A 794 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 16|
20. April 2012GENDIAGNOSTIKGESETZ UND GENETISCHE BERATUNG II
Vom Irrweg zur praktischen Lösung
B
ereits während des Gesetz- gebungsverfahrens hat die Bundesärztekammer massiv Kri- tik am Gendiagnostikgesetz geübt.Dies betraf insbesondere den As- pekt, dass wesentliche Aufgaben, die der Gendiagnostikkommission (GEKO) zugewiesen wurden, die ärztliche Berufsausübung betreffen und die Zuständigkeiten der Ärzte- kammern tangieren. Zudem war das Bundesministerium für Gesundheit nicht einmal bereit, das Inkrafttre- ten der Umsetzung der Richtlinien um zwei Jahre – wie von der Bun- desärztekammer gefordert – zu ver- schieben.
Nachdem die Arbeitsgemein- schaft der Obersten Landesgesund- heitsbehörden (AOLG) am 17. No- vember 2011 die Landesärztekam- mern gebeten hat, die Umsetzung der GEKO-Richtlinien durchzufüh- ren, tagte am 9. Dezember 2011 ei- ne Arbeitsgruppe aus Vertretern der Landesärztekammern, des Berufs- verbandes und der wissenschaftli- chen Deutschen Gesellschaft für Humangenetik. Sie stimmte sich be- züglich der Durchführung der in den Richtlinien vorgegebenen Wis- senskontrolle ab. In den Richtlinien ist festge halten, dass alternativ zum Besuch der theoretischen Qualifi - kationsmaßnahme die theoretische Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung für die Dauer von fünf Jahren ab Inkrafttreten der Richtlinie durch eine bestande- ne Wissenskontrolle nachgewiesen werden kann. Bezüglich des prak- tisch-kommunikativen Teils stellt die Richtlinie fest, dass der Nach- weis des Erwerbs der Psychoso - matischen Grundversorgung oder äquivalenter Weiterbildungs- oder Fortbildungsinhalte den Nachweis praktischer Übungen ersetzen kann. Hierauf basierend einigte sich die Arbeitsgruppe auf folgen- de Empfehlungen an die Landes- ärztekammern, welche vom Vor- stand der Bundesärztekammer be- stätigt wurden:
1. Für die Wissenskontrolle zum Nachweis der Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Bera- tung gemäß § 7 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 Nr. 2 a des Gendiagnostikge- setzes wird eine Wissenskontrolle mit 20 Fragen, von denen fünf Fra- gen fachspezifisch sind, durchge- führt. Für das Bestehen der Prüfung müssen 60 Prozent der Fragen rich- tig beantwortet werden. Diese Prü- fung kann auch webbasiert durch- geführt werden. Zur Vorbereitung auf die Wissenskontrolle wird eine Refresher-Maßnahme als eine frei- willige eintägige Maßnahme mit ei- nem Umfang von etwa sechs Stun- den von den Landesärztekammern angeboten.
2. Zum Nachweis der Qualifika- tion zur fachgebundenen geneti- schen Beratung im Kontext der vor- geburtlichen Risikoabklärung wird eine Wissenskontrolle mit zehn Fragen durchgeführt. Zum Beste- hen der Prüfung müssen 60 Prozent der Fragen richtig beantwortet wer- den. Die Wissenskontrolle kann auch webbasiert durchgeführt wer- den. Eine Refresher-Maßnahme wird nicht angeboten, da hierfür entsprechend der GEKO-Richtlini- en eine theoretische Qualifikation mit acht Fortbildungseinheiten in- frage kommt.
Rechtssicherheit durch Wissenskontrollen
Die bei der Arbeitsgruppensitzung anwesenden Vertreter des Berufs- verbandes und der wissenschaftli- chen Gesellschaft für Humangenetik sagten zu, dass sie sich an der Erar- beitung des Fragenpools beteiligen werden und dieser Fragenpool kon- tinuierlich erweitert wird.
Den praktisch-kommunikativen Teil sieht die Bundesärztekammer durch den Nachweis des Erwerbs der Psychosomatischen Grundver- sorgung oder durch den Nachweis entsprechender Weiterbildungs- oder Fortbildungsinhalte in den patien- tenorientierten Fachgebieten als er-
füllt an. Hierbei ist auch zu berück- sichtigen, dass diese Kolleginnen und Kollegen über eine Berufser- fahrung verfügen.
Da innerhalb kürzester Zeit für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen eine Rechtssicherheit her- gestellt werden musste, setzten die einzelnen Landesärztekammern sehr zeitnah und erfolgreich diese Wis- senskontrollen um.
Humangenetiker beraten bei weitreichenden Aspekten
Zur Klarstellung des Begriffs der„fachgebundenen genetischen Be- ratung“ zitiere ich die entsprechende Richtlinie der GEKO: „Fachgebun- den bedeutet in diesem Zusammen- hang, dass die genetische Beratung nicht über die bei der beratenden Ärztin oder beim beratenden Arzt vorhandene Fachexpertise (Facharzt- schwerpunkt oder Zusatzbezeich- nung) hinausgeht. Ergeben sich bei der fachgebundenen genetischen Beratung, die nach Erwerb der Qualifikation für genetische Bera- tung gemäß dieser Richtlinie durch- geführt werden darf, genetische Aspekte, die die eigenen Fachge- bietsgrenzen überschreiten, soll nach Auffassung der GEKO eine genetische Beratung durch eine Fachärztin oder einem Facharzt für Humangenetik oder sofern ent- sprechend qualifiziert einen Arzt/
eine Ärztin mit Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik erfolgen.“
Auf die Berücksichtigung der Fachgebietsgrenzen möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals hinweisen.
Zusammenfassend ist festzustel- len, dass sowohl die Bundesärztekam- mer als auch die Landesärztekam- mern bemüht waren, ein qualitativ problematisches Gendiagnostikge- setz und eine ebenso problematische GEKO-Richtlinie über die Anforde- rungen an die Quali fikation und die Inhalte der gene tischen Beratung op-
timal umzusetzen.
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Dr. med. Max Kaplan