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Archiv "Katastrophenvorsorge Dr. Vilmar zur Einstellung der Bundesärztekammer" (05.11.1981)

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Die Information:

Bericht und Meinung

KATASTROPHENVORSORGE

taz: Ein Ärztekongreß im Frühjahr 81 in den USA und das offizielle Organ der amerikanischen Ärzteschaft haben fest- gestellt, daß wirksame medizinische Hilfe in jedem Atomkrieg unmöglich sei. Die US-Mediziner erklären sich für „macht- los". Wie sieht es die deutsche Ärzte- kammer?

Dr. Vilmar: Wir haben ähnliches er- klärt, einmal in der taz im September 80. Dann ist 1965 eine längere Serie im „Deutschen Ärzteblatt" erschie- nen, die aufzeigt, daß man bei einer atomaren Auseinandersetzung, vor allen Dingen in größerem Ausmaß, eine wirksame ärztliche Hilfe nicht leisten kann, einfach weil die Rela- tion zwischen Verletzten und überle- benden Ärzten und anderem Hilfs- personal das nicht möglich macht.

Es stehen weder Medikamente, noch Blut oder Knochenmark in der- artigen Massen zur Verfügung.

taz: Wie steht denn die Ärztekammer zu dem geplanten Gesundheitssicherstel- lungsgesetz, welches ja eine Dienstver- pflichtung aller im Gesundheitswesen Tätigen vorsieht und was damit vorgibt, eine wirksame Hilfe im Fall eines atoma- ren Angriffs zu leisten?

Dr. Vilmar: Diese Behauptung ist einfach Unsinn, denn das ist nicht die Vorgabe des Gesundheitssicher- stellungsgesetzes. Dieses Gesetz soll die medizinische Versorgung auch im Spannungs- und Verteidi- gungsfall sichern. Die Vorkehrun- gen für derartige Fälle haben natür- lich auch ihren Vorteil für Katastro- phenfälle anderer Art, wie Naturka- tastrophen oder aber auch bei gro- ßen Unfällen in der chemischen In- dustrie, der Atomindustrie oder auf der Autobahn. In solchen Fällen kann man doch eine ganze Menge machen, auch wenn man nicht im- mer allen helfen kann. Die Ärzte müssen Vorkehrungen treffen, um möglichst vielen Menschen auch un- ter ungünstigen Bedingungen mög- lichst wirksam helfen zu können.

taz: Wie steht denn die Ärztekammer zu der Funktionalisierung der Mediziner für die sogenannte Zivilverteidigung, durch die laut Bundesminister Baum ja erst ge- währleistet ist, „daß die atomare Ab- schreckung ihre volle Wirkung erzielen kann?"

Dr. Vilmar: Ob die atomare Ab- schreckung erst dann gewährleistet ist, wenn man Zivilschutz betreibt — das ist sehr die Frage. Andererseits ist die Glaubwürdigkeit von Verteidi- gungsbemühungen jeglicher Art, auch konventioneller Art, und die ist ja auch nicht völlig aus der Welt, erst dann gegeben, wenn man auch für seinen eigenen Schutz etwas zu tun bereit ist.

taz: Da liegt doch ein Widerspruch zu Ihren Äußerungen über die Aussage der amerikanischen Ärzteschaft. Denen ha- ben Sie doch eben zugestimmt in der Einschätzung, daß keine Hilfe beim ato- maren Angriff möglich ist.

Dr. Vilmar: Das ist richtig, aber wer sagt denn, daß es in kriegerischen Auseinandersetzungen sofort zu atomaren Angriffen kommt. Das wä- re allerdings eine Menschheitskata- strophe. Andererseits hat es seit dem 2. Weltkrieg viele Kriege gege- ben, bei denen die Streitenden im Besitz von Atomwaffen waren, diese aber nicht einsetzten. Für solche Fälle ist es möglich, den Kreis der Geschädigten durch Schutzmaß- nahmen kleiner zu halten, als es oh- ne jede Vorkehrung der Fall wäre.

taz: Zurück zum Fall eines atomaren An- griffes. Wie sehen denn die konkreten Vorstellungen der Ärztekammer für die Vorsorgemaßnahmen in der Bevölke- rung und unter den Ärzten für den Fall aus? An sich ist die doch sinnlos.

Dr. Vilmar: Das ist das Problem, was hier ansteht. Wenn eine atomare Auseinandersetzung kommt, trifft sie wahrscheinlich das Ärzte- und Krankenpersonal, sowie das appara-

tive und räumliche Potential. Das würde dann auch ausfallen, so daß man nur auf die peripheren Ressour- cen zurückgreifen könnte. Und ob die erhalten bleiben, hängt von der Anzahl der explodierenden Atom- sprengköpfe ab.

taz: Nun hat ja der Hamburger Ärzte- Kongreß gegen den Atomkrieg herausge- stellt, daß selbst beim Abwurf einer takti- schen Atombombe keine Hilfe möglich sein wird.

Dr. Vilmar: Das kommt darauf an, wo man mit der Hilfe eingreift. Den Men- schen, die sich gerade im Abwurf- zentrum aufhalten, kann man nie- mals helfen. Je weiter man aber vom Explosionsherd entfernt ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit ei- ner medizinischen Hilfsmöglichkeit, wenn man die entsprechenden Vor- kehrungen getroffen hat. Und aus- schließlich darum geht es.

taz: Aber selbst bei sehr kleinen Atom- bomben mit einer Sprengkraft von einer Megatonne wird es ja eine Million Tote und 500 000 Schwerverletzte geben. Wie soll da die Hilfe aussehen?

Dr. Vilmar: Man muß doch auch dann versuchen, möglichst vielen zu helfen, die man retten kann, und die dafür notwendigen Vorkehrungen treffen. Wenn z. B. in Norddeutsch- land eine Bombe abgeworfen wird, kann man im Fall, daß es bei dieser einen Bombe bleibt, noch ärztliche Hilfe z. B. aus dem süddeutschen Raum heranholen. Auch dann wird man allerdings nicht allen helfen können. Bei einem flächendecken- den Bombardement ist dagegen die Sache aus — und zwar total.

taz: Aber wie soll denn die konkrete Hilfe aussehen, was wird da von der Ärztekam- mer vorgeschlagen?

Dr. Vilmar: Wir haben bisher nie eine Vorbereitung ausschließlich für ei- nen taktischen atomaren Angriff vor- geschlagen, sondern für Katastro- phen aller Art. Das ist in Hamburg verdreht worden.

taz: Wie stehen Sie denn zu der Hambur- ger Initiative von 1400 Ärzten, daß eine Fortbildung für den Fall einer atomaren Katastrophe völlig sinnlos ist und nur Sand in die Augen der Bevölkerung streuen würde — und sie deshalb diese Fortbildung verweigern?

Dr. Vilmar: Eine Fortbildung für den Fall einer atomaren Katastrophe for-

Katastrophenvorsorge Dr. Vilmar zur Einstellung der Bundesärztekammer

Interview der Zeitung „Die Tageszeitung" (taz), Berlin, mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2112 Heft 45 vom 5. November 1981

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Katastrophenvorsorge

dert ja auch die Ärzteschaft gar nicht, sie fordert eine Fortbildung in Katastrophenmedizin. Daran sieht man die Verdrehung dieser Initiati- ve, wohl weil eine gute Intention mit politischen Intentionen vermengt wird.

taz: Aber die Katastrophenschutzschule

des Bundes in Ahrweiler betreibt schon seit längerem eine sogenannte "verteidi- gungsfallbezogene Medizin" und die

schließt ausdrücklich Ausbildung für ato-

mare Auseinandersetzungen ein.

Dr. Vilmar: Das ist ja auch richtig.

Das eine schließt doch das andere nicht aus. Die bisherigen Schutzvor- kehrungen sind völlig unzureichend und müssen ausgebaut werden. Ge- gen atomare Volltreffer und Flä- chenbombardements kann man zwar nichts machen, aber man muß doch nicht immer vom größtmögli- chen Unfall ausgehen, sondern prü- fen, wie man sich eben gegen ande- re, kleinere Katastrophen wirksam schützen kann.

taz: Wie ist denn Ihre Meinung zu der Einschätzung des Hamburger Kongres- ses, daß die einzig wirksame Hilfe die atomare Abrüstung ist?

Dr. Vilmar: Das wäre natürlich das beste, bloß das erfordert, daß beide Seiten abrüsten. Kein vernünftiger Arzt in der Ärztekammer ist dafür, daß die Weit aufgerüstet wird. We- der konventionell, noch atomar, nur setzt das voraus, daß in allen Macht- blöcken diese Einsicht einkehrt und danach gehandelt wird.

taz: Wieso kommt keine eindeutige Stel-

lungnahme seitens der Ärztekammer zur Notwendigkeit der Abrüstung, wie es aus Kirchenkreisen erfolgt? Das hat doch seine politische Wirkung. Ihre britischen Kollegen haben dies doch auch vorge- nommen.

Dr. Vilmar: Weil das primär ein po- litisches Problem ist, um das sich der Bundestag kümmern muß und nicht in erster Linie die Ärzte.

Die Ärzte müssen darauf hinweisen, daß bei einem Atomkrieg ärztliche Hilfe nicht mehr möglich ist. Das ha- ben wir schon mehrfach herausge- stellt. Bei einem Flächenbombarde- ment der Bundesrepublik oder eines anderen Landes ist ärztliche Hilfe nicht nur nicht mehr möglich, son- dern es benötigt auch niemand

mehr Hilfe.

D

Wie hoch sind denn die Arzt·

Einkommen?

Alle Jahre wieder, möchte man fast im Gleichklang mit einem Liedbeginn formulieren, taucht ei- ne Frage in den Abgeordnetenrei- hen auf: "Verfügt die Bundesre- gierung über Erkenntnisse dar- über, wie hoch die Einkommen der niedergelassenen Ärzte, der Zahnärzte, der Krankenhausärzte und Apotheker sind?"

Zu dieser weder originellen noch neuen Frage fühlte sich der SPD- Abgeordnete und hauptberufliche Gewerkschaftssekretär Hans- Eberhard Urbaniak, stellvertreten- der Bundesvorsi.tzender der Ar- beitsgemeinschaft für Arbeitneh- merfragen in der SPD (AfA), Dort- mund, befleißigt. So liebend gern der parlamentarische Staatssekre- tär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Her- mann Buschfort (SPD), sicherlich mit aktuellen amtlichen Zahlen in der Fragestunde am 16. Septem- ber aufgewartet hätte, allein man- gels fundierter neuerar Erkennt- nisse mußte er fürs erste passen.

Das Ministerium, zuweilen auf hieb- und stichfestes amtliches Material bedacht, mußte eingeste- hen, das Statistische Bundesamt ha:be zum letzten Mal1975 im Rah- men der amtlichen Kostenstruk- turerhebungen bei Freiberuflern auch die Einkommen der nieder- gelassenen Ärzte und Zahnärzte sowie deren Praxiskosten detail- liert unter die Lupe genommen.

Erst Ende 1981 ist die nächste Sta- tistik fällig, die erfahrungsgemäß frühestens eineinhalb Jahre nach dem Erhebungszeitraum dann in die Annalen des Wiesbadener Bundesamtes aufgenommen wer- den dürfte.

Der clevere Staatssekretär war dennoch um eine Antwort nicht verlegen: Flugs hob er das Zen- tralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik

Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

(ZI), die gemeinnützige wissen- schaftliche Stiftung der KBV und der Kassenärztlichen Vereinigun-

gen, auf das amtliche Podest und

konstatierte: Das Kölner Institut habe aufgrund einer Repräsen- tativuntersuchung der Gesell- schaft für Betriebswirtschaftliche Beratung (GEBERA) für 1979 ein Brutto-Jahreseinkommen (vor Steuern) für niedergelassene Ärz- te in Höhe von angeblich durch- schnittlich 176 114 DM ermittelt.

Der Vergleichswert der zahnärztli- chen Einkommen habe 1979 exakt bei 220 536 DM gelegen.

Der Abgeordnete Urbaniak war's zufrieden, der Aha-Effekt (um nicht zu sagen: Neid-Effekt) war erzielt. Nur, die so überzeugend klingenden Zahlen sind leider falsch. Staatssekretär Hermann Buschfort hatte erneut falsch über die Höhe der durchschnittlichen Einkommen informiert. Über den Daumen gepeilt, schob er dem Durchschnitts-Arzt-Einkommen vor Steuern rund 20 000 DM hinzu.

(Zur Information: Das Zentralinsti- tut ermittelte ein durchschnittli- ches Arzt-Einkommen vor Steuern im Jahr 1979 von exakt 158 925 DM.)

..,.. Der böse Beigeschmack beim regierungsamtlichen Umgang mit Statistiken und Zahlen durch Re- gierungssprecher bleibt: Zufall oder System?

Wohl eher System. Die Kollegin Buschforts, die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesmini- sterium für Arbeit und Sozialord- nung, Anke Fuchs, wiederholte wenig später die falsche Zahlen- behauptung mit der zusätzlichen Häme, "während beamtete Ärzte nicht einmal ein Drittel dessen ver- dienen".

Wenn es wahr wäre, könnte die richtige Folgerung nur lauten: Der Staat muß seine beamteten Ärzte, Pension hin, Pension her, wäh- rend ihrer aktiven Dienstzeit bas- serstellen als bisher! An Neidkom- plexe zu appellieren ist allerdings

billiger. . . B/HC

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 45 vom 5. November 1981 2113

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