A 1306 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 29–30|
21. Juli 2014Das Leser-Forum
DEUTSCHER ÄRZTETAG
Am Beispiel Wartezeiten machte Gesundheits- minister Gröhe deutlich, dass er gewillt ist, den Koalitionsvertrag von Union und SPD umzuset- zen (DÄ 22/2014: „117. Deutscher Ärztetag:
Meist heiter, teils wolkig“ von Falk Osterloh).
Versorgungsengpässe in der Ophthalmologie
Mit Sorge sieht auch der klinisch tätige Ophthalmologe die zunehmenden Warte- zeiten im ambulanten Bereich. Ja, mehr und mehr Patienten mit nicht ganz dringli- chen Anliegen – akute Notfälle werden zumeist noch zeitnah versorgt – tun sich schwer, überhaupt noch eine Augenpraxis zu finden, in der sie „unterkommen“ kön- nen. Es mag hier regionale Unterschiede geben, der Negativtrend in den letzten Jahren ist aber offensichtlich, und er hat sicher nur zum Teil „Budgetgründe“ oder
„Organisationsgründe“. Die wahren Ursa- chen sind andere:
●
Sehr viele Erkrankungen des augenärzt- lichen Fachgebiets zeigen eine ausgeprägte Altersabhängigkeit . . . Die Augenheilkun- de ist wie kaum ein anderes Fach von der demografischen Entwicklung betroffen.●
Der Trend zur Zweit-, Dritt-, ja „Viel- fach-Meinung“ („Doktor-Hopping“) ver- schlingt in immer größerem Umfang Pra- xiskapazitäten.●
Die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Augenheilkunde haben sich in den letzten zehn bis 20 Jahren enorm erweitert . . .●
Die Zunahme chronischer Erkrankun- gen in der Bevölkerung, wie zum Beispiel Diabetes mellitus oder von Allergien, geht mit einem erhöhten ophthalmologischen Kontroll- und Therapiebedarf einher.●
Die weitgehende „Ambulantisierung“der Ophthalmochirurgie (ohne dass die Augenkliniken deshalb „leerlaufen“ wür- den) mindert das konservative Versor- gungsangebot . . .
●
Der (verständliche) Wunsch von jünge- ren Kolleginnen und Kollegen nach gere- gelter und maßvoller Arbeitszeit sowie Teilzeitarbeit reduziert die zur Verfügung stehende „Manpower“.Wenn also einerseits immer mehr (ältere) Menschen einen immer umfangreicheren
Versorgungsbedarf haben, andererseits die zur Verfügung stehende „Manpower“
tendenziell eher sinkt, zumindest aber nicht im äquivalenten Maße steigt, dann sind zum Teil erschreckend lange Warte- zeiten die zwangsläufige und im Übrigen seit langem vorhersehbare und vorherge- sagte Folge. Die Zusammenhänge liegen auf der Hand, und sie sind nicht neu. So- wohl die von Herrn Bundesgesundheits- minister Gröhe forcierten „KV-Service- stellen“ als auch die von der BÄK favori- sierten „Schnellüberweisungen“ können, ja müssen nur Kosmetik bleiben, da sie an den tatsächlichen Ursachen der Wartezei- ten nichts zu ändern vermögen. Dement- sprechend werden auch die nicht selten bereits jetzt schon am Limit arbeitenden Augenkliniken kaum in der Lage sein, den Wartezeiten substanziell abzuhelfen.
Der an sich erforderlichen Erweiterung der ophthalmologischen Versorgungska- pazitäten stehen sowohl das enge finan- zielle Korsett als auch der in der notwen- digen Zahl gar nicht mehr vorhandene Nachwuchs entgegen. Und so bleibt, wenn man ehrlich sein will, letztendlich nur die Akzeptanz langer (und immer län- ger werdender) Wartezeiten oder das offe- ne Bekenntnis zu einer unter den Mög- lichkeiten bleibenden, noch eingeschränk- teren Versorgung . . .
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. Jens Martin Rohrbach, Augenklinik des Universitätsklinikums, 72076 Tübingen
Wahrnehmung seiner Rechte interessiert.
Wo das Augenlicht nicht ausreicht, wo die Hand zittert oder verbunden ist, wo das Bewusstsein beeinträchtigt ist und bei vielen anderen Krankheitsfolgen kann der Kranke dieses Werkzeug nicht bedienen. Behinderte können es oft auch nicht. Die ersten Feldtests mit der eGK haben gezeigt, dass schon das Merken ei- ner PIN viele Alte und Kranke überfor- dert . . .
Frau Krüger-Brand appelliert an Ärzte, die anstehenden Onlinetests der Gesund- heitskarte kritisch-konstruktiv zu beglei- ten. Ja, da müssen Ärzte auf die einge- schränkte Möglichkeit Kranker hinwei- sen, aktiv ihre Rechte wahrzunehmen.
Aber auch für Behinderte ist dieses Zwei- Schlüssel-Prinzip eine schwer zu beherr- schende beziehungsweise völlig unprakti- kable Technik. Die Schwierigkeiten die- ser Menschen, mit Karten, PIN, Tastatur, Bildschirm und Menüführung umzuge- hen, darüber hinaus auch noch in Bezug auf die einzelnen Personen (den Arzt, den Mitarbeiter), das Krankenhaus (die Kli- nik, die Organisationseinheit, die Fach- richtung) und seine eigenen Erkrankun- gen, Befunde und Behandlungen zu diffe- renzieren, einer Speicherung gegebenen- falls auch zu widersprechen, sind so of- fensichtlich, dass sie hier keiner Erläute- rung bedürfen. Diese Menschen würden nicht in der Lage sein, ihr Selbstbestim- mungsrecht (beispielsweise Nutzungs- festlegung, Zugriffskontrolle, Berichti- gung, Sperrung, Löschung, Genehmigung oder Versagen von Auskünften) wahrzu- nehmen.
Diese Menschen stellen aber einen beacht- lichen und gleichberechtigten Anteil unse- rer Bevölkerung dar; ihre Lebensbedin- gungen dürfen (Artikel 3, Abs. 3, Satz 2 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt wer- den.“) keinesfalls verschlechtert werden.
Da bestehen bei dieser Telematik-Infra- struktur in ihrer bisherigen Form auch er- hebliche Bedenken an der Verfassungsmä- ßigkeit. Darum sollte, bevor dafür weitere Milliarden ausgegeben werden, dieses Projekt in allen Aspekten verfassungs- rechtlich geprüft werden . . .
Dr. med. Klaus Günterberg, 12623 Berlin
DATENSCHUTZ
Der Patient erhält mit der eGK ein Werkzeug in die Hand, mit dem er seine Daten in der Tele- matikinfrastruktur verschlüsseln und aktiv sei- ne Rechte wahrnehmen kann (DÄ 20/2014:
„Vernetzung des Gesundheitswesens: Wo ist die Alternative?“ von Heike E. Krüger-Brand).
Nichts für Alte und Kranke
. . . Ist der Versicherte jung, gesund und mit der Informatik vertraut, könnte er seine Rechte damit vermutlich auch wahrnehmen. Der Patient aber ist ein Kranker und in seiner Krankheit vor al- lem an Gesundheit und nicht an der