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Archiv "Vilmar: Besonnenheit ist jetzt gefragt" (10.09.1981)

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DEUTSCHE S B LATT

A

Ä RZTE BLATT

rz.tliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Vilmar:

Besonnenheit ist jetzt gefragt

Die Bonner Pläne zur „Kosten- dämpfung" und deren Hinter- gründe waren naturgemäß auch beherrschendes Thema der be- rufspolitischen Veranstaltung des Grado-Fortbildungs-Kon- gresses der Bundesärztekammer am 31. August. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Kar- sten Vilmar, rief die Ärzte und ihre Organisationen zu geschlosse- nem, besonnenem und doch ent- schiedenem Handeln auf.

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Karsten Vilmar hat Ärzte und ärztliche Organisationen auf dem Grado-Kongreß der Bundesärz- tekammer eindringlich davor gewarnt, auf das geplante neue

„Kostendämpfungsgesetz" mit hektischem Aktionismus zu rea- gieren. In der derzeitigen Phase der Gesetzgebung komme es vielmehr darauf an, politisch klug zu argumentieren und die Argumente bei Politikern sowie in der Öffentlichkeit überzeugend vorzubringen.

Die ärztlichen Vertreter haben in den Wochen nach Bekanntwer- den der Gesetzespläne — der Referentenentwurf des Bundesar- beitsministeriums war am 14. August fertiggestellt worden — jede sinnvolle Möglichkeit zu politischen Kontakten genutzt, betonte Vilmar. Über diese Kontakte mit maßgeblichen Politikern der derzeitigen Koalition (namentlich der FDP) und der Opposition habe man nicht immer in aller Öffentlichkeit berichten können.

Dazu habe allein schon die überfallartige Präsentation des Gesetzentwurfs keine Zeit gelassen. Vilmar schätzt die Gesprächsergebnisse als entscheidend ein. Man werde jetzt sehen müssen, wie sich diese Bemühungen in der Gesetzesvor- lage auswirken. Notfalls müsse dann auch an weitere Maßnah- men seitens der Ärzte gedacht werden.

Der Präsident der Bundesärztekammer wandte sich aber nach- drücklich gegen Forderungen, die Ärzte sollten jetzt bereits mit

„Streik" (oder zumindest „Streik"drohungen) ihre Auffassung zur Geltung bringen. Solche Aktionen hätten bereits 1977 beim ersten „Kostendämpfungsgesetz" nur zur Verhärtung der Fron- ten beigetragen. Heute würde das nicht anders sein. Denn, so Vilmar, die Öffentlichkeit verbinde mit dem Wort „Streik" immer Geldforderungen. Auch bei einem „Ärztestreik" würde die Öffent- lichkeit, die über den eigentlichen systemverändernden Gehalt der Bonner „Kostendämpfungspläne" nicht genügend informiert ist, vermuten, den Ärzten gehe es nur ums Geld.

Heft 37 vom 10. September 1981 1709

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

Vilmar zum Kostendämpfungsgesetz Nr. 2

Vilmar ließ allerdings keinen Zwei- fel daran, daß sich die Ärzteschaft systemverändernden Bestimmun- gen des Gesetzentwurfs energisch widersetzen wird. Zunächst gelte es,

Hektik zu vermeiden,

I> überzeugend zu argumen- tieren,

die Öffentlichkeit zu informie- ren und

I> Eskalationsmöglichkeiten of- fenzuhalten (Vilmar: „Streik ist be- kanntlich das letzte Kampfmittel;

man fängt nicht damit an.") Mit besonderem Nachdruck appel- lierte der Bundesärztekammer- Präsident an alle Vertreter der Ärz- teschaft, Geschlossenheit zu zei- gen. Wörtlich: „Die Stärke unserer Argumentation hängt auch von unserer Solidarität ab!" (Beifall der rund 250 Ärzte, die an diesem berufspolitischen Abend in Grado teilnahmen). Vilmar erinnerte in dem Zusammenhang an die Rifor- ma sanitaria in Italien; sie hat die- sem Land ein „regionalisiertes", das heißt ein verstaatlichtes Ge- sundheitswesen beschert. Die Po- litiker haben hier über die Ärzte einfach hinweggehen können, weil sich deren Repräsentanten völlig uneins gezeigt hatten.

Zum Inhalt des Gesetzentwurfs eines „Krankenversicherungs-

Kostendämpfu ngsergänzu ngsge- setzes" (KVEG) (diesen „Kurztitel"

haben die Technokraten im Bun- desarbeitsministerium ihrem Werk verpaßt) äußerten sich Vilmar und der Zweite Vorsitzende der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, Sanitätsrat Dr. Josef Schmitz-For- mes, in Grado übereinstimmend:

Der Entwurf des Bundesarbeitsmi- nisters zeige eindeutig sozialisti- sche Tendenzen. Einigen Ideolo- gen im Ministerium passe der frei- berufliche Arzt nicht ins Konzept.

Daher werde versucht, ihn immer enger in staatliche Vorschriften einzuschnüren.

Als systemverändernd bezeichne- ten beide Ärztevertreter nament- lich folgende vom Bundesarbeits- minister betriebene Maßnahmen:

I> Übertragung des Morbiditätsri- sikos auf die Ärzte (indem die Ver- gütung der erbrachten Leistungen begrenzt wird);

I> Gleichschaltung der Ersatzkas- sen mit den RVO-Krankenkassen;

I> Eingriffe in bestehende, von der Selbstverwaltung geschlosse- ne Verträge (Vilmar: „Man stelle sich vor, derartiges würde für Ta- rifverträge, die Gewerkschaften und Arbeitgeber abgeschlossen haben, gefordert!").

Auch bei „Entschärfung"

des Entwurfs

bleibt Wachsamkeit geboten Selbst wenn sich die Hoffnung er- füllt, daß derartige systemverän- dernde Eingriffe am Widerstand der FDP scheitern — deren sozial- politischer Experte, Hansheinrich Schmidt (Kempten), hat diese Punkte als „nicht konsensfähig"

bezeichnet, und FDP-Chef Hans- Dietrich Genscher hat das gegen- über den Ärztevertretern in einem Spitzengespräch bestätigt — selbst dann also, wenn das Bundeskabi- nett einen „entschärften" Entwurf passieren lassen sollte (das war bei Redaktionsschluß noch nicht klar), ist weiterhin Wachsamkeit geboten. Denn Sprecher der SPD- Fraktion und mit ihnen der Bun- desarbeitsminister werden nur zähneknirschend auf diese Vor- schriften verzichten und jede Chance nutzen, sie bei der parla- mentarischen Beratung erneut einzubringen.

Eingeweihten war schon von An- fang an klar, daß der gesamte Plan zu dem neuen „Kostendämp- fungsergänzungsgesetz" im we- sentlichen ausgeheckt wurde, um einige „Versäumnisse" aus dem Jahr 1977 auszubügeln. Sie betref- fen genau die Punkte: Mengen- komponente, Ersatzkassen, Lauf- zeit der Verträge.

Der KVEG-Entwurf enthält darüber hinaus zwar auch Ansätze zu einer Selbstbeteiligung der Versicher- ten (von Ehrenberg verhüllend als

„Ausgrenzung" bezeichnet) und zu einer „Kostendämpfung" im Krankenhaus. Doch die Kranken- haus-Passagen dürften vom KVEG sehr schnell wieder abgekoppelt werden, da andernfalls das ge- samte Gesetz am Bundesrat schei- tern könnte. Und was die Selbst- beteiligung angeht: Vilmar hält diese geplanten Vorschriften für völlig unausgewogen und zusam- mengestückelt. Wie überhaupt das ganze Gesetz „mit der Schere geschrieben" und aus verschiede- nen Schubladen-Entwürfen des Bundesarbeitsministeriums zu- sammengestoppelt worden sei.

Dr. Vilmar ist überzeugt davon, daß das geplante Gesetz keine durchgreifende Kostendämpfung bringen wird. Der grundlegende Fehler des Bundesarbeitsmini- sters sei es, zuvor keine Analyse der wirklich kostentreibenden Faktoren und Verhaltensweisen durchgeführt zu haben.

Der Bundesärztekammer-Präsi- dent wies nachdrücklich darauf hin, daß die Selbstverwaltung dort, wo der Gesetzgeber ihr Ge- staltungsspielraum eingeräumt hat, wirksam „Kostendämpfung"

geleistet hat. Der Anteil der Ausga- ben für die ambulante Versorgung sei zwischen 1970 und 1980 von rund 22 Prozent auf 17,9 Prozent der gesamten Kassenausgaben gesunken, der Anteil der Kranken- haus-Ausgaben dagegen von 25,2 auf 29,6 Prozent gestiegen. Dort sei allerdings auch der ärztliche Sachverstand bei den Entschei- dungen, die Krankenhausplanung und Wirtschaftlichkeitsfragen be- treffen, ausgeklammert.

Vilmars Analyse des KVEG-Ent- wurfs ergab vor den Zuhörern nicht nur völlige Übereinstimmung mit Schmitz-Formes; sie wurde eben- falls von einem bei dieser Grado- Veranstaltung anwesenden Ver- treter der RVO-Kassen geteilt. Ver- waltungsdirektor E. Ziegler von 1710 Heft 37 vom 10. September 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung Kostendämpfungsgesetz Nr. 2

der Arbeitsgemeinschaft der baye- rischen Krankenkassenverbände wies das Paket aus Bonn unmiß- verständlich zurück: Es würde al- les in allem die Kosten nicht dämpfen, sondern allenfalls verla- gern und außerdem zu weiterer Reglementierung der Selbstver- waltung führen. Ziegler erinnerte auch daran, daß bereits 1977 das

„Kostendämpfungsgesetz" nur deshalb gemacht werden „muß- te", weil die Rentenversicherung mit Hilfe der Krankenkassen sa- niert werden mußte. Würden die Rentenversicherung und der Bund für die Krankenversicherung der Rentner so eintreten wie vor 1977, dann betrüge der Beitragssatz der bayerischen Kassen nicht wie heu- te 11,2 Prozent, sondern lediglich 8,8 Prozent!

Die Verantwortung liegt bei den Politikern

Ein gut Teil Schuld an der so be- klagten Kostenbelastung tragen also die Politiker, die die Kranken- versicherung derart überbelastet haben (die jetzt jemanden suchen, dem sie die Schuld aufbürden können — diesen Jemand beque- merweise in den Ärzten „gefun- den" haben).

Auch Vilmar erinnerte in Grado er- neut an die Verantwortung der Po- litiker: Wer, wie das Haus Ehren- berg, heckenschnittartig die Ko- sten begrenzen wolle, der möge gefälligst auch eingestehen, daß damit letztlich die Leistungen ebenfalls eingeschränkt werden müssen. Die Ansprüche, die der Patient geltend mache, so betonte Dr. Vilmar, seien vom Gesetzgeber einmal per Gesetz geweckt und garantiert worden.

Die Ärzte werden sich dagegen wehren, wenn Konflikte über Lei- stungsbegrenzungen in das Arzt- Patient-Verhältnis getragen wer- den. Der Präsident der Bundesärz- tekammer wörtlich: „Das muß po- litisch verantwortet werden,und das sollten wir gegenüber jeder- mann verdeutlichen!" NJ

Zahlen sprechen gegen Kostendämpfungsgesetz

In der Ende August, kurz vor der erwarteten Verabschiedung eines Kabinettsentwurfs, hochgeheizten öffentlichen Auseinandersetzung über ein zweites Krankenversiche- ru ngs-Kostendämpfungsgesetz wurde als Argument für dessen Notwendigkeit die angeblich un- vertretbare Kostenentwicklung auch auf dem Gebiet der ambulan- ten ärztlichen Versorgung im 1.

Vierteljahr 1981 insbesondere im Ersatzkassenbereich angeführt:

Die Kostensteigerung soll nach Angaben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung 7,9 Pro- zent betragen haben.

D Demgegenüber stellt die Kas- senärztliche Bundesvereinigung nach Vorliegen von mehr als ei- nem Drittel der Gesamtabrech- nungen der Ersatzkrankenkassen fest, daß die Steigerungsrate vom 1. Vierteljahr 1981 auf das 2. Vier- teljahr 1981 von 6,78 Prozent je Mitglied auf 4,3 Prozent zurückge- gangen ist. Damit kann mit einer Ausgabensteigerung bei den Er- satzkassen gerechnet werden, die für das erste Halbjahr deutlich un- ter 6 Prozent liegt. Bei den RVO- Krankenkassen liegt bisher nur das Ergebnis des 1. Vierteljahrs mit einer Steigerung von 6,5 Pro- zent je Mitglied vor. Da erfah- rungsgemäß die Entwicklung hier in etwa gleichförmig zu der bei den Ersatzkassen verläuft, kann angenommen werden, daß diese Zuwachsrate ebenfalls im 2. Vier- teljahr abgesunken ist.

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung hält auch angesichts die- ser Zahlen einen erneuten Eingriff des Gesetzgebers in die Selbstver- waltungs- und Vertragshoheit der Partner in der sozialen Kranken- versicherung für überflüssig. Sie hat am 28. August in einer Pres- seerklärung Regierung und Ge- setzgeber erneut dringend davor gewarnt, einem Gesetzentwurf zur Novellierung des Krankenversi-

cheru ngs-Kostendämpfu ngsge-

NACHRICHTEN

setzes zuzustimmen, der nicht der Kostendämpfung, sondern einer Systemänderung mit Vorbereitung einer Einheitskrankenversiche- rung dient.

Eine Verwirklichung des veröffent- lichten Referenten-Entwurfs aus dem Bundesarbeitsministerium bedeute für den Versicherten we- der Beitragsstabilität noch eine Garantie für den Fortbestand der guten ambulanten medizinischen Versorgung. Die vorgesehenen di- rigistischen Eingriffe in die Selbst- verwaltung würden Beitragsstei- gerungen und eine Minderung des medizinischen Leistungsangebots bewirken. PdÄ

Krankenstand innerhalb zehn Jahren verdoppelt

Der Krankenstand der gewerbli- chen Arbeitnehmer der Eisen, Blech und Metall verarbeitenden Industrie ist von gut 4,5 Prozent im Jahr 1969 auf rund 9 Prozent im Jahre 1979 gestiegen. Am 1. Januar 1970 ist das Lohnfortzahlungsge- setz in Kraft getreten.

Einem Bericht im „Mittelstands- magazin" zufolge liegt der Kran- kenstand bei den weiblichen und männlichen ausländischen Arbeit- nehmern jeweils um ein Drittel hö- her als bei den deutschen. Das Magazin beruft sich auf eine Un- tersuchung des Institutes zur För- derung industrieller Klein- und Mittelbetriebe. Danach klagen vie- le Betriebe darüber, daß Ärzte zu schnell eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigten, aber auch über ei- ne systematische Ausnutzung des Lohnfortzahlungsgesetzes.

Eine „kleine Gruppe von Arbeit- nehmern, die fast professionell krank feiert", habe sich spezifi- sche medizinische Kenntnisse an- geeignet, um Ärzte durch kurzfri- stig schwer diagnostizierbare Krankheiten zur Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu bewegen, heißt es im Bericht des „Mittelstandsmagazins". NJ DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 10. September 1981 1711

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