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Archiv "AOK-Bundesverband: Die Selbstverwaltung muß „vor Ort“ gestalten können" (12.11.1987)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

AOK-Bundesverband

Die Selbstverwaltung muß

"vor Ort" gestalten können

Klare Vorstellungen zur Stabilisierungund W eiterentwick- lung der sozialen Krankenversicherung hat der AOK-Bun- desverband vorgelegt. Sie sind in einem Positionspapier zusammengefaßt, an dem der Verband den Bonner Ent- wurf für eine Strukturreform im Gesundheitswesen messen wird. Einige der Forderungen reichen weit in die Zukunft.

N

eben manchen alten und manchen neuen Schlag- worten - , ,strukturierte Budgetierung", "Soli- darmodell", "Einkäufertheorie",

"Regionalprinzip" - lieferte das diesjährige Presseseminar des Bun- desverbandes der Allgemeinen Orts- krankenkassen in Bad Neuenahr ak- tuell Erfreuliches: Im laufenden Jahr wird es aller Voraussicht nach in der gesetzlichen Krankenversi- cherung kein Defizit geben. Dies ist allerdings im wesentlichen den Bei- tragserhöhungen im Laufe des Jah- res 1987 zu verdanken (von durch- schnittlich 12,2 auf 12,7 Prozent).

Denn die Ausgaben steigen zwar nur etwa im erwarteten Ausmaß; der Grundlohnzuwachs dürfte aber nied- riger liegen, als ihn die Konzertierte Aktion im Frühjahr vorausschätzte.

Für das nächste Jahr rechnet Gun- tram Bauer, Geschäftsbereichsleiter Datendienste, mit einem GKV-Defi- zit von zwei Milliarden DM.

Der Ausgabensektor kassen- ärztliche Vergütung steht wegen der Bindung an den Grundlohn am be- sten da. Nach dem Zahlenwerk des Geschäftsbereichsleiters Versiche- rungsdienste, Dr. Edwin Smigielski, laufen die ambulante Vergütung und die Grundlohnentwicklung, beide je Mitglied, jetzt schon seit 1976 unun- terbrochen parallel zueinander, und dies trotz der Zunahme der Zahl der Kassenärzte. Um den neuen EBM in Ruhe erproben zu können, will man zwar anstreben, daß die jetzt bis

Mitte 1988 verabredete Grundlohn- anbindung der Gesamtvergütung bis März 1989 verlängert wird. Für spä- ter aber, das wurde ausdrücklich be-

tont, sieht der AOK-Bundesverband

keinen Grund, warum man nicht wieder zur Einzelleistungsvergütung zurückkehren sollte, weil es auch weiterhin möglich sein müßte, Ver- gütungsregelungen zu finden, die ei- ne zu risikoreiche Mengen- oder Strukturentwicklung abfangen.

Krankenhausrefonn ist unverzichtbar

In anderen Bereichen sieht das Bild zum Teil erheblich anders aus.

..,.. Im Krankenhaussektor lie- gen die Ausgaben je Mitglied für die AOK wesentlich höher als für den GKV-Durchschnitt. Grundsätzlich gilt: Ohne durchgreifende Änderun- gen im Krankenhauswesen (vor al- lem: Aufhebung des Selbstkosten- deckungsprinzips) könne es eine sinnvolle Strukturreform nicht ge- ben.

..,.. Bei den Arzneimitteln sieht die AOK erste Erfolge bei der För- derung der Reimporte und Generi- ka; man schätzt, daß 1986 bereits 600 Millionen DM eingespart wer- den konnten, und berechnet ein Ein- sparpotential von weiteren 1,4 Mil- liarden DM jährlich. Was die Ein- bindung der Apotheker in die Aus- wahl von Arzneimitteln betrifft, so stellen sich die AOK voll hinter die

entsprechenden Vorschläge der Apothekerverbände ( ABD A) .

..,.. Bei den Heil- und Hilfsmit- teln beobachtet man mit Sorge die Zunahme der Verordnungen wie auch den drastischen Anstieg der Zahl der Anbieter (im ersten Halb- jahr 1987 war der Ausgabenanstieg für Heil- und Hilfsmittel mit 7,5 Pro- zent am weitesten von der Grund- lohnentwicklung entfernt).

In diesem Zusammenhang be- antwortete Dr. Detlef Baizer, alter- nierender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes (Ar- beitgeberseite), die Frage, ob ei- gentlich der Grundlohn als Bewer- tungsbasis in der Krankenversiche- rung noch zeitgemäß sei, mit einem uneingeschränkten Ja. Denn die ge- setzliche Krankenversicherung sei eine Arbeitnehmerversicherung und müsse es bleiben. Dazu gehört aller- dings das Phänomen, das der andere Vorstandsvorsitzende Wilhelm Reit- zer ( Arbeitnehmerseite) bezifferte:

das durchschnittliche Grundlohnni- veau der einzelnen Kassenarten be- trägt nach den letzten verfügbaren Zahlen bei den AOK jährlich 29 400 DM je Mitglied, bei anderen Kran- kenkassen aber schon 40 000 DM.

Sollte man, wie in manchen an- deren Ländern, einen höheren Ar- beitgeberbeitrag anstreben? Auch dies lehnte Dr. Baizer ab: Was ledig- lich mehr Geld bringt, löst die Pro- bleme nicht. Die Versorgung würde höchstens "dichter", aber deshalb nicht besser; es gehe ja darum, Ka- pazitäten zurückzuschrauben, damit die Beiträge sinken können. Unter diesem Gesichtspunkt müsse man auch weitere Direktbeteiligungsre- gelungen kritisch prüfen.

Diese Grundlohnunterschiede und die ungleiche Verteilung von so- zialen Problemgruppen auf die ein- zelnen Glieder der Krankenversi- cherung (die AOK versichern weit mehr Arbeitslose und Sozialhilfe- empfänger als andere Kassenarten, ganz abgesehen von der Problematik der Rentner) führen zu Verwerfun- gen, die sich dann immer noch wei- ter steigern. Das wird deutlich in wirtschaftlich schwachen Regionen:

Der Beitragssatz muß steigen; , ,gu- te'' Risiken wählen andere Kassen mit niedrigeren Beitragssätzen; die Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987 (19) A-3099

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AOK-Beiträge müssen noch weiter steigen.

Obwohl es grundsätzlich richtig sei, daß die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten im Arbeitsleben und auch im Kranken- versicherungsrecht überwunden werden müsse, lehnt die AOK je- doch, wie Wilhelm Heitzer ausführ- te, die generelle Wahlfreiheit zwi- schen den Kassenarten als einen Weg dazu ab. Sie wäre nur dann hin- zunehmen, wenn, insbesondere durch einen kassenartenübergreifen- den Ausgleich, ausgewogene Risi- kostrukturen hergestellt würden.

Die Alternative ist das „Solidarmo- dell" , das sich über die Berufsanfän- ger in Gang setzen ließe: alle versi- cherungspflichtigen Arbeiter und Angestellte würden bei der zuständi- gen Primärkasse versichert (das sind die AOK, Betriebs- oder Innungs- krankenkassen) — was allerdings zur Folge hätte, daß Anfänger in Ange- stelltenberufen bis zum Erreichen der Versicherungspflichtgrenze kein Wahlrecht mehr hätten.

Eine weitere grundlegende For- derung des AOK-Bundesverbandes ist die Aufhebung des Nebeneinan- ders von bundesweiten und regiona- len Trägern der Krankenversiche- rung. Insbesondere Wilhelm Heitzer führte aus, wie sich die Selbstverwal- tung der AOK bei Pflegesatzver- handlungen oder bei Verhandlungen mit den Kassenärzten auf regionaler Ebene von den anderen Kassenarten alleingelassen sieht. Man sieht nicht nur aus Prinzip nicht ein, warum die AOK für das gesamte GKV-System diese „Kärrner-Arbeit" vor Ort übernehmen soll; man hält es auch aus der politischen Theorie heraus für falsch. Richtiger wäre nach Mei- nung des AOK-Bundesverbandes, daß Ausgabensteuerung und Ausga- benverantwortung in eine Hand ge- hören, daß also das Regionalprinzip in der Krankenversicherung wieder tragender Grundsatz wird, daß für die kassenartenübergreifende Selbstverwaltung einheitliche regio- nale Entscheidungs- und Finanzver- antwortungsebenen geschaffen wer- den. Auch dies könnte dazu beitra- gen, die trotz gleicher Versorgung bestehenden erheblichen Beitrags- satzunterschiede auszugleichen.

Was die Pflegeproblematik an- geht, so ist der AOK-Bundesver- band durchaus dazu bereit, im Rah- men des Grundauftrages der gesetz- lichen Krankenversicherung und un- ter den richtigen Bedingungen an der Lösung dieses zentralen gesell- schaftlichen Problems mitzuwirken.

Er unterstreicht dabei: nicht nur den Pflegebedürftigen muß geholfen werden, sondern die Pflegenden müssen auch sozial abgesichert wer- den, woran sich der Staat und das Steuerrecht beteiligen müssen. Fi- nanzmittel stünden in der Kranken- versicherung schon dann zur Verfü- gung, wenn es endlich gelänge, überschüssige Krankenhausbetten zu Pflegebetten umzuwidmen. Die jetzige „falsche" Bettenbelegung mit Personen, die eigentlich nicht behandlungs-, sondern pflegebe- dürftig sind, sei bereits ein beträcht- licher finanzieller Beitrag der sozia- len Krankenversicherung zur Lö- sung des Pflegeproblems.

Aufgabenverteilung in der Prävention

Der Prävention mißt auch die AOK für die Zukunft erhebliche Be- deutung bei. Dabei nimmt sie, wie der Leiter des Wissenschaftlichen Institutes der Ortskrankenkassen, Dr. Dieter Paffrath, ausführte, nicht nur eine Vorreiter-Rolle für sich in Anspruch ( „AOK — Die Gesund- heitskasse"), sondern sie bemüht sich auch, die Ziele und Möglich- keiten realistisch zu sehen. Präven- tion insgesamt sei eine gesamtgesell- schaftliche Aufgabe. Gliedert man sie auf, dann werde klar, daß die ge- nerelle Behauptung falsch sei, die AOK wolle die Ärzte „aus der Prä- vention drängen" — Früherkennung und Rehabilitation blieben spezi- fisch ärztliche Aufgaben. Notwen- dig seien aber auch gesundheitsge- rechtere Umwelt-, Lebens- und Ar- beitsbedingungen und die Verände- rung individueller Verhaltenswei- sen. Auf diesem letzteren Gebiet sieht die AOK ihren wichtigsten Handlungsspielraum, und den will sie in Zukunft mehr als bisher aus- füllen. G. Burkart

Marschzahlen vom

Arbeitnehmerflügel

Sozialausschüsse und Katholische Arbeitnehmer sehen Reformbedarf

vorwiegend bei

den „Leistungsanbietern"

Beim Ringen um die Strukturre- form im Gesundheitswesen wollen auch die Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeit- nehmerschaft (CDA) und die (CDU-treue) Katholische Arbeit- nehmerbewegung (KAB) kräftig mitmischen. Zwei füllige Grundsatz- beschlüsse zur „Strukturreform"

haben CDA (auf der 22. Bundesta- gung Mitte Oktober in Hamburg) und die KAB (6. Bundesdelegier- tenkonferenz vom 23. bis 25. Okto- ber in Ludwigshafen) mit großer Mehrheit gebilligt, um der konserva- tiv-liberalen Bundesregierung die

„richtige Marschzahl" vorzugeben.

Beiden Grundsatzerklärungen ist ei- nes gemeinsam: Sie setzen unver- drossen auf rigide Kostendämp- fungs- und Beitragsstabilisierungs- maßnahmen im Gesundheitswesen, die in erster Linie die „Leistungsan- bieter" in die Pflicht nehmen sollen.

Die Versicherten, Beitragszahler und Steuerpflichtigen sollen weitge- hend von zusätzlichen Sparopfern verschont bleiben. Namentlich die Katholische Arbeitnehmer-Bewe- gung lehnt Beitragserhöhungen wie erhöhte Direktbeteiligungen bei der Beanspruchung von Medikamenten strikt ab. Darüber hinausgehende Direktbeteiligungen sollten abge- schafft werden, „es sei denn, daß tatsächlich Steuerungseffekte damit verbunden" seien.

Von besonderem politischen Gewicht ist der CDA-Beschluß, weil er in wesentlichen Punkten mit der Administration des für die Struktur- reform federführenden Bundesar- beitsministeriums abgestimmt wor- den ist und Elemente auch im Papier die Koalitionäre aufkreuzen.

A-3100 (20) Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987

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