• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Störfälle bei Hoechst: Ein ganzes Konzept in Frage gestellt" (26.03.1993)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Störfälle bei Hoechst: Ein ganzes Konzept in Frage gestellt" (26.03.1993)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Ein ganzes Konzept

Störfälle bei Hoechst i

n Frage gestellt

Seit Jahren bemüht sich die chemische Industrie darum, ihr Image in der Bevölkerung wieder aufzupolieren; nun scheint mit einem Schlag alles hinfällig. Durch die jüngsten Störfälle bei der Hoechst AG ist ver- mutlich der gesamten Branche Schaden entstanden. Die Serie der Be- triebsunfälle begann in der Nacht zum Karnevalsdienstag mit dem Austritt der in höheren Mengen krebserzeugenden Substanz o-Nitro-

anisol aus dem Griesheimer Werk des Chemiemultis. Genau drei Wo- chen später, am 15. März, ereignete sich der bislang letzte Unfall im Stammwerk des Unternehmens, bei dem ein Arbeiter ums Leben kam.

Präzisiert wird im Referenten- entwurf auch, was unter dem Inver- kehrbringen gentechnisch veränder- ter Organismen zu verstehen ist. Es liegt vor, wenn entsprechende Pro- dukte im freien Warenverkehr an ei- nen unbestimmten Abnehmerkreis abgegeben werden. Kein Inverkehr- bringen liegt unter anderem vor

D

urch einen Bedienungsfehler wurde am frühen Morgen des 22. Februar ortho-Nitro- anisol, eine Chemikalie, die zur Far- benvorproduktion im Griesheimer Werk der Hoechst AG verwandt wird, freigesetzt. Die Substanz legte sich als gelblicher Belag über Stra- ßen, Autos, Wohn- und Gartenanla- gen der Frankfurter Stadtteile Schwanheim und Goldstein.

Nach Aussagen der Staatsan- waltschaft ereignete sich der Zwi- schenfall, weil ein Mitarbeiter das Rührwerk in einem Stahlkessel nicht einschaltete und außerdem die Ma- schine für zwei Stunden unbeauf- sichtigt ließ. Dadurch entstand ein Überdruck im Kessel, der wiederum ein Sicherheitsventil aktivierte, durch das zehn Tonnen eines Chemi- kaliengemisches — der Anteil von o- Nitroanisol betrug 25 Prozent — in die Atmosphäre entwichen.

In einer ersten offiziellen Stel- lungnahme schätzte die Hoechst AG die Substanz als „mindergiftig" ein.

Vom hessischen Umweltminister Joschka Fischer (Die Grünen) und vom Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) wurde der Firma daraufhin der Vorwurf ge- macht, den zuständigen Gesund-

beim Austausch von gentech- nisch veränderten Organismen zum Zwecke der Forschung;

beim Austausch innerhalb ei- nes Konzerns zur Weiterverarbeitung oder Produktion und;

bei der Abgabe von Arzneimit- teln im Rahmen der klinischen Prü- fung. th

heits- und Umweltbehörden wichtige Informationen vorenthalten zu ha- ben. Hoechst sei nämlich, so das Um- weltministerium, zur Zeit des Unfalls im Besitz einer aktuellen toxikologi- schen Bewertung von o-Nitroanisol gewesen. Laut diesem Bericht konn- te in Langzeitversuchen festgestellt werden, daß die Substanz „als gento- xisch wirkendes Karzinogen zu be- trachten" sei. Die Landesärztekam- mer Hessen sowie Mediziner von der

„Liste Demokratische Ärztinnen und Ärzte" forderten vom Berliner Bundesgesundheitsamt deshalb eine Längsschnittuntersuchung zur Ab- schätzung der Langzeitfolgen.

Als Konsequenz aus dem Stör- fall ordnete das hessische Umweltmi- nisterium neben sofortigen Maßnah- men zur Überprüfung ähnlicher An- lagen mit Druckentlastungseinrich- tungen an, mittelfristig Sicherheits- systeme von Chemieanlagen auf ge- schlossene Kreisläufe umzustellen, um den Austritt von Chemikalien in die Atmosphäre zu verhindern. Dar- über hinaus vereinbarte Fischer mit Vertretern des Verbandes der Che- mischen Industrie (VCI) ein

10-Punkte-Sicherheitsprogramm für gefährliche Chemieanlagen. Dabei wies der Umweltminister noch ein-

mal nachdrücklich auf die Betreiber- pflicht zur ständigen Sicherheits- überprüfung und Sicherheitserhö- hung der genehmigten Anlagen hin, wie sie sich zwingend aus der Stör- fallverordnung ergebe.

Wie das hessische Umweltmini- sterium mitteilte, kam eine Toxikolo- gen-Runde zu dem einmütigen Ur- teil, daß „durch eine kurzfristig hohe Exposition direkt nach dem Unfall kein erkennbar erhöhtes Krebsrisiko zu erwarten ist". Die Staatsanwalt- schaft ermittelt derzeit gegen die Firma Hoechst wegen des Verdachts der Umweltgefährdung des Bodens und der Gewässer sowie wegen Sach- beschädigung.

Das „Gesetz der Serie"

Die Unglückssträhne des größ- ten deutschen Chemieunternehmens reißt unterdessen nicht ab. Seit dem 22. Februar haben sich noch sieben weitere Betriebsunfälle ereignet, bei denen jedoch nach Angaben von Hoechst und der zuständigen Behör- den keine Gefahr für die Bevölke- rung bestand. Allerdings kam beim jüngsten Vorfall im Stammwerk des Unternehmens am 15. März ein Ar- beiter ums Leben, ein weiterer wur- de schwer verletzt. Ein Methanol- Luftgemisch hatte sich entzündet und dadurch eine Explosion ausge- löst. Eine Tonne giftigen Methanols und krebserregenden Vinylacetats traten dabei in die Atmosphäre aus.

Bei diesem wie auch bei allen ande- ren Störfällen wird in erster Linie menschliches Versagen als vermutli- che Ursache angenommen.

Durch die Unfälle bei Hoechst sei das gesamte bisherige Sicher- heitskonzept für chemische Anlagen in Frage gestellt, merkte Fischer im

„ZDF-heute journal" am 15. März an. Künftig müßten deshalb unab- hängige Gutachter zur Überprüfung eingesetzt werden, lautete seine For- derung. Ein härteres Vorgehen, bei- spielsweise in Form unangekündig- ter Sicherheitskontrollen durch den TÜV, fordert auch Bundesumwelt- minister Klaus Töpfer. Mit dieser Position stieß er jedoch beim VCI auf Ablehnung, wie ein Sprecher des Verbandes im Deutschlandfunk er- klärte. Sp A1 -848 (20) Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Werke, ein Tochterunterneh- men von Hoechst, das auf diesem Spezialgebiet immer noch eine führende Stellung inne hat und sich heute zu- dem der Gentechnologie zu- wendet..

Gleich- wohl konnte Hoechst im ab- gelaufenen Jahr 1988 kein Präparat aus seiner For- schung auf den Markt brin- gen — die Hoechster führen beredte Klage über das

Bei 19 185 Patienten nach Schlaganfall oder Myokardin- farkt sowie mit einer sympto- matischen peripheren arteriel- len Verschlußkrankheit, die randomisiert doppelblind mit

E in verträglicheres Bis- phosphonat und ein li- pidneutrales Progeste- ron für die kombinierte Hor- monsubstitution sind die Sub- stanzen zur Therapie von Knochenerkrankungen, die

Für sich allein genom- men besitze Neopterin eine ähnlich gute prognostische Aussagekraft wie CD4 und könne — so die Einschätzung von Fuchs — eventuell auch als Alternative

Allerdings wird diese Theorie zunehmend in Frage gestellt, da sich eine Glome- rulosklerose auch bei unver- ändertem renalen Fluß ent- wickeln kann und auch eine deutliche

Im Zuge der Zusammen- führung von Hoechst Marion Roussel wurden auch die Be- reiche Forschung und Ent- wicklung neu organisiert, in die 1995 weltweit rund 1,7 Milliarden DM

Es handelt sich dabei um einen leberspezifi- schen Hemmer des Enzyms Prolyl-4-Hydroxylase, das bei der Bildung von Kollagen ei- ne wesentliche Rolle spielt.. Durch Hemmung dieses