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Archiv "Die genetische Beratung von Ehepaaren nach gehäuften Spontanaborten" (22.01.1976)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die genetische Beratung von Ehepaaren

nach gehäuften Spontanaborten

Privatdozent Dr. med. Hans-Dieter Rott und Privatdozent Dr. med. Wulf Rummel

Aus dem Institut für Humangenetik und Anthropologie (Direktor: Professor Dr. G. Koch)

und der Universitätsfrauenklinik (Direktor: Professor Dr. Ober) der Universität Erlangen — Nürnberg

Bei Spontanaborten ohne eine faßbare Ursache liegen häufig Erbgutschädigungen durch Neumutation vor. In Ausnahmefällen können auch elterliche balancierte Chro- mosomenmutationen in un- balanciertem Zustand als pränatale Letalfaktoren wir- ken. Zur Erfassung dieser Fälle sollten diejenigen Ehe- paare, bei denen drei oder mehr ursächlich nicht geklär- te Spontanaborte abgelaufen sind, zytogenetisch unter- sucht werden.

Bei einem Großteil aller Schwan- gerschaften ist die Fehlgeburt be- reits zum Zeitpunkt der Befruch- tung programmiert. So werden nach Hertig und Gore (1969) bei etwa 50 Prozent aller Spontanabor- te morphologisch defekte Eier ge- funden, wobei in 25 bis 30 Prozent Chromosomenaberrationen als Ur- sache verantwortlich gemacht wer- den können. Der Anteil letaler Punktmutationen ist dagegen nicht bekannt, da sie zytogenetisch nicht erfaßt werden können. Bei den Chromosomenrnutationen handelt es sich in der weit überwiegenden Mehrzahl um Neumutationen, wo- bei einzelne Chromosomen über- zählig sind oder fehlen. In Ausnah- mefällen können jedoch auch elter- liche balancierte Translokationen vorliegen, die in unbalancierter Form weitergegeben als Letalfak- tor wirken und zu einem vorzeiti- gen Abbruch der Schwangerschaft führen. Ehepaare, bei denen ein Partner eine solche Translokation aufweist, haben ein erhöhtes Ab- ortrisiko, das je nach der zytoge- netischen Situation bis zu 100 Pro- zent reichen kann.

Auf Grund dieser Tatsachen stellt sich die Frage, wie Ehepaare mit gehäuften Aborten zu beraten sind, wenn bei der klinischen Untersu- chung durch den Gynäkologen kei- ne anatomische, hormonale, infek- tiöse oder sonstige Ursache gefun-

den wird, und wann bei derartigen Fällen eine Chromosomenanalyse veranlaßt werden sollte.

Mißbildungen

in der weiteren Familie

Ergibt die Familienanamnese, daß in der weiteren Familie Mißbil- dungssyndrome aufgetreten sind, so können diese möglicherweise als ein Hinweis für eine familiäre Translokation interpretiert werden.

Dabei sind insbesondere diejeni- gen Syndrome zu beachten, bei de- nen eine Chromosomenaberration als Ursache bekannt ist oder die keinem anderen Krankheitsbild mit bekannter Ätiologie zugeordnet werden können. Im Zweifelsfalle sollten derartige Ehepaare dem Humangenetiker zur genetischen Beratung überwiesen werden, der dann gegebenenfalls die Indikation zur Chromosomenanalyse stellt.

Familienanamnese unauffällig In den meisten Fällen berichten die Ratsuchenden über zwei oder drei Fehlgeburten, ohne daß eine Schwangerschaft bisher ausgetra- gen werden konnte, die Familien- anamnese ist jedoch unauffällig.

In dieser Situation ist nach zwei Aborten eine zufällige Häufung voneinander unabhängiger Ursa- chen am wahrscheinlichsten. Eine

zytogenetische Untersuchung all dieser Ehepaare mit den derzeitig routinemäßig angewendeten Tech- niken würde kaum pathologische Chromosomenbefunde ergeben, außerdem wären die derzeitig oh- nehin schon überlasteten Chromo- somenlabors dazu nicht in der Lage. Solchen Ehepaaren sollte daher mitgeteilt werden, daß Fehl- geburten, die als Selektion gegen fehlangelegte Früchte auftreten, ein sinnvoller biologischer Vorgang sind und daß ein solches nicht sel- tenes Ereignis vermutlich bei den Ratsuchenden zufällig zweimal ab- gelaufen ist. Gleichzeitig sollte aber schon darauf hingewiesen werden, daß in seltenen Fällen eine echte Disposition zu Spontanabor- ten bestehen kann, die aber in der Regel ausgetragene Schwanger- schaften nicht ausschließt.

Nach drei Aborten halten wir eine Chromosomenanalyse, sofern noch Kinderwunsch besteht, für indiziert, wobei dann aber der Ehemann mit untersucht werden muß. Auf Grund der bisher untersuchten Kollektive von Ehepaaren mit drei oder mehr Aborten muß bei ungefähr jedem 25. bis 30. Ehepaar mit einem pa- thologischen Chromosomenbefund gerechnet werden. Diese Ehepaare sollten dann vom Humangenetiker beraten werden, da die Prognose je nach Art des zytogenetischen Befundes sehr unterschiedlich sein kann. Bei den übrigen Fällen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 4 vom 22. Januar 1976 183

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0 17.

Ehepaar S.

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_0 7

• • • • Ehepaar H.

7 Ratsuchende,Chromosomen unauffällig

Abbildung 1: Ehepaar S. (oben): Wenn beide Partner einen normalen Karyo- typ aufweisen, ist die Frage, ob der Mann, die Frau oder die Kombination beider Partner ursächlich für die Spontanaborte verantwortlich ist, nicht zu beantworten. — Ehepaar G. (Mitte): Bei dem Ehepaar war eine Fehlgeburt aufgetreten. Die Frau hatte schon in erster Ehe mit einem ande- ren Mann — der seinerseits eine gesunde Tochter hatte — drei Spontanab- orte. Der derzeitige Ehemann hatte aus erster Ehe einen Sohn. Es besteht der Verdacht, daß die Ursache der Fehlgeburt bei der Frau liegt. — Ehe- paar H. (unten): Die Frau hatte aus erster Ehe zwei gesunde Kinder, in zweiter Ehe kam es zu sieben Spontanaborten. Hier besteht der Verdacht, daß der Grund beim Mann liegt

Ehepaar G.

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Spontanaborte

mit normalem Chromosomenbe- fund bleibt die Abortursache unge- klärt. Immerhin kennt jeder erfah- rene Geburtshelfer Frauen, die erst nach sechs oder sieben Fehlgebur- ten ein gesundes Kind bekamen oder in einer Ehe zwischen zwei gesunden Kindern vier oder fünf Aborte durchmachten. Wir halten daher hier die Situation durchaus nicht für hoffnungslos und empfeh- len weitere Versuche. Häufiger wird im Rahmen der Beratung auch gefragt, ob auf Grund der vorausgegangenen Aborte bei ei- ner zukünftigen Schwangerschaft

ein erhöhtes Mißbildungsrisiko be- steht. Diese Frage kann nach den bisherigen Erkenntnissen verneint werden.

Nach vier und mehr Aborten ist die Beratung bei normalem Chromoso- menbefund problematisch. Eine all- gemein verbindliche Regelung kann es hier nicht geben. Im Ein- zelfalle sollten hier neben der Stär- ke des Kinderwunsches auch die weitere psychische Belastbarkeit und das Alter der Ratsuchenden mitberücksichtigt werden. Genaue Angaben zu dem Risiko, daß nach

vier, fünf oder sechs Aborten wie- derum eine Fehlgeburt eintritt, lie- gen nicht vor, man wird aber davon ausgehen müssen, daß mit zuneh- mender Zahl der vorausgegange- nen Aborte die Wahrscheinlichkeit für eine ausgetragene Schwanger- schaft abnimmt.

Zur Frage der Sterilisation

Falls eine Sterilisation bei extrem belasteten Ehepaaren erwogen wird, ,so ist bei einem pathologi- schen Chromosomenbefund der Translokationsträger zu sterilisie- ren. Wenn beide Partner dagegen einen normalen Karyotyp aufwei- sen, so ist die Frage, ob der Mann, die Frau oder die Kombination bei- der Ehepartner ursächlich für die Spontanaborte verantwortlich ist, meist nicht zu beantworten (Abbil- dung 1, Ehepaar S.). In Einzelfäl- len, wenn einer der Partner oder beide bereits verheiratet waren, können sich jedoch auch hier Hin- weise ergeben. Dazu zwei Beispie- le: Bei dem Ehepaar G. (Abbildung 1) war bei den Ratsuchenden eine Fehlgeburt aufgetreten, die Frau hatte aber schon in erster Ehe mit einem anderen Mann drei Spontan- aborte durchgemacht. Dieser Mann hatte bereits aus seiner ersten Ehe eine gesunde Tochter. Der ratsu- chende Mann war ebenfalls schon verheiratet gewesen und hatte ei- nen gesunden Sohn. Hier besteht der dringende Verdacht, daß der Grund für die auftretenden Fehlge- burten bei der Frau liegt. Bei dem Ehepaar H. (Abbildung 1) hatte die Frau aus erster Ehe zwei gesunde Kinder, erst mit einem anderen Partner kam es in zweiter Ehe zu sieben Spontanaborten. Hier spielt wahrscheinlich der Mann bei der Abortgenese die entscheidende Rolle.

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. med. H.-D. Rott Privatdozent Dr. med. W. Rummel Bismarckstraße 10

8520 Erlangen 184 Heft 4 vom 22.Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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