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Archiv "Spätabbrüche: Keine Eugenik" (17.11.2006)

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A3096 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006

B R I E F E

Schwangerschaft de facto zu jedem Zeitpunkt zur Disposition stehen kann, weiß sie offensichtlich nichts.

Der mehr oder weniger missglückte Versuch eines Spagats zwischen den Belangen des ungeborenen Kindes und den Selbstbestimmungsrechten der Eltern bzw. der Mütter im Rahmen der Reform des § 218 StGB im Jahre 1993 war es, der alle Betei- ligten in eine äußerst missliche Konfliktsituation gebracht hat. Hier wieder nur die üblichen Verdächti- gen an den Pranger stellen zu wollen, ist so fantasielos wie dreist. Selbst- verständlich gehört zu einer kom- pletten Beratung im Rahmen der Feststellung einer schweren Fehlbil- dung auch die Option eines Ab- bruchs, ob uns das nun gefällt oder nicht. Wenn Vater Staat zu feige ist, eindeutige Prioritäten zu setzen, so müssen wir diese eben im Einzelfall mit den Patienten erarbeiten.

Welchen lebensbejahenden und -erhaltenden Effekt eine staatliche Beratungslösung hat, zeigt im Fall der (De-facto-)Fristenlösung bis zur Woche 12+ die Unterbrechung von bis zu 180 000 gesunden Schwanger- schaften pro Jahr sehr eindrucksvoll, nämlich so gut wie gar keinen . . .

Dr. med. Gerda Enderer-Steinfort, Dürener Straße 245 A, 50931 Köln

Keine Eugenik

Annegret Braun formuliert berech- tigte Forderungen im Zusammen- hang mit Pränataldiagnostik, die vor allem die Beratung und Entschei- dungsfähigkeit der Ratsuchenden betreffen. Von der Deutschen Gesell- schaft für Humangenetik und der Bundesärztekammer werden seit vielen Jahren inhaltlich ähnliche Anforderungen an die Voraussetzun- gen für eine Pränataldiagnostik genannt. Frau Braun äußert auf der anderen Seite aber auch Ansichten, die hinterfragt werden müssen. So ist bereits die Überschrift des Artikels irreführend. Es geht in der pränatalen Diagnostik nicht um das „perfekte Kind“. Es geht darum, das Ungebo- rene auf Veränderungen zu untersu- chen, die mit Sicherheit oder sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu schwe- ren körperlichen oder mentalen Störungen nach der Geburt führen

werden. Auch der Begriff „Spätab- bruch“ wird einseitig benutzt. Ärztli- cherseits ist ein Spätabbruch als ein induzierter Abort nach der 22.

Schwangerschaftswoche nach Kon- zeption definiert (siehe Erklärung der Bundesärztekammer zum Schwangerschaftsabbruch nach Prä- nataldiagnostik, DÄ 47/1998). Dies ist der Zeitpunkt einer möglichen ex- trauterinen kindlichen Lebensfähig- keit. Diese medizinische Definition eines Spätaborts wird aber im politi- schen Bereich leider häufig ignoriert.

Weiterhin fordert Frau Braun eine

„von Medizin und Humangenetik unabhängige Beratung“. Ist Human- genetik keine Medizin? Was versteht sie unter „Chromosomenbrüchen, die ein Risiko für eine zu erwartende spätere Behinderung beim Kind von zehn bis 15 Prozent (25 Prozent) auf- weisen“? Diese Aussage ist medizi- nisch nicht nachvollziehbar.

Das Zitat von Prof. Bartram steht in falschem Zusammenhang. Es besagt, dass durch genetische Beratung bei bestehender Altersindikation klarge- macht wird, wie gering die Risikoer- höhung für eine kindliche Chromo- somenstörung ist und daher geneti- sche Beratung oftmals zum Verzicht

der Schwangeren auf eine invasive Pränataldiagnostik führt. Die von Frau Braun zu Recht genannten Anforderungen an die Beratung vor pränataler Diagnostik, vor allem aber vor einem aus der Pränataldiagnostik eventuell resultierenden Schwanger- schaftsabbruch, sind von humange- netischer Seite seit Beginn der Prä- nataldiagnostik in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts formuliert.

Ebenso finden sich diese Forderun- gen in der oben zitierten Erklärung der Bundesärztekammer zum Schwangerschaftsabbruch nach pränataler Diagnostik, welche unter humangenetischer Beteiligung ent- standen ist. Im Positionspapier der Gesellschaft für Humangenetik (Medizinische Genetik 1996, 8:

125–31) ist gefordert: „Vorausset- zung für die Inanspruchnahme (einer Pränataldiagnostik) ist nach Auffas- sung der Gesellschaft für Humange- netik eine umfassende Aufklärung, die den Ansprüchen einer geneti- schen Beratung genügt und der Schwangeren eine qualifizierte Ent- scheidung für oder gegen die Unter- suchung ermöglicht.“ Psychosoziale Aspekte finden bei jeder humange- netischen Beratung Berücksichti- gung, insbesondere im Zusammen- hang von Beratung vor oder während pränataler Diagnostik. Im genannten Papier der BÄK heißt es unter ande- rem: „ . . . Ärzte haben ohne einge- hendes Gespräch mit der Schwange- ren keine Grundlage für die Indikati- onsstellung. Die Beratungen müssen ergebnisoffen und nichtdirektiv er- folgen. Die Teilnahme des Vaters an der Beratung ist wünschenswert.“

Folgerichtig darf nach Auffassung der Bundesärztekammer wie auch der Deutschen Gesellschaft für Hu- mangenetik ein auffälliger Befund nach Pränataldiagnostik nicht zu ei- ner ärztlichen Aufforderung oder Empfehlung zu einem Schwanger- schaftsabbruch führen. Umgekehrt wäre es allerdings realitätsfern und wohl auch haftungsrechtlich angreif- bar, in der von Frau Braun geforder- ten Weise der Schwangeren im Bera- tungsgespräch nach einem pathologi- schen Befund der Pränataldiagnostik die gesetzlich bestehende Option ei- nes Schwangerschaftsabbruchs aus medizinischer Indikation zu ver- Pränataldiagnos-

tische Untersu- chungen:Verunsi- cherung der Schwangeren?

Foto:dpa

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B R I E F E

schweigen. Mit Eugenik hat dies nichts zu tun . . .

Prof. Dr. med. Wolfram Henn,

Vorsitzender der Kommission für Grundpositionen und ethische Fragen der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e.V., Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum, Bau 68, 66421 Homburg/Saar

Im „DÄ-Interview“ stellt Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe den Gesetzesvor- schlag der Bundesärztekammer vor (DÄ 40/2006: „Die Beratung muss an erster Stelle stehen“ von Gisela Klink- hammer, Heike Korzilius, Heinz Stüwe).

Abtreibung ist Tötung

. . . Die Vorschläge der Bundesärzte- kammer (eine Befristung der Präna- taldiagnostik, die sich am Entwick- lungsstadium des Kindes orientiert, aber so rechtzeitig durchgeführt wird, dass sich bei einer Abtreibung keine intrauterine Fruchttodproblematik er- gibt, d. h. dass man das Kind im Mut- terleib töten muss, damit es seine eigene Abtreibung nicht überlebt;

HOCHSCHULEN

Die Personalaus- stattung ist der wichtigste Faktor beim Leistungs- vergleich der medi- zinischen Fakultäten (DÄ 34–35/2006:

„Medizinische Fakultäten: Der Ausbil- dungserfolg im Vergleich (II) von Prof. Dr.

med. Hendrik van den Bussche et al.).

Wohin die Besten gehen

Als „Ausbildungserfolg“ gilt eine gute Note im ersten Teil des Staatsexamens (Physikum) in der Regelstudienzeit. Der statistische Aufwand der vorgelegten Unter- suchung täuscht darüber hinweg: Die Selbstselektion der Studierenden in einige bevorzugte Fakultäten lässt sich mit den vorhandenen Daten nicht angemessen berücksichtigen.

Der bundesländerspezifische Grenzwert des Numerus clausus, außerdem diverse ausgiebige Bera-

tungsangebote) sind im Wesentlichen lediglich ein Entgegenkommen ge- genüber der Regierung, indem durch eine solche Gesetzesänderung der Spätabtreibung ihre „sichtbare“ Grau- samkeit genommen wird. Das Pro- blem ist damit aber in keiner Weise gelöst. Es macht nämlich ethisch kei- nen Unterschied, ob eine Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschafts- woche oder als Spätabtreibung bis zur Geburt durchgeführt wird. Abtreibung ist Tötung eines Kindes, denn vom Zeitpunkt der Befruchtung an ist das Kind ein Mensch und entwickelt sich ohne Einschnitt als Mensch und nicht zum Menschen bis zu seiner Geburt.

Alle Gesetzesnachbesserungen än- dern nichts an dieser Tatsache. Daher ist die einzig richtige Initiative gegen Spätabtreibungen nicht die Gesetzes- nachbesserung, sondern das Verbot jeglicher Abtreibung mit Ausnahme bei Lebensgefahr für die Mutter . . .

Dr. med. Elisabeth Leutner,Karl-Christ-Straße 1, 69118 Heidelberg

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