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Archiv "Proktologie: Die Diagnose „Hämorrhoidalleiden“ wird zu häufig gestellt" (05.02.2010)

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A 182 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 5

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5. Februar 2010

PROKTOLOGIE

Die Diagnose „Hämorrhoidalleiden“

wird zu häufig gestellt

Drei Fallbeispiele unterstreichen die enorme Bedeutung der gezielten proktologischen Anamnese und Untersuchung.

E

twa die Hälfte der Personen über 50 Jahre leidet unter Beschwerden, die auf vergrößerte beziehungsweise pathologisch ver- änderte Hämorrhoiden zurückzu- führen sind. Dazu gehören Juckreiz, Knotenbildung, Nässen, Schmer- zen, Blutung, Anschwellen und Vorfall. Häufig werden bei diesen Symptomen Salben oder Supposi- torien rezeptiert, ohne dass vorher eine Inspektion und proktologische Untersuchung erfolgt ist, um andere Erkrankungen auszuschließen.

Die Ursachen des Hämorrhoidal- leidens sind vielfältig, in den meisten Fällen aber direkt oder indirekt auf eine gestörte Stuhlentleerung oder eine Obstipation zurückzuführen (1).

Basierend auf anatomischen (2, 3) und radiologischen (4, 5) Untersu- chungen, werden Hämorrhoiden als arteriovenöses Gefäßgeflecht unter- schiedlicher Ausprägung im Analka- nal betrachtet. Innerhalb der stärker ausgebildeten Regionen – typischer- weise bei drei, sieben und elf Uhr Steinschnittlage – wurde innerhalb der Submukosa eine Mehranreiche- rung der Blutgefäße und Muskel - fasern festgestellt. Diese Mehran - reicherung der Muskelfasern (Mus-

cularis submucosa) ist für die Verbin- dung von Mukosa und Submukosa zum darunterliegenden M. sphinc- ter ani internus verantwortlich (6, 7).

Diese anatomischen Erkenntnis- se führten zu neuen Thesen in Be- zug auf die Entstehung des Hämor- rhoidalleidens. Man geht davon aus, dass das oben genannte Verbin- dungssystem aufgelöst wird, was zu einer distalen Verlagerung der Rek- tummukosa und des gesamten Analkanals führt (1, 8, 4).

Symptomatik

Die häufigste Beschwerde von Pa- tienten mit vergrößerten Hämorrhoi- den ist die Blutung, die meistens während oder nach dem Stuhlgang

auftritt und durch Pressen sowie eine erhöhte Stuhlfrequenz verstärkt wird.

Schmerzen werden gewöhnlich nicht durch Hämorrhoiden ausgelöst – es sei denn, es besteht eine Thrombose, eine Ulzeration oder eine Gangrän.

Schmerzen deuten vielmehr auf eine Fissur oder einen Abszess hin.

Ein Hämorrhoidalprolaps, der sich spontan zurückzieht oder digital re- poniert werden muss, ist ein ebenfalls sehr häufig auftretendes Symptom.

Bei chronischem Vorfall können die

Hämorrhoiden nicht mehr reponibel sein. Obwohl Juckreiz häufig auf Hämorrhoiden zurückgeführt wird, sollte zunächst eine Analsphinkterin- suffizienz ausgeschlossen werden.

Differenzialdiagnostisch kommen folgende Erkrankungen in Betracht:

Polypen, Adenome, Karzi- nome: Sessile, polypöse Tumoren, insbesondere Karzinome, können entweder bei der Inspektion (cave Plattenepithelkarzinom der Anal - region und des Analkanals) oder mittels einfacher digital-rektaler Untersuchung (cave Rektumkarzi- nom) festgestellt werden. Im Zwei- fel sollte immer eine Biopsie mit anschließender histologischer Un- tersuchung durchgeführt werden.

Hypertrophe Anal- papillen: Analpapillen neh- men ihren Ursprung von der Linea dentata. Sie kön- nen mehrere Zentimeter lang werden und vor den Analkanal prolabieren. Mit- tels Proktoskopie können der Ursprung der Verän - derung und der vollstän - dige Plattenepithelüberzug diagnostiziert werden.

Rektumprolaps: Ein Rektumprolaps kann nur die Mukosa oder alle Schichten des Rektums betreffen.

Der Vorfall kann segmentär oder zirkulär sein, also den gesamten Umfang des Anus einnehmen. Die Differenzialdiagnose zu prolabier- ten thrombosierten Hämorrhoiden mag verwirrend sein, aber Hämor- rhoiden werden durch Sulci, die radiär zum Analkanal laufen, ge- trennt, während bei einem Voll- wandrektumprolaps zirkuläre Fal- ten zu erkennen sind. Ein Rektum- mukosaprolaps und prolabierende Bild 1: inter-

sphinktäre Analfistel bei sechs Uhr (Fall 2),

Bild 2: Ausgepräg- ter Rektummucosa-

und Analkanal - prolaps, der nur beim Pressen

sichtbar wird.

Fotos: CPZ, Düsseldorf

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5. Februar 2010 A 183 Hämorrhoiden sind häufig gemein-

sam feststellbar.

Marisken: Marisken sind harmlose läppchenartige Hautver- änderungen am Analrand. Sie ver- ändern sich beim Pressen nicht in ihrer Größe.

Drei Fallbeispiele

Fall 1: Ein 44-jähriger Mann litt seit einem Jahr unter einer zum Teil spritzenden Blutung beim Stuhlgang. Der Patient hatte sich zunächst selbst mit Hämorrhoiden- salbe behandelt, später wurde sie ihm verordnet. Bei der digital-rek- talen Untersuchung war etwa fünf Zentimeter von der Anokutanlinie entfernt eine derbe, tumoröse, nicht verschiebliche Veränderung tastbar.

Die weitere Diagnostik, Koloskopie und Abdomencomputertomographie bestätigte ein bereits metastasiertes Rektumkarzinom.

Fall 2: Ein 43-jähriger Patient gab bei der Erstuntersuchung an, re- gelmäßig Blut am Papier zu bemer- ken. Seit mehr als drei Jahren bestün- den zum Teil starke Schmerzen im Analbereich. In einer gastroenterolo- gischen Abteilung erfolgte eine Ko- loskopie zur Abklärung der Blutung.

Dabei wurden zwei Polypenknospen und kleine Hämorrhoiden ohne Blu- tungszeichen gesehen. Im Entlas- sungsbericht wurde eine Gummi- bandligaturbehandlung der Hämor- rhoiden bei persistierender Blutung empfohlen. Diese konnte allerdings wegen Unruhe des Patienten nicht durchgeführt werden. Daraufhin wurde der Eingriff in Vollnarkose empfohlen. Bei der proktologischen Untersuchung konnte eine chronisch abszedierende Analfistel festgestellt werden, die operativ behandelt wur- de. Nicht die Hämorrhoiden waren die Ursache für die von dem Patien- ten geklagten Schmerzen, sondern die Fistel.

Fall 3: Eine 61-jährige Patien- tin wurde wegen einer seit Jahren bestehenden inkompletten Entlee- rungsymptomatik und gelegentlich bemerktem Blut am Toilettenpapier in eine gastroenterologische Abtei- lung eingewiesen. Es erfolgten eine Koloskopie und gleichzeitige drei - fache Gummibandligaturbehandlung der Hämorrhoiden ohne Berücksich-

tigung der durch die Entleerungsstö- rung entstandenen Symptomatik. Bei der erneuten Vorstellung im Kran- kenhaus wegen starker Schmerzen wurde eine analgetische Behandlung eingeleitet und wegen persistierender Beschwerden die Operation der Hä- morrhoiden empfohlen. Bei der proktologischen Untersuchung be- stand eine schmerzhafte, ulzerierte Wunde im Analkanal und distalen Rektum, die durch ein zu tiefes Plat- zieren der Gummibandligatur ent- standen war. Unter konservativen Maßnahmen heilte die Wunde kom- plett ab. Zusätzlich erfolgte eine kon- servative Therapie der Entleerungs- störung. Die Patientin war im Fol- genden beschwerdefrei.

Diskussion der Fallbeispiele Bei Betrachtung von Fall 1 ist be- kannt, dass ein Instrumentarium zur Durchführung einer Proktorekto- skopie in wenigen Praxen vorhan- den ist. Es muss jedoch die Frage gestellt werden, ob die Diagnose- stellung des tief sitzenden Rektum- karzinoms durch eine einfache digi- tale Untersuchung nicht eher hätte erfolgen können.

In Fall 2 fehlen die Inspektion, die digital-rektale Untersuchung und die Proktoskopie bei der ersten Untersuchung. Diese sind wesent- lich zur Abklärung von proktologi- schen Erkrankungen. Die Kolosko- pie ist eine ergänzende Maßnahme zur Vervollständigung der Dia - gnostik bei koloproktologischen Erkrankungen. Häufig wird jedoch nur mittels Koloskopie (und in In- version!) die Diagnose und nach- folgende Indikation zur Behand- lung bei proktologischen Erkran- kungen gestellt. In vielen Fällen werden dann Hämorrhoiden für die Beschwerden verantwortlich ge- macht, weil man die eigentliche Ursache (Fissur, Fistel, Abszess) nicht vernünftig durch eine Kolo- skopie beurteilen kann.

Konnte der Untersucher in Fall 2 die Fistel und chronische Abszedie- rung im Rahmen der Koloskopie feststellen? Hier ist die Proktosko- pie mit Möglichkeit zur Sondierung der Fistel nach einer sorgfältigen Inspektion der Analregion und des Afters geeigneter. Die nachfolgen-

de Indikation zur Behandlung von kleinen Hämorrhoiden ohne Blu- tungszeichen durch eine Gummi- bandligatur ist überflüssig.

Auch in Fall 3 muss die Frage nach der korrekten Indikation ge- stellt werden. Dieser Fall zeigt ei- nen aktuellen Trend. Die gleichzei- tige Behandlung von Hämorrhoi- den im Rahmen einer Koloskopie wird zunehmend populärer. Dabei wird das Koloskop in Inversion im Rektum auf die Hämorrhoide ge- richtet und anschließend eine Gum- mibandligatur durchgeführt (siehe auch Fall 2). Es handelt sich in die- sem Fall jedoch um eine seit Jahren vorhandene Stuhlentleerungsstörung mit Descensus perinei und Rekto- zelenbildung und nicht um ein Hä- morrhoidalleiden. Unserer Ansicht nach stellt die Behandlung der Hä- morrhoiden hier nur die „Spitze des Eisbergs“ dar.

Fazit

Bei allen Beschwerden im Analbereich muss immer eine digi- tal-rektale Untersuchung erfolgen.

Nicht alle Beschwerden, die die Patienten angeben, sind auf Hä- morrhoiden zurückzuführen.

In diversen wissenschaftli- chen Arbeiten wurde belegt, dass das Hämorrhoidalleiden und der Grad der Erkrankung durch die Proktoskopie und nicht durch die Koloskopie festgestellt werden.

Hämorhoiden verursachen zu- meist keine Schmerzen. In solchen Fällen muss an eine Fissur, Fistel oder an einen Abszess gedacht wer- den. Hier ist eine vollständige prok- tologische Untersuchung zur Dia - gnosestellung sehr hilfreich.

Bei allen Blutungen sollte ei- ne komplette koloproktologische Untersuchung erfolgen. Diese bein- haltet die Anamnese, Inspektion, di- gital-rektale Untersuchung, Prokto- skopie und Rektoskopie sowie bei Bedarf die Koloskopie, endoanale Sonographie und Manometrie. ■

Dr. med. Christian Helmes Dr. med. Faramarz Pakravan CPZ – Coloproktologisches Zentrum Düsseldorf Schadowstraße 42, 40 212 Düsseldorf E-Mail: info@cpz-duesseldorf.de

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit0510

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 5/2010, ZU:

PROKTOLOGIE

Die Diagnose „Hämorrhoidalleiden“

wird zu häufig gestellt

Drei Fallbeispiele unterstreichen die enorme Bedeutung der gezielten proktologischen Anamnese und Untersuchung.

LITERATUR

1. Corman ML: Colon & Rectal Surgery, Fifth Edition, Lippincott Wiliams & Wilkins, Phi- ladelphia, 2005, 177–8.

2. Stelzner F, Staubesand J, Machleidt H: The corpus cavernosum recti-basis of internal hemorrhoids. Langenbecks Arch Klin Chir Ver Dtsch Z Chir 1962; 299: 302–12.

3. Stelzner F: The corpus cavernosum recti.

Dis Colon Rectum 1964 Sep-Oct; 7:

398–9.

4. Thomson H. A new look at hemorrhoids.

Med Times 1976; 04: 116.

5. Thomson WHF: The nature of haemorrho- ids. Br J Surg 1975; 62: 542.

6. Davy A, Duval C: Modifications macrosco- piques et microscopiques du reseau vas- culaire hemorrhoidal dans la maladie he- morrhoidaire. Arch Fr Appar Dig 1976; 65:

515.

7. Parnaud E, Guntz M, Bernard A et al.:

Anatomie normale macroscopique et mi- croscopique du reseau vasculaire hemor- rhoidal. Arch Fr Mal Appar Dig 1976; 65:

501.

8. Haas PA, Fox TA, Haas GP: The pathoge- nesis of hemorrhoids. Dis ColonRectum 1984; 27: 442.

9. Lange J, Mölle B, Girona J: Chirurgische Proktologie, Springer Verlag, Heidelberg, 2006; 161–4.

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Referenzen

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