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Archiv "Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Eklat vor Toresschluss" (21.05.2004)

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igentlich stand nichts Besonderes an bei der diesjährigen Vertreter- versammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die tradi- tionell im Vorfeld des Deutschen Ärz- tetages stattfand. Die Gesundheitsre- form ist Gesetz und hat die Weichen für neue Versorgungsstrukturen und eine

Organisationsreform der vertragsärzt- lichen Körperschaften gestellt. Von da- her durfte man außer einer ersten kriti- schen Analyse der Auswirkungen der Reform eine eher sachorientierte De- batte über die künftige Positionierung der Vertragsärzte erwarten.

Doch der Vormittag im Congress Centrum Bremen endete mit einem Paukenschlag. Zwei Mitglieder des KBV-Vorstandes traten überraschend zurück – Dr. med. Axel Munte, Vorsit- zender der KV Bayerns, und Dr. med.

Werner Baumgärtner, Vorsitzender der

KV Nord-Württemberg. Munte über- nahm mit diesem Schritt nach eigenem Bekunden die Verantwortung für Vor- gänge in Bayern, die der KBV-Vorsit- zende Dr. med. Manfred Richter-Reich- helm zuvor in seinem Bericht zur Lage in ungewöhnlich scharfer Form verur- teilt hatte. Aus den Reihen der KV Bay-

erns – ausgewiesener Gegnerin des neu- en Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) – waren vor der entscheidenden Sitzung des Bewertungsausschusses vorläufige (bayerische) Berechnungen über Honorarverwerfungen durch den EBM 2000plus den Krankenkassen, dem Medizinischen Dienst und dem Bundesgesundheitsministerium zuge- spielt worden (siehe auch EMB-Bericht in diesem Heft), ohne dass die KBV-Ver- treter über diese Zahlen informiert ge- wesen wären. Baumgärtner hingegen zog offenbar die Konsequenzen aus sei-

ner Fundamentalkritik an der „Angst- hasenpolitik der KBV“. Er könne diese Politik nicht mehr mittragen und trete deshalb zurück, erklärte der Vorsitzen- de der KV Nord-Württemberg den er- staunten Delegierten und dem nicht weniger erstaunten Rest-Vorstand auf dem Podium. Dabei dürfte sich das Erstaunen eher auf den Zeitpunkt als auf den Rücktritt selbst bezogen haben. Denn dass ein Riss quer durch den neunköp- figen Vorstand ging, ließ sich spätestens seit der letzten Ver- treterversammlung im Dezember in Berlin nicht mehr leugnen. Unverein- bar schienen bereits damals die Vorstellun- gen über die Zukunft der KVen. Das La- ger um Baumgärtner (und Munte) vertrat und vertritt die An- sicht, dass der körper- schaftliche Status der KVen einer wirksa- men Interessenvertretung im Wege steht und die Körperschaften zu bloßen Handlangern der Politik degradiert.

Die anderen um den KBV-Vorsitzenden Richter-Reichhelm sehen gerade im körperschaftlichen Status einen Garan- ten für die Schlagkraft der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen und für eine einheitliche flächendeckende Ver- sorgung der Patienten. Richter-Reich- helm bedauerte die Entscheidung von Baumgärtner und Munte. „Dass im Vorstand keine Eintracht herrschte, ist klar. Aber wir haben sachorientiert P O L I T I K

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A1460 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004

Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Eklat vor Toresschluss

Im Vorfeld des Deutschen Ärztetages kam die Vertreterversammlung

in Bremen zu einer ihrer letzten Sitzungen in alter Struktur und Besetzung zusammen.

Der Tag begann mit einem Paukenschlag.

Zahlenweitergabe an die Kassen ohne sein Wissen: Dr. med. Axel Munte übernahm dennoch die Verantwortung und trat zurück.

„Richter-Reichhelms Politik ist nicht meine“:

Dr. med. Werner Baumgärtner trat zurück.

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gestritten“, betonte er. Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen im Rahmen der Organisationsreform hatte Richter- Reichhelm zu Beginn der Sitzung aller- dings ein klares Bekenntnis der Kandi- daten für oder gegen die KVen in ihrer öffentlich-rechtlichen Struktur gefor- dert. „Die Wähler müssen vor der Wahl die Ziele ihrer Kandidaten kennen“, so der KBV-Vorsitzende.

Die Rücktritte von Baumgärtner und Munte nahmen der Versammlung gleichsam den Wind aus den Segeln.

Eine gesundheitspolitische Diskussion wollte nicht mehr aufkommen, was eini- ge der 110 Delegierten heftig kritisier- ten. „Schmutzige Wäsche muss nicht in dieser erbärmlichen Form gewaschen werden“, schimpfte Dr. med. Dierk Abel, KV Hamburg, während der Vor- sitzende der KV Hessen, Dr. med. Horst Rebscher-Seitz, an die Anwesenden ap- pellierte: „Der Feind sitzt in der Politik.

Tragen Sie Ihrem Mandat in verant- wortlicher Sacharbeit Rechnung.“

Ob man die Rücktritte ein halbes Jahr vor dem Ende der Wahlperiode un- ter der Rubrik Wahlkampf abbuchen kann und ob das mehrheitliche Schwei- gen der Delegierten bereits ersten Auf- lösungserscheinungen im Zuge der Or- ganisationsreform geschuldet war, dar- über darf spekuliert werden. Zumindest war die Sitzung am 17. Mai eine der letz- ten Vertreterversammlungen in der al- ten Struktur und Zusammensetzung.

Sie wird erheblich verkleinert werden

und künftig einen hauptamtlichen Vor- stand kontrollieren, der aus bis zu drei Mitgliedern besteht. Eine Sondervertre- terversammlung am 11. Juni in Köln wird über die neue Satzung abstimmen. Sie wird auch darüber entscheiden, ob der neue KBV-Vorstand – wie vom Länder- ausschuss gewünscht – neben den beiden Mitgliedern für die Ressorts „hausärztli- che Versorgung“ und „fachärztliche Ver- sorgung“ noch ein drittes für das Ressort

„Verwaltung“ erhalten wird.

Kritiker der Organisationsreform se- hen dadurch die bisherigen basisdemo- kratischen Strukturen der ärztlichen Selbstverwaltung gefährdet. Doch wenn die beabsichtigte Verschlankung und Professionalisierung dabei hilft, lange Entscheidungswege der Selbst-

verwaltung zu verkürzen oder Zick- zackkurse zu verhindern, sieht Richter- Reichhelm darin durchaus eine Chance.

Die Vertragsärzte interessiere es nicht, wie viele in der Vertreterversammlung und im Vorstand sitzen. „Die Basis will eine erfolgreiche Arbeit der KVen und der KBV“, betonte Richter-Reichhelm.

„Sie will gute Arbeitsbedingungen, eine angemessene Vergütung und dass die Rahmenbedingungen stimmen.“ Auch mancher Delegierte erkannte Vorteile des Modells. Mit Blick auf die jüngsten Querelen sagte der Vorsitzende der KV Sachsen, Dr. med. Hans-Jürgen Hom- mel: „Ich freue mich auf den dreiköpfi- gen Vorstand.“

Die Bilanz, die der KBV-Vorsitzende nach drei Monaten Gesundheitsreform P O L I T I K

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A1462 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004

Konsterniert über die Rücktritte der KBV-Vorstandsmitglieder: Einige Delegierte forderten vehement die Rückkehr zur Sacharbeit.

Die Vertreterversammlung (VV) der KBV hat die geplante Novelle der (Muster-)Berufsordnung grundsätzlich begrüßt – allerdings mit Einschrän- kungen. Rechtsanwältin Ulrike Wollersheim von der Rechtsabteilung der KBV und Bundesärztekammer stellte die Novellierung vor. Danach sollen Ärzte die Möglichkeit haben, in verschiedenen Kooperations- formen tätig zu sein. Dass dies von nicht unbe- trächtlicher Bedeutung für die niedergelassenen Ärzte sein wird, verdeutlichte auch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Diet- rich Hoppe, bei der Eröffnungsveranstaltung zum 107. Deutschen Ärztetag. „Die Berufsordnung soll dazu beitragen, die Chancen von niedergelassenen Ärzten gegenüber institutionalisierten Formen der Versorgung zu verbessern.“ Außerdem sind erwei-

terte Kooperationsformen mit anderen Leistungser- bringern sowie die Zulassung einer eigenen Gesell- schaftsform vorgesehen, der so genannten Ärztege- sellschaft. Die neue Berufsordnung ist jedoch teil- weise nicht kompatibel mit dem SGB V, so Wollers- heim. Die VV beschloss, den Gesetzgeber aufzufor- dern, „durch Änderung der maßgeblichen Vorschrif- ten im SGB V und in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte die Ungleichbehandlung von Medizi- nischen Versorgungszentren einerseits und nieder- gelassenen Vertragsärzten andererseits hinsichtlich der Möglichkeiten der Anstellung von Ärzten so- wohl in offenen als auch in gesperrten Planungsbe- reichen zu beseitigen“. Die Novellierung der Berufs- ordnung wird vom Vorstand der Bundesärztekam- mer auf dem Ärztetag zur Abstimmung gestellt.Kli

KBV zur Liberalisierung der Berufsordnung

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zog, weckte bei den Delegierten kaum Emotionen. Beinahe resigniert nahmen sie Richter-Reichhelms Analyse zur Kenntnis, dass das GKV-Modernisie- rungsgesetz „tiefes Misstrauen der Poli- tik gegen die Ärzteschaft atmet“. Den Tiefpunkt des Verhältnisses zwischen Ärzteschaft und Bundesgesundheitsmi- nisterium markiert sicherlich das so ge- nannte Schwarzbuch gegen die Ge- sundheitsreform. Das Sammelsurium an Briefen und Zeitungsausschnitten habe in der Öffentlichkeit den Ein- druck erweckt, die Ärzte seien korrupt und boykottierten das Gesetz, sagte Richter-Reichhelm. Nach Protesten der KBV habe das Ministerium das Schwarzbuch zurückgezogen und offizi- ell mitgeteilt, dass die Ärzte die Umset- zung des Gesundheitsreformgesetzes gut bewerkstelligt hätten. „Die Presse- mitteilung des Ministeriums ist im Grunde ein Gang nach Canossa gewe- sen. Das hat mich mit Genugtuung er- füllt“, erklärte Richter-Reichhelm.

Offenbar hat sich das Verhältnis zum Ministerium wieder entspannt. Was bleibt, sind die Versuche der Politik, die Kompetenzen der Selbstverwaltung zu beschneiden. Mit Blick auf den Ge- meinsamen Bundesausschuss diagno- stizierte der KBV-Vorsitzende: „Der Status der Selbstverwaltung ist in Ge- fahr.“ Das Ministerium geriere sich im- mer mehr als Fachaufsicht statt als Rechtsaufsicht. Hinzu komme, dass dem Gremium bei politisch unbeque-

men Entscheidungen bereits mehrfach in seiner jungen Geschichte die Rolle des Sündenbocks zugewiesen worden sei. Rechtskonforme Entscheidungen wie die Definition chronisch Kranker, die Regelungen zur Fahrkostenerstat-

tung oder die Ausnahmeliste erstat- tungsfähiger rezeptfreier Arzneimittel seien jeweils aufgrund öffentlicher Pro- teste vom Ministerium kassiert worden, ohne dass es die politische Verantwor- tung dafür übernommen habe.

Dass die mit der Gesundheitsreform ermöglichten neuen Versorgungsfor- men und damit die Zukunft der frei- beruflichen ärztlichen Tätigkeit und neuer Kooperationsformen in der gesundheitspoliti- schen Diskussion keine Rolle spielten,dürfte eben- falls dem Paukenschlag zu Beginn der Vertreter- versammlung geschuldet sein. Richter-Reichhelm hatte zuvor erneut be- tont, dass die KBV die hausarztzentrierte Ver- sorgung unter zwei Vor- aussetzungen befürwor- tet. Zum einen müsse ge- währleistet sein, dass die Versicherten sich freiwillig dafür ent- scheiden. Zum anderen müsse sicherge- stellt werden, dass gegebenenfalls von den Kassen gewährte Boni refinanziert werden. „Ich möchte eine klare Bilanz haben“, forderte Richter-Reichhelm.

Bonuszahlungen dürften nur gewährt werden, wenn Hausarztmodelle tatsäch- lich zu Einsparungen führten. Alles an- dere gehe zulasten der Regelversorgung.

Mit Blick auf die Integrationsversor- gung verlangte der KBV-Vorsitzende Chancengleichheit zwischen Vertrags- ärzten und Krankenhäusern. Die Wett- bewerbsvorteile in der Integrierten Versorgung lägen nach wie vor bei den Krankenhäusern. Sie hätten durch die Subventionen der Länder (duale Finan- zierung) ihre Investitionen gesondert fi- nanziert bekommen. Die niedergelasse- nen Vertragsärzte dagegen schultern Investitionen allein. Zudem starteten Krankenhausketten bereits flächen- deckend damit, Arztsitze aufzukaufen, um eigene Medizinische Versorgungs- zentren zu etablieren. „Die niedergelas- senen Ärzte müssen das Heft des Han- delns in die Hand nehmen“, mahnte Richter-Reichhelm. Sonst sei es mit der Freiberuflichkeit bald vorbei. An den 107. Deutschen Ärztetag appellierte er, die Berufsordnung so zu verändern, dass die Möglichkeiten wirtschaftlicher Kooperationsformen zwischen Ärzten erweitert werden (Textkasten). „Wir müssen den Vertragsärzten eine faire Chance geben.“ Heike Korzilius P O L I T I K

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A1464 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004

Betroffen und nachdenklich: Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm bedauerte die Rücktritte von Munte und Baumgärtner: „Die Auseinandersetzungen im Vorstand waren immer sachorientiert.“

Gehören wie Munte und Baumgärtner zur Opposition inner- halb des KBV-Vorstands: Dr. med. Hans-Friedrich Spies und Dr.

med. Wolfgang Eckert wollen aber bis zum Ende der Wahlpe- riode weiterhin „kritisch mitarbeiten“. Für die ausgeschiede- nen Vorstandsmitglieder finden am 11. Juni in einer Sonder- vertreterversammlung zur neuen Satzung Nachwahlen statt.

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