war zudem die Arbeit nach dem Verlassen des Arbeitsortes noch lange nicht vorbei. Neben dem Heimweg, der bereits Zeit der Freizeit in Anspruch nimmt, warteten auch Zuhause noch Hausarbeiten, Kinderbetreuung und andere soziale und familiäre Verpflichtungen, die von der eigentlichen Freizeit abgezogen werden müssen. Freizeit wurde in der Vergangenheit und wird auch in Zukunft laut Opaschowski mit immer mehr Bedeutung versehen, da die freie Zeit nach subjektiver Einschätzung immer zu wenig sein wird. Aus Angst vor Langeweile bzw. dass einem etwas entgehen könnte, wird die Freizeit mit Unmengen an Aktivitäten verplant. Einfluss hat dieser Zeitdruck unter anderem auch auf die Familie, bspw. das familiäre Essverhalten, indem gemeinsame Mahlzeiten immer kürzer werden. Zudem fühlen sich Eltern oft durch ihre eigenen Kinder in ihrer Freizeit gestresst. Hinzu kommen freizeitliche Termine, die nicht selten mit beruflichen Angelegenheiten verbunden werden, welche für viele als Pflichttermine wahrgenommen werden und ebenso Stress verursachen.

Zeitressourcen werden genauso wichtig wie Geld. „Von der Geldkultur zur Zeitkultur – so läßt sich der Wandel umschreiben, der letztlich nur auf ein Ziel gerichtet ist: mehr freiverfügbare Zeit zum Leben – und auch mehr vom Arbeitsleben haben“

(Opaschowski 1993, S. 233). Deshalb wird bereits Ende des 20. Jahrhunderts die Flexibilität in der Arbeitswelt als zukünftige Notwendigkeit vorhergesagt. Arbeitszeit und Freizeit sollten individuell angepasst werden können, indem man die Arbeitszeit intensiv und dicht gestaltet, motiviert und konzentriert Aufgaben schneller erledigt und dafür ohne Leistungseinbußen weniger arbeitet und dadurch mehr Freizeit möglich wird (vgl. Opaschowski 1993, S. 230; 232ff.).