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Archiv "Genetische Beratung und pränatale Diagnostik: Stellungnahme II" (28.09.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Genetische Beratung und pränatale Diagnostik

karnation" anschickt, handelt es sich um ein ernst zu nehmendes We- sen, dessen Leiblichkeit wir als Ärzte erhalten und pflegen sollten um sei- ner selbst willen!

Anstatt von den hohen Kosten zu reden, die ein behinderter Mensch der Gesellschaft macht, sollte man lieber die Eltern motivieren, ein sol- ches Kind anzunehmen und den po- sitiven Sinn eines solchen Schick- sals zu begreifen. Dafür „genetische Beratungsstellen" einzurichten wür- de sich lohnen. Selbst wenn die Ko- sten dafür nicht durch Abtreibung finanziert würden. Als Arzt wehre ich mich gegen die Einführung solcher präventiver Maßnahmen, die den El- tern die Euthanasie lebensunwerten Lebens nahelegen.

Dr. med. Gottfried Büttner Feldbergstraße 6

3500 Kassel-Wilhelmshöhe

Nach Lektüre des Beitrages könnte man zu folgendem Schluß kommen:

Da es im Zuge einer immer besser werdenden pränatalen Diagnostik, sprich Früherkennung einer Anoma- lie, keine Therapie in dem Sinne gibt, das Kind intrauterin zu behan- deln, bleibt als sogenannte Therapie nur übrig, einen Schwangerschafts- abbruch in Betracht zu ziehen, falls die Eltern damit einverstanden sind.

Lassen wir die Beschönigungen, man müsse Verständnis zeigen, Rücksicht auf die Eltern und die Ge- sellschaft nehmen, beiseite, so muß man trotz aller Sachlichkeit feststel- len, daß hier das Prinzip ärztlichen Handelns verdreht wird, nämlich Liebe zum Kranken und Haß gegen die Krankheit.

Gesetzt den Fall, es

wi

rd eines Tages möglich sein, den zu erwartenden Kranken erfolgreich intrauterin zu behandeln — man sollte der Wissen- schaft eine jetzt noch unüber- schreitbare Grenze nicht zu einer endgültigen Schranke machen — dürfte man in diesem Fall den Kran- ken immer noch umbringen? Nun, die Logik ist klar: Wenn ich heilen kann, darf ich nicht töten, wenn ich

nicht heilen kann, ist es mir erlaubt zu töten. Hier ist etwas faul! Ich kann mir nicht vorstellen, daß man von heute auf morgen beginnen will, die Krankheiten, sprich Trisomie 21, auf Kosten der Kranken auszurotten.

Sollte ein Schwangerschaftsab- bruch aufgrund einer zu erwarten- den Anomalie ein medizinischer Fortschritt sein, kann ich nur hinzu- zufügen, daß man Karzinome mit fortgeschrittener Metastasieru ng auch bekämpfen könnte, indem man den Erkrankten tötet. Die Zahl derer, die so konsequent und logisch den- ken, ist aber bisher weit geringer als die Zahl derer, die dem Schwanger- schaftsabbruch bei schweren ange- borenen Anomalien ein pseudoethi- sches Mäntelchen umhängen.

Daß der Gesetzgeber in der Bundes- republik das Recht auf Schwanger- schaftsabbruch im Fall einer eugeni- schen Indikation anerkannt hat, ist noch lange kein Grund für die Ärzte- schaft und die Mediziner, in diesem Sinne auch zu wirken. Vielleicht, ja wahrscheinlich, wird der Gesetzge- ber eines Tages noch weiter gehen und Gesetze verabschieden, die fortfahren, den Menschen zu degra- dieren, obwohl mit der Neufassung des § 218 StGB eigentlich schon der Gipfel erreicht ist.

Daß man über Leben und Tod eines Kranken (im Fall eines mongoloiden Kindes könnte man sogar sagen, ei- nes anders gearteten Menschen) aufgrund der wirtschaftlichen Ver- tretbarkeit entscheidet, scheint mir weit schlimmer als aufgrund der Er- haltung einer reinen Rasse, was üb- rigens abscheulich ist.

Wenn sich außerdem alles der Ge- sellschaft unterzuordnen hat, und sie entscheidet bzw. den Eltern na- helegt, welches Leben nicht und welches geboren werden sollte, dann kann man auch solch einen Nutzen-Kosten-Vergleich anstellen, bei dem ein monetärer Nutzen von 16 642 000 DM herausspringt. Mit Verlaub gesagt, hätte man nicht, wenn schon ein Vergleich, die Auf- wendungen für ein gesundes gegen die für ein mongoloides Kind auf- rechnen können?

Zu Ende seines Referates meinte Prof. Murken, „Eltern, die zur gene- tischen Beratung kommen, sind

hoch motiviert in ihrem Kinder- wunsch." Wiederum eine unver- ständliche Einstellung zum Leben:

Verdienen die Wunschkinder ein würdigeres Schicksal als die uner- wünschten Kinder? Gott sei Dank hat eine gerechtere Gesetzgebung den unehelichen Kindern die glei- chen Rechte wie den ehelichen zu- gesichert. Sollte man jetzt den viel verschwommeneren Begriff vom Wunschkind oder sogar die Motivie- rung der Zeugung zur Grundlage der Rechte der Kinder machen?

Auch die letzte Behauptung Prof.

Murkens, daß es „derzeit kaum eine stärkere geburtenfördernde Maß- nahme als genetische Beratung gä- be", kann nicht unwidersprochen bleiben. Würde eine Mutter, die schon ein Kind mit Trisomie 21 hat, und ein zweites, aber gesundes, Kind wünscht, mich fragen, ob ich bereit sei, eine Amnionpunktion bei ihr vorzunehmen, so würde ich ver- neinen. Denn wenn ich die Untersu- chung mache, sind die Chromoso- men vielleicht normal. Gott sei Dank dann: Ich bin sehr zufrieden, und die Mutter auch, und alles ist gut. Aber vielleicht sind die Chromosomen nicht normal, und dann? .

Diese Einstellung des Pariser Hu- mangenetikers Prof. Lejeune, die ich hier wiedergegeben habe, scheint mir die ethischste und deontolo- gisch als die einzig richtige. Ich wür- de selbst so handeln, mag Prof. Mur- ken mein Verhalten auch als unmo- ralisch betrachten. Sein Urteil über die Moral der Gesellschaft ist etwas eigensinnig: Sollen Rechtsanwälte jeden Ratsuchenden über die Mög- lichkeit des perfekten Mordes unter- weisen oder sollen Wissenschaftler jeder ratsuchenden Regierung alle möglichen Waffen entwickeln und liefern. Die Moral darf nicht irratio- nal mit Sentimentalitäten über die Mütter begründet werden.

cand. med. Stephan Grüter Admiral-Scheer-Straße 14 4300 Essen 1

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 28. September 1978

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