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Archiv "Spätabbrüche: Nicht ohne Beratung und Bedenkzeit" (22.05.2009)

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A1024 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 21⏐⏐22. Mai 2009

P O L I T I K

D

ie Ärztinnen und Ärzte sind künftig verpflichtet, Schwan- gere nach einer Diagnose, die einen Schwangerschaftsabbruch nach der zwölften Schwangerschaftswoche erlauben würde, ergebnisoffen zu beraten und an eine psychosoziale Beratung zu vermitteln. Dies be- schloss der Bundestag am 13. Mai nach einer kontroversen Debatte quer durch alle Fraktionen. Kom- men die Ärzte ihrer Beratungs- pflicht nicht nach, drohen ihnen ab dem nächsten Jahr bis zu 5 000 Eu- ro Bußgeld. Darüber hinaus ist künftig eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach Stellung der Diagnose bis zum möglichen Schwangerschaftsabbruch gesetz- lich vorgeschrieben.

Zuvor hatten Abgeordnete jahrelang über eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes verhandelt. Trotzdem blieb bis zu- letzt offen, ob späte Schwanger- schaftsabbrüche aufgrund einer medizinischen Indikation grund- sätzlich gesetzlich neu geregelt werden sollen. Noch kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag scheiterten Bemühun- gen, die beiden verbliebenen der zwischenzeitlich fünf verschiede- nen Anträge zusammenzuführen.

So stand am 13. Mai zum einen der Gesetzentwurf des familienpoli- tischen Sprechers der Unionsfrakti- on, Johannes Singhammer (CSU), der Vorsitzenden des Familienaus- schusses, Kerstin Griese (SPD), von Ina Lenke (FDP) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zur Debat- te. Er sieht neben der dreitägigen Bedenkzeit die Beratungspflicht des Arztes vor. In namentlicher Abstim- mung sprachen sich 326 Abgeord- nete für ihn aus.

Ihm gegenüber stand der Antrag von Christel Humme (SPD) sowie Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne), der 234 Stimmen erhielt. Sie wand- ten sich gegen eine generelle Be- denkfrist vor einem Schwanger- schaftsabbruch. Frauen würden sich nicht leichtfertig für eine Abtreibung entscheiden, argumentierten die Parlamentarierinnen. Obwohl sie zunächst jede Frist ablehnten, war in ihrem endgültigen Entwurf dann nur von einer „ausreichenden Bedenk- zeit, in der Regel mindestens drei Tage“ die Rede. Eine Beratungs- pflicht für Ärzte wollte die Gruppe jedoch keinesfalls vorschreiben.

Bislang ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218 a Strafgesetzbuch innerhalb der ers- ten zwölf Schwangerschaftswochen (SSW) straffrei, wenn die Schwan- gere mindestens drei Tage vor dem Abbruch an einem Beratungsge- spräch teilgenommen hat. Danach bleibt ein Abbruch ebenfalls straf- frei, wenn die körperliche oder see- lische Gesundheit der Frau durch

die Schwangerschaft stark gefährdet ist (medizinisch-soziale Indikation).

Eine Beratung ist bisher nicht vor- geschrieben.

Für diese sowie für eine Bedenk- zeit vor dem Abbruch setzten sich die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäko- logie und Geburtshilfe jedoch seit Jahren ein. „Das Recht auf eine um- fassende ärztliche Beratung vor ei- nem Schwangerschaftsabbruch darf nicht allein auf die Zwölfwochen- frist begrenzt bleiben. Auch und gerade im späten Stadium der Schwangerschaft muss der Arzt die Schwangere über kurzfristige und langfristige, medizinische und psy- chische Aspekte des Abbruchs oder des Austragens der Schwangerschaft beraten“, forderte mehrfach der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe.

Die aktuelle Entscheidung des Parlaments begrüßen sowohl Hoppe als auch Prof. Dr. med. Rolf Kreien- berg, Präsident der Deutschen Ge- sellschaft für Gynäkologie und Ge- burtshilfe. Der Bundestag sei zu einem Ergebnis gelangt, das der Konfliktlage der Schwangeren ebenso gerecht werde wie dem Schutz des Ungeborenen, meinte Kreienberg. Endlich werde ein Re- gelungsdefizit beseitigt, das durch die Reform des Schwangerschafts- abbruchrechts 1995 entstanden ist.

Damals war zwar die „embryopa- thische Indikation“ gestrichen wor- den, die einen Abbruch bei schwerer Erkrankung des Kindes ermöglich- te. Sie fand jedoch indirekt wieder Eingang, indem die medizinische Indikation neu gefasst wurde. Zu- gleich entfielen die bis dahin gültige Grenze für die Tötung des Ungebo- renen nach 22 Schwangerschafts- wochen, die Pflicht zur Beratung, die Dreitagesfrist sowie die statisti- sche Erfassung des Abbruchs.

Ausführlichere statistische Anga- ben wollte auch die Gruppe um Singhammer erheben lassen. Um zu einem Kompromiss zu gelangen, la- gerten sie diese Forderung jedoch aus ihrem Gesetzentwurf aus und ließen den Bundestag gesondert darüber abstimmen. Der Antrag fand allerdings keine Mehrheit. I Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

SPÄTABBRÜCHE

Nicht ohne Beratung und Bedenkzeit

Nach einer kontroversen Debatte sprach sich der Bundestag bei einer fraktionsübergreifenden Abstimmung für schärfere Regelungen aus.

Zu einer Beratung verpflichtet sind Ärzte künftig, wenn sie bei einer Schwangeren eine mutmaßliche Behin- derung des Kindes diagnostizieren. Bis- her fühlten sich die Frauen häufig in der Konfliktsituation alleingelassen.

Foto:dpa

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