Stärken,
nicht schwächen!
Grußwort von Karsten Vilmar
Zu
Beginn der Sitzung der KBV- Vertreterversammlung begrüß- te der Erste Vorsitzende, Dr.
Hans Wolf Muschallik, als Eh- rengäste den Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Kar- sten Vilmar, und den BÄK- Hauptgeschäftsführer, Profes- sor J. F. Volrad Deneke. In ei- nem Grußwort führte Dr. Vilmar unter anderem folgendes aus:
Die
Probleme der Gesund-
heits- und Sozialpolitiksind so
ungeheuer groß,wenn man da- zu
noch dieProbleme der Bil- dungspolitik und deren vielfälti- ge WechS'elwirkungen rechnet
— ich erinnere an die Arztzahlen
—, daß es sicher nur in gemein- samer Anstregnung der gesam- ten Ärzteschaft möglich sein
wird,sie zu bewältigen und Schaden von uns, aber wesent- lich auch von unseren Patien- ten, abzuwenden. Ich glaube daher, daß es außerordentlich
und mehrals je zuvor auf eine
engeKooperation der Kam-
mern
und derKassenärztlichen Vereinigungen auf Länder- und Bundesebene ankommt .. . Ich glaube, daß es gerade durch
dieFlexibilität der Selbstver-
waltung möglich gewesen ist, ein derart hohes Niveau der ärztlichen Versorgung, aber auch der
sozialen Sicherungin unserem Staate zu erreichen.
Für die Flexibilität der ge- meinsamen Selbstverwaltung spricht jetzt wieder der Ersatz- kassenvertrag Gemeinsame Selbstverwaltung ist auch hier wirksam geworden. Manche Reaktionen darauf können ei- gentlich nur verwundern, wenn man sie vergleicht mit mancheh Aussagen, daß es doch gerade um die Stärkung der gemeinsa- men Selbstverwaltung ginge.
Das sollte doch das Ziel man- cher Gesetzesvorschriften sein;
es wird auch jetzt wieder bei der Novellierung des Kranken- hausfinanzierungsgesetzes be- hauptet, es ginge darum, die Selbstverwaltung zu stärken!
Da drängen sich Assoziationen auf, was eigentlich Selbstver- waltung ist. Ob etwa manche Leute unter Selbstverwaltung nur verstehen, daß sie selbst al- les Gemeinsame verwalten? — das kann doch wohl nicht das Ziel einer echt gemeinten Selbstverwaltung sein . . . Ich glaube, alles In allem be- steht trotz vieler großer Schwie- rigkeiten kein Grund zur Resi- gnation, wenn wir die Probleme nur gemeinsam anpacken und uns unserer Stärke und der Stärke vor allem auch unserer Argumente bewußt werden."
Die Information:
Bericht und Meinung
Die inzwischen von den Bundes- verbänden der RVO-Krankenkas- sen erfolgte Kritik an diesem Er- satzkassen-Abschluß beruht mei- nes Erachtens auf einer nicht zu- treffenden Rechtsauslegung des
Kran kenversi cheru ngs-Kosten- dämpfungsgesetzes. Diese Kritik zeigt darüber hinaus, daß die Bun- desverbände der RVO-Kranken- kassen nach wie vor außerordent- lich wetterfühlig die Entwicklung auf dem Ersatzkassensektor beob- achten und jede Vereinbarung, die auch nur den Anschein eines fort- schrittlichen und damit für die Er- satzkassen wettbewerbsgünstigen Ergebnisses bringt, beargwöhnen.
Der Ende November in dieser An- gelegenheit vom Bundesverband der Ortskrankenkassen, zugleich im Namen der Bundesverbände der Betriebs- und der landwirt- schaftlichen Krankenkassen ge- schriebene Brief bezeichnet den Ersatzkassenabschluß als schwere Belastung für zukünftige RVO-Be- ratungen, wobei Störungen der Partnerschaft, ja ein Scheitern der Konzertierten Aktion als nicht aus- geschlossen bezeichnet werden.
Eine solche Haltung der RVO- Bundesverbände gegenüber den Ersatzkassen und letztlich auch gegenüber uns Kassenärzten kann ich nur bedauern.
• Der von den RVO-Kassen geäu- ßerten Vermutung über das auf Grund des Ersatzkassenvertrages angeblich vorprogrammierte Scheitern der März-Sitzung der Konzertierten Aktion im nächsten Jahr muß ich allerdings ausdrück- lich widersprechen.
• Die Kassenärzteschaft ist nach wie vor bereit, in diesem gesetz- lich bestimmten Gremium verant- wortungsvoll mitzuarbeiten, und sie ist bereit, auch mit den RVO- Kassen nach Einzelleistungen er- rechnete Gesamtvergütungen zu vereinbaren, die eine vertretbare Entwicklung der Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung ermöglichen.
Ich betone all dies mit so großer Überzeugung, weil es die Initiative
der Kassenärzte war, welche in Ausnutzung der Handlungsfreiheit und des Handlungsspielraums ei- ner verantwortungsvollen Selbst- verwaltung unter Erbringung gro- ßer eigener finanzieller Opfer die Dämpfung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen lange vor gesetzlichen Maßnahmen einge- leitet hat. Es wäre absurd, der Ärz- teschaft nun unterstellen zu wol- len, daß sie bei der legitimen Ver- tretung ihrer wirtschaftlichen In- teressen heute die ökonomischen Gesamtzwänge und das Gemein- wohl nicht mehr sähe oder außer acht ließe.
Die Notwendigkeit der Erhaltung eines ausreichenden Handlungs- spielraums unterstreicht ja auch die Bundesregierung selbst in der
Begründung zum Entwurf des Kran kenversicheru ngs-Kosten- dämpfungsgesetzes, wenn sie schreibt: Ein Ziel des Gesetzes ist es vor allem, „den Handlungs- spielraum der Versicherten, Ärzte und Krankenkassen über ihre Selbstverwaltungseinrichtungen zu erweitern".
Wie kann ein solcher gemeinsa- mer Handlungsspielraum, so frage ich, besser genutzt werden als durch freivertragliche Vereinba- rungen zwischen verantwortlichen Partnern. Ohne solche freivertrag- lichen Vereinbarungen — das weiß doch jeder Sachkenner — wäre das bisherige Wirken der Konzertier- ten Aktion im Gesundheitswesen zumindest in einer so gefälligen Form kaum möglich gewesen. >
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51/52 vom 21. Dezember 1978 3083