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Archiv "Anorexia und Bulimia nervosa im Kindes- und Jugendalter: Schlusswort" (17.06.2005)

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und Sponsorenunabhängigkeit selbst- verständlich sein.

Diese Grundsätze werden beim The- ma Anorexie und Bulimie bei Kindern und Jugendlichen verlassen. Der ge- samte Bereich der psychodynamischen Verfahren in der Versorgung dieser Er- krankungen wird vollständig ignoriert.

Dies steht nicht nur im Gegensatz zur breiten und festen Verankerung der analytisch begründeten Methoden in der Diagnostik und Therapie bei Ess- störungen. Die angebotene Darstellung folgt weder dem aktuellen Stand der Wissenschaft noch den Stellungnahmen der zuständigen Gremien der Deut- schen Ärzteschaft.

Es entspräche der hohen Verantwor- tung des Deutschen Ärzteblattes in der ärztlichen Fortbildung, wenn die Re- daktion gerade bei Themen aus dem Gebiet der Psychiatrie beziehungsweise Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie dem Gebiet der Psychosomatischen Medizin wieder zur gebotenen Sorg- falt und Ausgewogenheit zurückkehren würde.

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtilinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Dr. med. Bernhard Palmowski Droysenstraße 5, 10629 Berlin

Multifaktorielle Ätiopathogenese

Unter der Rubrik „Biologische Fakto- ren“ bei der Bulimie werden gezügeltes Essverhalten und Fastenperioden ge- nannt, die zur Aufrechterhaltung bio- logischer und psychischer Störungen beitrügen. Erbrechen, Abführmittel und Appetitzügler führten zu einer

„Destabilisierung der psychophysiolo- gischen Regulation bei der Nahrungs- aufnahme“. Ein bedeutsamer individu- ell-spezifischer biologischer Risikofak- tor für die Entwicklung bulimischer Essstörungen bereits in der Präpuber- tät, nämlich Adipositas im Kindesalter (1), wird nicht erwähnt. Inzwischen wurde auch bekannt, dass diese einen chronisch persistierenden Verlauf der Essstörung begünstigt (2). Ein weiterer biologischer Risikofaktor wurde be- reits 1991/1992 erkannt und inzwischen

mehrfach bestätigt: Frauen mit poly- zystischem Ovarsyndrom (PCOS) und Hyperandrogenismus sind gehäuft zur Entwicklung einer Bulimie disponiert (3). Die beim PCOS bekannten Hor- monabweichungen (Hyperinsulinämie, Insulinresistenz, erhöhtes Testosteron, erhöhtes Androstendion) scheinen sich oft bereits in der Prä- und frühen Pu- bertät auch bei der Adipositas zu eta- blieren. Die multifaktorielle Ätiopa- thogenese der Bulimie macht zumal bei den verschiedenen Komorbiditäten verständlich, dass es leider für den Einzelfall keinen Prädiktor für einen anhaltenden Erfolg von Therapiemaß- nahmen gibt. Eine bessere Klassifizie- rung von Subgruppen könnte mög- licherweise einen Schlüssel für noch differenziertere Psycho- auch additive Pharmakotherapien darstellen, um die oft (zu) lange Leidensstrecke Betroffe- ner abzukürzen. Auf dem Sektor der biopsychologischen Ursachenforschung besteht generell noch ein erhebliches Informationsdefizit, um das sich en- dokrinologisch-metabolisch orientierte Forschergruppen auch in der Pädiatrie bemühen müssten.

Labormedizinische Anmerkung: In Kasten 3 werden als abnorme Laborbe- funde bei der Anorexie Blutbildverän- derungen (Leukopenie, Anämie und Thrombozytopenie) genannt. Zur Dia- gnostik wird sodann für beide Ess- störungen (Anorexie und Bulimie) ein Differenzialblutbild, also eine Leuko- zytendifferenzierung, als unerlässlich bezeichnet, wo es kleines Blutbild heißen müsste. In einem Aufsatz, der als zertifi- zierte medizinische Fortbildung einge- stuft ist, wäre durchaus mehr Genauig- keit wünschenswert.

Literatur

1. Fairburn CG, Harrison PJ: Eating disorders. Lancet 2003; 361: 407–416.

2. Fairburn CG, Stice E, Cooper Z et al.: Understanding persistence in bulimia nervosa: a 5-year naturalistic study. J Consult Clin Psychology 2003; 71: 103–109.

3. McCluskey SE, Pearce JM, Evans C et al.: Polycystic ovary syndrome and bulimia. Fertil Steril 1991; 55:

287–291.

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Prof. Dr. med. Heinrich Wernze Pilzigrundstraße 54

97076 Würzburg

Schlusswort

Es war ein Anliegen des Artikels, den Lesern des Deutschen Ärzteblattes den aktuellen Stand des Wissens zu adoles- zenten Essstörungen und – wenn mög- lich – evidenzbasierte therapeutische Verfahren näher zu bringen. Daher ist es sehr bedauerlich, dass trotz unseres Be- mühens um einen störungsspezifischen therapeutischen Ansatz der bekannte Schulenstreit zwischen Tiefenpsycholo- gie und Verhaltenstherapie, zwischen Psychosomatik und Psychiatrie nicht zu verhindern war. Das Cochrane-Review (2003) zur Behandlung der Anorexia nervosa stellt fest: „There is an urgent need for large randomised controlled trials of commonly used psychotherapies in older adolescents and adults with an- orexia nervosa.“

Leider liegen für die psychodynami- sche Psychotherapie bei den Essstö- rungen fast keine kontrollierten Stu- dien vor, die den Nachweis einer Wirk- samkeit erbracht hätten (3). In einer Studie von Hamburg (4) und einer weiteren von Dare und Kollegen (2) wur- de bei erwachsenen Patienten ein Ver- gleich von psychodynamischer Therapie mit Psychoedukation beziehungsweise Familientherapie vorgenommen. Hier- bei ließ sich keine Überlegenheit der psychodynamischen Behandlungsme- thode nachweisen. In der Untersuchung von Dare und Kollegen lag der mittlere Bodymass-Index nach einem Jahr immer noch deutlich im Bereich von Unterge- wicht (16,5), sodass die Wirksamkeit ins- gesamt infrage gestellt werden muss.

Auch für die kognitiv-behaviorale Therapie (CBT) ist der Evidenzgrad bei der Magersucht nicht günstig. Es gibt aber einige Studien, die ein kontrolliertes Design verwandt haben (1). So konnten Pike und Kollegen (7) zeigen, dass CBT wirksamer als eine Ernährungstherapie war.

Die Studienlage ist wesentlich aussa- gekräftiger bei der Bulimia nervosa.Ver- gleichende Studien zu kognitiver und in- terpersonaler Therapie (IPT) weisen dar- auf hin, dass die kognitive Therapie, ins- besondere auf Manualbasis, bei Bulimia nervosa wirksam ist (5). Auch IPT ist wirksam, vor allem im Langzeitverlauf.

Herrn Wernze sei für den Hinweis ge- dankt, dass die Adipositas ein bedeutsa- M E D I Z I N

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A1754 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005 AA1755

mer Risikofaktor für die Entstehung ei- ner Bulimia nervosa ist.Auch das polyzy- stische Ovarsyndrom (PCOS) ist häufig mit einer Essstörung assoziiert. Das gilt jedoch für viele andere somatische Er- krankungen auch, zum Beispiel den Diabetes mellitus, entzündliche Darmer- krankungen, endokrinologische Erkran- kungen wie das adrenogenitale Syn- drom, auf die wir in einem Übersichtsar- tikel nicht eingehen konnten.

Im Rahmen der Labordiagnostik ist es aus unserer Sicht zu Beginn der Er- krankung wichtig, eine Leukopenie bei Gewichtsverlust differenzialdiagnostisch von anderen somatischen Erkrankungen abzugrenzen, weil Fehldiagnosen immer wieder vorkommen (6).

Die sehr rege Diskussion zu diesem Thema macht deutlich, dass ein hoher In- formations-, aber auch Forschungsbedarf zu den Essstörungen besteht. Dieser be- zieht sich einerseits auf ätiologische Fra- gestellungen; darüber hinaus sind bei ei- ner potenziell lebensbedrohlichen Er- krankung wie der Magersucht dringend effektive Therapieverfahren erforder- lich.

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Literatur

1. Channon S, de Silva P, Hemsley D, Perkins R: A controlled trial of cognitive-behavioural and behavioural treatment of anorexia nervosa. Behav Res Ther 1989; 27: 529–535.

2. Dare C, Eisler I, Russell G, Treasure J, Dodge L: Psycho- logical therapies for adults with anorexia nervosa: ran- domised controlled trial of out-patient treatments. Br J Psychiatry 2001; 178: 216–221.

3. Gowers H, Bryant-Waugh R: Management of child and adolescent eating disorders: the current evidence base and future directions. J Child Psychology Psychiatr 2004; 45: 63–83.

4. Hamburg P: How long is long-term therapy for anor- exia nervosa? In Werne J (Hrsg.) Treating Eating Disor- ders. San Francisco, CA: Jossey-Bass, 1996, 71–99.

5. Hay PJ, Bacaltchuk J, Stefano S: Psychotherapy for buli- mia nervosa and binging. Cochrane Database Syst Rev 2004; CD000562.

6. Herpertz-Dahlmann B, Remschmidt H: Blutbildverän- derungen bei Anorexia nervosa in Abhängigkeit vom Gewicht. Monatsschrift Kinderheilkunde 1988; 136:

739– 744.

7. Pike KM, Walsh BT, Vitousek K, Wilson GT, Bauer J:

Cognitive behavior therapy in the posthospitalization treatment of anorexia nervosa. Am J Psychiatry 2003;

160: 2046–2049.

Prof. Dr. med. Beate Herpertz-Dahlmann Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der RWTH Aachen Neuenhofer Weg 21, 51074 Aachen

Neurologische Indikation

Ergänzend möchte ich auf eine weitere neurologische Indikation hinweisen. Ei- ne besondere Problematik in der neuro- logischen Notfallmedizin ist der Patient mit neu aufgetretenen Kopfschmerzen, bei dem unter anderem eine zerebrale Si- nusthrombose auszuschließen ist, was bisher nur mit aufwendigen neuroradio- logischen Untersuchungen gelang. Wie wir kürzlich zeigen konnten (1), haben D-Dimere auch bei dieser Fragestellung eine sehr hohe Sensitivität, normale D- Dimere einen hohen negativen prädikti- ven Wert und können in der Ausschluss- diagnostik erfolgreich eingesetzt werden.

Literatur

1. Kosinski CM, Mull M, Schwarz M, Koch B, Biniek R, Schla- fer J, Milkereit E,Willmes K, Schiefer J: Do normal D-dimer levels reliably exclude cerebral sinus thrombosis? Stroke 2004; 35: 2820–2825.

Priv.-Doz. Dr. med. Christoph M. Kosinski Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen E-Mail: CKosinski@ukaachen.de

Schlusswort

Für die Verwendung von D-Dimer in der Ausschlussdiagnostik der zerebralen Si- nusvenenthrombose liegen mehrere Be- richte vor. Tardy et al. (1) fanden bei 18 von 18 Patienten mit Sinusvenenthrom- bose D-Dimer-Spiegel über 0,5 µg/mL, gemessen mit Asserachrom Ddi ELISA (Stago, Asnières, Frankreich). Cucchiara et al. (2) berichteten über neun Patienten mit Sinusvenenthrombose. Der D-Di- mer-Spiegel lag in allen Fällen über 0,5 µg/mL, bei Verwendung von MDA-D-

Dimer und VIDAS-D-Dimer (beide von bioMérieux, Nürtingen). In der Studie von Lalive et al. (3) fand man D-Dimer- Spiegel über 0,5 µg/mL (gemessen mit VIDAS D-Dimer) bei zehn von zwölf Patienten mit Sinusvenenthrombose, entsprechend einer diagnostischen Sen- sitivität von 83 Prozent. Bei den beiden Patienten mit D-Dimer-Werten < 0,5 µg/mL bestanden die Kopfschmerzen als Symptom der Sinusvenenthrombose schon länger als 30 Tage. Kosinski et al.

(4) untersuchten 343 Patienten mit aku- ten Kopfschmerzen. Von 35 Patienten mit nachgewiesener Sinusvenenthrom- bose hatten 34 D-Dimer-Spiegel über 0,5 µg/mL (gemessen mit TINAquant D-Di- mer, Roche Diagnostics, Mannheim). D- Dimer-Spiegel über 0,5 µg/mL wurden hingegen nur bei 27/308 Patienten mit Kopfschmerzen ohne Sinusvenenthrom- bose festgestellt, sodass die diagnostische Sensitivität 97 Prozent und die Spezifität 91 Prozent betrug.

Auf der Basis der bisher wenigen Stu- dien kann die diagnostische Wertigkeit der D-Dimer-Bestimmung zum Aus- schluss der Sinusvenenthrombose noch nicht abschließend beurteilt werden. Al- lerdings scheint sich unter Verwendung der gleichen Grenzwerte wie bei der Aus- schlussdiagnostik der venösen Thrombo- se eine vergleichbare diagnostische Sen- sitivität für die akute Sinusvenenthrom- bose herauszustellen, wenn die klinische Symptomatik erst für weniger als 14 Tage besteht. Zu beachten ist, dass die Ergeb- nisse eines D-Dimer-Tests nicht unbe- dingt auf andere Messverfahren zu über- tragen sind. Für jeden D-Dimer-Test sind auch bei dieser Indikation eigene klini- sche Studien erforderlich.

Literatur

1. Tardy B, Tardy-Poncet B, Viallon A et al.: D-dimer levels in patients with suspected acute cerebral venous thrombo- sis. Am J Med 2002; 113: 238–241.

2. Cucchiara B, Messe S,Taylor R, Clarke J, Pollak E: Utility of D-dimer in the diagnosis of cerebral venous sinus throm- bosis. J Thromb Haemost 2005; 3: 387–389.

3. Lalive PH, De Moerloose P, Lovblad K et al.: Is measure- ment of D-dimer useful in the diagnosis of cerebral ve- nous thrombosis? Neurology 2003; 61: 1057–1060.

4. Kosinski CM, Mull M, Schwarz M et al.: Do normal D-di- mer levels reliably exclude cerebral sinus thrombosis?

Stroke 2004; 35: 2820–2825.

Prof. Dr. med. Carl-Erik Dempfle Universitätsklinikum Mannheim I. Medizinische Klinik

Theodor-Kutzer-Ufer 1–3, 68167 Mannheim

zu dem Beitrag

Bestimmung des

D-Dimer-Antigens in der klinischen Routine

von

Prof. Dr. med.

Carl-Erik Dempfle in Heft 7/2005

DISKUSSION

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