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Archiv "Dr. Karsten Vilmar: Die Ärzte müssen über ihre Rolle nachdenken" (27.05.1983)

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Die Information:

Bericht und Meinung Situation der jungen Ärzte

genverantwortlich und selbstän- dig zu betätigen. Als Abhilfe habe der Marburger Bund immer die so- genannte Ausbildungslösung ge- fordert. Eine Eignungszeit als Vor- aussetzung für die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit hält der Marburger Bund für falsch und ungerecht. Brauchbarer sei dann schon das, was der Entwurf der EG-Richtlinie für die Weiterbil- dung zum Arzt für Allgemeinmedi- zin vorschlägt: Eine mindestens zweijährige Bildungsphase vor ei- ner Zulassung zur allgemeinärztli- chen Tätigkeit im Sozialversiche- rungssystem. Sie wäre, nach Hop- pes Meinung, mit sehr viel ge- ringerem Aufwand an Änderungen unseres Arztrechts zu verwirkli- chen als eine sogenannte Pflicht- weiterbildung, die, nebenbei be- merkt, im kassenärztlichen Be- reich das Prinzip des einheitlichen Arztberufes aufheben würde.

Hoppe schlug daher für die Um- setzung der geplanten EG-Richtli- nie ins deutsche Recht vor, die beiden vorgesehenen Bildungs- jahre vor der uneingeschränkten Approbation als Arzt zur Pflicht zu machen: „Eine solche Zeit würde sich dann an die Universitätsaus- bildung anschließen in einem Sta- tus der eingeschränkten Erlaubnis zur Ausübung ärztlicher Tätigkei- ten unter Aufsicht. Am Schluß die- ses Bildungszeitraumes wäre dann jeder Arzt mit der Erteilung der Approbation als Arzt für die Allgemeinmedizin qualifiziert. Von dort ausgehend könnte dann bei entsprechendem Wunsch eine Spezialisierung erfolgen. Der In- halt und Wert dieses Bildungsab- schnittes wäre ja durch die Klä- rung des Status völlig gleichwertig dem einer zweijährigen echten Weiterbildung im Sinne unserer Weiterbildungsordnungen, so daß die Wünsche der Ärzte für Allge- meinmedizin und ihrer Berufsver- tretung auch bei dieser Struktur erfüllt wären." Die gegenwärtige vierjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin wäre nach Hoppes Meinung dann ohne- hin nicht mehr überlebensfähig, weil niemand sie mehr annehmen

würde. Und eine zweite Konse- quenz: Eine solche zweijährige Phase der Erfahrungssammlung vor der Approbation hätte Auswir- kungen auf die Ausbildungskapa- zitäten und die Zulassungszahlen, denn die Absolvierung dieser Pha- se wäre „organisatorisch Sache des Staates".

Ebenfalls aus Kapazitätserwägun- gen hält Hoppe weitere Reformen im Bereich der Weiterbildung für

Jörg-Dietrich Hoppe

notwendig. Nicht nur dort, wo sich ärztliche Versorgung mehr und mehr in den ambulanten Bereich verlagert — wie etwa in der bereits erwähnten Augenheilkunde und Dermatologie, aber auch in etablierten Fächern wie Innere Medizin und Gynäkologie — kann im stationären Bereich allein nicht mehr die volle Breite des jeweili- gen Faches vermittelt werden.

Weiterbildung muß also auch in anderen Einrichtungen des Ge- sundheitswesens möglich sein und durchgeführt werden können, auch bei niedergelassenen Ärzten.

Andererseits könne man überle- gen, ob bestimmte, ohne direkten Patientenkontakt trainierbare Fä- higkeiten in Kursen vermittelt wer- den können; dies gilt für die Deu- tung eines Blutbildes, Knochen-

markbefundes, EKG oder eines so- nograph ischen Befundes.

Kritisch äußerte sich Dr. Hoppe zu Vorschlägen aus dem Bereich der Landesärztekammer Hessen, die Weiterbildung in einem Gebiet au- ßerhalb der Allgemeinmedizin nur noch bei zur vollen Weiterbildung ermächtigten Ärzten zuzulassen.

Man sollte sich auch allen sonsti- gen Versuchen widersetzen, die Weiterbildungsordnung als Instru- ment zur Regulierung des Arbeits- marktes zu mißbrauchen.

Dr. Hoppe wandte sich schließlich der ärztlichen Tätigkeit im Kran- kenhaus zu, bei der die Neurege- lung des Bereitschaftsdienstes Entlastung, aber auch Einkom- mensverluste gebracht hat. Die jüngere Generation von Ärzten ha- be aber ein größeres Freizeitbe- dürfnis und eine andere Erwar- tungshaltung in bezug auf ihr Ein- kommen. Sie werde mit einer nor- malen 40-Stunden-Woche zufrie- den sein, und: „Bei Ärzten ist Ab- bau von Mehrarbeit, wie auch im- mer sie gestaltet gewesen sein mag, mit Sicherheit das effektivste Mittel, um Arbeit umzuverteilen".

Man müsse auch darüber diskutie- ren, ob nicht die Begrenzung der Lebensarbeitszeit von Kassenärz- ten sinnvoll wäre.

Man werde, sagte Hoppe, mit die- sen und anderen Änderungen Ar- beitslosigkeit unter Ärzten in grö- ßerem Umfange nicht verhindern können. Man werde aber auf den Ärztetagen der späten achtziger und der frühen neunziger Jahre Rechenschaft geben müssen über das, was man jetzt, heute, für die jungen und künftigen Kollegen ge- tan habe, und dann werde es nicht

mehr ausreichen, mit dem Finger auf die verfehlte Bildungspolitik der sechziger und siebziger Jahre hinzuweisen. Sicher sei jedoch:

„Der qualifizierte und in seinem Beruf motivierte Arzt wird auch unter den Bedingungen einer sehr hohen Arztdichte erfolgreich sein, und die Bedingungen werden die Qualifikation der Ärzte der Zukunft positiv fördern können." gb 40 Heft 21 vom 27. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Dr. Karsten Vilmar

Die Ärzte müssen

über ihre Rolle nachdenken

Im Rahmen des Generalthemas

"Der Arztberuf im gesellschaftli- chen Wandel - Perspektiven für die 80er Jahre" zeichnete der Prä- sident der Bundesärztekammer, Dr. Karsten Vilmar (Bremen), in Umrissen die ärztliche Versorgung der nächsten Zukunft. Vor ihm hatten Prof. Dr. Hanns Peter Wolff (München) Entwicklungen in For- schung und Wissenschaft aufge- zeigt und Dr. Jörg-Dietrich Hoppe (Düren) die Situation der jungen Ärzte beschrieben.

Dr. Vilmar begann mit drei grund- sätzlichen Feststellungen:

~ Die ärztliche Versorgung in den schon zu fast einem Drittel hinter uns liegenden 80er Jahren wird sowohl durch die weiter zu erwartende rasche Entwicklung in Forschung und Wissenschaft als auch durch die infolge der Bil- dungspolitik der 60er und 70er Jahre stark angewachsene Zahl der Hochschulabsolventen in der Medizin geprägt sein.

~ ln den noch vor uns liegenden 80er Jahren werden mit großer Wahrscheinlichkeit Weichenstel- lungen für die ärztliche Versor- gung über die Jahrtausendwende hinaus erfolgen. Die Rolle der Me- dizin, ebenso wie die Stellung des Arztes im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft, kann dabei ge- festigt oder aber von Grund auf verändert werden.

~ Auch die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen gehört zu wichtigen Einflußfaktoren. Es stellt sich die Frage, ob die "Bela- stungsgrenze" für Aufwendungen für die eigene Gesundheit und die der Familie tatsächlich erreicht ist, wie oft behauptet wird, und ob das Prinzip der einnahmeorientierten Ausgabenpolitik auf der Basis aus- schließlich oder überwiegend öko-

nori1ischer Daten und Vergleichs- größen, wie dem Bruttosozialpro- dukt oder der Entwicklung der Grundlohnsumme, den Bedürfnis- sen und Erwartungen der Bevölke- rung auf Dauer gerecht werden kann.

Starre Beziehungen zwischen Ko- sten für das Gesundheitswesen und dem Bruttosozialprodukt müßten in Zeiten der Rezession

"zwingend zur Rezession auch im Gesundheitswesen und damit zu Rationierung und Zuteilung von Gesundheitsleistungen" führen, folgerte Vilmar. "Mit einer dem je- weiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Be- handlung wäre ein solches Verfah- ren nicht vereinbar. Es wider- spricht geradezu humanitären Prinzipien und ärztlichem Han- deln", erklärte er und regte statt dessen an,

~ soziale Leistungen künftig mehr auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren,

~ zu überprüfen, ob alles, was medizinisch-technisch möglich ist, unbedingt gemacht werden muß und

~ alles, worauf jedermann glaubt einen Anspruch zu haben, auch wirklich zu Lasten der Solidarge- meinschaft angeboten werden soll.

Vilmar kleidete seine Kritik am

"Anspruchsdenken" vorsichtig in Fragen: "Werden die wegen der enormen Fortschritte in Wissen- schaft und Technik oft geradezu blinde Fortschrittsgläubigkeit und die utopischen Forderungen der Weltgesundheitsbehörde ,Ge- sundheit für alle bis zum Jahre 2000' oder das von manchen postulierte ,Recht auf Gesundheit' und deren Auswirkungen auf Ge-

Die Information:

Bericht und Meinung 86. DEUTSCHER ÄRZTETAG

setzgebung und Rechtsprechung mit ständiger Erweiterung des Lei- stungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die im Umkehrschluß der WHO-Defini- tion der Gesundheit allmählich je- des Unbehagen einschließende Ausweitung des Krankheitsbegrif- fes Anspruchsberechtigung und Anspruchsverhalten weiter stei- gern? Oder werden sich realisti- sche Betrachtungsweisen und die Erkenntnis durchsetzen, daß auch heute die Medizin noch nicht über einen abgeschlossenen Erkennt- nisstand verfügt und daß im Ge- sundheitswesen den Naturgeset- zen unterworfene biologische Ge- gebenheiten und physiologische Entwicklungen ebenso wie gene- tisch-bedingte Prädispositionen zu berücksichtigen sind?" Seine Antwort: "Die simple Forderung nach Reparatur eines Körperscha- dens ist ebensowenig zu erfüllen wie das ,Recht auf Gesundheit'."

Unter humanitären und ethischen Aspekten sei schließlich zu prüfen, in welchem Umfang die ins fast Unermeßliche gesteigerten Mög- lichkeiten moderner Medizin, z. B.

der lntensivmedizin, der Organ- transplantation, der Replanta- tionschirurgie, der Gen-Technolo- gie oder der extrakorporalen Be- fruchtung, als Routinemethoden in die tägliche ärztliche Praxis ein- bezogen werden müssen oder ob Begrenzungen ratsam, vielleicht sogar notwendig sind. Vilmar wörtlich: "Der ungeheuer große Aufwand und das manchmal frag- würdige Ergebnis drängen zu der Überlegung, ob mit gleichen fi- nanziellen Mitteln nicht einer we- sentlich größeren Zahl anderer Menschen ebenso wirksame wie dauerhafte Hilfe zuteil werden kann."

Die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft in Diagnostik und Therapie dürften jedoch nicht leichtfertig in Frage gestellt wer- den. Ohne sie sei eine wirksame Behandlung undenkbar. Den- noch: "Ärztliches Handeln und ärztliche Behandlung erschöpfen sich nicht im Bedienen von Appa- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 21 vom 27. Mai 1983 43

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Die Information:

Bericht und Meinung

Ärztliche Versorgung in den 80er Jahren

raten und technischem Gerät. Wä- re dies so, käme dem Arzt besten- falls noch die Rolle eines Bio- klempners oder Gesundheitsinge- nieurs zu."

In Zukunft werde der Arzt Wech- selwirkungen aus gesellschaftli- chen Rahmenbedingungen und wissenschaftlichem Fortschritt noch mehr als früher zu berück- sichtigen haben. „Die Ärzte müs- sen daher über ihre Rolle in der Gesellschaft und über ihr Selbst- verständnis nachdenken", forder- te Dr. Vilmar. „Sie müssen sich

neuen Erfordernissen stellen, oh- ne bewährte Grundsätze ärztli- chen Handelns aufzugeben."

Welche Folgerungen sind nach Vilmar für die ärztliche Versor- gung zu ziehen?

Alle Bemühungen zur Siche- rung einer guten, individuellen Versorgung müssen sich zunächst auf eine gute Ausbildung der künf- tigen Ärzte richten. Die bisherige Bildungspolitik mit ihren vielen Experimenten auf Kosten junger Menschen sei gescheitert. „Sie hat in einem für den Reifeprozeß vieler Menschen oft zu frühem Stadium Konkurrenzdenken und Einengung des Denkens durch zu frühe Spezialisierung gefördert."

Die ersten Jahre der Berufs- ausübung prägen für das ganze Leben. Auch von daher sei es des- halb wichtig, die Arbeitsbedingun- gen im Krankenhaus den Erforder- nissen der Patientenversorgung mehr als bisher anzupassen. Vil- mar: „Regelungen, die physiologi- sche Gegebenheiten, Tages- und Nachtrhythmen, die Möglichkeit für vertrauensvolles Gespräch und menschliche Zuwendung und die zur ganzheitlichen Versorgung des Patienten erforderliche umfas- sende ärztliche Leistung kaum oder gar nicht berücksichtigen und die ausschließlich auf Arbeits- zeit als Maßstab ärztlichen Han- delns abstellen, fördern die viel- fach beklagte Inhumanität." So notwendig es sei, möglichst viele Weiterbildungsmöglichkeiten zu

schaffen — Job-sharing oder Stel- lenteilung müßten deshalb „in den Notwendigkeiten für eine umfas- sende ärztliche Versorgung der Patienten ihre Grenze finden".

Die Vorschläge der Ärzteschaft zu einer qualitativ hochwertigen am- bulanten und stationären Versor- gung sind in einer Reihe von — zum Teil sehr umfangreichen — Beschlüssen der Deutschen Ärzte- tage enthalten. Dr. Vilmar nannte die wesentlichen in seinem Refe- rat: Die Westerländer Leitsätze von 1972 (1977 in Saarbrücken fortgeschrieben); sie enthalten Aussagen über die Struktur der Krankenhäuser und ihres ärztli- chen Dienstes sowie über die Zu- sammenarbeit zwischen den in der freien Praxis und im Kranken- haus tätigen Ärzte. Außerdem hat der Ärztetag bei diesen Gelegen- heiten detaillierte Vorschläge für ein kooperatives Belegarztsystem vorgelegt. 1974 hat der 77. Deut- sche Ärztetag in Berlin Modelle für die ambulante ärztliche Versor- gung entwickelt und 1981 in Trier speziell die primärärztliche Ver- sorgung durch Hausärzte, na- mentlich Allgemeinärzte, be- schrieben. Die ärztlichen Vor- schläge sind in den gesundheits- und sozialpolitischen Vorstellun- gen der deutschen Ärzteschaft, verabschiedet vom 83. Deutschen Ärztetag in Berlin, zusammenge- faßt (die auch bereits Äußerungen über die allgemeinmedizinische Versorgung enthalten; der Ärzte- tag in Trier ging auf diesem Gebiet freilich noch weiter voran).

Für die Zukunft sieht Vilmar fol- gende Praxisformen an Bedeu- tung gewinnen:

I> Partnerpraxen zu zweit, I> Gemeinschaftspraxen, in de- nen sich mehrere Ärzte des glei- chen Fachgebietes zusam- menschließen,

Praxisgemeinschaften, in de- nen sich Ärzte gleicher und/oder verschiedener Fachrichtungen zur gemeinsamen Nutzung von Pra-

xisräumen und/oder Praxiseinrich- tungen und/oder zur gemeinsa- men Inanspruchnahme von Pra- xispersorial zusammenschließen,

> Praxiskliniken, die es in ei- ner Gruppenpraxis zusammenge- schlossenen Ärzten durch Anglie- derung stationärer oder halbsta- tionärer Behandlungsmöglichkei- ten an die Praxis ermöglichen, Pa- tienten im Rahmen der Grund- und Regelversorgung zu behan- deln.

Vorstößen, das System der so- zialen Sicherung und des in über hundert Jahren ausgebauten freiheitlichen Gesundheitswesens grundlegend zu ändern, erteilte Vilmar eine Absage. Einschrän- kungen der freien Arztwahl, allum- fassende staatliche Fürsorge und Reglementierung durch Ambula- torien und Gesundheitszentren oder kommunale sozialpsychiatri- sche Dienste, medizinische und technische Zentren, das alles stünde einer individuellen Be- handlung der Patienten entgegen.

Vilmar warnte auch davor, den Notfallbereitschaftsdienst mit den Rettungsdiensten zusammen zur staatlichen Aufgabe und gleich- sam zur vierten Säule im Gesund- heitswesen zu machen.

Der Präsident der Bundesärzte- kammer rief schließlich dazu auf, intensiv auch mit anderen Berufs- gruppen zusammenzuarbeiten.

Das gelte sowohl für schon tradi- tionelle Berufe wie die Kranken- pflegeberufe oder medizinisch- technischen Assistenten oder die Apotheker. Dazu gehöre aber auch die Zusammenarbeit mit So- zialstationen oder Selbsthilfegrup- pen. Gerade um Selbsthilfegrup- pen müßten sich die Ärzte in Zu- kunft verstärkt bemühen, die Gruppen stünden in der Gefahr, daß sie möglicherweise sonst poli- tisch mißbraucht würden.

Verstärkte Kooperation dürfe aber nicht zur Verlagerung rein ärztli- cher Aufgaben auf andere Berufe führen. Vilmar: „Dem Arzt obliegt die Koordination und die Ent- 44 Heft 21 vom 27. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Ärztliche Versorgung

scheidung über ärztliche Behand- lungsmaßnahmen. Er trägt die Verantwortung."

Zum Abschluß seines Referates ging Dr. Karsten Vilmar auch auf die Berechnungen des Ärztebe- darfs ein (hinsichtlich der Zahlen sei an dieser Stelle auf die beiden letzten Hefte des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES verwiesen). Er machte darauf aufmerksam, daß das Krankenversicherungsweiter- entwicklu ngsgesetz noch 1977 von einer ärztlichen Unterversor- gung ausgegangen ist, daß heute aber eher von einer drohenden ärztlichen Überversorgung die Re- de sein müsse. Insofern offenbar- ten sich mit diesem Gesetz ähnlich wie mit dem Krankenhausfinanzie- rungsgesetz von 1972 "Musterbei- spiele für die Kurzsichtigkeit staat- licher Planungen".

ln der Zukunft gelte es, möglichst vielen und "möglichst den enga- giertasten Ärzten Arbeitsmöglich- keiten zu schaffen". Es werde je- doch "auch durch Veränderungen der Arbeitsbedingungen, durch Verkürzung der Wochen-, Jahres- oder Lebensarbeitszeit, durch Ver- änderungen der Strukturen ärztli- cher Versorgung in Krankenhaus und Praxis, etwa durch Partner- und Gemeinschaftspraxen, unter Anwendung heutiger Bedarfskrite- rien nicht gelingen können, allen Ärzten eine sinnvolle ärztliche Tä- tigkeit zu ermöglichen". Die Fol- gen der sich abzeichnenden Über- besetzung im ärztlichen Beruf

·könnten zu einer ernsthaften Ge- fährdung guter ärztlicher Versor- gung werden, warnte Vilmar. "So könnten", fuhr er fort, "erbar- mungsloser Konkurrenzkampf und existentielle Not leicht aus fi- nanziellen Erwägungen ein Aus- weichen in fachfremde Leistungen begünstigen oder zu unqualifizier- ten oder sogar obskuren Verfah- ren greifen lassen, die dem Patien- ten im besten Fall nicht nutzen, ihm aber möglicherweise Schaden zufügen. Damit wäre das oberste Gebot ärztlichen Handeins ver- letzt, dem Patienten niemals zu

schaden." NJ

Die Information:

Bericht und Meinung 86. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Dr. Helmuth Klotz

Förderung der Allgemeinmedizin:

Palette pragmatischer Maßnahmen

Seit den Beschlüssen des 84.

Deutschen Ärztetages 1981 in Trier, die empfahlen, die allge- meinärztliche Versorgung nach- haltig zu fördern, haben sowohl die Kassenärztlichen Vereinigun- gen als auch die Landesärztekam- mern zahlreiche Initiativen gestar- tet, um ein ausgewogeneres Ver- hältnis zwischen allgemeinärztli- cher Versorgung und der Versor- gung durch Spezialisten herbeizu- führen.

Dr. Helmuth Klotz, der Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer und Vorsitzende der Deutschen Akade- mie für Allgemeinmedizin, Darm- stadt, berichtete vor dem Ärztetag, inwieweit den Appellen und seit 1981 konkrete Taten und meßbare Erfolge gefolgt sind. Einmal abge- hen davon, daß aus der Statistik noch keine spektakulären Erfolge abzulesen sind und kaum eine Trendwende zugunsten der Allge- meinmedizin zu erkennen ist, er- freulich bleibt nach Darstellungen von Dr. Klotz allein die Tatsache, daß sowohl auf Bundesebene als auch auf der Ebene der Länder die Zeichen der Zeit erkannt worden sind; eine ganze Palette von prag- matischen Sofortmaßnahmen ist inzwischen ergriffen worden. Nach der Statistik - sowohl was die prozentuale Verteilung von Gebiets- und Allgemeinärzten und den prozentualen Zugang betrifft -dominieren nach wie vor die spe- zialisierten Kassen-/Vertragsärzte mit einem Anteil von 56,4 Prozent.

Die Zahl der Gebietsärzte (ohne Allgemeinärzte) nahm 1982 ge- genüber 1981 überproportional um 2,9 Prozent zu, wohingegen die praktischen Ärzte um 1,9 und die Allgemeinärzte lediglich um 0,9 Prozent zunahmen (insgesamt etwa 2,3 Prozent).

Trotz der Einbeziehung der soge- nannten "Übergangs"-AIIgemein- ärzte (Niedersachsen und Schles- wig-Holstein) ist die Gruppe der Allgemeinärzte innerhalb der letz- ten zwei Jahre um ganze 16 Ärzte, die der praktischen Ärzte noch um 510 Kollegen gewachsen.

~ Dr. Klotz stellte fest: Ob die versorgungsnotwendige Anzahl nach rückender approbierter Ärzte in naher Zukunft an einer geregel- ten allgemeinärztlichen Weiterbil- dung interessiert werden kann, hängt entscheidend von der ver- fügbaren und besetzbaren Anzahl von Weiterbildungsstellen in Kran- kenhäusern und in den Praxen der niedergelassenen Ärzte ab. Die In- itiativen in den einzelnen Kammer- bereichen zur Realisierung der Trierer Beschlüsse sind vielgestal- tig; sie lassen Pionier- und Erfin- dergeist erkennen, die weitere Kärrnerarbeit verlangen, um zu- mindest auf mittlerer Sicht nicht allzuhoch geschraubten Zielen nä- herzukommen. Dr. Klotz zitierte die Ergebnisse der Umfrageergeb- nisse über Angebot und Ausla- stung der Weiterbildungsstellen in Kliniken und Praxen, über Schwie- rigkeiten und bereits begonnene und geplante Verfahren, um den Weiterbildungsgang des angehen- den Allgemeinarztes flexibler zu gestalten.

Vielgestaltige Initiativen auf Bundes- und Länderebene Die Landesärztekammern Rhein- land-Pfalz und Nordrhein haben inzwischen alle leitenden Kran- kenhausärzte auf die besonderen Schwierigkeiten schriftlich hinge- wiesen, die es zur Zeit insbeson- dere bei den Weiterbildungsab- schnitten "Innere Medizin" und

"Chirurgie" im Rahmen des allge- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 21 vom 27. Mai 1983 47

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