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Sandra (Name wurde geändert) ist zum Zeitpunkt des Interviews 49 Jahre alt. Sie ist seit 10 Jahren alleinerziehend und wohnt mit ihrer Tochter (15 Jahre) in einem Haus im städtischen Gebiet von Kärnten. Sandra hat einen Partner, der jedoch nicht im gleichen Haushalt wohnt.

In ihrem Beruf als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet Sandra in Tag- und Nachtschichten sowie an Wochenenden und Feiertagen. Nebenbei macht Sandra noch eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin und hat eine eigene Praxis als Hypnosecoach eröffnet, was neben ihrem Hauptberuf zusätzliche Arbeitsstunden bringt. Sandra sieht in ihrem Nebenberuf aber keine weitere Belastung, denn neben dem hinzukommenden Einkommen gewinnt sie auch Energie für ihren Beruf als DGKP. Im Krankenhaus arbeitet Sandra 30 Stunden in der Woche, wo auch Überstunden anfallen, die sie jedoch durch Zeitausgleich wieder abbauen kann.

Die 12-Stundendienste, die Sandra seit 28 Jahren als DGKP zu leisten hat, sind vom Arbeitgeber eingeführt worden, wobei die Überlegung seitens des Arbeitgebers vorhanden ist, wieder auf 8-Stundendienste zurückzugehen. Sandra glaubt aber nicht daran, dass dieser Schritt gemacht wird, da viele KollegInnen und auch sie selbst gar nicht auf einen 8-Stundentag zurück wollen. Auf der einen Seite beschreibt sie sich gestresster und mit mehr Erholungsbedarf als bei 8-Stundendiensten, auf der anderen Seite möchte sie ihre freien Tage nicht für die Aufteilung der Arbeitsstunden hergeben.

Ihre Arbeit beschreibt sie (auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 sehr anstrengend und 5 nicht anstrengend ist) körperlich und emotional als anstrengend, geistig als sehr anstrengend.

Vor ihrer jetzigen Arbeit hat Sandra ein Jahr lang in einem Krankenhaus gearbeitet, in dem sie 8-Stundendienste gemacht hat. Sie beschreibt diese Dienste zwar als wesentlich entspannter, sieht aber auch (berufliche) Nachteile. Bei weniger Stundendienste werden bspw. mehr Dienstübergaben benötigt, wodurch mehr Zeit für die Arbeit mit Patienten verloren geht.

Auch wenn Sandra mit ihrer derzeitigen Work-Life-Balance sehr zufrieden ist, kann sie sich nicht vorstellen, mit 60 Jahren noch auf diese Weise zu arbeiten. Nicht nur die Arbeitszeiten, sondern vor allem der stressige Alltag macht ihr dabei zu schaffen.

Kontaktherstellung: Auf einen Aufruf über ein soziales Netzwerk hat sich Sandra als einzige alleinerziehende Mutter gemeldet und sich für ein Interview bereiterklärt. Nach einem kurzen Austausch über das soziale Netzwerk folgte ein Telefonat über Ort und Zeit des Gesprächs. Sandra wirkte sehr freundlich und selbstsicher.

Schilderung der Interviewsituation: Das Gespräch findet in einem Café in ihrer Umgebung statt. Das Café ist für die frühe Uhrzeit gut besetzt, es ist jedoch ein geeigneter Tisch in einer ruhigeren Ecke noch frei. Sandra kommt pünktlich in das Café und beginnt mit einem Small-Talk das Gespräch. Die Interviewerin bietet Kaffee und Kuchen an, was Sandra dankend annahm. Das Aufnahmegerät liegt zwischen Interviewerin und Sandra auf dem Tisch, mit den Bedenken seitens der Interviewerin, dass die Hintergrundgeräusche im Café bei der Aufnahme stören könnten, was sich bei der Auswertung jedoch nicht bestätigte. Sandra erzählt sehr offen über ihr Leben und spricht auch schwierigere Zeiten an.

Sequenzenanalyse

Die Alltagsgestaltung von Sandra lässt sich in die nachfolgenden 9 Sequenzen einteilen.

Familie

Sandra wohnt mit ihrer 15-jährigen Tochter alleine in einem Haus. Ihre Tochter hat früh lernen müssen, selbstständig zu sein, da Sandra durch ihre Arbeit(en) wenig Zeit für sie hatte.

Es is wirklich so, dass sie 105

selbstständig woscht, bügelt sich, organisiert sich, des is durch des, dass i immer 106

berufstätig woa. I woa nur a Joa daham 107

Für Sandra sind warme Mahlzeiten sehr wichtig, deshalb kocht sie täglich, wenn sie zuhause ist und wenn sie einen langen Dienst hat, kocht sie am Vortag für ihr Kind vor.

Ihre Freizeit versucht Sandra so aktiv wie möglich mit ihrem Partner und ihrer Tochter zu gestalten, da ihr die Familie sehr wichtig ist.

Freunde

Der Umgang mit Freunden bedeutet Sandra viel, wodurch sie ihre Freundschaften sehr gut pflegt. Die meisten Freunde arbeiten im Krankenpflegebereich aber auch weitere Entfernungen sind für sie kein Hindernis.

[…] i hob von 188

meiner Krankenpflegeschule, de hob i in Steyr gmocht, und de hob i 1987 kennen glernt 189

und mir sein a 4er Runde und wir treffn uns immer no und de wohnen oba in 190

Oberösterreich. Also des is, es kummt immer drauf on, wie man selber engagiert is. Also 191

i bin do sehr bedocht drauf.

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Hobbys

Für ihre Hobbys findet Sandra nicht immer genügend Zeit. Vor allem der Flohmarkt, der am Wochenende stattfindet, wird oft aufgrund der vielen Wochenenddienste vernachlässigt. Sportliche Aktivitäten, wie zum Beispiel das Walken, macht sie jedoch regelmäßig.

Aufgegeben hat Sandra noch kein Hobby, „weil wenn i wos gern moch, donn find i immer Zeit dafür“ (Z 201). Trotzdem gibt es einige Hobbys, die sie gerne anfangen wollen würde, es aber aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht möglich ist.

Also i bin 201

schon monchmol gfrogt woan, ob i zum Beispiel beim Dartspieln mitmochn will, bin i jetz 202

schon wieder gfrogt woan, und donn sog i, i konn nit, i konn nit sogn, i kumm jeden 203

Freitog, des is schon da Nochteil, oda i tonz gern, i hob a Tonzschule gmocht mit meinem 204

damaligen Partner. Zu sogn i geh jede Woche am Donnerstog und Somstog tonzen, des 205

is unmöglich, des is echt unmöglich. Des geht nit. I konn sogn ok, für vier Obende amol, 206

des homa vorheriges Joah mol gmocht, mei jetziger Freund und i, oba dass i regelmäßig 207

sog, jeden Monat, des geht nit. Leider, des is da Nochteil.

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Haushalt

Durch die vielen Tätigkeiten hat Sandra den Überblick im Haushalt verloren und sich für eine bezahlte Haushaltshilfe entschieden, die ihr einmal im Monat das Haus putzt.

Leistbar sieht sie diese Unterstützung nur durch ihren zweiten Beruf.

Volltreffer (lachen) na, seit an Joah hob i jemanden, weil i des Gefühl ghobt hob, i kum 175

hintn und vorne nimma zurecht. Des hob i echt ghobt des Gefühl, i kimm vorne und hintn 176

Sandra nimmt sich zwischendurch Zeit für sich selber, vor allem wenn sie unter der Woche frei hat und ihr Partner bei der Arbeit bzw. ihre Tochter in der Schule ist.

Als Sandras Tochter noch jünger war, hatte sie keine Zeit für sich selber.

Do hob i überhaupt kane Relaxtoge ghobt, also außer, na a nit amol wenn se bei ihrm 216

Papa woa, weil beim Papa woa sie immer donn, wenn i am Wochenende georbeitet hob.

217

Hob i eigentlich nie ghobt, na. Also wie sie klan woa hob i kane Relaxtoge für mi ghobt.

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Sorgetätigkeiten

Sandra hat sich vom Vater ihrer Tochter getrennt, als ihre Tochter 4 Jahre alt war. In dieser Situation war Sandra vor die Herausforderung gestellt, eine Betreuung für ihre Tochter zu organisieren.

Donn hob i orga, mei Mutter is weit weg, de 91

wohnt in Oberösterreich, i hob des donn so gmocht, dass mei Mutter donn amol im Monat 92

immer für 10 Tog zu mir kumman is, und do hobi gschaug, dassi viele Dienste moch und 93

durch die, durch des hob i donn nocha nimma so viel Dienste ghobt. I hob a Leihoma 94

ghobt, de in da Fruah mei Kind in den Kindergoatn gebrocht hot, de is zu mir kumman.

95

Im Nochtdienst hob i sie donn zu ihr gebrocht, noch da Schul is die Laura a zu dieser 96

Leihoma gongen und donn auf Nocht um sieben, holb ocht, wenn i zu oabeitn aufghört 97

hob, donn hob i die Laura obgholt und sunsch is a der Papa no immer zur Verfügung 98

weil der eh zuhause is. Also wenn Stricke woa oda Wochenenddienste, donn woa se 99

immer bei ihrn Papa 100

Neben ihrer Mutter und der Leihoma hätte Sandra damals die Möglichkeit gehabt, ihre Tochter in einen öffentlichen Kindergarten zu geben, der zu dieser Zeit ein Jahr lang probeweise längere Öffnungszeiten hatte. Diese Option hatte Sandra jedoch nicht genutzt, da sie kein gutes Gefühl dabei hatte.

Es hot wirklich ein Johr long einen Kindergoatn geben, der früher aufsperrt und länger 110

offen bleibt. Ein Johr, woa a Versuch domols, i hob die Laura oba net dort hin geben, 111

weil i ma gedocht hob, na des wüll i irgendwie net, i hob die Leihoma organisiert und mei 112

Mutti organisiert und den Papa organisiert. Also des woa jetz net für mi des Thema.

113

Gleichzeitig hat sie es aber schade gefunden, dass das Krankenhaus, in dem sie arbeitet, keinen Betriebskindergarten hatte.

Um pflegende Angehörige muss sich Sandra derzeit nicht kümmern, sie hätte weder die Zeit noch den Willen dazu.

Ebenso empfindet sie es als schwierig, sich neben ihren ganzen Tätigkeiten zusätzlich um Haustiere zu kümmern. Als ihre Tochter noch jünger war, hatten sie eine Katze, die vor allem der Tochter Gesellschaft geleistet hat, wenn Sandra nicht zuhause war.

Und Haustiere, wir hom eine Katze ghobt. Eine Katze.

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De hom wir ghobt, eben für die Laura, wenn i nit do bin, dass sie wen hot. Und des woa 136

eigentlich sehr ongenehm. Weil wenn wir nach Haus kemmen sein, donn woa sie do, is 137

bei uns gwesn, hot mit uns gekuschlt, sie is sogoa bei uns, bei mir im Bett glegn (lachen).

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Und des woa wie sie donn verschwundn is eigentlich a tiefer Schnitt in unser Leben, 139

dass ma gsogt hom, wir hättn gern wieder ane oba i hob ka Zeit für a Tier. Jetz hob i ka 8-Stundentag. Sie braucht auch eine längere Zeit, um sich zu erholen, was sie jedoch durch mehr freie Tage auch bekommt. Diese Erschöpfung richtet sich nicht primär auf den Körper, sondern auf die Psyche.

Und beim 12-Stundndienst, i bin müde, also 147

wenn i noch an 12er ham kumm, so wie jetz immer de Dienste woan, dann bist du leer 148

im Kopf, i bin erledigt. Und wenn du dann 2 bis 3 solcher Dienste hintereinonder host, 149

donn bist du, also i bin geistig (2) kaputt. Nit körperlich, sondern geistig ausgeschöpft.

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Körperlich fand Sandra durch regelmäßigen Sport einen guten Ausgleich zur Arbeit, mittlerweile fehlen ihr jedoch die zeitlichen Ressourcen, um wöchentlich ins Fitnessstudio zu gehen.

gesundheitsbezogenes Verhalten

Grundsätzlich versucht Sandra sich bewusst zu ernähren. Durch ihre Arbeit wird Sandras Essverhalten jedoch stark beeinflusst. Da sie während der Arbeitszeit kaum Zeit zum Essen hat, wird vor allem abends zuhause viel gegessen. Ebenso sieht sie ein Problem bei den Nachtschichten, wo gegen 22 Uhr gegessen wird, und sich der Hunger auch zuhause um 22 Uhr meldet.

[…] durch diese 158

Nochtdienste griag i, also im Nochtdienst ises jo so, dass wir meistens um 10 Uhr, wenn 159

i mit der Runde fertig bin, essn. Und des is des Problem daham, dass i um 10 Uhr donn 160

a Hunger griag. Wenn i viele Nächte hob, donn hob i um 10 Uhr an Hunger und des is a 161

Katastrophe, wenn i daham jo donn ins Bett ge (lachen), na des is schon, es hot sich, 162

derzeit tua i mir schon schwer. Durch den Stress, weil i den gonzn Tog ka Zeit zum Essn 163

hob, donn kummst du ham um holb 8 oda um 8, donn setz i mi hin und donn griag i 164

plötzlich den Hunger. Wirklich den Hunger. und i iss oba a so gern, des is de ondare 165

Seite.

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Zudem greift Sandra in der Arbeit vermehrt auf Süßigkeiten und Kuchen, was sie zuhause nicht macht.

verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben

Zeit für private Angelegenheiten hat Sandra während der Arbeitszeiten kaum. Wenn ein privater Notfall eintritt, versucht Sandra etwas zu organisieren, jedoch ohne der Aussicht die Arbeitsstelle zu verlassen.

In ihrer Freizeit hingegen befasst sich Sandra sowohl aktiv als auch gedanklich mit arbeitsbezogenen Tätigkeiten. Neben Fortbildungen verlangt der Arbeitgeber auch die Mitarbeit in einem Zusatzbereich – in Sandras Fall das Hygieneteam – was auch Freizeit in Anspruch nimmt.

Und sonst homa schon a Fortbildungen und i bin im Hygieneteam, jetz 234

schau i a imma wieder mi auf den neuesten Stond zu bringen, Pflegeprozesse, 235

Fortbildungen schaun, mitwirken, also (2) es wird oba a verlongt. Es is nit so, dass du 236

sogst, i will des, sondern es wird vom Oabeitgeber verlongt.

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Gedanklich kann sich Sandra durch ihr Alter und ihre Erfahrungen in ihrer Freizeit von der Arbeit gut lösen, was ihr in jüngeren Jahren deutlich schwerer gefallen ist.