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Archiv "Ärztinnen und Ärzte: Keine Dienstleister" (28.06.2002)

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nen und individuellen Fragen an. Die Auskünfte werden aber meist von ei- nem externen Informationsdienst gege- ben und der Krankenkasse berechnet.

Für eine kurze Auskunft hat sie pro Anruf etwa 6,50 Euro (12,50 DM) zu zahlen, für eine längere 19 Euro (38,50 DM). Wenn eine Recherche notwendig ist, können bis zu 100 Euro (200 DM)

Gebühren erhoben werden. Es ist je- doch nicht sichergestellt, dass die Infor- mation qualitativ in Ordnung ist. Im di- rekten Vergleich dazu erhält ein Fach- arzt für Innere Medizin für ein Quartal und alle anfallenden Leistungen zwi- schen 35 und 50 Euro.

Als gefährlichste Falle bezeichnete Everz die bei telefonischen Auskünften

oftmals gestellten Ferndiagnosen. Sie sind ebenso häufig falsch wie die daraus abgeleiteten Ferntherapien. „Das Spek- trum reicht hier von Scharlatanerie bis zur Quacksalberei“, so Everz. Aus die- sem Grund schreibe die ärztliche Be- rufsordnung vor, dass ein Patient vor Diagnose und Therapie körperlich un- tersucht werden muss.

Durch das immer unübersichtlicher werdende Angebot an Informationen zu Gesundheitsfragen für Patienten wird die tägliche Arbeit des Arztes ver- ändert. Der Arzt verliert sein Wissens- monopol aufgrund der universellen Verfügbarkeit von Informationen. Zu- dem steigern chronisch Kranke durch Organisation in Selbsthilfegruppen und dergleichen ihre Kompetenz. Die Her- ausforderung für den Arzt heißt des- halb: aktive Einbindung des Patienten als „Coproduzenten“. Damit schafft er Vertrauen, fördert die Compliance und die Effektivität der Therapie.

Der Arzt muss umdenken und sich auf den „informierten“ Patienten ein- stellen. Der Patient alter Prägung wird zunehmend durch den informierten Pa- tienten abgelöst, der schließlich in die Rolle des „Coproduzenten“ gedrängt wird und immer mehr Eigenverantwor- tung übernehmen muss. Er darf jedoch nicht durch überzogene Mitverantwor- tung und Informationsüberflutung überfordert und verunsichert werden.

Eine neuartige Kommunikation zwi- schen Arzt und Patient werden in Zu- kunft gesetzliche und rechtliche Vorga- ben prägen, befürchtet Rechtsanwalt Herbert Wartensleben (Stolberg). Zu- dem werden immer mehr Institutionen geschaffen, die der Aufklärung dienen sollen, die in Wirklichkeit aber einem ganz anderen Ziel untergeordnet sind.

Sie sollen letztendlich der Solidarge- meinschaft Kosten sparen helfen.

„Wenn Kommunikation zur Ko- steneinsparung genutzt wird, kann die- se unterschwellige Absicht ein elemen- tarer Störfaktor sein“, erklärt Wartens- leben.

Zu solchen Faktoren gehöre, dass die Krankenkassen Verzeichnisse über Krankenhäuser und deren Leistungska- pazitäten aufstellen. Nach § 39 Abs. 3 Satz 3 SGB V (Sozialgesetzbuch) haben die Krankenkassen darauf hinzuwir- ken, dass Vertragsärzte und Versicherte T H E M E N D E R Z E I T

A

A1810 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 26½½½½28. Juni 2002

Ärztinnen und Ärzte

Keine Dienstleister

D

ie Arzt-Patient-Beziehung ist ein fragiles Phänomen, das dem Zeitgeist und da- mit dem Wertewandel in der Gesellschaft unterworfen ist. Derzeit mehren sich die Stimmen, die die Ärzteschaft auffordern, sich mehr als Dienstleister und den Pa- tienten stärker als Kunden zu betrachten und die ärztliche „Leistung“ entsprechend auszurichten. Das aber ist eine gefährliche Vorstellung. Das Arzt-Patienten-Ver- hältnis kann und darf nicht zu eine Art Konsumenten-Dienstleister-Verhältnis um- gestaltet werden. Denn in aller Regel wird der Arzt nicht mit dem viel beschwore- nen kundigen, informierten und mündigen Patienten konfrontiert, der die dazu- gehörige Souveränität der Entscheidungsfreiheit hat.

Welche Souveränität besitzt der 40-Jährige, den gerade ein Herzinfarkt ereilt hat, der 70-Jährige mit Oberschenkelhalsbruch, der Sportler mit Meniskusabriss oder gar das Kind, das an den psychischen und seelischen Wunden einer Miss- handlung leidet? Oder wie verhält es sich mit der Kundenrolle beim lebenslusti- gen Mittdreißiger, dem der behandelnde Arzt die Diagnose HIV-positiv vermit- teln muss, wie der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Die- trich Hoppe, kürzlich im Rheinischen Ärzteblatt schrieb.

Bei der Mehrzahl der Patienten ist die „Souveränität des Kunden“ massiv ein- geschränkt und je nach Krankheitslage überhaupt nicht vorhanden. Patienten wenden sich an den Arzt, weil sie Hilfe brauchen. Sie bringen dem Arzt Vertrau- en entgegen und setzen auf die ärztliche Professionalität und Fürsorge. Den Pa- tienten mit der Haltung eines „Dienstleisters“ entgegenzutreten, bei dem Dia- gnostik- und Therapieleistungen „eingekauft“ werden können, ist falsch und ge- fährlich – obgleich sich diese Haltung bis in den gesundheitspolitischen Bereich fortsetzt. Das zeigt bereits die Sprache: Werden doch die Ärzte hierzulande zu- nehmend seltener als Ärzte oder Mediziner und häufiger als „Leistungserbrin- ger, Dienstleister oder bestenfalls als Behandler“ bezeichnet. Allzu oft wird der Arzt dabei vom Helfer zum „Verursacher von Kosten“ degradiert und der Pati- ent selbst zum „Kostenfaktor“.

Sinnvoller wäre es, wenn man sich auf die Grundwerte des ärztlichen Handelns besinnen und im Arzt-Patienten-Verhältnis eine gute Partnerschaft anstreben wür- de. Diese aber ist oft schon aus Zeitmangel nicht zu gewährleisten. Denn neben der medizinischen Tätigkeit, die zunehmend aufwendiger wird, verstärkt sich die Zeit- not des Arztes auch maßgeblich durch die weitere Reduktion von Planstellen und das Überhandnehmen der bürokratischen Aufgaben.

Der Patient in seiner individuellen Not ist weit mehr als ein Kunde oder eine statistische Größe. Er sucht neben sachlicher Kompetenz oftmals kontinuierliche Betreuung und Ermutigung über Jahre. Und: Er hat fast immer Angst. In einer solchen Situation ist jedoch keineswegs ein „Dienstleister Arzt“, sondern viel- mehr ein „Partner Arzt“ gefordert. Unter diesem Aspekt hat sich die Gesund- heitspolitik von der ärztlichen Realität und den Patientenbedürfnissen sehr weit

entfernt. Prof. Dr. med. Hans Friederich Kienzle

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 26½½½½28. Juni 2002 AA1811

das „Verzeichnis stationärer Leistun- gen und Entgelte“ bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Kranken- hausbehandlungen beachten. Wählt der Patient ohne zwingenden Grund ein an- deres Krankenhaus, können ihm die Mehrkosten ganz oder teilweise aufer- legt werden (§ 39 Abs. 2 SGB V).

„Solche Listen können die Entschei- dungsfreiheit des Arztes und des Pati- enten beeinträchtigen“, meint Wartens- leben. So könne es beispielsweise Pro- bleme geben, wenn der Arzt einen Pati- enten aus bestimmten Gründen nicht in das nächstgelegene Krankenhaus ein- weisen möchte, weil er als Fachmann dort eine erhöhte Infektionsrate festge- stellt hat. Nach der Liste wäre der Pati- ent gehalten, in dieses Krankenhaus zu gehen. Wenn er dennoch eine andere Klinik vorzieht, würde das eine Diskus- sion zwischen Arzt, Patient und Kran- kenkasse auslösen.

Eine Störung der Kommunikation zwischen Arzt und Kassenpatient kann sich auch aus § 66 SGB V ergeben.

Danach sollen die Krankenkassen den Versicherten bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen ihre Ärzte behilflich sein, die bei der Inan- spruchnahme von Versicherungslei- stungen aus Behandlungsfehlern ent- standen sind. Damit ergibt sich ein wei- terer Störfaktor zwischen Arzt und Pa- tient. Die durchaus erfolgreichen Bemühungen der Ärzteschaft, sich mit Schieds- und Gutachterstellen außerge- richtlich zu einigen, können durch diese Bestimmung beeinträchtigt werden.

Das geltende Recht bezeichnete Wartensleben als eine Chimäre: Sie gaukelt den Patienten einen Anspruch vor, der nicht mehr zu realisieren ist.

Der Gesetzgeber muss den Mut auf- bringen, dem Patienten zu sagen, dass das, was die Medizin heute zu leisten vermag, nicht mehr finanzierbar ist – oder es muss mehr Geld in das System eingebracht werden. Für den Arzt er- gibt sich daraus die Konsequenz: Er muss seine Patienten über die medika- mentösen Möglichkeiten und über die Behandlung der jeweiligen Krankheit informieren, gegebenenfalls aber sagen:

„Auf Kassenrezept kann ich das Medi- kament nicht verschreiben, auf Privat- rezept gerne.“ Damit ist die Zweiklas- senmedizin erreicht. Siegfried Hoc

GLOSSE

D

iese Nacht hatte ich einen Traum.

Ich war Dirigent eines Sympho- nieorchesters und hatte meinen Jourfix mit unserem Geschäftsführer.

„Herr Dirigent, ich habe mir Ihre Aufführungszeiten angesehen und ihren Stellenschlüssel. Nach meiner Personalbedarfsrechnung sehe ich ein Einsparpotenzial von mindestens 30 Prozent. Der Schlüssel heißt Prozessop- timierung! Wenn ich mir eine Auf- führung Ihres Orchesters betrachte, fällt mir auf, dass Ihre Musiker sehr un- terschiedlich ausgelastet sind. Nehmen wir den Triangel-Spieler. Die-

ses Tätigkeitsprofil recht- fertigt meines Erach- tens keine Vollkraft- Stelle!“

Ich stutze: „Die Partituren sehen nur wenige Einsät- ze der Triangel vor, diese aber mei- stens im Tutti und daher brauche ich alle Positionen be- setzt.“

„Gut, dann sollte die-

ser Mann aber zwischen seinen Einsät- zen andere Aufgaben wahrnehmen.“

„Soweit das möglich ist, übernimmt dieser Mann auch andere Positionen.

Soweit das möglich ist . . . jeder Musiker hat nur zwei Hände . . . das Tutti . . .“.

„Ich denke nicht nur an andere In- strumente. Der Triangel-Spieler könnte zwischen seinen Einsätzen auch andere Aufgaben wahrnehmen: zum Beispiel organisatorische Aufgaben, Terminver- einbarung und Ähnliches.“

„. . . die Konzentration . . . Er darf seine Einsätze auf keinen Fall verpassen . . . und so lang sind die Pausen zwischen den Einsätzen nicht . . .“

„Zu den Pausen komme ich gleich.

Wir müssen uns hier mit der Position Tri- angel-Spieler etwas einfallen lassen. In

meiner Personalbedarfsplanung habe ich für diese Position zunächst eine hal- be Stelle vorgesehen. Ich möchte Ihnen ja entgegenkommen. Mir ist klar, dass wir hier schrittweise vorgehen müssen.

Mittelfristig gehe ich jedoch von einem noch höheren Einsparpotenzial aus. Ich erwarte Ihre Vorschläge! Nun zu den Pausen zwischen den Einsätzen. Hier se- he ich einen ungeheuren Bedarf der Prozessoptimierung! Wenn wir dazu kä- men, die Bläser-, Streicher- oder Kla- viersätze hintereinander zu spielen, oh- ne Pausen, ergäbe das eine erhebliche Verkürzung der Arbeitszeiten für alle. Die tariflich vor- geschriebenen Pausen- zeiten müssen natür- lich eingehalten wer- den. Ich habe mir aus der EDV-Ab- teilung die genau- en Einsatzzeiten Ihrer Orchester- mitglieder geben lassen. Und mir leuchtet es überhaupt nicht ein, dass beispiels- weise bei einem Klavierkon- zert der Solist Passagen mit und ohne Orchesterbegleitung spielt, dass das Or- chester teilweise gänzlich unbeschäftigt ist, und teilweise sind die Einsätze ex- trem kurz. Hier muss die Koordination unbedingt verbessert werden! Und nun noch zu Ihrem Einwand zu Beginn: das ,Tutti’. Sie haben zwölf Streicher! Da kann man doch eine oder zwei Stellen einsparen, das hört man doch nicht!“

Als ich aufwachte, hielt ich mir die Ohren zu und hatte Kopfschmerzen.

Am Nachmittag hatte ich meinen Jourfix mit unserem Geschäftsführer.

„Herr Chefarzt, ich habe mir Ihre Operationszeiten-Zeiten angesehen und ihren Stellenschlüssel. Nach meiner Per- sonalbedarfsrechnung . . .“

Priv.-Doz. Dr. Hans Hoffmann

Prozessoptimierung

„Tutti“ va bene – oder: „Herr Chefarzt, ihr Stellenschlüssel . . .“

Referenzen

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