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Archiv "Spätabbrüche: Die Beratung muss an erster Stelle stehen" (06.10.2006)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt: Herr Prof. Hoppe, fordern Sie eine Änderung des § 218, vor allem was die medizinische Indika- tion betrifft?

Hoppe: Das wäre das Beste. Es hat ja mal die Idee gegeben, das Pro- blem über das ärztliche Berufsrecht zu lösen. Wir haben aber festge- stellt, dass das nicht geht, weil unsere Sanktionsmöglichkeiten zu schwach sind. Und deswegen wer- den wir nicht umhinkommen, ge- setzliche Änderungen vorzuneh- men. Wir wissen, dass die Politik sich davor scheut, denn sie befürch- tet eine Wiederholung der großen Debatten aus den 70er- und aus den 90er-Jahren. Wir haben bereits auf dem Deutschen Ärztetag 2001 in Ludwigshafen auf die unterschiedli- che und völlig inkonsequente Rege- lung bei der Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens intra- und ex-

trauterin hingewiesen. Wir haben auch erklärt, dass das so nicht blei- ben kann. Es ist im Übrigen allge- meiner Konsens, dass dies ein un- haltbarer Zustand ist. Allerdings scheut man die Reparatur des Feh- lers, den man mit der Abschaffung der embryopathischen Indikation begangen hat.

Könnten Sie die Hintergründe noch ein- mal kurz erläutern?

Hoppe: Der § 218 alter Prägung sah eine Indikation zum Schwan- gerschaftsabbruch auch dann als gegeben an, wenn Missbildungen des Kindes dessen Lebensfähigkeit so stark beeinträchtigen,

dass mit einem Überle- ben nach der Geburt nicht zu rechnen ist. Sol- che Abbrüche waren bis zur 22. Woche zulässig.

Diese Bestimmung hat damals die Behinderten-

organisationen auf den Plan gerufen.

Wenn solche Behinderungen bei Kindern intrauterin zur Abtötung führen dürfen, so ihre Befürchtung, wird sich das auch auf die Men- schen auswirken, die mit Behinde- rungen, auch mit schwersten Behin- derungen, leben müssen. Die Ver- bände befürchteten, dass man die- ses Leben für lebensunwert halten könnte und dass wir ähnliche Zu- stände bekommen, wie wir sie im Dritten Reich hatten.

Das Argument hat sich durchgesetzt, und deswe- gen ist die embryopathi- sche Indikation abgeschafft

worden.

Man hat jedoch nicht darüber nachgedacht, dass das Problem sich verlagert. Jetzt ist es die sogenannte mütterliche Indikation – die psychi- sche oder körperliche Beeinträchti- gung der Frau, die ein behindertes Kind erwartet – nach der ohne zeitli- che Begrenzung die Schwanger- schaft abgebrochen werden darf.

Das ist vor allem bei sehr späten Ab- brüchen problematisch, da das Kind häufig lebensfähig ist und durch den Vorgang des Schwangerschaftsab- bruchs nicht automatisch stirbt.

Hier haben wir das besondere Pro- blem: Lebensfähige Kinder, wenn auch vielleicht nur wenige Tage le-

bensfähige Kinder, müssen nach der Entbindung jeden Lebensschutz be- kommen. Intrauterin haben sie die- sen Lebensschutz nicht, weil die mütterliche Indikation überwiegt.

Was wäre denn die Wunschlösung der Bundesärztekammer?

Hoppe: Wir wollen die Parteien und Fraktionen des Deutschen Bun- destages dazu bringen, sich darauf zu einigen, nur das Thema „me- dizinische Indikation“ anzupacken und sich selber dazu zu verpflich- ten, den Rest des § 218 ungescho- ren zu lassen, damit nicht wieder die alten Grundsatzdebatten aufbre- chen. Dazu haben wir einen Ge- SPÄTABBRÜCHE

Die Beratung muss an erster Stelle stehen

Der Präsident der Bundesärztekammer stellt einen Gesetzesvorschlag der Bundesärztekammer zur Ergänzung des Schwangerschaftsabbruchsrechts aus medizinischer Indikation vor.

INTERVIEW

mit Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe

Wir wollen eine Befristung, die sich am Entwicklungsstadium des Kindes orientiert.

Fotos:Georg J.Lopata

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setzesvorschlag erarbeitet, den man eins zu eins übernehmen könnte.

Den Vorschlag haben wir bereits im Sommer vergangenen Jahres im Vorstand der Bundesärztekammer verabschiedet, aber zunächst wegen der Neuwahlen zum Bundestag nicht weiter verfolgt. Inzwischen

sind wir mit unserem Vorstoß bei den beiden großen Koalitionspart- nern und auch im Kanzleramt auf positive Resonanz gestoßen. Mit den beiden großen Kirchen wird ebenfalls ein Gespräch stattfinden.

Wie sieht der Vorschlag der Bundes- ärztekammer konkret aus?

Hoppe: Wir wollen eine Befristung, die sich am Entwicklungsstadium des Kindes orientiert. Das ist heute per Ultraschall leicht zu ermitteln. Es gibt bestimmte Behinderungen, die man bis circa zur 22. Woche sicher erkennen kann. Manche Gynäkolo- gen empfehlen, auch aus Gründen der eigenen Sicherheit, die Schwan- gerschaft abzubrechen, obwohl mög- licherweise bei der Nachuntersu- chung gar keine Behinderung festge- stellt wurde. Deshalb sollte man ei- nen etwas größeren Reifezustand durchaus zulassen, dabei aber mög- lichst vermeiden, dass sich die soge- nannte intrauterine Fruchttodproble- matik ergibt, also dass man die Kin- der im Mutterleib tötet.

Bei der medizinischen Indikation besteht bislang weder eine Beratungspflicht noch eine obligatorische Bedenkzeit.

Hoppe: Das wollen wir ändern.

Nach dem Vorschlag der Bundes- ärztekammer müssen sich die be- troffenen Frauen, soweit keine un- mittelbare Gefahr für deren Leben besteht, mindestens drei Tage vor dem geplanten Schwanger- schaftsabbruch ärztlich bera- ten lassen.

Es gibt Ärzte, die zum Abbruch ra- ten, weil sie fürchten, dass sie nach der Geburt eines behinderten Kindes zu

lebenslangem Unterhalt verurteilt wer- den. Müssen auch Fragen der Arzthaf- tung geklärt werden?

Hoppe: Die sind an und für sich ge- klärt. Die Haftpflichtprämien für Gynäkologen und Geburtshelfer sind entsprechend hoch. Die Recht- sprechung erscheint hier in der öf- fentlichen Wahrnehmung schwer verständlich. Der Ausdruck „Kind als Scha- den“ ist natürlich unerträg- lich, gemeint ist jedoch nicht etwa das Kind selbst, sondern die materielle Bela- stung, die sich daraus ergeben kann.

Wenn die Ärzte ihre Sorgfaltspflicht erfüllen, sollten sie nichts zu be- fürchten haben.

Werden nach jedem Schwangerschafts- abbruch nach medizinischer Indikation die Föten daraufhin untersucht, ob der Abbruch tatsächlich indiziert war?

Hoppe: Zurzeit ist dies noch nicht verpflichtend. Unser Vorschlag sieht aber vor, die Indikation für den Abbruch im Nachhinein sorgfältig zu klären und statistisch zu erfassen.

Wir müssen wissen, wie oft und warum das passiert.

Annegret Braun, Leiterin der Beratungs- stelle zu pränatalen Untersuchungen und Aufklärung des Diakonischen Wer- kes, problematisiert den Umgang mit pränataler Diagnostik in unserer Gesell- schaft. Der routinemäßige Einsatz stür- ze Betroffene in Gewissenskonflikte, die vermeidbar wären, wenn es beispiels- weise ein Beratungsgespräch vor Be- ginn des vorgeburtlichen Screenings gäbe. Teilen Sie diese Ansicht?

Hoppe: Ja, da stimme ich zu. Die Beratung muss an erster Stelle ste- hen. Die Ärzte müssen insbesondere ältere Frauen darauf hinweisen, dass allein schon ihr Alter zu Mutationen beim Kind führen kann. Wenn das geschehen ist, sollte die Frage ge-

stellt werden, ob die Schwangere si- cher ist, wie sie sich verhalten wird, wenn eine Screening-Untersuchung ein bestimmtes Ergebnis zeigt. Wer- dende Mütter, die von vornherein ei- nen Schwangerschaftsabbruch ab- lehnen, sollten auch nicht zu einer solchen Untersuchung gedrängt werden. Es gibt aber auch Frauen, die bei einer Behinderung des Kin- des die Schwangerschaft nicht fort- setzen wollen. Dann allerdings sollte eine entsprechende Diagnostik an- geboten werden.

Kann die Bundesärztekammer etwas dafür tun, dass sich die Qualität der Be- ratung verbessert? In der Theorie be- steht ja schon die Maßgabe, dass die Ärztinnen und Ärzte vernünftig auf- klären und die Frauen anschließend an- gemessen betreut werden sollen. Aber offenbar funktioniert das nicht.

Hoppe: Ich würde nicht sagen, dass es nicht funktioniert. Vielleicht manchmal nicht, und jedes eine Mal ist zu häufig. Deswegen haben wir auch der Politik zugesagt, dass wir unseren Gesetzesvorschlag durch Verhaltensrichtlinien für die betroffe- nen Ärzte ergänzen werden. I DÄ-Interview: Gisela Klinkhammer, Heike Korzilius, Heinz Stüwe

Unser Vorschlag sieht vor, die Indikation für den Abbruch statistisch zu erfassen.

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