Poliklinik-Beschluß des Bundesrats nicht zum Gesetz machen!
Resolution der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
„Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung richtet an die verant- wortlichen Vertreter von Bun- destag, Bundesrat und Bundes- regierung den dringenden Ap- pell, den im Rahmen der Novel- lierung des Krankenhausfinan- zierungsgesetzes gefaßten Be- schluß des Bundesrates zur Än- derung der Regelungen über Poliklinikverträge (§ 368 n Abs.
3 RVO) im weiteren Gesetzge- bungsverfahren abzulehnen, Durch die Ausschaltung der Selbstverwaltung zwischen Ärzten und Krankenkassen beim Abschluß der Poliklinik- verträge und die Verlagerung der endgültigen Entscheidung über den Poliklinikvertrag auf in der Krankenversicherung nicht zuständige oberste Lan- desbehörden würden die Trä- ger der gesetzlichen Kranken- versicherung einseitig mit er- heblichen Mehrkosten belastet werden. Die Berücksichtigung ausschließlich hochschulpoliti- scher Belange und finanzieller Forderungen der Hochschul- einrichtungen wären die Folge.
Vor allem aber könnten die Uni- versitätspolikliniken aus wis- senschaftlichen und nicht am Wirtschaftlichkeitsgebot kas- senärztlicher Versorgung orien- tierten Gesichtspunkten von
Forschung und Lehre ihr Lei- stungsangebot ohne jede Wirt- schaftlichkeitsprüfung, aber gleichwohl zu den kassenärztli- chen Vergütungssätzen aus- weiten und damit unkontrolliert die Kosten zu Lasten der Kran- kenversicherung in die Höhe treiben.
Das Zugeständnis einer Einzel- leistungsvergütung bei Beibe- haltung der Freiheit in der Be- stimmung des Leistungsumfan- ges würde die Krankenversi- cherung mit solchen Kosten be- lasten, die mit einer Krankenbe- handlung nach wirtschaftlichen Grundsätzen nicht vereinbar sind.
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung nimmt mit Befremden zur Kenntnis, daß der Bundes- rat ohne Rücksicht auf die da- mit verbundenen Kosten eine Regelung beschlossen hat, die das System der ambulanten Versorgung tiefgreifend verän- dern kann und die Zuständig- keit der gemeinsamen Selbst- verwaltung auf diesem Gebiet praktisch beseitigen würde. Die bisherige Handhabung der Poliklinikverträge durch die Selbstverwaltung rechtfertigt eine solche Beschlußfassung jedenfalls nicht." ■ KBV-Vertreterversammlung
ter dem Sanktionsdruck des Wäh- lers steht nicht in erster Linie die soziale Selbstverwaltung, sondern der um Wiederwahl bemühte Poli- tiker, aber auch der um Gestaltung im Kompromiß bemühte Poli- tiker."
Ein „konsequentes Ja" war Sunds Antwort auf die zweite Frage zur Vertragsfreiheit zwischen Ärzten und Krankenkassen — konsequent für einen „engagierten Anhänger der Selbstverwaltung": „Ich sehe hierin gerade ein geeignetes In- strument, um notwendig werden- de Anpassungen vorzunehmen. Es ist sehr zu hoffen, daß es von den Vertragspartnern auch bedürfnis- gerecht gehandhabt wird. Wir ken- nen alle die Verteilung der Hono- rargewichte zwischen originär — ich sage einmal betont — human- ärztlichen Leistungen und medi- zintechnischen Verrichtungen. Es geht dabei nicht um eine radikale Alternative zwischen Mensch und Maschine. Allerdings sehe ich mich mit vielen darin einig, daß eine neue Ausgewogenheit erst wieder herzustellen ist .
Ich gehe davon aus, daß die not- wendigen Umstrukturierungen bei
Bewertungsmaßstäben und Ge- bührenordnungen den status quo der Ärzteeinkommen hinsichtlich der absoluten Höhe unberührt las- sen. Daß sich jedoch für die Zu- kunft andere Relationen ergeben müssen, gehört nun einmal zu den Konsequenzen eines Lenkungsin- strumentariums. Diese Probleme müssen die Ärzte auch selbst be- wältigen ... Die Freiheit fordert ihren Preis."
Die steigende Ärztezahl könnte nach Sunds Auffassung allerdings die Einzelleistungshonorierung zur Diskussion stellen: „Ange- sichts der erreichten Belastung des individuellen Einkommens würde ich hier die Bedürfnisse der Bevölkerung zentral tangiert se- hen. Mithin eröffnet sich in diesem Bereich eine weitere Gelegenheit zur Bewährungsprobe der Ver- tragsfreiheit zwischen Ärzten und Krankenkassen. Ich bin fest davon
überzeugt, daß diese Bewäh- rungsprobe gemeistert wird."
Für den SPD-Sprecher war die Frage zur Teilnahme an der ambu- lanten kassenäritlichen Versor- gung mit dem Verhältnis zwischen Allgemein- und Fachmedizin ver- knüpft: „Was ich vom Arzt für All- gemeinmedizin in Zukunft erwar- te, verbietet mir konsequent, für eine uneingeschränkte Öffnung des Krankenhauses zu plädieren.
Darüber hinaus sollte man diese Frage aber auch pragmatisch an- zugehen versuchen. Was wir zu- nächst brauchen, ist eine noch besser abgestimmte Kooperation
zwischen ambulanter und statio- närer Versorgung." Hierbei spiel- ten auch Kostenfragen eine Rolle:
„Teure Medizintechnik entfaltet betriebswirtschaftliche Eigendy- namik . .. Kostengünstiger medi- zinischer Fortschritt und seine umfassende Verfügbarkeit in den Praxen der niedergelassenen Ärz- te sind Dinge, die einander aus- schließen, jedenfalls nach den heutigen Erkenntnissen. Auch hier sehe ich zunächst eine Aufgabe für die Ärzte selbst, mit entspre- chenden Organisationsmodellen ambulante und teilweise auch sta- tionäre Behandlung im Kranken- haus überflüssig zu machen, ob
1374 Heft 21 vom 22. Mai 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT