A 1770 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 37|
11. September 2009HONORAR 2010
Mehr Geld, mehr Regelungen
Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat eine Honorarsteigerung um 3,7 Prozent für das nächste Jahr festgelegt. Es wird jedoch noch komplizierter, das Gesamthonorar zu ermitteln und zu verteilen.
D
ie Vergütung für Leistungen innerhalb der Regelleis- tungsvolumen der niedergelassenen Ärzte soll wegen der wachsenden Morbidität im Jahr 2010 um zwei Prozent gegenüber diesem Jahr stei- gen. Rechnet man Steigerungen für extrabudgetäre Leistungen hinzu, ergibt sich insgesamt ein Plus von 3,7 Prozent beziehungsweise rund 1,2 Milliarden Euro. Das hat der Er- weiterte Bewertungsausschuss von Ärzten und Krankenkassen am 2. Sep- tember beschlossen.„Ob der medizinische Bedarf der Patienten für 2010 wirklich gedeckt ist, wie die Krankenkassen behaup- ten, muss sich erst noch zeigen“, kommentierte der Vorstandsvorsit- zende der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV), Dr. med.
Andreas Köhler, den Beschluss.
Wie sich der Zuwachs auf die ein- zelne Arztpraxis auswirken werde, könne man noch nicht sagen.
Florian Lanz, Sprecher des Spit- zenverbands Bund der gesetzlichen Krankenkassen, geht davon aus, dass die Vertragsärzte im kommen- den Jahr aufgrund des steigenden Behandlungsbedarfs rund 32 Milli- arden Euro an Honoraren allein von
der gesetzlichen Krankenversiche- rung erhalten. KBV-Vorstand Köh- ler stellte zudem klar, dass die pro- zentuale Honorarsteigerung im nächsten Jahr – anders als 2009 – allen Kassenärztlichen Vereinigun- gen (KVen) nahezu gleichermaßen zugutekommen werde. Dies bein- halte indirekt „eine Solidarleistung der neuen gegenüber den alten Bun- desländern“, ergänzte er. Denn durch eine bundesweit einheitliche Morbiditätssteigerungsrate werden die unterschiedlichen Krankheits- lasten in den Ländern ignoriert.
Komplexe Ansätze der KBV Köhler verwies zudem darauf, dass sich das KV-System bereits darauf verständigt hatte, die Regionen Ba- den-Württemberg, Nordrhein und Schleswig-Holstein und damit die Verlierer der Honorarreform durch Umverteilungen zu unterstützen.
Ein entsprechender Antrag fand im Bewertungsausschuss jedoch keine Mehrheit. Auch bei der Ermittlung der Morbiditätsrate konnte sich die KBV nicht mit ihren Vorschlägen durchsetzen. Sie hatte unter ande- rem gefordert, die Veränderungen auf der Basis von 196 Krankheits-
kostengruppen zu berechnen. Statt- dessen bilden nun Veränderungen in 30 Krankheitskostengruppen, 32 Alters- und Geschlechtsgruppen- und eine demografische Kompo- nente in Höhe von rund 0,34 Pro- zent die Basis der Anpassung.
Köhler räumte ein, dass der kom- plexere Ansatz der KBV in der Kür- ze der Zeit nicht durchzurechnen gewesen sei. Außerdem hätten die Krankenkassen auf eine reduzierte Anzahl von Krankheitskostengrup- pen gedrängt, um Manipulationen zu vermeiden. In diesem Zusam- menhang verwies der KBV-Vor- stand erneut darauf, dass eine Eini- gung über Codierrichtlinien drin- gend notwendig sei. Auch darüber verhandelt die KBV derzeit mit den Kassen.
Das letzte Wort ist auch bei den Investitions- und Betriebskosten noch nicht gesprochen. Die KBV hatte hier eine Erhöhung des Orien- tierungswerts 2010 um 5,3 Prozent verlangt, die Krankenkassen eine Absenkung um 6,2 Prozent auf- grund von Wirtschaftlichkeitsreser- ven. Darüber wird im Frühjahr 2010 erneut verhandelt; für das nächste Jahr beträgt der Orientierungswert im Regelfall nun 3,5048 Cent. „Das ist noch lange nicht unsere Zielvor- stellung“, sagte Köhler.
Zufrieden ist der KBV-Vorstand dagegen mit der Entscheidung, neu aufgenommene Leistungen im EBM in Zukunft zwei Jahre lang zusätzlich zu finanzieren. Erst da- nach kann die Überführung in die morbiditätsorientierte Gesamtver- gütung beschlossen werden.
Änderungen wird es auch im Be- reich der Richtlinien-Psychothera- pie geben. Eine Herausnahme der Leistungen aus der morbiditätsori- entierten Gesamtvergütung lehnte der Erweiterte Bewertungsausschuss ab. Rund 40 Millionen Euro zusätz- lich werden aber für Leistungsaus- weitungen bereitgestellt. Sie wer- den sich wahrscheinlich durch neue Mindestquoten im Bereich der Kin- der- und Jugendlichenpsychothe- rapeuten ergeben sowie dadurch, dass ein Vertragsarztsitz durch zwei Psychotherapeuten besetzt werden
kann. ■
Sabine Rieser Die Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsaus-
schusses zu Honorarzuschlägen bei Unterversor- gung und Honorarabschlägen bei Überversorgung könnten den Kassenärztlichen Vereinigungen in Zukunft „große Probleme“ bereiten, befürchtet der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köh- ler. Die KBV hatte deshalb gegen den Beschluss gestimmt. Köhler hofft, dass eine Arbeitsgruppe von KBV und Krankenkassen noch zu pragmati- scheren Lösungen findet. Denkbar sei etwa, Praxisinhaber in unterversorgten Gebieten durch Gelder aus den Rückstellungen zu stützen, statt
komplizierte Umverteilungsmechanismen für alle Ärzte vorzusehen. Der Beschluss sieht vor, sowohl für Hausärzte wie für Fachärzte regional jeweils fünf Orientierungswerte zu bilden, je nach Grad der Unter- oder Überversorgung. Grundlage wären die heutigen Maßstäbe der Bedarfsplanung, die aller- dings im Herbst auch noch zur Diskussion stehen.
Zugleich soll es eine Konvergenzphase geben, sodass Ärzte in überversorgten Gebieten entwe- der erst 2014 oder 2017 (falls sie sich vor dem 1. Januar 2010 im Planungsbezirk niedergelas- sen haben) in vollem Umfang von den Abschlags- regelungen beim Honorar betroffen wären.