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Archiv "Vilmar fordert Absprachen über die Qualitätssicherung" (23.03.1989)

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Vilmar fordert Absprachen über die Qualitätssicherung

sen Zeiten, vor allem der Ausbil- dungszeiten. Die bisherige Voraus- setzung für die Anrechnung solcher Zeiten, nach der die Hälfte der Ver- sicherungszeit mit Pflichtbeiträgen belegt sein muß („Halbbelegung"), entfällt. Berücksichtigt werden künf- tig auch freiwillige Beiträge. Erge- ben sich im Versicherungsverlauf je- doch Beitragslücken, so führt dies zu einer anteiligen Abwertung dieser Zeiten. Bewertet werden die Ausbil- dungszeiten künftig mit 75 Prozent der individuellen Beitragsleistung, höchstens jedoch mit 75 Prozent des jeweiligen Durchschnittsentgelts (bisher 90 Prozent). Frauen mit Kin- dern werden dadurch begünstigt, daß sie bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes so gestellt werden, als hätten sie einen Beitrag gezahlt, der dem Beitrag bei 75 Prozent des Durchschnittsentgelts entspricht.

Diese Neuregelung führt zu ei- ner Verbesserung der Renten von Frauen, die Kinder haben, allerdings auch von jenen Versicherten, die bis- lang nicht die Halbbelegung erreicht haben. Dagegen müssen Versicher- te, die zur Sicherung der Halbbele- gung zwar lange Jahre Beiträge ent- richtet, aber doch zwischen dem 16.

Lebensjahr und dem Versicherungs- fall größere Beitragslücken haben, mit erheblichen Abstrichen von ih- ren Anwartschaften rechnen. Das gilt vor allem für Akademiker, zumal die Anrechnung von Ausbildungszei- ten auf 7 Jahre (bisher in der Regel bis zu 9 Jahre) begrenzt wird. Diese Eingriffe werden über zehn Jahre hinweg durch eine Übergangsrege- lung gemildert.

• Auf die Renten sollen für Kinder, die nach 1991 geboren wer- den, nicht nur ein Jahr, sondern drei Jahre der Kindererziehung ange- rechnet werden.

• Versicherte mit geringen Verdiensten, die 25 Versicherungs- jahre nachweisen können, werden bislang so gestellt, als hätten sie bis 1972 Beiträge in Höhe von 75 Pro- zent des dem jeweiligen Durch- schnittsentgelt entsprechenden Sat- zes entrichtet. Diese „Rente nach Mindesteinkommen" wird nun bis 1991 verlängert, allerdings nur für je- ne, die 35 Versicherungsjahre nach- weisen. Walter Kannengießer

Für die Ärzteschaft gibt es kei- nen Anlaß, sich mit dem Gesund- heits-Reformgesetz (GRG) abzufin- den und zur Tagesordnung überzu- gehen. Andererseits wäre es „tö- richt" und „gefährlich" von seiten der Ärzteschaft, jegliche aktive Mit- arbeit an der Umsetzung des GRG zu verweigern und sich in „Obstruk- tion" zu üben. Dies war der Tenor des berufspolitischen Kolloquiums während des 37. Internationalen Fortbildungskongresses der Bundes- ärztekammer und der Österreichi- schen Ärztekammer in Davos (am 8. März). Dr. Karsten Vilmar, der Präsident der Bundesärztekammer, sprach sich dafür aus, innerhalb der Ärzteschaft eine aktive Strukturpoli- tik zu betreiben und mit ärztlichem Sachverstand realisierbare Alternati- ven aufzuzeigen und auf deren poli- tische Realisierung zu drängen.

Konstruktive Haltung der Ärzteschaft

Als pure Polemik bezeichnete Vilmar Unterstellungen, die Ärzte- schaft sei ein „Kartell der Nein-Sa- ger und Ablehner". Eine „Ge- schichtsfälschung" wäre es auch, den Ärzten anzukreiden, sie hätten sich aus der politischen Gesamtverant- wortung bei der sogenannten Struk- turreform herausgestohlen. Tatsäch- lich habe die Ärzteschaft durch Ver- tragsvereinbarungen und Selbstver- waltungsbeschlüsse vor allem in der Honorarpolitik dazu beigetragen, daß die Ausgabenentwicklung im ambulanten ärztlichen Sektor bereits seit Jahren im Rahmen der Grundlohnsummenentwicklung der Kassen-Versicherten liege.

Was die Bundesärztekammer im GRG-Reformgeschäft vor allem ver-

mißte, ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel und die ordnungspoliti- sche Konsistenz der Reformmaßnah- men. So seien die eigentlichen Ursa- chen der Kostendynamik im Ge- sundheitswesen nicht angegangen worden. Vilmar vermißt vor allem ein Konzept zur Lösung der Finan- zierungsprobleme der Krankenversi- cherung der Rentner, eine gesund- heitspolitische Antwort auf die Ver- schiebungen im Bevölkerungsaufbau (Überalterung der Bevölkerung, Stagnation bei der Zahl der Er- werbstätigen, Verkleinerung der Fa- miliengröße u. a.), ein Gesamtkon- zept zur Finanzierung und Anwen- dung des medizinischen Fortschritts und — vor allem — die Lösung der Or- ganisations- und Strukturprobleme der gesetzlichen Krankenkassen. Die Reformstufe zwei — die allerdings nicht vor 1992 zu erwarten sei — müs- se vor allem das Problem der Bei- tragsunterschiede (heute zwischen 8 und 16 Prozent) lösen, andernfalls seien das gegliederte Prinzip der ge- setzlichen Krankenversicherung und das sie tragende Prinzip der staats- freien Finanzierung, der Selbstver- waltung und der Freiberuflichkeit der Ärzte nicht zu halten.

Im Zuge der Strukturreform in der Rentenversicherung dürften nicht erneut Versuche unternommen werden, Finanzierungslasten auf die Krankenversicherung zu verschie- ben.

Als positiv bewertete Vilmar, daß im Zuge des Reformgesetzes die gesetzlichen Pflichtleistungen zur Prävention, gesundheitlichen Auf- klärung und Krankheitsfrüherken- nung verbreitert wurden. Anderer- seits sei es ein Vabanquespiel, das Schwerstpflegerisiko über die Kas- senetats finanzieren zu wollen und die Finanzierungsrechnung allein

Berufspolitik in Davos: Anhaltende Kritik an der „Strukturreform"

Dt. Ärztebl. 86, Heft 12, 23. März 1989 (19) A-779

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auf erhoffte, aber kaum realisierbare Sparreserven zu stützen.

Besonders aufmerksam müsse — erklärte Vilmar in Davos — der Ar- beitsmarkt für Ärzte beobachtet wer- den, der selbstverständlich Rückwir- kungen auf den gesamtwirtschaft- lichen Ressourcenbedarf im Ge- sundheitswesen habe. Keine Politik könne es sich leisten, auf Dauer 6000 bis 10 000 arbeitslose Mediziner fi- nanziell „über Wasser" zu halten.

Die Ärzteschaft erwarte von der Po- litik und den Vertragspartnern ein angemessenes Rezept zur Bewälti- gung der „Ärzteschwemme". Ein Lichtblick sei es, daß sich die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) nach langem Lavie- ren darüber verständigen konnte, die Kapazitätsverordnungen für das Nu- merus-clausus-Fach „Medizin" zu ändern. Planziel ist es, die Zahl der Anfänger im Medizinstudium von derzeit rund 12 000 Studenten auf 9000 zu reduzieren. Allerdings gibt es zwischen den Ländern noch kei- nen Konsensus. Bei einem ;,Ersatz- bedarf" von 6000 neu hinzukommen- den Ärzten p. a. wären dies immer noch 3000 Jungärzte zuviel, aber im- merhin ein tolerabler und bildungs- politisch verantwortbarer Lösungs- schritt. Wie Vilmar berichtete, soll die Kapazitätsverordnung so umge- stellt werden, daß die Zahl der sta- tionären Patienten auch ausschlag- gebend für die Kapazitäten in der Vorklinik und im klinischen Studium sein soll. Richtiger wäre aber, die Zahl der Studienplätze ausschließ- lich nach der für die Ausbildung zur Verfügung stehenden und geeigne- ten stationären Patienten auszurich- ten, so Dr. Vilmar.

Auf positives Echo bei den Re- präsentanten aus ärztlichen Verbän- den und Körperschaften stießen in Davos einige Anregungen des Sach- verständigenrates für die Konzertier- te Aktion im Gesundheitswesen. Die Empfehlungen, eine regelmäßige, in- stitutionalisierte Gesundheitsbe- richterstattung aufzubauen, um die Datenlücken vor allem in der Morbi- ditäts- und Mortalitätsstatistik zu schließen, würden von der Ärzte- schaft uneingeschränkt begrüßt. Al- lerdings müsse die Gesundheitsbe- richterstattung „ordnungspolitisch

neutral" bleiben. Die Ärzteschaft könne dazu nur einen Beitrag lei- sten, wenn die Berichterstattung kei- ne politischen Ziele impliziere und die gesammelten und ausgewerteten Daten nicht für politische Kosten- dämpfungs- und Budgetierungs- zwecke eingespannt würden.

Auch die Anregungen, die Qua- litätssicherung im ambulanten und stationären Bereich zu verbreitern, stoßen bei der Ärzteschaft auf positi- ves Echo. Einen weiteren Durch- bruch für qualitätssichernde Maß- nahmen erwartet die Ärzteschaft, nachdem das GRG in den Paragra- phen 112 und 137 SGB V den Kran- kenkassen nunmehr eine klar defi- nierte finanzielle Mitverantwortung für die erheblichen zusätzlichen Ko- sten der Qualitätssicherung auferlegt habe. Den Ärztekammern und den Kassenärztlichen Vereinigungen könne aber nicht zugemutet werden, diese Kosten aus Mitgliedsbeiträgen oder der Verwaltungskostenumlage zu bestreiten. Auch komme eine Vorfinanzierung dieser ausschließ- lich von den Krankenkassen zu über- nehmenden Kosten nicht in Be- tracht, betonte Vilmar.

„Essentials" für die Qualitätssicherung

Für die Ärzteschaft gebe es bei der Qualitätssicherung unverzichtba- re Essentials: Die Qualität der ärzt- lichen Versorgung muß gleichbe- rechtigt neben der Forderung nach mehr Wirtschaftlichkeit und Effi- zienz stehen. Qualitätssicherungs- maßnahmen müßten auf den ärzt- lichen Sachverstand und die Akzep- tanz aller Beteiligten aufbauen.

Die Durchführung von Quali- tätssicherungsprogrammen ist auf die Kooperation der Beteiligten und ärztlichen Sachverstand angewiesen.

Ihr Erfolg läßt sich von außen kon- trollieren, wenn für alle Gebiete der Medizin geeignete Kriterien und Methoden erarbeitet und auf dieser Grundlage objektive Standards ent- wickelt werden. Nur so könne die Qualitätssicherung das ärztliche Handeln zugunsten der Patienten verbessern, sagte Vilmar. Vordring- lich ist es, in allen Bundesländern

Absprachen zwischen der Ärzte- schaft, den Krankenkassen und den Krankenhausträgern zu treffen, wie es die bereits vor zwei Jahren in Ba- den-Württemberg und in Nordrhein- Westfalen in Kraft gesetzten Ab- kommen beinhalten.

Die Bundesärztekammer unter- stützt die Forderungen des Sachver- ständigenrates, eine ausreichende erfolgreiche Durchführung von qua- litätssichernden Maßnahmen in ge- eigneter Form nachzuweisen (etwa durch Zertifikate). Auch müsse noch vertraglich festgelegt werden, wem die Leitfunktion und die Koordina- tion bei der Qualitätssicherung über- tragen werden solle und wer für die Kontrolle und Nachweise verant- wortlich sein soll. Die Akzeptanz der Qualitätssicherung innerhalb der Ärzteschaft müsse leiden, wenn technokratische und bürokratische externe Verwaltungslösungen ok- troyiert würden. Ein „unabhängig agierendes Institut für die Förde- rung der Qualitätssicherung", wie es der Sachverständigenrat empfiehlt, könne auch keine Wunder bewirken.

Der Erfolg systematisch betrie- bener, fortlaufend ergänzter und überprüfter Qualitätssicherungs- maßnahmen hängt wesentlich von der Praktikabilität und Akzeptanz der gebietsspezifischen Qualitäts- kontrollen ab. In manchen Gebieten

— etwa der Psychiatrie und Psy- chotherapie — ist das Spektrum der Qualitätssicherung eo ipso begrenzt.

Jeder Arzt ist aufgerufen, so Vilmar, die Qualität der Behandlung aller Kranken und Hilfsbedürftigen si- cherzustellen und die Anleitungen der Selbstverwaltung umfassend in Praxis und Klinik zu nutzen. Dazu trügen wesentlich eine fundierte ärztliche Aus- und Weiterbildung und eine lebensbegleitende eigen- verantwortliche Fortbildung bei.

Die Bundesärztekammer hat bei ihren Internationalen Fortbildungs- kongressen die Empfehlungen des jüngsten Jahresgutachtens des Sach- verständigenrates aufgegriffen und ein Expempel statuiert: Ärztinnen und Ärzte, die mindestens 18 Stun- den Fortbildungsaktivitäten während des 14tägigen Fortbildungskongres- ses nachweisen, erhalten ein Zertifi- kat als Fortbildungsnachweis. HC A-780 (20) Dt. Ärztebl. 86, Heft 12, 23. März 1989

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