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Archiv "Gesundheitsreform: Mehr Geld ins System!" (26.01.2001)

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P O L I T I K

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A148 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 4½½½½26. Januar 2001

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ie in allen europäischen Staa- ten führt der Kostenanstieg im Gesundheits- und Sozial- system zu Handlungszwängen. Die Ursachen für sie sind unterschiedlich:

Neben der Tatsache, dass die Men- schen deutlich älter werden und damit die Krankenkassen für diese Mitglie- der mehr Aufwendungen haben, spie- len Innovation im Arzneimittelbe- reich, aber auch der medizinisch-tech- nische Fortschritt eine zunehmende Rolle bei der Kostenentwicklung. Wer einmal die digitale Röntgen- und Großgerätebilddarstellung finanzie- ren wird, ist offen.

Es ist Aufgabe der Ärzte- schaft, Innovation und zusätzli- che Morbidität im Vergleich zu früheren Jahren als weiteren Ko- stentreibsatz zu belegen. Wenn zum Beispiel in den neuen Bun- desländern die Zahl der chro- nisch Kranken deutlich über der vergleichbaren Zahl in den alten Bundesländern liegt, werden Po- litik und Krankenkassen reagieren müssen.

Das Gesundheitsreformgesetz 2000 setzt im Vergleich zu Reformgesetzen früherer Regierungen neue Schwer- punkte als Antwort auf bisheriges Versagen gesetzgeberischer Maßnah- men :

Integrierte Versorgung, Stärkung der Lotsenfunktion der Ärztinnen und Ärzte auf der Ebene der Grund- und Regelversorgung, Trennung der Vergü- tung für Haus- und Fachärzte, Transpa- renz, Einführung der ICD-10-SGB V.

Im Gesundheitsreformgesetz ver- sucht der Gesetzgeber neue Wege, Modelle in der ambulanten Versor- gung zu ermöglichen. Wenn es gelingt, durch Modellversuche wie im hessi- schen Ried oder durch Netzgründung und die Bildung von Genossenschaf- ten die Qualität und damit die Pro- duktivität der Versorgung zu verbes- sern, dann ist dies ein positiver Trend.

Zu beobachten ist eine weitaus höhe- re Motivation der Ärzte, die in sol- chen Strukturen zusammenarbeiten.

Jeder weiß um die Schwerpunkte der kooperierenden Ärzte und der be- nachbarten Krankenhäuser. Das führt so weit, dass es inzwischen Netzstruk- turen vor Ort gibt, in denen der Pati- entenbegleitbrief zur Selbstverständ- lichkeit wird, was auch für einen in- nerärztlichen Verhaltenskodex gilt.

Das Reformgesetz 2000 fördert die Lotsenfunktion der Hausärzte, haus- ärztlich tätigen Internisten und Kin- derärzte als diejenigen, die durch Prä- senz das familiäre und soziale Umfeld der Patienten kennen. Im Rahmen von Verbundsystemen zur Weiterbildung

der angehenden Allgemeinmediziner muss durch eine fünfjährige Weiterbil- dung das Rüstzeug für die künftige Ar- beit mitgegeben werden.

Die Einführung der ICD wurde oft beklagt. Nicht abzustreiten ist die Tatsache, dass es heute leichter ist, Leistungsverlagerung von stationär nach ambulant zu belegen. Erst wenn die Ärzte Rationalisierungsreserven nutzen und Synergieeffekte zum Tra- gen kommen lassen (94 Prozent der 1997 befragten Medizinstudenten se- hen solche Rationalisierungsreserven), können wir die öffentliche Forderung stellen: „Mehr Geld ins System!“

Rationalisierungsreserven, die zuletzt mobilisiert wurden

– Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, Krankenkassen und dem Bun- desministerium für Gesundheit vom September 1998 gelang es in allen, auch in den schon wirtschaftlich mit

Medikamenten-Verordnungen umge- henden KV-Bezirken, Einsparungen zu erreichen.

– Die Laborhonorarreform vom 1. Juli 1998 hat zu erheblichen Ein- sparungen geführt.

– Eine Ordnung und Neukonzep- tion der Krankenversicherten-Karte (unter anderem Missbrauch der Chip- kartensimulatoren, künstliche Praxis- schlusszeiten von drei bis vier Wochen je Quartal) wird noch Einsparpo- tenziale bieten. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen müs- sen ein Anreizsystem schaffen, in dem der Patient in der Regel seinen Hausarzt, hausärztlich tätigen Internisten oder Kinderarzt an- trifft. Auch in der sprechstun- denfreien Zeit muss für Notfälle ein ärztlicher Ansprechpartner erreichbar sein.

Wenn es durch neue Behand- lungsformen, präventive Grup- penarbeit oder Verkürzung der Liegezeiten in den Krankenhäu- sern zu neuen Finanzbelastungen im ambulanten System kommt, müssen neue Finanzmittel bereitgestellt wer- den. Mit den alljährlichen Steige- rungsraten aus der Grundlohnsum- menentwicklung wird dies künftig nicht mehr finanzierbar sein.

Der Ärzteschaft muss es gelingen, die Augen für neue Entwicklungen bei der Versorgung von Patienten zu öffnen.

– Die Informationstechnologie (IT) wird neue Informationswege für Ge- sunde und Kranke ermöglichen. (Die Homepage „Hoden-Ca“ der Arbeits- gruppe Hodenkrebs wurde in wenigen Monaten von Interessierten mehr als 13 000-mal aufgerufen.)

– Disease-Management wird für die Kostenträger überlebensnotwen- dig. Der Wechsel von mehr als 1,5 Mil- lionen Beitragszahlern in die „preis- günstigeren“ oftmals nur virtuellen Be- triebskrankenkassen verdeutlicht den Handlungbedarf. Hier muss dann auch die Qualität der Behandler überprüf- bar werden. Jeder Arzt sollte sich schon jetzt im Hinblick auf seine Kosten-

KOMMENTAR

Gesundheitsreform

Mehr Geld ins

System!

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U

nerwartete Unterstützung erhiel- ten die Psychologischen Psycho- therapeuten und ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte aus dem – bis dahin noch von Andrea Fi- scher geführten – Bundesministerium für Gesundheit (BMG). In einem Brief an die Kassenärztliche Bundesvereini- gung (KBV) und an die gesetzlichen Krankenkassen kritisiert das Ministe- rium den Beschluss des Bewertungs- ausschusses gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom 16. Februar 2000: Dieser entspreche nicht „der gesetzlichen Vor- gabe, eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten“ und müs- se deshalb korrigiert werden.

Der Beschluss legte Kriterien für die Berechnung eines Mindestpunktwerts für zeitgebundene genehmigungspflich- tige psychotherapeutische Leistungen fest, der im Bundesdurchschnitt bei 7,5 Pfennig liegt. Die Berechnungen des Bewertungsausschusses wurden von den Psychotherapeutenverbänden wieder- holt kritisiert, da der Mindestpunktwert nicht dem im Urteil des Bundessozialge- richts (25. August 1999) geforderten Punktwert von zehn Pfennig entspricht.

Der Bundesverband der Vertragspsy- chotherapeuten e.V. (BVVP), Freiburg, legte dem BMG ein Gutachten einer be- auftragten Unternehmensberatung vor.

Der Brief des Bundesgesundheitsmini- sterums ist eine Reaktion darauf.

Das Ministerium beanstandet unter anderem als „nicht sachgerecht“, dass die Kalkulation der Betriebsausgaben psychotherapeutischer Praxen nicht auf den Sollumsätzen beruhe, sondern auf den regionalen Ist-Erlösen des Jahres 1998. Das führe dazu, dass die durch- schnittlichen kalkulatorischen Betriebs- ausgaben je nach Kassenärztlicher Ver- einigung regionale Unterschiede zwi- schen 22 000 DM und 66 000 DM auf- wiesen. Außerdem werden die im Be- schluss des Bewertungsausschusses an-

geführten Vergleichsparameter zwischen Allgemeinmedizinern und Psychothera- peuten angezweifelt. Ein Psychothera- peut könne nur bei optimaler Ausla- stung seiner Praxis den Ertrag erzielen, den ein Facharzt für Allgemeinmedizin mit durchschnittlicher Auslastung im Jahr 1998 erzielen konnte. Ein Psycho- therapeut mit bloß durchschnittlicher Auslastung werde daher hinter den Er- trägen eines durchschnittlich ausgelaste- ten Allgemeinarztes zurückbleiben. Das BMG wirft dem Bewertungsausschuss vor, „selektiv zuungunsten der Psycho- therapeuten“ vorgegangen zu sein.

KBV-Honorardezernent Dr. med.

Andreas Köhler weist gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt darauf hin, dass der Bewertungsausschuss inzwischen für 2001 für die kalkulatorischen Be- triebsausgaben eine Untergrenze in Höhe von 32 000 DM beschlossen habe.

Somit pendeln die regionalen Unter- schiede nur noch zwischen 32 000 und 66 000 DM. Die übrigen Kritikpunkte könnten erst beurteilt werden, sobald

„valides Datenmaterial für das Jahr 2000 vorliegt“, betonte Köhler.

„Ohrfeige für den Bewertungsausschuss“

Nicht einverstanden mit der Beanstan- dung des Bundesgesundheitsministeri- ums ist der Berufsverband Deutscher Internisten e.V. Sollte sich der Punkt- wert von zehn Pfennig für die Psycho- therapeuten durchsetzen, würden „die Fachärzte in den Ruin“ getrieben.

Die Psychotherapeuten hingegen empfinden Genugtuung: Der BVVP sieht die Beanstandung „als Ohrfeige für den Bewertungsausschuss“. Auch wenn sich daraus keine unmittelbaren Konsequenzen ergeben, sei von hohem Wert, dass zu dem „Unrechtsbeschluss“

Stellung bezogen wurde. Petra Bühring P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 4½½½½26. Januar 2001 AA149

analyse kontrollieren, um zukünfti- gen Qualitätsanforderungen gegen- über gewappnet zu sein. Ein weiteres Hinauszögern von Reformen und das Gegeneinanderausspielen von Fachgruppen wird nicht weiter- führen. Die Schweiz hat mit dem neuen Honorarsystem „Tarmed“

nach mehr als zehnjähriger Vorbe- reitungszeit seit einigen Monaten ein Honorarsystem vorgelegt, bei dem ärztliche und technische Leistungen abgerechnet werden. Der Selbstver- waltung wird nicht viel Zeit bleiben, um mit den Berufsverbänden ein ähnlich strukturiertes Entgeltsy- stem auf den Weg zu bringen.

Die Bundesregierung ist angetre- ten, die Lohnnebenkosten wegen des internationalen Wirtschafts- standorts Deutschland zu senken.

Dieses Vorhaben wird sie verteidi- gen. Kein verantwortlicher Politiker wird auf Dauer zusehen, wie dieses Ziel durch Reformunfähigkeit in der Gesundheitspolitik durch drohen- den Anstieg der Krankenkassenbei- tragssätze zunichte gemacht wird.

Sicher werden auch unzureichende Gegenfinanzierung von Reformen, Senkung der Beitragszahlungen für Arbeitslose und weitere sozialpoliti- sche Reformen zu Mindereinnah- men im GKV-Bereich führen.

Die Überlegungen der Opposition zur Weiterentwicklung des Rechts der Gesetzlichen Krankenversiche- rung enthalten als zentrale For- derung die Splittung des GKV-Lei- stungskatalogs in Pflicht- und Wahl- leistungen. Diese Amerikanisierung des GKV-Systems wird zu einer Bela- stung des Arzt-Patienten-Verhältnis- ses führen. Wenn der Kernleistungs- bereich bei zwölf Prozent-Punkten als Beitragssatz liegen wird, werden dem GKV-Bereich 28 Milliarden DM pro Jahr fehlen. Ob dies sich mit einem Ausschluss von Sterbe- geld, Fahrkosten- und Haushaltshil- fen und der Finanzierung der extra- korporalen Fertilisation finanzieren lässt, ist mehr als fraglich. Traugott Heil

Psychotherapeutische Vergütung

Kritik an der Kalkulation

Das Bundesministerium für Gesundheit fordert den

Bewertungsausschuss auf, seinen Beschluss zu korrigieren.

Referenzen

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