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Archiv "Pränatale Diagnostik: Keine Pränataldiagnostik ohne umfassende Beratung" (30.03.2001)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 13½½½½30. März 2001 AA825

beschwerden verschwinden, die Nervo- sität jedoch weiter zunimmt, würde dies im Rahmen des Doppelblindversuches als Besserung gewertet. In der Betrach- tungsweise der Homöopathie ist es je- doch eine Verschlimmerung des Krank- heitsbildes, das einer sofortigen Ände- rung der Therapie bedarf.

Die Paradoxien, die durch die Ver- letzung formaler Kriterien entstehen, lassen sich auch durch ein anderes Ver- suchssetting darstellen: In einer Polikli- nik mit gemischtem Patientengut, vom Asthma über Infektionskrankheiten, Harnwegsinfekte und Colitispatienten wird doppelblind jedem Patienten einer Gruppe Acetylsalicylsäure und der Kontrollgruppe ein Placebo gegeben.

Dann wird nach einem Jahr beobachtet, welcher Gruppe es besser geht. Dieser völlig abstruse, aber wissenschaftliche Versuchsaufbau entspricht (nur mit um- gekehrten logischen Vorzeichen) genau dem Ansatz des üblichen Doppelblind- versuches auf die Homöopathie.

Der Begriff des Placebo wird unein- heitlich angewandt und ist verwirrend.

Sehr viele Aussagen, die im täglichen Gebrauch zum Placebo und zum Place- boeffekt gemacht werden, sind wissen- schaftstheoretisch nicht haltbar. Der Doppelblindversuch ist in seiner Kon- zeption mit theoretischen Wider- sprüchen behaftet, und seine Anwen- dung führt nicht zu „wahren“ Ergebnis- sen. Darüber hinaus ist der Doppel- blindversuch in seiner üblichen Form aus formalen Gründen auf eine Viel- zahl alternativer Heilverfahren, wie zum Beispiel die Homöopathie, nicht anwendbar.

Möglicherweise ist das derzeitige Be- obachtungskonzept von Heilwirkungen nicht ausreichend. Vielleicht ist das Mo- dell der „spezifischen Heilung“ nicht hinreichend geeignet, um die Beobach- tungen, wie wir sie in der Therapie ma- chen, ausreichend zu beschreiben.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 822–825 [Heft13]

Eine ausführlichere Fassung des Beitrags mit genaueren Erläuterungen vor allem der formalen Logik findet sich im Internet unter: www.frank-thissen.de/ivanovas Anschrift des Verfassers:

Georg Ivanovas MD 72400 Milatos Kreta (Griechenland) E-Mail: ivanovas@gmx.net

D

ie Medizin entwickelte sich im 20. Jahrhundert zu einer vor- wiegend naturwissenschaftlichen Disziplin. Auch der Beginn eines neuen Lebens profitiert vom wissenschaftli- chen Fortschritt. Das Risiko für Mutter und Kind ist zurzeit während der Schwangerschaft und bei der Geburt des Babys so gering wie noch nie. In den Mutterschaftsrichtlinien ist das Paket der Krankheitsfrüherkennung und der Pränataldiagnostik festgeschrieben, die werdende Mutter darf die bestmögliche ärztliche Betreuung und ein Höchst- maß an Kontrolle durch technische Überwachung erwarten. In der Regel profitieren die Schwangeren von diesen Fortschritten in der Medizin.

Ethisches Dilemma

Die zunehmende Technisierung hat auch ihre Schattenseiten. Schwangere können sehr früh im Verlauf ihrer Schwangerschaft erfahren, wie es um die Gesundheit ihres Kindes im Mutter- leib steht. Das Schwangerschaftserle- ben, das unmittelbar Einfluss auf die Beziehung der Mutter zu ihrem unge- borenen Kind nimmt, wird durch medi- zinische Befunde beeinflusst. Dieses Wissen kann Anlass für Überlegungen zu einem Schwangerschaftsabbruch sein und zu schweren seelischen und so- zialen Konflikten führen. Der medizini- sche Fortschritt kann auf diese Weise ein ethisches Dilemma verschärfen und von der werdenden Mutter und ihrem Partner eine hohe, manchmal zu hohe, Entscheidungskompetenz fordern.

Mit dieser Problematik befasst sich das Modellprojekt „Entwicklung von Beratungskriterien für die Beratung Schwangerer bei zu erwartender Behin-

derung des Kindes“, das vom Bundes- ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Mit dem Projekt wurden vier psychosoziale Schwangerschaftsberatungsstellen be- auftragt; die Evaluation und Kooperati- on des Projekts liegt bei der Abteilung für Psychosomatische Kooperations- forschung und Familientherapie des Universitätsklinikums Heidelberg. Nach inzwischen etwas mehr als zweijähriger Laufzeit liegen die ersten Ergebnisse vor, zu denen auch ein Bericht in der Materialiensammlung des Bundesfami- lienministeriums erschienen ist.

Hintergrund des Projekts ist der Rechtsanspruch auf Beratung in allen eine Schwangerschaft betreffenden Fragen. Dazu sind psychosoziale Bera- tungsstellen vorgesehen, die es flächen- deckend in ganz Deutschland gibt. Bis- lang ist das Angebot allerdings noch wenig bekannt – und das, obwohl es in der Praxis genügend Fälle gibt, in denen es nicht ausreicht, die Betroffenen über die medizinischen Befunde und mögli- che Therapiemaßnahmen aufzuklären, um sie in die Lage zu versetzen, eine tragfähige Entscheidung zu treffen.

Sämtliche Untersuchungen in diesem Bereich verdeutlichen, dass es für Frau- en in dieser Situation am hilfreichsten ist, genügend Zeit und Raum zu erhal- ten, um über ihre Ängste und Befürch- tungen zu sprechen. Das ist nur in einer psychosozialen Beratung gegeben. Da- mit sind bereits die beiden wichtigsten Aufgaben des Modellprojekts ange- sprochen. Sie sollen die Beratungskon- zeption weiterentwickeln und bekannt machen sowie die interdisziplinäre Ko- operation verbessern.

Gerade die interdisziplinäre Zusam- menarbeit hat sich in der Praxis als be- sonders schwierig erwiesen. Die Gren-

Pränatale Diagnostik

Keine Pränataldiagnostik ohne umfassende Beratung

Erste Ergebnisse eines Modellprojekts über „Neue Wege zur Ko-

operation in der psychosozialen und medizinischen Versorgung“

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zen zwischen den verschiedenen Be- rufsgruppen sind undurchlässig, und die Bereitschaft zur konkreten Zusammen- arbeit ist gering. Die zentrale Rolle spielen dabei die Ärzte und Ärztinnen, die in der Regel die erste Anlaufstelle für betroffene Frauen und Paare sind.

Aber auch Hebammen, Zentren für Pränataldiagnostik und Humangenetik, Frühförderstellen, Selbsthilfegruppen und Behinderteneinrichtungen kommt je nach Einzelfall eine mehr oder weni- ger wichtige Bedeutung zu.

Bei der Suche nach möglichen Grün- den für die größtenteils geringe Bereit- schaft der Ärzte, auf das Beratungsan- gebot hinzuweisen oder die Möglich- keit zur eigenen Entlastung durch eine konkrete, fallbezogene Zusammenar- beit in Anspruch zu nehmen, zeigte sich, wie eng der Aufgabenkomplex

„Kooperation“ mit der Aufgabe „Wei- terentwicklung der Beratungskonzepti- on“ zusammenhängt. Es stellte sich her- aus, dass in der Öffentlichkeit und auch bei der Ärzteschaft viel zu wenig be- kannt ist, was im Rahmen einer psycho- sozialen Beratung passiert, mit welchen Fragestellungen man sich an solche In- stitutionen wenden kann und wie die dort erhältliche Unterstützung und Hil- fe konkret aussieht.

Psychosoziale Beratung versteht sich als ein Hilfsangebot, das auf einer spezi- fischen Methodik basiert, die sich aus psychologischen, psychotherapeutischen und sozialpädagogischen Aspekten zu- sammensetzt. Sie soll Menschen darin unterstützen, eine konflikthafte, biswei- len auch als Dilemma anmutende Situati- on für sich zu klären, mögliche Bedeu- tungen und Konsequenzen zu erfassen und zu bewerten, um zu einer tragfähi- gen Entscheidung zu gelangen. Dies ge- schieht einerseits durch die Vermittlung spezifischer Informationen und Hil- femöglichkeiten, andererseits durch den Aufbau einer vertrauensvollen, partner- schaftlichen Beziehung zwischen Berate- rinnen und Ratsuchenden.

Das Spezielle an der Beratungskon- zeption, wie sie im Rahmen des Modell- projekts weiterentwickelt wurde, ist:

Sie greift Unterscheidungen auf, die sich in der Praxis als relevant herausge- stellt haben. Danach sind verschiedene Anlässe zu unterscheiden, aufgrund de- rer Frauen und Paare zur Beratung

kommen, und die ein unterschiedliches beraterisches Handeln bedingen:

❃vor Beginn der Pränataldiagnostik;

❃während der Diagnostik, das heißt zwischen den verschiedenen Untersu- chungen oder während der Wartezeit auf ein Untersuchungsergebnis;

❃nach einem auffälligen Untersu- chungsbefund;

❃nach der Geburt eines behinderten Kindes;

❃nach einem Schwangerschaftsab- bruch.

Häufig stößt die Forderung, bereits vor einer pränataldiagnostischen Maß- nahme eine psychosoziale Beratung mit einzubeziehen, auf Kritik. Ein wichtiger Grund dafür ist vermutlich die Befürch- tung, dass als Folge einer solchen Bera- tung die Ultraschalluntersuchungen ab- gelehnt werden und die Abrechnung der in den Mutterschaftsrichtlinien vor- geschriebenen Vorsorgeuntersuchun- gen erschwert oder gar unmöglich ge- macht wird. Auch haftungsrechtliche Konsequenzen für den Arzt sind ein Grund für Bedenken. Die Schwange- renvorsorge von einem Standardpaket in ein individuell auszuhandelndes An- gebot von Einzelleistungen umzuwan- deln wäre eine gute Voraussetzung dafür, um die Zusammenarbeit des medizinischen und psychosozialen Be- reichs zu verbessern.

Hohes Maß an

Entscheidungskompetenz

Jede Frau erlebt während ihrer Schwan- gerschaft Zweifel, Sorgen und Ängste.

Die pränataldiagnostischen Untersu- chungen sind häufig dadurch motiviert, diese Zweifel zu zerstreuen oder eine Bestätigung für die Gesundheit des Kin- des zu erhalten. In dieser Situation

„Nein“ zur medizinischen Diagnostik zu sagen verlangt viel Selbstbewusstsein oder ein hohes Maß an Informiertheit über die Konsequenzen, die mit solchen medizinischen Maßnahmen ausgelöst werden. Es gibt keine Möglichkeit zur Selbstbestimmung für Frauen dann, wenn pränataldiagnostische Untersu- chungen ohne ausführliche Aufklärung vorgenommen werden, was entgegen den Richtlinien der Bundesärztekam- mer (1999) immer noch vorkommt.

Kernpunkt der Situation ist also, dass sich Frauen und Paare entscheiden müs- sen, ob sie die angebotene Untersu- chung in Anspruch nehmen wollen, ob sie ihren Wissensstand über die Gesund- heit ihres Kindes erweitern wollen oder sich dafür entscheiden, die Ungewiss- heit in Kauf zu nehmen und das Kind so zu akzeptieren, wie es auf die Welt kommt. Die Beantwortung dieser Frage setzt ein hohes Maß an Entscheidungs- kompetenz voraus. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist es unabdingbar, sich mit der Frage auseinander zu setzen, wie man handelt, wenn die erhoffte Bestäti- gung ausbleibt oder sich gar Anhalts- punkte dafür ergeben, dass das Kind krank oder behindert ist. Daran schließt sich die nächste Frage an, nämlich ob und wie man sich ein Leben mit einem behinderten Kind vorstellen kann. Die- se beiden letzten Fragen sind einerseits von so weitreichender Bedeutung und andererseits so weit von den bisher vor- herrschenden Vorstellungen, Hoffnun- gen und Erwartungen der Schwangeren und ihrer Partner entfernt, dass eine Auseinandersetzung nicht in einer hal- ben Stunde oder einer Stunde geleistet werden kann. Nicht ignoriert werden darf dabei, dass durch Information und Aufklärung auch ungerechtfertigte oder übertriebene Konflikte und Befürch- tungen aufseiten der Eltern ausgelöst werden können. Eine erfolgreiche Be- wältigung der somit entstehenden Grat- wanderung setzt aufseiten der psycho- sozialen Berater und Beraterinnen ein hohes Maß an Erfahrung und Kompe- tenz, aufseiten der Ratsuchenden ein ausreichendes Maß an Vertrauen und Mitsprachemöglichkeit voraus.

Ein besseres Beratungsangebot ver- langt also eine engere Kooperation zwi- schen dem psychosozialen und dem me- dizinischen Bereich. Dazu ist notwen- dig, dass sich beide Berufsgruppen mehr über ihre jeweiligen Tätigkeits- bereiche informieren und auch zu For- men von fallbezogener Zusammenar- beit finden.

Dipl.-Psych. Axel Dewald Prof. Dr. med. Manfred Cierpka Universitätsklinikum Heidelberg

Abteilung für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie

Bergheimer Straße 54 69115 Heidelberg T H E M E N D E R Z E I T

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