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Archiv "Die dissoziative Identitätsstörung – häufig fehldiagnostiziert: Diagnose bedeutet Narrenfreiheit" (13.04.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 15⏐⏐13. April 2007 A1031

M E D I Z I N

Das Risiko falschpositiver Testreaktionen ist bei korrek- ter Durchführung und Ablesung minimal.

Die Bedenken, dass schwere bullöse Hautreaktionen, dass ein fixes Arzneiexanthem oder eine toxische epi- dermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) auftreten können, verstehen wir im Kontext mit Heparinallergie nicht. Das Risiko eines generalisierten Ekzems oder Exanthems nach intravenöser Heparingabe bei Spättypallergie ge- gen subkutane Heparine ist minimal; bullöse Hautreak- tionen sind ausgeschlossen.

Die befürchtete „Doppelbelastung des Patienten“

können wir nicht nachvollziehen. Es gibt weder theore- tische noch klinische Hinweise auf eine fehlende Hepa- rinwirkung, wenn intravenös appliziertes Heparin von den Patienten symptomlos toleriert wird.

Herr Dr. Irion erwähnt in seinem Diskussionsbeitrag Präparate, auf die ausgewichen werden kann. Unsere langjährigen Erfahrungen zur Heparinallergie können in einem Übersichtsartikel nicht alle detailliert und belegt mit den Originaldaten dargestellt werden. Die intra- venöse Toleranz stand im Mittelpunkt, ergänzend haben wir einige Aspekte zu potenziellen subkutanen Aus- weichpräparaten erwähnt.

Ihre positiven Erfahrungen mit Pentosanpolysulfat überraschen. Die Sensibilisierung/Immunreaktion gegen Heparine (anionische Polysaccharide) ist nicht immer gleich ausgeprägt, sondern imponiert als ein Spektrum mit erheblichen quantitativen Unterschieden. Patienten

mit geringgradiger Sensibilisierung haben nur diskrete Erythemplaques an den Einstichstellen, hier ist das semi- synthetische Pentosanpolysulfat eine mögliche – oft aber zeitlich begrenzte – Alternative. Vielleicht sieht Herr Iri- on in seiner Praxis im Vergleich zu uns signifikant mehr solche Patienten. Wichtig ist auch, dass Pentosanpolysul- fat zwar zur Thromboseprophylaxe zugelassen ist, in in- ternationalen Therapieleitlinien aber nicht erwähnt wird (1). Daher wird es nur selten verwendet. Dies könnte ein Grund sein für die relativ wenigen Publikationen über Erythem-/Ekzemplaques nach subkutanen Pentosanpoly- sulfat-Injektionen. Die korrekte Durchführung und Beur- teilung eines subkutanen Provokationstests in unserer Klinik kann Herr Irion voraussetzen (2).

LITERATUR

1. Geerts WH, Pineo GF, Heit JA et al.: Prevention of venous thromboem- bolism: The seventh ACCP conference on antithrombotic and throm- bolytic therapy. Chest 2004; 126: 338–400.

2. Trautmann A: Arzneireaktionen am Injektionsort. In: Trautmann A:

Allergiediagnose, Allergietherapie. Stuttgart, New York: Thieme 2006;

261–2.

PD Dr. med. Axel Trautmann

Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Josef-Schneider-Straße 2

97080 Würzburg

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Diagnose bedeutet Narrenfreiheit

„Die so diagnostizierten Patientinnen und Patienten profitieren in der Regel gut von Trauma-adaptierten Therapieprogrammen“. Als Beleg wird hier jedoch le- diglich eine Leitlinie aus dem Jahre 2001 angeführt, die sich auf posttraumatische Belastungsstörungen bezieht und nicht explizit auf die multiple Persönlich- keit. „Eine erste Behandlungsstudie“, veröffentlicht 1997, war nicht kontrolliert, beschreibt die Interventi- on nicht, hatte eine Drop-out-Rate von 60 % und bil- det möglicherweise nur die „Regression zum Mittel- wert“ ab. Bessere Daten scheinen bisher nicht erhoben worden zu sein.

„Meist besteht eine teilweise oder vollständige Am- nesie für das Vorhandensein oder die Handlungen der

jeweils anderen Persönlichkeitszustände“. Es handelt sich also um eine selektive Amnesie. Eine solche gilt als Zeichen einer funktionellen Störung (1), die gut simu- liert werden kann (2) und wird (3). Und: wie kann ein Patient die „Symptome offenbaren“, wenn diese einer Amnesie unterliegen?

Die Symptome müssen „aktiv erfragt werden“. Die Patienten müssen also erst darauf hingewiesen wer- den, dass es eine elegante Möglichkeit gibt, sie nach jeglichem aberranten Verhalten von Verantwortung zu entlasten – dann aber sind sie für die Chance dankbar, die sich unverhofft bietet. Sicher ist es auch dem em- pathischen Therapeuten angenehmer, diese oder jene Verhaltensweise statt dem bedauernswerten Dr. Jekyll dem teuflischen Mr. Hyde anzukreiden. Wenn sich „in der Regel acht bis zehn verschiedene Persönlichkeits- zustände finden ... [und] in 20 % der Fälle 20 und mehr ,Personen‘“, dann bedeutet dies völlige Narren- freiheit, denn es dürfte Frager wie Befragtem schwer fallen, hierbei den Überblick zu behalten.

Bei einem diagnostischen Verfahren, welches 99 % Spezifität bei 99 % Sensitivität erreicht, stellt sich die Frage, ob das Außenkriterium für die Validität nicht be- reits im Fragebogen enthalten ist.

DISKUSSION

zu dem Beitrag

Die dissoziative Identitätsstörung – häufig fehldiagnostiziert

von PD Dr. med. Ursula Gast, Dr. Dipl. Psych. Frauke Rodewald, Dr. med. Arne Hofman, Dipl. Phys. Helga Mattheß, MD, Dipl. Psych. Ellert R.S. Nijenhuis Ph. D., Dr. med. Luise Reddemann, Prof. Dr. med. Dr. phil. Hinderk M. Emrich, in Heft 47/2006

(2)

A1032 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 15⏐⏐13. April 2007

M E D I Z I N

LITERATUR

1. Brandt J, van Gorp WG: Functional („psychogenic“) amnesia. Sem Neurol 2006; 26: 331–40.

2. Brand BL, McNary SW, Loewenstein RJ, Kolos AC, Barr SR: Assess- ment of genuine and simulated dissociative identity disorder on the structured interview of reported symptoms. J Trauma Dissociation 2006; 7: 63–85.

3. Huntjens RJ, Peters ML, Woertman L: Inter-identity amnesia in disso- ciative identity disorder: a simulated memory impairment? Psychol Med 2006; 36: 857–63.

Dr. med. Matthias Mindach Humboldtstraße 5 15230 Frankfurt (Oder) E-Mail: mindach@onlinehome.de

Ausgezeichnete Hilfestellung

Der Übersichtsartikel von Frau Gast zur dissoziativen Identitätsstörung gibt eine ausgezeichnete Hilfestellung im Umgang mit einer Anzahl besonders schwieriger Pa- tientinnen. Unter jenen, die schon an der Rezeption re- gelmäßig für erhebliche Unruhe sorgen und die mir mit ihrer verwirrenden Symptomatik und unberechenbaren Stimmungen meine Grenzen aufzeigen, mögen 5 bis 10 eine dissoziative Identitätsstörung haben. Mit diesem Wissen lohnt sich der Versuch, einen respektvollen und fürsorglichen Kontakt zu diesen Frauen aufzubauen.

Damit kann schon in der Hausarztpraxis ein therapeuti- scher Weg eingeschlagen werden, der der Patientin und dem Gesundheitswesen eine unsinnige und belastende Diagnostik erspart und der aus eigener Erfahrung für Patient und Arzt sehr fruchtbar sein kann. Deshalb ist es erfreulich, dass sich das Deutsche Ärzteblatt dieses ver- sorgungsrelevanten Themas angenommen hat und Frau Gast ist zu danken für die überzeugende Darstellung dieses bizarren Krankheitsbildes und die klare Über- sicht der Diagnosekriterien.

Dr. med. Helga Duscha Philipp-Försch-Straße 15 55257 Budenheim

Fehlende Objektivierbarkeit

Die Diagnose DIS wird eher zu häufig als zu selten ge- stellt. Das Kernproblem ist gerade die von den Autoren geforderte „aktive Erfragung“ der Symptome. Dahinter verbirgt sich ein riskanter Indoktrinationsvorgang, dem hochsuggestible Personen – Patienten wie Therapeuten – zum Opfer fallen.

In meiner 20-jährigen Berufstätigkeit im psychiatri- schen Feld entpuppten sich alle DIS-Fälle als Irrtümer.

Angefangen von der simulierten DIS nach einem Tö- tungsversuch an der Ehefrau; weiter über 2 Fälle, in denen histrionische Patientinnen bei der „therapeu- tischen Aufdeckung“ unzähliger Persönlichkeiten in eine fatale Abhängigkeit von ihren Therapeuten ge- rieten, sich letztendlich selbst als Opfer von Manipula- tionen erkannten und schwere Vorwürfe gegen ihre Therapeuten erhoben. Bei einer Benzodiazepin-abhän- gigen Patientin bestand eine unübersichtliche Gemen- gelage aus toxisch bedingten Amnesien, appellativem Craving-Verhalten und infantiler Beziehungsmanipu-

lation. „DIS“ wurde hier willkürlich diagnostiziert. Ei- ne sehr junge Patientin hatte sich in die Thematik „ein- gelesen“. In einem Fall bestand eine fehlgedeutete Temporallappenepilepsie.

Fazit: Die Diagnose DIS ist bestenfalls Forschungs- diagnose, schlimmstenfalls Modediagnose. Ihr infla- tionärer Einbruch in die Klinik könnte Patienten und Therapeuten mehr schaden als nutzen. Mehr als andere psychiatrische Diagnosen entbehrt sie der Objektivier- barkeit. Die von den Autoren beschworene „neurobio- logische Basis“ mit mehr plakativen als repräsentati- ven Befunden ist sehr fragwürdig. Die DIS ist meines Erachtens kein Produkt der Amygdala, sondern Ema- nation des Zeitgeistes mit seinen wiederkehrenden Krisen des Individualismus, namentlich der deutschen Romantik, des Fin de siècle oder der globalen Postmo- derne.

Jürgen Horn Königstraße 19a 66578 Schiffweiler

Therapieempfehlungen fragwürdig

In den letzten Jahren war es ruhig um diese Diagnose ge- worden, entsprechend der Formulierung im ICD-10: „Die- se Störung ist selten, und es wird kontrovers diskutiert, in welchem Ausmaß sie iatrogen oder kulturspezifisch ist“.

So gesehen kommt der Artikel etwas überraschend.

Dass es das Phänomen multiple Persönlichkeit gibt, soll gar nicht bestritten werden, weil es im Seelischen nichts gibt, was es nicht gibt. Nur kommen mir die Zah- len der Autoren über die Häufigkeit maßlos übertrieben vor. In meiner über zwanzigjährigen Arbeit als psycho- therapeutischer Supervisor – häufig in Einrichtungen, deren Klientel für das beschriebene Krankheitsbild dis- ponieren müsste – gab es einen einzigen Fall, bei dem eine Patientin durchgängig das Phänomen multiple Per- sönlichkeit zeigte, wobei sie lediglich zwischen zwei Persönlichkeitszuständen hin und her pendelte.

Fragwürdig an dem Artikel sind die Therapieemp- fehlungen, die allgemeiner nicht sein könnten und kei- nen Unterschied machen. Neben der Empfehlung

„Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Be- ziehung“, was grundsätzlich immer gilt, wird ein so- genanntes „phasenorientiertes Vorgehen“ empfohlen,

„bei dem zunächst eine Stabilisierung der Patienten angestrebt wird, bevor man sich gezielt der Bearbei- tung traumatischen Materials zuwendet“. Was immer die Autoren unter Stabilisierung verstehen, so ist es ei- gentlich in den meisten Therapien üblich, zunächst die Patienten zur Aktivierung ihrer Ressourcen zu moti- vieren und erst nach einer gewissen Zeit die Bearbei- tung der Defizite anzubieten. Das als phasenorientier- tes Vorgehen zu beschreiben erscheint sprachlich ziemlich hypertroph. Das gilt gleichermaßen für den letzten Teil der Therapieempfehlung der „störungspe- zifischen Techniken“, „die darauf abzielen, die dis- soziierten Selbstzustände in die Therapie einzubezie- hen, um somit einen Integrationsprozess … einzulei- ten“. In der Psychotherapieforschung hieß dieses Vor-

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