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Archiv "Frühdiagnose und Therapie des Prostatakarzinoms in Frage gestellt?" (15.03.1979)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Vorsorgeuntersuchung des Mannes auf maligne Hauttumoren, Karzinome des Urogenitalsystems, des Penis, der Hoden, der Prostata, der Blase, der Nieren (Hämaturie) und des tiefen Rektumkarzinoms ist eine mehrwertige, gesundheitspoli- tische Maßnahme und als solche vom Gesetzgeber in der Reichsversi- cherungsordnung festgelegt. In ei- nem Arbeitsgang können sieben Or- gankarzinome erfaßt werden.

Beim Prostatakarzinom sind die epi- demiologischen, kausalpathologi- schen und histologischen Grundla- gen sowie die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen kom- plex und nicht simplifizierbar.

Wer sie kritisch analysieren will, muß um die jahrzehntelange Ent- wicklung in Diagnostik und Therapie dieses speziellen Fachgebietes wis- sen, über eigene klinische Erfahrun-

gen verfügen und im Sinne einer kontrollierten Langzeitstudie ein großes Patientenkollektiv überse- hen, um Erfolg und Mißerfolg beur- teilen zu können, insbesondere, wenn klinisch/operative Fragestel- lungen im Raum stehen. Er sollte sachbezogene Hypothesen durch ei- gene wissenschaftliche Arbeiten be- legen können, in diesem Falle über das Prostatakarzinom und nicht nur über Melanom, Seminom, Sarkom, Bronchial-, Mammakarzinom usw.

Im Vergleich mit diesen Tumoren nimmt das Prostatakarzinom eine Sonderstellung ein. Die Entwicklung seiner Klinik verläuft chronologisch in drei Phasen, die der Autor noch persönlich erlebt hat.

1. Phase: etwa bis 1945 völliger the- rapeutischer Nihilismus. Das Kran- kengut bestand aus Spät- und End- fällen, bei denen nur verlängerte Sterbehilfe mit Analgetika und Opia- Bioptische Tumordiagnostik

Frage eindeutig: obwohl Tumorzel- len durch eine Biopsie (Probeexzi- sion oder Feinnadelpunktion) in Lymphe und/oder Blut gelangen können, steigert dies nicht das Risi- ko einer Metastasierung. Die Wich- tigkeit dieser Frage und die Notwen- digkeit einer steten Kontrolle sind offensichtlich. Ebenso eindeutig ist aber auch, daß die Vorteile, ja die Notwendigkeit einer bioptischen Tumordiagnostik die nur in sehr sel- tenen Fällen nachweisbaren schädi- genden Einwirkungen in den mei- sten Fällen rechtfertigen. Die nicht stichhaltige Warnung vor Probeexzi- sionen und Probepunktionen verun- sichert Ärzte und Patienten in unver- antwortlicher Weise. Nicht die Durchführung, sondern die Unter- lassung einer Biopsie ist als ärztli- cher Kunstfehler anzusehen (18).

Vorbestrahlung des Tumorfeldes kann die histologische Diagnose oder zumindest das exakte „gra- ding" unmöglich machen und ist da- her abzulehnen.

Literatur

Abramson, D. J.: Delayed mastectomy after outpatient breast biopsy, Amer. J. Surgery 132 (1976) 596-602 —Altrock, H.; Renziehausen, K.:

Untersuchungen zur kanalikulären Tumorzell- ausbreitung beim Zervixkarzinom, ZbI. Gynäk.

97 (1975) 33-37 — Boquoi, E.; Kreuzer, G.: Die Stellung der Feinnadelbiopsie im Rahmen der modernen Mammadiagnostik, Arch. Ge- schwulstforsch. 47 (1977) 616-623 — Bross, I. D.

J.; Blumenson, L. E.: Metastatic sites that pro- duce generalized cancer: identification and kinetics of generalizing sites, in: Fundamental Aspects of Metastasis, ed. L. Weiss, North Hol- land Publ. Comp., Amsterdam/Oxford/New York 1976, p. 359 — Dhom, G.: Interview zum Thema: Prostata: Wird das Karzinom durch die Untersuchung tatsächlich wild? Medical Tribune 1978, Nr. 46 S. 28 — Fisher, B., Fisher, E. R.: Metastasis revisited. In: Fundamental Aspects of Metastasis, ed. L. Weiss: North Hol- land Publ. Comp., Amsterdam/Oxford/New York, 1976, p. 427 — Krokowsky, E.: Was leistet die Prostatakrebsvorsorge?, Therapiewoche 28 (1978) 9893-9908 — Nagel, R.: Vorsteherdrü- senkrebs, Dtsch. Ärztebl. 31 (1977) 1951-1953

— Sinner, W. N., Zajicek, J.: Implantation meta- stasis after percutaneous transthoracic needle aspiration biopsy, Acta Radiol. Diagnosis 17 (1976) 473-480 — Zajicek, J.: Fortbildungsver- anstaltung des Tumorzentrums München, Dia- gnostik und Therapie des Prostatakarzinoms, München, 1978 (Vollständiges Lit.-Verzeichnis in Sonderdrucken beim Verf.)

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Ekkehard Grundmann Direktor

des Pathologischen Instituts der Universität

Westring 17

4400 Münster (Westfalen)

Frühdiagnose und Therapie

des Prostatakarzinoms in Frage gestellt?

Carl Erich Alken

Über allen sachlichen und kritischen Diskussionen in der Medizin stand bisher als Leitmotiv ein unbestrittener Grundsatz: Alle Krankhei- ten können im Frühstadium mit mehr Aussicht auf Heilung behandelt werden als im Spätstadium. Die in der Öffentlichkeit geführten Angriffe gegen die Früherkennung und Frühbehandlung des Prostata- karzinoms haben dieses erfahrungsgemäß vor allem in der Onkologie gültige Gesetz außer acht gelassen. Um der Patientenverunsicherung entgegenzutreten, die durch diese, sich nachweisbar vor allem durch Unsachlichkeit auszeichnenden Angriffe entstanden ist, wird sich ein vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer program- mierter Arbeitskreis mit den bisherigen Ergebnissen der Vorsorgeun- tersuchung, mit den dabei aufgetauchten Problemen und mit der Kritik an den bisherigen Maßnahmen befassen. Weiter ist beim Bun- desministerium für Forschung und Technologie ein Forschungspro- gramm mit Schwerpunkt onkologische Therapiekontrolle angelaufen, in das die Behandlung des Prostatakarzinoms einbezogen ist.

702 Heft 11 vom 15. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Prostatakarzinom

ten möglich war oder in einzelnen Fällen wegen der unerträglichen Metastasenschmerzen die Chordo- tomie (Durchtrennung der schmerz- leitenden Nervenfasern). Von 1945 bis 1965/70 blieb das Krankengut in etwa gleich. Nach Bekanntwerden der Antiandrogentherapie des ame- rikanischen Nobelpreisträgers Hug- gins begann die zweite Phase.

11. Phase: Durch Orchiektomie und Langzeitbehandlung mit weiblichen Hormonen wurden auch die meta- stasierenden Spätstadien beschwer- defrei und die Überlebenszeiten um Jahre verlängert. Da die rektale Un- tersuchung im Präsenium und Se- nium des Mannes nicht zur Status- routine gehörte, wurden aber immer noch keine kurablen Fälle im Früh- stadium erfaßt. Nach Statistiken der Düsseldorfer und Heidelberger Chir- urgischen Kliniken wurden etwa zur gleichen Zeit 72 Prozent aller tiefen Rektumkarzinome erstmalig in der Klinik rektal untersucht. Sinn und Zweck der programmierten Vorsor- ge war, Prostata- und Rektumkarzi- nome im symptomfreien Frühsta- dium zu erfassen. Wenn Symptome den Patienten zum Arzt führen, ist das Karzinom in der Regel nicht mehr heilbar und fällt in die Gruppe der Spätstadien.

In der Zwischenzeit hatten amerika- nische Kliniker mit der Einführung der radikalen Prostatektomie und der Hochvoltbestrahlung weitere Pionierarbeit geleistet. Aus dem skandinavischen Raum kam für die Diagnostik die Nadelbiopsie hinzu.

III. Phase: bis zur Einführung der Vorsorge zur Früherkennung 1971 (Anlauf mit größeren Zahlen 1972) haben die führenden deutschen Urologen durch häufige Studienrei- sen in den USA, Assistenz bei Ope- rationen, Entsendung älterer Mitar- beiter als klinikintegrierte Gastassi- stenten an großen Spezialkliniken ausreichende theoretische und praktische Kenntnisse erworben, um den jetzt auf sie zukommenden Auf- gaben gerecht zu werden. Am Pa- thologischen Institut Homburg/Saar entstand unter Dohm, gefördert von der Deutschen Forschungsgemein-

schaft (DFG), das größte zentrale hi- stologische Prostatakarzinomregi- ster in Europa, absolut vergleichbar mit entsprechenden Registern in den USA. Hinzu kamen wiederholte Arbeitstagungen mit allen führen- den amerikanischen Spezialisten, bei denen neue Erkenntnisse und Entwicklungen kritisch diskutiert wurden.

Verfolgt man die Stellungnahmen von fachfremden Kollegen aus letz- ter Zeit, so gewinnen der Bürger un- seres Landes und auch der mit den Problemen weniger vertraute prakti- sche Arzt den Eindruck, als ob eine Gruppe von Barfußspezialisten un- ter gesetzlichem Schutz ohne Vor- bereitung und Sachkenntnis in die Schlacht gegen das Prostatakarzi- nom gegangen sei.

Am Rande sei bemerkt, die gesamte Onkologie ist kein speziell bundes- deutsches, sondern ein internatio- nales Problem. 1979 verfügt die deutsche Urologie über die gesamte zur Zeit bekannte Palette immer komplizierter werdender diagnosti- scher und therapeutischer Metho- den, um jedem einzelnen Krank- heitsfall individuell gerecht werden zu können.

Bei bioptisch gesicherter Diagnose entscheiden histologische Typisie- rung, Stadium der Erkrankung und Alter über die Indikation der jeweili- gen Therapie. Zum Beispiel müssen bei einem 57jährigen, mit aggressi- ver Tumorform, radikale Maßnah- men in Erwägung gezogen werden.

Ein 70jähriger mit einem erfah- rungsgemäß langsam wachsenden bioptisch gesicherten Tumor bleibt schon seit einigen Jahren ohne The- rapie nur in ständig kontrollierender Beobachtung.

In der gesamten Medizin, besonders in der Onkologie, liegen Mißerfolge

— selbst bei optimaler Diagnostik und Therapie — immer im Bereich des Möglichen. Biologische Proble- me lassen sich nicht mit dem Ta- schenrechner lösen. Im Rahmen ei- ner erwünschten sachlich kritischen Analyse der heutigen Situation sollte man aber nicht verallgemeinern,

sondern differenzieren und neben dem Kontra auch das Pro in den Raum stellen.

Es ist nicht Sinn dieser komprimier- ten Übersicht, auf wissenschaftliche Details, Hypothesen und ungelöste Probleme der Grundlagenforschung einzugehen. Einige Fakten seien aber angeführt, um die Art der Kon- tra-Diskussion zu illustrieren.

Im Jahre 1977 wurden nach einer Umfrage an den westdeutschen Uni- versitätskliniken 88 radikale Pro- statektomien durchgeführt, um ein etwa gleichartiges Kollektiv zu nen- nen. Das Zahlenmaterial kommuna- ler Schwerpunktkliniken und größe- rer Abteilungen ist dabei nicht er- faßt. Die relativ geringe Zahl ent- spricht dem Trend, die Indikation aufgrund der bisherigen Erfahrun- gen enger zu stellen und die Strah- lentherapie als Alternative kritisch zu überprüfen (Verlaufskontrolle nach Hochvolttherapie des Prostata- karzinoms, Alken, C. E.; Dhom, G.;

Kopper, B., u. a.: Urologe A, 16 [1977] 272-278).

Krokowski (Der Krankenhausarzt, 52 [1979] 90 ff.) hat daraufhin, bezogen auf die Zahl der leitenden urologi- schen Chefärzte (185 an kleineren, mittleren und großen Abteilungen) statistisch errechnet, daß jeder Chefarzt im Mittel alle zwei Jahre — nach anderen nicht belegten Anga- ben sogar nur alle neun Jahre — ei- nen derartigen Eingriff durchführen kann. Dabei wird die Frage gestellt, ob der Operateur für diesen Eingriff genügend Erfahrung habe, ganz ab- gesehen von den Oberärzten und Assistenten.

„Die radikale Prostatektomie mit oder ohne Lymphdrüsenausräu- mung ist 1975 im Operationspro- gramm aller urologischen Schwer- punktkliniken enthalten mit einer guten regionalen Streuung für even- tuelle Verlegungen aus kleineren Fachabteilungen (Alken, C. E.: Früh- erkennung des Prostatakarzinoms,

73 [1976] 571 ff.).

In der Chirurgie werden Bypass- Operationen, portokavale Anasto-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 11

vom 15. März 1979 703

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Prostatakarzinom

mosen, Gefäß- und Gelenkendopro- thesen auch nicht an allen Kreis- krankenhäusern durchgeführt. Hin- zu kommt, daß die Indikation zur ra- dikalen Prostatektomie nach dem heutigen Stand Voruntersuchungen erfordert, die nur in Zusammenar- beit mit Pathologen, Radiologen, Nuklearmedizinern und gegebenen- falls mit einem endokrinologisch er- fahrenen Onkologen möglich sind, also mit einem Team, das nur in ei- nem größeren klinischen Verband existent ist.

Die „relativ ausgedehnte und nicht gerade einfache Operation" ent- spricht nicht dem Schwierigkeits- grad einer ausgedehnten Tumorne- phrektomie. Zudem ist der klinisch tätige Urologe durch die zum beruf- lichen Alltag gehörenden Routine- eingriffe bei gutartigen Erkrankun- gen der Prostata mit der Topogra- phie des retropubischen Raumes vertraut.

„Postoperative Inkontinenz bis zu 30 Prozent und Strikturen bis zu 24 Prozent" sind eine extrem negative Blütenlese aus der kaum noch über- sehbaren Literatur. Die Zahlen älte- rer amerikanischer Autoren liegen bei maximal 12 Prozent. Warum wer- den Komplikationsraten von 3 Pro- zent und 7 Prozent nicht angeführt?

Die naheliegende Parallele zu den vielen Trägern eines Anus praeter, die berufs- und gesellschaftsfähig ihr frühzeitig diagnostiziertes und rechzeitig operiertes Rektumkarzi- nom vergessen können, wird merk- würdigerweise nie erwähnt.

Der Vorschlag, „bei einem tumor- verdächtigen Tastbefund (ohne ge- sicherte Diagnose) in einer Lang- zeitbeobachtung mit wiederholten Tastkontrollen abzuwarten, bis der Tumor größer wird, und dann kurativ (??) oder palliativ zu bestrahlen", ist völlig neu und fragwürdig. Auch heute noch haben die Götter die Diagnose vor die Therapie gestellt.

Herr Kollege Krokowski hat bei den anstehenden Hearings mit Experten verschiedener Disziplinen sicher die Möglichkeit, seine Hypothese zu be- gründen. Dabei sollten langjährige klinische Erfahrungen im Vergleich

mit Formulierungen wie „kann, könnte, vielleicht" nicht unterbe- wertet werden. Die rechnerische Be- zugnahme tabellarisch geordneter Autopsiebefunde (Dohm) auf klini- sche Daten ist ein verzeihlicher Irr- tum, trägt aber nicht zur Klärung dif- ferenzierter wissenschaftlicher Auf- fassungen bei. Die öfter wiederholte Forderung nach „Ehrlichkeit, Offen- heit und Wahrheit" ist dabei unter Wissenschaftlern selbstverständli- che Conditio sine qua non.

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß bei gleicher apparativer Ausstattung der Prozentsatz der Strahlenschäden (Blase, Rektum usw.) von Institut zu Institut diffe- riert. Als fachfremder Kollege käme ich nicht auf den Gedanken, undiffe- renziert die Zahl radiologischer Ab- teilungsleiter zu ermitteln mit der Fragestellung, ob ihre Ausbildung ausreichend ist — Zahl der in Eigen- verantwortung durchgeführten Be- strahlungen? —, um in selbständiger Position eine optimale Therapie be- treiben zu können. Es ist fast rüh- rend, wie Herr Krokowski, von falsch zitierten Zahlen ausgehend und oh- ne jede Sachkenntnis, sich um das Ausbildungsniveau der Urologen kümmert.

Zur Frage der Biopsie hat Grund- mann, als derzeitiger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Patholo- gie, in diesem Heft auf Seite 699 Stellung genommen. Dazu eine Er- gänzung. Kopper hat beim Kongreß der Europäischen Gesellschaft für Urologie im Juli 1978 über ein Kol- lektiv von Patienten mit Prostata- karzinom berichtet, die nur bestrahlt wurden. Nach einer jetzt 5jährigen Überlebenszeit hatten 73 Prozent keine klinisch nachweisbaren Meta- stasen, obwohl sie vor der Therapie biopsiert wurden, einige in der Langzeitkontrolle mehrfach, um das Ansprechen des Tumors auf die Therapie histologisch zu sichern (noch nicht publiziert).

Die jetzt in weiten Kreisen der Bür- ger unseres Landes bestehende Ver- unsicherung hat bereits zu einem er- heblichen Rückgang der Früherken- nungsuntersuchungen geführt. Dies

bedeutet, daß Hausarzt und Klinik wieder wie vor 1970 Spät- und End- stadien der Organkarzinome pallia- tiv behandeln müssen, aber nicht mehr heilen können. Dazu kein Kommentar. Es wäre aber sicher

„hippokratisch" und sinnvoll, wenn medizinische Probleme von bundes- weiter gesundheitspolitischer Trag- weite primär von Arbeitskreisen der einzelnen Fachgesellschaften ge- meinsam sehr hart und kritisch dis- kutiert würden, damit Fachwelt und Öffentlichkeit anschließend über ge- sicherte Fakten ex cathedra infor- miert werden könnten. Publizistisch breit gestreute Einzelaktionen sind dafür wenig geeignet, da Thesen und Antithesen nicht im direkten Be- zug erörtert werden können.

Die moderne hochtechnische Medi- zin hat, auf ihre Substanz bezogen, in einzelnen Bereichen eine Halb- wertzeit von 5 Jahren. Es ist völlig normal, daß neue Entwicklungen zu gegebener Zeit durchdacht und überprüft werden sollen.

„Die erwähnte Langzeitstudie zu ei- ner kritischen Analyse des Wertes der Früherkennung ist in Vorberei- tung. Objektivierbare Parameter sind beim gesicherten Karzinom Überlebenszeiten und Dauerheilun- gen. Dabei ist geplant, das vorhan- dene, bereits datenmäßig aufgear- beitete Material des Prostatakarzi- nomregisters zugrunde zu legen.

Die Durchführung der langfristigen Verlaufskontrolle soll in Zusammen- arbeit mit dem Pathologen, dem Urologen, der den Therapieplan auf- stellt und eingeleitet hat, sowie dem unmittelbaren Betreuer des Patien- ten, dem praktischen Arzt, erfolgen.

Dem Erfahrenen wird es selbstver- ständlich sein, daß für ein derartiges Programm mehrjährige Beobach- tungszeiten erforderlich sind. Es ist aber die einzige Möglichkeit, den medizinischen und gesundheitspoli- tischen Wert der Karzinom-Früher- kennungsuntersuchung für dieses spezielle Teilgebiet kritisch zu beur- teilen.

Prinzipiell gilt dieses Modell mit Variationen für alle bereits laufen- den Früherkennungsprogramme." >

704 Heft 11 vom 15. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Prostatakarzi nom

(Alken, C. E.: Früherkennung des Prostatakarzinoms, eine Zwischen- bilanz, DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 43 [1976] 571 ff.)

Die vorgeschlagene Langzeitstudie konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht realisiert werden, da hierzu ei- ne bundesweite Organisation mit zentraler Steuerung erforderlich ist, verbunden mit einem erheblichen Kostenaufwand.

Beim Bundesministerium für For- schung und Technologie ist ein ge- sundheitspolitisches Forschungs- programm angelaufen mit Schwer- punkt onkologische Therapiekon- trolle, in dem auch das Prostatakar- zinom enthalten ist.

Der Senat der DFG hat eine Be- standsaufnahme der onkologischen Forschung beschlossen. Im Arbeits- programm der Sonderkommission ist auch die klinische Onkologie vor- gesehen.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer hat aufgrund einer Anfrage des Bundesministe- riums für Jugend, Familie und Ge- sundheit einen Arbeitskreis pro- grammiert, der sich mit der Metho- dik und den bisherigen Ergebnissen der verschiedenen Vorsorgeunter- suchungen befassen wird, unter an- deren mit dem Prostatakrebs. Hierzu sollen auch Wissenschaftler aus ver- schiedenen Fachbereichen gehört werden, die Kritik an den bisherigen gesundheitspolitischen Maßnahmen und den medizinisch-wissenschaft- lichen Grundlagen geäußert haben.

Der Gesetzgeber hat mit seinen Vor- sorgeprogrammen gesundheitspoli- tisches Neuland betreten. Wie vom Autor bereits 1976 betont, ist es an- gebracht und dringend notwendig, nach einem übersehbaren Zeitraum die Wertigkeit der beschlossenen Maßnahmen zu überprüfen. Es ist selbstverständlich, daß dabei auch die medizinischen, diagnostischen und therapeutischen Probleme in die Diskussion einbezogen werden.

Dabei geht es vor allem um die Fra- ge, ob sich das Prinzip der Früher- kennung in bevölkerungsweiten

Programmen mit zum Teil unter- schiedlichen diagnostischen Bedin- gungen und einem unzureichenden Teilnahmeverhältnis erfolgreich ver- wirklichen läßt (siehe gegenwärtige Verunsicherung).

Die Beantwortung wird schwierig sein, da vergleichbare große Kollek- tive aus der Zeit vor Anlauf der Vor- sorgeprogramme fehlen. Eine zen- tral gesteuerte Bestandsaufnahme würde es aber möglich machen, in größeren Zeitabständen — 5 bis 10 Jahre — den Stand der Dinge zu überprüfen und Folgerungen daraus zu ziehen. Die Erfassung der einzel- nen Parameter über EDV ist dabei unabdingbar.

Über allen sachlichen und kritischen Diskussionen sollte als Leitmotiv ein Grundgesetz der Medizin stehen: Al- le Krankheiten können im Frühsta- dium mit mehr Aussicht auf Heilung behandelt werden als im Spätsta- dium. — Dies gilt besonders für den Bereich der Onkologie. Abschlie- ßend eine Randbemerkung: Die rek- tale Untersuchung ist keine Erfin- dung der modernen Urologie, son- dern ist schon 1009 auf einer Mi- niatur des Handbuchs der prakti- schen Medizin „Altassif" des in Spa- nien wirkenden arabischen Arztes Albukasim nachweisbar (siehe DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 75 [1978] Heft 16, Außentitel).

Professor Dr. med. Dr. h. c.

Carl Erich Alken

em. Ordinarius für Urologie Leiter der medizinisch-

wissenschaftlichen Redaktion des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES Haedenkampstraße 5

5000 Köln 41

FÜR SIE GELESEN

Passives

Zigarettenrauchen verstärkt

Angina pectoris

Passives Rauchen, beziehungsweise Inhalieren von Zigarettenrauch kann Angina pectoris auslösen bezie- hungsweise einen akuten Angina- pectoris-Anfall verschlimmern. Eine amerikanische Arbeitsgruppe unter- suchte den Effekt des Passivrau- chens an Patienten mit reproduzier- barer belastungsinduzierter Angina pectoris. Eine ergometrische Unter- suchung wurde einmal in gut gelüf- teten Räumen und im zweiten Unter- suchungsgang in einem Raum durchgeführt, in dem innerhalb von 2 Stunden 15 Zigaretten geraucht wurden. Unter der passiven Rauch- exposition stieg die Ruhepulsfre- quenz, der systolische und diastoli- sche Blutdruck sowie der venöse

Kohlenmonoxid hämoglobingehalt deutlich an. Die symptomlimitierte ergometrische Belastungsintensität war in einem schlecht gelüfteten rauchigen Raum 22 Prozent und in einem nicht gelüfteten rauchigen Raum sogar 38 Prozent geringer ge- genüber den Kontrollbelastungen in einem normal ventilierten Raum. Die Autoren vermuten, daß dieser Effekt durch die Kohlenmonoxid- und Ni- kotinwirkung, aber auch durch wei- tere Inhaltsstoffe des Tabakrauches und durch psychologische Faktoren beeinflußt wird. Die Senkung der be- lastungsinduzierten Angina-pecto- ris-Schwelle muß pathophysiolo- gisch auf eine verminderte myokar- diale 0 2-Zufuhr zurückgeführt wer- den. Es wird angenommen, daß die Zunahme der plötzlichen Herztodes- fälle bei Rauchern mit koronarer Herzerkrankung auf einen herabge- setzten Schwellenwert zum Kam- merflimmern beruht — hervorgerufen durch Nikotin und Kohlenmonoxid während einer episodenhaften, ver- minderten Myokarddurchblutung.

Dem

W. S. Aronow: Effect of passive smoking an angina pectoris, N. Engl. J. Med. 299 (1978) 21-24, Long Beach Veterans Administration Hospital and University of California College of Medicine, Irvine.

706 Heft 11 vom 15. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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