• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die dissoziative Identitätsstörung – häufig fehldiagnostiziert: Schlusswort" (13.04.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die dissoziative Identitätsstörung – häufig fehldiagnostiziert: Schlusswort" (13.04.2007)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A1034 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 15⏐⏐13. April 2007

M E D I Z I N

und wird in kritischen Übersichten auch nicht emp- fohlen (2).

Im DSM-IV, das zuletzt 2000 revidiert wurde, wird darauf hingewiesen, dass die Prävalenz der DIS nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Diese unentschiede- ne Lage besteht auch weiterhin. Eine Klärung der tatsächlichen Häufigkeit der DIS bedarf weiterer epide- miologischer Untersuchungen. Dabei ist zu berück- sichtigen, dass es genuine und iatrogene Formen der DIS gibt; letztere sind dann nicht oder nur gesondert zu erfassen.

LITERATUR

1. Teicher MH, Samson JA, Polcari A, McGreenery CE: Sticks, stones and hurtful words: relative effects of various forms of childhood mal- treatment. Am J Psychiatry 2006; 163: 993–1000.

2. Lambert MJ: Bergin and Garfield's Handbook of Psychotherapy and Behaviour Change. Fifth Edition. New York: Wiley 2004.

Dr. med. Wolfgang Wölk MDK Westfalen-Lippe Von-Steuben-Straße 5 48143 Münster E-Mail: wwoelk@mdk-wl.de

Schlusswort

Wir begrüßen das lebhafte Echo auf unseren Artikel, zu- mal wir die Diskussion über das Krankheitsbild der DIS für dringend erforderlich halten.

Evidenz des posttraumatischen Modells

Der Zusammenhang von Trauma und Dissoziation hat hohe wissenschaftliche Evidenz. Er ist durch retrospek- tive Studien (auch durch 1 im Leserbrief Wölk), Meta- analysen sowie prospektive und longitudinale Studien (siehe auch 3, 15, 18 und 22 unseres Beitrages sowie [1–3]) gestützt. Zusätzlich zum Trauma sind weitere Ri- sikofaktoren – hoher posttraumatischer Stress sowie verminderte Möglichkeiten der Affektregulation – (4) erforderlich, um dissoziative Symptome zu entwickeln.

In der Debatte über neurologische Korrelate stimmen die Befunde abnorm kleiner Hippocampi bei DIS-Pati- entinnen (5, 6) mit der posttraumatischen Genese der Erkrankung überein.

Eine lineare Korrelation zwischen sexueller Gewalt- erfahrung und der späteren Entwicklung einer DIS (Le- serbriefe Straeter et al. sowie Wölk) wird von uns nicht beschrieben, vielmehr ein Diathese-Stress-Modell. Als Stressoren werden allerdings extrem häufig – in über 90 % der Fälle – Angaben zu traumatischen Erfahrun- gen in der Kindheit in Form von schwerer Vernachlässi- gung sowie seelischer, körperlicher und sexueller Miss- handlung gefunden.

Abweichungen von den Diagnosemanualen

Die Darstellung in der ICD 10, DIS sei selten und mög- licherweise iatrogen und soziokulturell bedingt, ist veraltet. Bei allen durchgeführten klinischen Präva- lenzstudien fand man circa 1 bis 5 % DIS-Fälle, und zwar in den kulturell verschiedenen Ländern (USA, Kanada, Niederlande, Schweiz, Norwegen, Deutsch- land, Türkei; siehe 5, e2–e14 unseres Artikels. Tatsa-

che ist zudem, dass keine einzige überzeugende Stu- die als Beleg darüber vorliegt, dass das Symptomspek- trum einer DIS von Therapeuten iatrogen hervorgeru- fen werden kann. Der Begriff der „iatrogenen DIS“

ist daher irreführend und sollte wegen fehlender wis- senschaftlicher Fundierung nicht verwendet werden, zumal er die Gefahr eines Generalverdachtes der Fehl- behandlung gegen Psychotherapeuten beinhaltet, die mit DIS-Patienten arbeiten.

Hiervon abzugrenzen ist das Problem von Fehldia- gnosen, die zu Beginn der Etablierung einer Diagnose vermehrt auftreten können und dem man am sichersten mit Information und Fortbildungen entgegenwirkt.

„Aktives Erfragen“ von Symptomen ist übliche Praxis einer jeden Diagnostik und darf nicht mit „suggestivem Fragen“ verwechselt werden.

Evidenz der vorgestellten Therapieempfehlungen

Unsere Therapieempfehlungen stützen sich auf die Richtlinien der International Society for the Study of Dissociation (www.dissoc.de/issd/issd-r0.html), die von internationalen Experten verschiedener Schulrich- tungen erarbeitet wurden. Hierin werden sowohl das Phasenmodell, der schulenübergreifende Ansatz als auch das aktive Einbeziehen der dissoziierten Persön- lichkeitsanteile empfohlen. Kontrollierte Behandlungs- studien sind notwendig und werden zurzeit durch die holländische Regierung finanziert.

Wahrgenommene und gemessene Prävalenz der DIS

Die Diskrepanz zwischen wahrgenommener und ge- messener Häufigkeit von DIS mag damit zusammen- hängen, dass auch in der professionellen Vorstellung ein eher schrilles Image über das Krankheitsbild exi- stiert. Simulationen, Imitationen und histrionische Komorbidität kommen vor, sind jedoch selten. Die meisten DIS-Patienten imponieren primär mit De- pressionen, Angsstörungen, gelegentlich auch als Per- sönlichkeitsstörungen und zeigen nur diskrete Hin- weise für die dahinterliegende schwere dissoziative Symptomatik.

Fazit

In der Politik setzt sich zurzeit die pragmatische Einstel- lung durch, dass das gesellschaftliche Nicht-Be-Handeln von Vernachlässigung und Gewalt gegen Kinder – Phä- nomene, die in Deutschland nicht selten sind – langfri- stig teuer ist. Dies gilt auch für das Nicht-Be-Handeln von traumatisierten Kindern, die später unter anderem DIS-Patienten werden. Hier sind Kostenträger, Gutach- ter im Rahmen der Richtlinienpsychotherapie, Medizini- sche Dienste der Krankenkassen sowie Versorgungsäm- ter bei der Klärung eventueller Ansprüche im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes besonders gefordert, weil sie über Kosten den Rahmen für die Behandlungs- möglichkeiten traumatisierter Kinder und Erwachsener abstecken. Wünschenswert wäre ein intensiverer Dialog zwischen Klinikern, Forschern, Gutachtern und Kosten- trägern, um auch in Zeiten knapper Kassen faire Lösun- gen für die Betroffenen zu finden.

(2)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 15⏐⏐13. April 2007 A1035

M E D I Z I N

LITERATUR

1. Diseth TH: Dissociation following traumatic medical treatment proce- dures in childhood: a longitudinal follow-up. Dev Psychopathol 2006;

18: 233–51.

2. Macfie J, Cicchetti D, Toth SL: The development of dissociation in maltreated preschool-aged children. Dev Psychopathol 2001; 13:

233–54.

3. Ogawa JR, Sroufe LA, Weinfield NS, Carlson EA, Egeland B: Develop- ment and the fragmented self: longitudinal study of dissociative sym- ptomatology in a nonclinical sample. Dev Psychopathol 1997; 9:

855–79.

4. Briere J: Dissociative symptoms and trauma exposure: Specificity, af- fect dysregulation, and posttraumatic stress. J Nerv Ment Dis 2006;

194: 78–82.

5. Karl A, Schaefer M, Malta LS, Dorfel D, Rohleder N, Werner A:

A meta-analysis of structural brain abnormalities in PTSD. Neurosci Biobehav Rev 2006; 30: 1004–31.

6. Vermetten E, Schmahl C, Lindner S, Loewenstein RJ, Bremner JD:

Hippocampal and amygdalar volumes in dissociative identity disorder.

Am J Psychiatry 2006; 163: 630–6.

PD Dr. med. Ursula Gast Evangelisches Krankenhaus Bielefeld Graf-von-Galenstraße 58 33619 Bielefeld

E-Mail: Ursula.Gast@evkb.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sin- ne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Ergänzungen

In dem Beitrag vermisse ich, dass die sensomotorische Verbindung und Dynamik in der funktionellen Einheit und biomechanischen Wechselwirkung von Knochen und Muskulatur und die Bedeutung entsprechender Pro- priozeption nicht dargestellt wurden. Außerdem sollte er- wähnt werden, dass die altersabhängige, der Knochenrei- fung entsprechende Geometrie der Knochenmarkdurch- blutung für die Kortikalis-Eigenschaften mitverantwort- lich ist, und dass eine sensomotorische Verlust-Sympto- matik unter längerer Schwerelosigkeit auftritt.

Prof. Dr. med. Fritz Schilling Hebbelstraße 20

55127 Mainz

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Schlusswort

Stürze im Rahmen der Lokomotion sind eine wesentli- che Ursache für das Auftreten von Frakturen bei älteren Menschen (1). Der Verlust koordinativ-muskulärer Fer- tigkeiten zum Halten der Balance ist dabei entscheidend.

Die Verarbeitung propriorezeptiver Informationen und die muskuläre Gegenregulation (intra- und intermus- kulären Koordination) bei Auslenkung aus der Balance bewahrt uns vor Stürzen. Die Verbesserung dieser Koor- dination durch Ganzkörpervibrationstraining ist vorteil- haft für Muskelkraft und Muskelleistung und erhöht die Knochenmasse. Erste Ergebnisse zur Wirkung des Ganz- körpervibrationstrainings mit dem Kölner-Geh-und- Stehtrainer Galileo zur Behandlung immobilisierter Kin- der und Jugendlicher liegen bereits vor und zeigen einen deutliche Steigerung der Mobilität (2).

Die Erdschwerebeschleunigung ist Ursache für die mit unserem Körper verbundene Gewichtskraft, die bei kon- stanter Beschleunigung allein von der Körpermasse ab- hängig ist. Lokomotion ist nur möglich, wenn das mus- kuläre System Kräfte entwickelt, die der Gewichtskraft entgegenstehen. Deshalb ist die Entwicklung der Muskel- kräfte an die Entwicklung der Körpermasse adaptiert. Die Körperlängenentwicklung modifiziert diesen Aspekt durch das Auftreten von Hebelkräften. Deshalb sollte die Beurteilung muskulärer Parameter unter der Berücksich- tigung der Auxologie erfolgen, wie es im diagnostischen Algorithmus zur Untersuchung der funktionellen Mus- kel-Knochen-Einheit vorgeschlagen wurde. Im Weltraum besteht keine Erdschwerebeschleunigung, woran sich das Muskelsystem adaptiert. Die Abnahme der Muskelkraft bedingt einen sekundären Verlust von Knochenmasse, weil sich das Skelett an die an ihm angreifenden Maxi- malkräfte adaptiert. Um diesem entgegenzuwirken, muss der Mensch in der Schwerelosigkeit durch gezieltes Trai- ning seine muskulären Maximalkräfte aufrecht erhalten.

Die Berliner Bed-Rest-Studie konnte zeigen, dass auch in diesem Fall Vibrationstraining wesentlich zum Erhalt der Muskelkraft ist (3).

LITERATUR

1. Sambrook PN et al.: Influence of fall related factors and bone strength on fracture risk in the frail elderly. Osteoporos Int 2007;

Jan 10; elektronische Veröffentlichung vor dem Druck.

2. Semler O et al.: Preliminary therapeutic results on the mobility after whole body vibration (WBV) in immobilized children and adolescents.

J Musculoskelet Neuronal Interact, Manuskript im Druck.

3. Blottner D et al.: Human skeletal muscle structure and function pre- served by vibration muscle exercise following 55 days of bed rest.

Eur J Appl Physiology 2006; 97: 261–71.

Dr. med. Oliver Fricke Prof. Dr. med. Eckhard Schoenau Klinik u. Poliklinik für Kinderheilkunde Klinikum der Universität zu Köln Kerpener Straße 62, 50924 Köln

Interessenkonflikt

Prof. Schoenau erhielt von der Firma Novotec Medical GmbH finanzielle För- dermittel. Dr. med. Fircke erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

zu dem Beitrag

Muskel und Knochen – eine funktionelle Einheit

Paradigmenwechsel bei Skelettuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen von Prof. Dr. med. Eckhard Schoenau, Dr. med. Oliver Fricke, in Heft 50/2006

DISKUSSION

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auffallend ist, dass die DIS über- wiegend in Nordamerika und einigen westeuropäischen Staaten diagnostiziert wird, in den meisten anderen Staaten, darunter auch Frankreich

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.. Kinder sind in erster

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht..

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.. Argumentation

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors