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Archiv "SELBSTVERWALTUNG: Karsten Vilmar: Demokratische Spielregeln" (31.01.1980)

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BRIEFE AN DIE REDAKTION

SELBSTVERWALTUNG

Spott für das Grußwort von Dr. Karsten Vilmar vor dem Bayerischen Ärztetag (Heft 44/1979, Seite 2867), aber auch Spott für die Meinungsbildung innerhalb der Selbstverwaltung:

Anhaltende

Meinungsbildung

„Selbstverwaltung ist vom Gesetz- geber eingerichtet, damit besonde- rer Sachverstand wirksam wird." Mit dieser bedeutsamen Feststellung beginnt ein Auszug aus dem Gruß- wort des Präsidenten der Bundes- ärztekammer vor dem Bayerischen Ärztetag in Bad Tölz.

Und also sprach der Präsident:

„Selbstverwaltung kann aber nur wirksam werden, wenn demokra- tisch gefaßte Beschlüsse in den Gre- mien auch beachtet werden, sowohl von den eigenen Mitgliedern, die möglicherweise in einer Minderheit unterlegen sind, wie auch in ihren Verbänden. Dies muß ganz beson- ders jetzt hervorgehoben werden nach dem letzten Deutschen Ärzte- tag, als man in einigen Bereichen den Eindruck hatte, als solle hier eine Erosion der Selbstverwaltung stattfinden durch Leute, die ihre Ab- stimmungsniederlagen nicht verwin- den konnten, oder aber auch durch Leute, die die Wahrheitsfindung durch einen Dialog mit sich selbst im Spiegel betrieben."

Der Leser stutzt: Was für „Leute"

sind hier vom Herrn Präsidenten ge- meint? Vielleicht Leute aus seinem Volk, also Teilnehmer des Ärzteta- ges, möglicherweise Kollegen? Hal- ten wir fest: Für unseren Präsiden- ten sind Kollegen, von denen er den Eindruck hat, daß sie ihre Abstim- mungsniederlage nicht verwinden konnten, ganz schlicht „Leute".

Man spürt geradezu die Leutselig- keit seiner Präsidentschaft. Aber dies ist ein Irrtum! Vor „Leuten"

wird gewarnt: „Es darf auch nicht dazu kommen, daß man Leuten, die lautstark in die Landschaft hineinre- den, mehr Glauben schenkt, denn Lautstärke allein ist kein Argument."

Hier hat der Präsident zweifellos recht: Lautstärke ist kein Argument.

Allerdings weder bei Leuten noch bei Präsidenten.

Spaß beiseite, unserem Präsidenten ist es blutiger Ernst: „Wenn wir zu- lassen, daß die Selbstverwaltung auf derartige Weise erodiert wird, hat das nicht nur Folgen für das Selbst- verständnis der Selbstverwaltung oder der Ärzte; das wäre vergleichs- weise unbeachtlich. Aber es hat Fol- gen für den gesamten Staat. Es hat Folgen, die so ernst sind, daß wir nicht leichtfertig und verantwor- tungslos alle diese Dinge in Kauf nehmen dürfen." Diese Leute sind also staatsgefährdend. Ich möchte den Präsidenten bitten, uns zu sa- gen, weshalb dies seiner Meinung nach so ist und was er dagegen zu tun gedenkt, denn er kann dies ja gar nicht „leichtfertig und verant- wortungslos" in Kauf nehmen.

Beschlüsse des Ärztetages haben keine Gesetzeskraft wie die des Bun- destages, den der Präsident zum Vergleich beizieht. Der Ärztetag dient zur Meinungsbildung der Dele- gierten der Landesärztekammern, er ist kein gesetzliches Organ der Selbstverwaltung. Die Delegierten sprechen Empfehlungen aus, be- schließen aber keine Gesetze, denen sich auch die Minderheit zu fügen hätte. Es ist deshalb auch nicht so, wie der Herr Präsident offenbar an- nimmt: Roma locuta, causa finita.

Die Meinungsbildung geht nämlich auch nach dem Ärztetag weiter, in- nerhalb und außerhalb der Ärzte- schaft. Insbesondere dann, wenn zentrale Fragen der gesundheitli- chen Versorgung unserer Bevölke- rung zur Diskussion stehen. Und dies ist beim Problem der Aus- und Weiterbildung der künftigen Ärzte doch wohl der Fall. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht auf den besonderen Sachverstand begrenzt, den der Gesetzgeber an- geblich in die Selbstverwaltung de- legiert hat. Es gilt für alle, für Leute wie für Kollegen. Selbstverständlich auch für Präsidenten in ihren Gruß- worten.

Prof. Dr. med. Siegfried Häußler Esslinger Straße 52

7305 Altbach

Karsten Vilmar:

Demokratische Spielregeln

Das Recht auf freie Meinungsäuße- rung ist in unserem Staat im Grund- gesetz verankert, und es ist unbe- streitbar und folglich auch unbestrit- ten. Das gilt für alle Leute, diese oder jene Leut, liebe Leut — wie eine bei einem württembergischen Mini- ster beliebte Anrede lautet — oder auch Leute, die, wie das Sprichwort sagt, mit Kleidern gemacht werden.

Denn auch an besonderen Sachver- stand ist das Recht auf freie Mei- nungsäußerung nicht gekoppelt. Zu Recht auch dann, wenn man das Fehlen des Sachverstandes bei man- chen Äußerungen mehr oder weni- ger schmerzhaft empfindet. Es scheint so, als könne der eine oder andere es „seinen Leuten" leichter klarmachen, wenn seine Rede nicht zu sehr mit Wissen um Tatsachen oder Überlegungen um Ausw .irkun- gen seiner Argumente befrachtet wird.

Doch darum geht es hier gar nicht.

Es stellt sich vielmehr die Frage, ob auch Ärzte in ihrer ihnen vom Staat übertragenen Selbstverwaltung de- mokratische Spielregeln, also letzt- lich Grundprinzipien unseres Staa- tes, beachten müssen. Wenn das so ist, müssen demokratisch gefaßte Beschlüsse, die darüber hinaus sorgfältig mit zahlreichen Sachver- ständigen und unter Berücksichti- gung der Meinungsvielfalt erarbeitet worden sind, beachtet werden; min- destens doch wohl vom Präsidenten oder sonstigen Repräsentanten des beschlußfassenden Gremiums. Wä- re es anders, brauchte man doch gar nicht erst zur Beratung und Be- schlußfassung zusammenkommen und könnte auf diese Weise den Mit- gliedern viele Kosten sparen.

Den demokratischen Spielregeln entspricht es weiterhin durchaus, wenn die in der Abstimmung Unter- legenen versuchen, in den beschluß- fassenden Gremien Mehrheit für ih- re Argumente zu bekommen. Mit de- mokratischen Spielregeln ist es aber nur schwer oder überhaupt nicht vereinbar, wenn diese Minderheiten versuchen, mit Kräften von außen

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 5 vom 31. Januar 1980 273

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BRIEFE AN DIE REDAKTION

demokratisch gefaßte Beschlüsse und darüber hinaus zum Funktionie- ren unseres demokratischen Staates gehörende Selbstverwaltungsgre- mien zu Fall zu bringen. Ein solches Verhalten ist nun einmal dazu geeig- net, ein demokratisch geführtes Staatswesen zu gefährden.

Oder sollte es um solche grundsätz- lichen Dinge gar nicht gehen und nur versucht werden, unter der Tarn- kappe einer Grundsatzdiskussion ei- ne Situation zu vermeiden, die man am treffendsten mit dem leicht abge- wandelten Ausspruch von Weiß Ferdl in dem berühmten Lied von der Trambahnlinie 8 skizziert „Leut laßt keine Leut 'nein".

Dr. med. Karsten Vilmar Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41

AUSBILDUNG

Ist die Medizin nun eigentlich eine Natur- wissenschaft, fragte Prof. Dr. med. Mi- chael Arnold in einer Glosse (Heft 48/

1979, Seite 3206 f.).

Sowohl als auch

Die Medizin ist gleichzeitig eine Kunst, ein Handwerk, eine Geistes- wissenschaft, eine Naturwissen- schaft. Damit ist M. A.s Frage ver- neint. — Daß ein Gericht hier über- haupt erst durch Verhandlung zu ei- ner Antwort kommen soll, ist die Fol- ge von zwei großen Irrtümern, die sich in unsere Bildungspolitik einge- schlichen haben:

1. Das Abiturium, das im ersten Drit- tel unseres Jahrhunderts eine breite Allgemeinbildung darstellte, glaubt man durch eine Fachausbildung er- setzen zu können.

2. Ein auf Staatskosten beendetes Studium zwingt nicht zum Ausüben des Berufes, sondern der soeben Ausgebildete kann sofort ein ande- res Studium beginnen, wiederum auf Staatskosten.

Dr. med. Martin Schmidt 3072 Langendamm

KRANKENHAUS

Zu einem eigenartigen Patientenbrief des Klinikums Aachen:

Wo bleibt da

die Humanisierung?

Über das Thema „Humanisierung im Krankenhausbetrieb" ist bereits viel nachgedacht, gesagt und geschrie- ben worden. Auch finden sich be- reits mancherorts Beispiele zur Rea- lisierung: Etwa Rooming-in, Be- suchsmöglichkeiten auf der Inten- sivstation, ständige Anwesenheit der Mutter bei ihrem Kind u. a. m.

Um so betroffener stimmt es, wenn in einer großen renommierten Klinik (Klinikum der Rheinisch-Westfäli- schen TH Aachen) die stationären Patienten ein eigenartiges Schrei- ben von der Krankenhausverwal- tung erhalten. Danach soll der Pa- tient dafür sorgen, daß Verwandte, Freunde und Bekannte ihm nicht schreiben, da das Klinikpersonal zu sehr mit dem Sortieren der Post be- lastet würde. In unserer Zeit, in der so viel über die Verlassenheit und Isolierung der älteren Generation — die ja vorwiegend das Patientengut ausmacht — geklagt wird, will eine Krankenhausverwaltung das Briefe- Erhalten beschneiden.

In einer Klinik liegen darüber hinaus viele Patienten, deren Wohnort wei- ter entfernt ist, so daß sie weniger Besuch erhalten können, als wenn sich das Krankenhaus in ihrem Hei- matort befände. Briefe wären in die- sen Fällen eine wichtige Möglichkeit für die Angehörigen und Freunde, ihre Zuneigung, ihr Interesse und Mitgefühl mit dem Kranken auszu- drücken. Es besteht gar kein Zwei- fel, daß dies nicht unwesentlich zum Heilungsverlauf beiträgt.

Der Kliniksverwaltung zu unterstel- len, daß ihr daran vielleicht gar nicht gelegen sei, um längere Liegezeiten zu erzielen, würde sie als böswillige Unterstellung brandmarken. Den Er- halt von Briefen zu beschneiden, kann ich jedoch nicht anders als in- human bezeichnen. Das Schreiben an den „sehr geehrten Patienten" ist

mit dieser Aufforderung noch kei- neswegs beendet, denn er wird wei- terhin ersucht, darauf hinzuwirken, sich anstelle von Blumen Bücher oder Obst schenken zu lassen, um das Klinikpersonal zu entlasten.

Ganz davon abgesehen, daß es den primitivsten Regeln der Höflichkeit widerspricht, seinem Besucher Vor- schriften zu machen, was er zu schenken bzw. nicht zu schenken habe, will und kann nicht jeder Pa- tient Bücher lesen oder Obst essen.

Über Blumen freut sich dagegen fast jeder Patient. Dabei sollte es keine Rolle spielen, wenn die Versorgung der Blumen durch das Stationsper- sonal etwas Zeit beansprucht .. .

Dr. med. Sabine Joö Georgstraße 22 5000 Köln 90

NAV-BESCHLUSS

Bei der Berichterstattung über die Be- schlüsse der NAV-Bundeshauptver- sammlung 1979 ist dem Chronisten ein Versehen unterlaufen. Zwar ist der An- trag, der für die Einführung des Titels

„Facharzt für ..." votiert, kontrovers dis- kutiert worden, doch ist die Resolution — trotz erheblicher Bedenken vieler Dele- gierter — mehrheitlich angenommen worden:

Facharzt für

Unter der Überschrift „Der Freibe- ruflichkeit verpflichtet" wurde in Heft 1/1980 über die Bundeshaupt- versammlung des NAV vom 16. bis 18. November 1979 berichtet. Auf Seite 28 heißt es unter „Richtpunkte der künftigen Verbandspolitik", daß ein Antrag, den „Facharzt für Allge- meinmedizin" einzuführen, mehr- heitlich abgelehnt worden sei. Dies trifft nicht zu. Der Antrag Nr. 17, der die Einführung des „Facharzt für All- gemeinmedizin" fordert, wurde da- gegen mit entsprechender Begrün- dung mehrheitlich angenommen.

Hartwig Lange

Hauptgeschäftsführender des Verbandes

der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV) e. V.

Belfortstraße 9 5000 Köln 1

274 Heft 5 vom 31. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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