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Von Frau zu Mann zu Frau Die Geschichte einer Detransition

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Academic year: 2022

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SWR2 Leben

Von Frau zu Mann zu Frau – Die Geschichte einer Detransition

Von Ina Jackson und Kristine Kretschmer

Sendung vom: 29.09.21, 15.05 Uhr Redaktion: Petra Mallwitz

Regie: Ina Jackson und Kristine Kretschmer Produktion: SWR 2021

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Musik WIE DER ZUFALL ES WILL von CATHRIN PEIFER

Sabrina: Ich kann heute zum Beispiel nicht mehr im Sopran singen und fand das damals ganz schön, ist aber nicht mehr möglich. Dann der Haarwuchs natürlich, der geht auch nicht mehr unbedingt weg, oder es braucht sehr viele Behandlungen, damit das wieder rückgängig gemacht werden kann.

Musik kurz hoch

Sabrina: Wenn ich mich angezogen im Spiegel sehe, sehe ich mich natürlich

teilweise so, wie ich früher war als junges Mädchen, nur halt in erwachsener Form. Und wenn ich mich unbekleidet im Spiegel sehe, denke ich, obenrum fehlt mir irgendwie was.

Musik kurz hoch

Sabrina: Also ich sehe aus wie ein Teenager, kurz bevor da was anfängt zu wachsen. Wie ein Kind, wo der Kinderkörper und der Erwachsenenkörper sich

irgendwie miteinander vermischt haben. Also eine ganz seltsame Mischung, einfach.

Sabrina ist 33 Jahre alt. Sieben Jahre davon hat sie als TransMann gelebt. Heute lebt sie wieder als Frau. Sie ist verheiratet und hat mit ihrem Mann einen zweijährigen Sohn.

(Atmo draußen, Schritte) Sabrina: Also normalerweise um 15:20 Uhr in etwa nehm ich den Bus, und mach mich dann auf den Weg, geh vorher noch ne Kleinigkeit einkaufen und hol dann erst mein Kind (Schritte).

Als es bei Sabrina mit der Pubertät losgeht, will sie nicht länger ein Mädchen sein. Sie schneidet sich die Haare ab, zieht sich wie ein Junge an und will unbedingt an die notwendigen Hormone herankommen, um ein richtiger Junge zu werden.

Autorin: Und da seh ich schon, da sind schon die ersten Mütter. Sabrina: Genau, es ist Abholzeit. (lachen) Dann mach ich mich jetzt mal nach drinnen und hole den Kleinen ab. Bis gleich. (Tor wird geöffnet und fällt zu, Atmo läuft weiter: leise Kinderstimmen im Hintergrund, Vogelgezwitscher)

Inzwischen ist Sabrina einfach eine der Mütter, die ihre Kinder von der Kita abholen. Die anderen haben keine Ahnung, wie sehr sich Sabrinas Leben von ihrem unterscheidet und wie unwahrscheinlich es für sie war, überhaupt jemals ein Kind zu bekommen.

Autorin: Halloo! (Tor schließt) - Kind: Kekse essen. - Sabrina: Kekse essen, ja. - Sabrina: War schön Kita? - Kind: Ja....Auto! - Sabrina: Ja, aber keins zu uns, oder?

Schau mal da, da kommt eins, da müssen wir stehenbleiben. - Kind: Autos.

Wenn Sabrina auf ihr Leben zurückblickt, ohne etwas zu beschönigen, muss sie feststellen:

Sabrina: Mein ganzes bisheriges Leben, das war eine einzige große Verwirrtheit.

Innerlich war ich sehr zerrissen. Die ganze Zeit über. Als würde ich auf der einen Seite, ja, der Junge sein, seelisch, und irgendwo im Hintergrund, da ist dieses Mädchen, was ich quasi ausgesperrt habe und nicht mehr in diesem Körper lassen möchte, die aber ständig gegen diese Wände hämmert und sagt, lass mich rein, das ist nicht richtig, was du machst.

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Lange schafft es Sabrina, alle Zweifel zu verdrängen. Sie will ein Junge, ein Mann sein.

Für Mehrdeutigkeit ist kein Platz in ihren Gedanken. Mit 24 wechselt sie offiziell ihren Namen und das Geschlecht. Sie lässt sich die Brüste abnehmen, scheut aber davor zurück, auch die Gebärmutter und die Eierstöcke operativ entfernen zu lassen. Endlich hat sie ihr Ziel erreicht. Das glaubt sie zumindest damals. Doch vier Jahre später kommt diese Gewissheit ins Wanken.

Sabrina: Da gab es halt keine Voranzeichen oder irgendwas, sondern einfach nur diesen Moment, wo ich draußen am Laufen bin. Die Sonne scheint, ist alles gut. Ich komme gerade von der Arbeit nach Hause, und dann baut sich geistig einfach dieses Bild auf: Wenn du jetzt in den Spiegel schaust, siehst du eine Frau.

Doch aus dem Spiegel blickt sie ein bärtiger Mann an, der ihr völlig fremd erscheint.

Sabrina: Und das war der Moment, der das irgendwie ausgelöst hat, dass ich doch nochmal über mich nachdenke, ob das, was ich gemacht habe, richtig ist oder nicht.

Und auf diesen Spiegel-Moment sozusagen kamen dann immer mehr diese Gefühle, mich doch weiblich zu fühlen, als Frau zu fühlen. Und das, was ich in den letzten sieben Jahren davor gemacht habe mit meinem Körper, dass das einfach falsch war. Ja, und von da an hat sich das so langsam gesteigert, dass sich das immer mehr ausprobiert habe zuhause, dass ich mir heimlich Schmuck gekauft habe für Frauen, dass ich mir heimlich Schminke gekauft habe, mal wieder alles heimlich, ebenso wie damals auch Damals - damit meint Sabrina die Zeit, als sie 15 war und sich nichts sehnlicher wünschte, als ein Junge zu werden. Mit 28 dann die Kehrtwende und zurück ins weibliche Geschlecht. Doch wie geht das? Und warum kam es dazu?

Sabrina: Also das erste Foto hier oben ist aus meiner Einschulungszeit, da bin ich noch ein süßes blondes Mädchen. Ina: Mit großer Schultüte. - Mit ner Schultüte, genau, und nem netten Kostüm.

Sabrina kramt alte Fotos aus einer Kiste und versucht ihren Weg nachvollziehbar zu machen.

Sabrina: Meine Haare hat mir meine Mama am Vortag extra nass geflochten, damit ich am nächsten Tag schöne Löckchen habe. Und das ist eines meiner Lieblingsbilder, weil ich denk, da war die Welt noch in Ordnung so. - Autorin: Und das nächste? - Sabrina: Man sieht mich da draußen auf unserer Terrasse, schön mit was Kurzem angezogen und unserem Kaninchen auf dem Arm. Als junges Mädchen. - Autorin: War da die Welt nicht mehr in Ordnung? - Sabrina: Da war sie auch noch in Ordnung, doch.

- Autorin: Wann kommt der Bruch? - Sabrina: Also der Bruch kommt ungefähr nach dem nächsten Bild. Das ist auch das letzte Bild, wo man mich als Mädchen sieht, auch noch mit langen Haaren, ganz dezent mit Makeup. Und danach hatte ich mir dann die Haare im Sommer abschneiden lassen. Dann ging's in die männliche Richtung.

Zunehmend fühlt Sabrina sich unwohl in ihrem Körper und beginnt ihre weibliche Figur zu hassen. Innerlich entfernt sie sich immer weiter von ihrer Umgebung und lebt in ihrer eigenen Welt. In der neunten Klasse spitzt sich die Situation zu.

Sabrina: So der richtige Punkt, wo ich in Gedanken dachte, Mensch, ich müsste eigentlich als Junge leben, war dann, als ich mich in meine beste Freundin verliebt hatte. Und da dachte ich einfach zwei Frauen zusammen, das geht nicht.

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Denn damals ist sie noch geprägt von den konservativen Werten im Elternhaus und im Dorf, wo gerade Homosexualität entsprechend abwertend kommentiert wird.

Sabrina: Und ich dachte, wenn ich nach den Sommerferien als Mann in die Schule gehen könnte, vielleicht können wir ja dann doch zusammen sein. Und über die

Sommerferien hab ich dann angefangen, mir Jungen-Klamotten zu bestellen und mir die Haare abschneiden zu lassen und mich schon mal daran zu gewöhnen, wie das aussieht. Auch nach Möglichkeiten gesucht, die Oberweite zu verstecken, also

abzubinden dann und mich schon vom Äußeren her da einzufinden. Und bin dann eben nach den Sommerferien als Junge gekommen.

Für ihre Mitschüler ändert sich dadurch wenig. Sie fanden Sabrina immer schon

merkwürdig. Eltern und Familie wissen nicht, was sie von Sabrinas Verwandlung halten sollten und fremdeln. Die Freundin, die ja der Auslöser für das neue Erscheinungsbild war, begehrt Sabrina auch als Junge nicht. Aber: Sabrina bleibt bei ihrem Plan.

Sabrina: Ich war die meiste Zeit ziemlich alleine, gerade auch in der Schulzeit. War immer so die Außenseiterin, und da hatte ich irgendwas gefunden, woran ich mich vielleicht auch festhalten konnte. Mir hat das gefallen, mir gedanklich irgendwie was aufzubauen, irgendwie eine Richtung zu haben, wo ich sagen kann, das ist meins. Das ist so mein Weg, den will ich gehen. Dann noch mal ein bisschen was anderes zu sein.

Irgendwie herauszustechen.

In dieser Zeit ist Sabrinas Leben desolat. In der Schule wird sie gemobbt, wiederholt eine Klasse, wechselt die Schule, bricht das Gymnasium schließlich ab, beginnt eine Ausbildung. Psychisch geht es ihr schlecht. Was bleibt, ist die große Hoffnung: Wenn die Transition glückt, wird alles gut. Also: Wenn sie einen Psychotherapeuten davon überzeugen kann, dass es ihr ernst ist. Wenn er eine Hormonbehandlung befürwortet, wenn sie die Begutachtungen durch einen Psychiater und durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse besteht, wenn der Amtsrichter einverstanden ist.

Sabrina: Ich hatte, als ich … ich weiß nicht einmal mehr, ob es die neunte oder schon die zehnte war, einen Schulpsychologen gehabt. Der hat mich dann an einen anderen Jugendpsychologen verwiesen. Da war ich allerdings nur für ein paar Sitzungen. Hat mir auch nicht so viel geholfen. Und die erste richtige Therapie war dann, als ich schon in meiner Ausbildung in Baden-Württemberg war. Da war ich dann bei einem Therapeuten in Ulm. Und das ist auch derjenige gewesen, der mir dann die Indikation zum Schluss für die Hormone gegeben hat.

Sabrina ist klar, worauf es in den Gesprächen mit Therapeuten und Gutachtern ankommt, und wie sie ihren Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, schlüssig untermauern muss.

Sabrina: Ich habe natürlich auch viel gelesen, vor allem auch schon Bücher von Menschen, die das schon hinter sich haben und hab mir ein paar Sachen aus ihrem Leben natürlich auch für die Therapie gemerkt, was ich dann eben erzählen soll, eben was ich als Kind gerne gespielt habe, dass das überwiegend männliche Sachen sind, und dass ich halt Kleider nie gemocht hab und mich immer wie ein Junge angezogen hab, auch schon als Kind, dass meine besten Freunde eben Jungs waren. Halt so typische Sachen, die Junge/Mann besser findet als eine Frau.

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Wie viele andere TransMenschen will Sabrina so schnell wie möglich ans Ziel gelangen und erlebt die Begutachtung als überflüssiges Übel und unnötige Bevormundung. Klar, dass sie sich nach außen absolut überzeugt gibt.

Das geltende Transsexuellengesetz verlangt, dass jemand, der das Geschlecht

wechseln will, sich mindestens ein Jahr lang in dem „neuen“ Geschlecht bewegen soll, bevor er eine Behandlung beginnen darf. Der sogenannte „Alltagstest“ - eine Art

Probezeit. Sabrina, die in ihrem Alltag bereits als Mann lebt, setzt ihrem Therapeuten irgendwann die Pistole auf die Brust.

Sabrina: Ich hatte zu ihm gesagt: Entweder ich probier das jetzt aus, wie es ist, ein Junge zu sein, also auch körperlich gesehen. Oder er könnte mich demnächst dann auf dem Friedhof besuchen.

Schließlich befürwortet der Therapeut die Transition und die Verordnung von Testosteron.

Auf Musik SCHERZO AND TRIO von PENGUIN CAFE ORCHESTRA

Sprecher: 24. Mai 2009. Verwirrung. Angst. Angst davor, in wieweit ich mich verändern werde. Will ich das denn noch? Oder sollte ich aufhören, und als Mädchen weiterleben? Die Testosteron-Verwendung liegt jetzt etwa bei viereinhalb Wochen.

Warum nur habe ich plötzlich diese Angst?

Erzählerin 18: Diese Fragen kann niemand Sabrina beantworten, denn sie teilt sie mit niemandem. Nur ihrem Tagebuch vertraut sie das innere Durcheinander an, das sie plagt.

Sprecher: 26. Mai 2009. Es wird immer schlimmer. Ich weiß nicht mehr, warum ich mit Testosteron angefangen habe. Ist der Junge in mir verschwunden? Habe ich mir das vier Jahre lang nur eingebildet?

Sabrina: Also ich war sehr, sehr hin und hergerissen. Sehr zwiegespalten. Es gab immer spürbar in mir selber diesen männlichen und diesen weiblichen Aspekt. Und die haben, ja, wie miteinander gekämpft. Meistens hab ich dafür gesorgt, dass der Junge mehr die Oberhand gewinnt, indem ich bewusst versucht habe, diese weiblichen Gefühle auszublenden, wegzuschieben.

Sprecher: 18. Juli 2009. Heute habe ich wieder Testosteron genommen. Aber es war ein sehr interessanter Tag. Mir haben rosa Schuhe mit Glitzersteinen gefallen. Hätte ich mehr Mut gehabt, hätte ich sie auch gekauft. Außerdem stört mich mein Körper nicht mehr. Ich kann mich jetzt im Spiegel betrachten und finde mich schön. Meine Brust stört mich auch nicht mehr. Auch sie finde ich in gewisser Weise schön. Ich empfinde sie auch nicht so sehr als weiblich. Wahrscheinlich bin ich wirklich eine gute Mischung aus Mädchen und Junge. Bin beides zugleich - mal mehr und mal weniger.

Aber beides zugleich zu sein und die Dualität in ihrem weiblichen Körper auszuleben, das geht für Sabrina nicht. Auch der begleitende Therapeut greift diese Möglichkeit nicht auf und streift Sabrinas Zweifel allenfalls oberflächlich.

Sabrina: Darauf ist er ein Stück weit eingegangen, dass er das auch versteht, dass das normal ist natürlich in der Situation, dass man Zweifel hat. Immerhin geht man

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einen komplett anderen Weg als den, den die meisten Menschen normalerweise gehen würden.

Mit 23 Jahren beginnt Sabrina mit der Einnahme von Testosteron. Die allmähliche Veränderung ihres Körpers ist auch auf Fotos festgehalten, die sie aus ihrer Erinnerungskiste kramt.

Sabrina: Das nächste, was ich habe, wäre dieses schöne Bild. Das ist ein knappes Jahr nach der ersten Testosterongabe. Aber man sieht hier ein bisschen schon den Bart. Also die Koteletten die wachsen schon runter, hier an der Seite ist schon so ein bisschen Bartwuchs zu sehen.

Sabrina registriert jede kleinste Veränderung, die sie mehr zum Mann macht. Und sie erinnert sich auch heute genau, wie sich die Verwandlung anfühlte.

Sabrina: Oh je, befremdlich - Irgendwie interessant. Als ich damals die Hormone angefangen habe zu nehmen, hab ich natürlich fast jeden Tag geguckt im Spiegel, ist da irgendwo was anderes. Sind irgendwelche Fettpölsterchen verschwunden,

verschwindet die Taille. Was passiert mit meinem Gesicht? Am interessantesten muss ich sagen, war die Stimme. Die hat dann nach ein paar Wochen angefangen, sich zu verändern. Die wurde dann schrittweise ein bisschen tiefer. Ich hatte auch diesen männlichen Stimmbruch gehabt, hatte angefangen zu kieksen. Und der Bart natürlich, der kam irgendwann auch. Und ja, auch natürlich die Gesichtsstruktur hat sich

verändert. Von eher rund Richtung markant.

Was sie im Spiegel sieht, gefällt Sabrina. Sie lebt bereits mit ihrem damaligen Partner zusammen - ebenfalls ein TransMann. In dieser Phase beantragt Sabrina offiziell die Namensänderung, wird zu Peter und lässt sich die Brust operativ entfernen. Schließlich heiraten die beiden.

Sabrina: Und das nächste Bild, das war direkt nach meiner Hochzeit mit meinem damaligen Mann, also 2012. - Autorin: Mit weißer Hose, gestreifter Krawatte, hellblauem Hemd. Nicht schlecht. - Sabrina: Das war mein Hochzeitsanzug. Dazu gab's dann auch noch ein weißes Sakko. Das sieht schon ein bisschen mehr Richtung Mann aus, oder? - Autorin: Ja. - Sabrina: War jetzt auch schon drei Jahre nach Testosteronbeginn. Dann springen wir ein paar Jahre nochmal weiter. Auch wenn es nicht so aussieht, aber dieses Bild wurde schon mit dem Bewusstsein fotografiert, dass ich wieder zurück möchte. Zurück zur Frau. Autorin: Da sehen Sie wie ein Kerl aus. – Sabrina: Mit nem bisschen weiter aufgeknöpfterem Hemd. Man sieht wunderbar meine Pracht an Haaren da oben rauswachsen...Autorin: Wo sind denn die alle? Von alleine ausgefallen? - Sabrina: Nein, die sind anscheinend, nachdem ich das Testosteron abgesetzt habe, weniger geworden. Ich rasier sie natürlich regelmäßig weg oder hatte das gemacht. Mittlerweile wachsen nur noch wenige und ich denke, noch drei

Sitzungen, dann sind die auch weg. Also drei Laserbehandlungen.

Die Ehe hält diese Belastung nicht aus. Sabrina verliebt sich in einen CisMann, also einen, der als Junge auf die Welt kam und nie daran gezweifelt hat, ein Mann zu sein.

Ihn lernt sie kennen, kurz nachdem sie wieder in die Frauenrolle geschlüpft ist. Mit ihm möchte Sabrina als Frau zusammenleben. Sogar Kinder tauchen plötzlich in ihren Zukunftsphantasien auf. Also: Rolle rückwärts. Sabrina geht erneut den schon

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psychologische Begleitung, zwei Gutachten, Namens- und Personenstandsänderung.

Aus Peter wird wieder Sabrina. Nun steht ein allerletzter Schritt an: der Brustaufbau.

Sabrina: Ich hatte mir überlegt, für den Brustaufbau eine Eigenfettbehandlung zu machen, eben weil ich gerne das so natürlich haben möchte und nicht so gerne etwas in meinem Körper haben mag. Wie schaut das aus mit Eigenfett, wenn man jetzt nach der OP gar nichts mehr hat, also nach der Mastektomie? Gauruder: Ich denke, dass das sehr schwierig wird bei Ihnen, weil ja gar nichts mehr an Brust da ist. und die

eigentliche beste Alternative für Sie sind Brustimplantate. Wenn Sie wieder ne weibliche schöne Brust haben wollen

Annett Gauruder-Burmester hat sich als Gynäkologin auf Sexualmedizin spezialisiert.

Sie erstellt nicht nur Gutachten für Krankenkassen, berät Transmenschen, sondern führt auch geschlechtsangleichende Operationen durch. Deren Zahl steigt seit Jahren.

Laut Statistischem Bundesamt entschieden sich 2012 883 Menschen für eine

Transition. 2019 waren es 2324. Doch auch Fälle wie Sabrinas gibt es immer wieder.

Fachleute schätzen, dass zehn Prozent aller Menschen, die eine Transition vollzogen haben, ihre Entscheidung später wieder rückgängig machen möchten.

Gauruder-Burmester: Das sind eigentlich zehn Prozent zu viel, die wir hätten verhindern können oder müssen. Denn es ist nicht immer klar, ob man überhaupt eine Rücküberführung ins alte Geschlecht realisieren kann. Die Hormone machen

grundlegende, dauerhafte Veränderungen. Und auch eine Operation ist nicht in jeder Hinsicht wieder umkehrbar.

Bei Sabrina klappt es. Sie hatte sich zwar die Brüste entfernen lassen, aber auf weitere geschlechtsangleichende Operationen verzichtet. Annett Gauruder-Burmester ist der Meinung, dass viele Fehleinschätzungen vermieden werden könnten, wenn die begleitenden Therapeuten von Anfang an genauer hinhören und hinschauen würden.

Gauruder-Burmester: Ich denke, eine sehr ausschlaggebende Rolle spielt der Background der Therapeuten. Menschen, die im anderen Geschlecht leben möchten, gehen sehr häufig zu einem Psychologen, der vielleicht gar nicht die tiefgreifenden Erfahrungen hat, Menschen in dieser Situation zu betreuen. Und es gibt eben nicht so viel Sexualmediziner oder Psychologen mit sexualmedizinischem Hintergrund, die die Kompetenz der Betreuung anbieten können. Ich denke auch aufgrund dessen kommt es häufiger zu Fehlentscheidungen. Auch, weil Transsexuelle häufig den Hang haben zu überzeugen oder jemanden einzufangen für sich, damit sie an ihr Ziel kommen. Was ja wirklich das ist, was wir nicht möchten. Und ich denke, der Knackpunkt liegt wirklich bei der therapeutischen Kompetenz.

Sabrina widerspricht. Sie ist überzeugt, dass auch die therapeutisch bestgeschulteste Ärztin sie nicht von ihrem Weg hätte abbringen können.

Sabrina: Also das ist bei mir schwierig, mich dann zu überzeugen irgendwie, dass das falsch sein könnte, wenn ich in dem Moment selber überzeugt bin. Gibt's dann nichts, was mich davon abgehalten hätte. - Gauruder: Aber Zweifel hatten Sie ja schon ziemlich viel. Also wenn ich so Ihre Geschichte anschaue… Sie haben ja auch für jede Veränderung sehr lange gezögert, diesen Schritt zu gehen. Hätte es Ihnen da vielleicht geholfen, wenn man Ihnen mehr Unterstützung gegeben hätte? - Sabrina: Also meiner

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irgendwas geholfen hätte oder mich davon abgebracht hätte. Weil ich bin nicht so der Mensch, der sagt: Ich überlege mir das, das könnte gut sein, das könnte nicht gut sein, sondern eher der Mensch, ich muss das ausprobieren, ist das richtig oder nicht.

Bei einem so heftigen Eingriff in den Körper geht der Ärztin ein Ausprobieren und Experimentieren doch zu weit. Insofern hört sie auch sehr genau hin, wenn Patienten einige Jahre nach einer Transition nun eine Detransition wünschen. Auch ihr würde sie nie leichtfertig zustimmen. Sie fragt auch jetzt, kurz vor dem Brustaufbau, noch mal genau nach.

Gauruder-Burmester: Das ist ja das Hauptproblem bei Ihnen, die Brust. Alles andere ist bei Ihnen wieder so in eine Normalität hineingekommen, dass Sie als ganz normale Frau wieder weiterleben können. - Sabrina: Das stimmt, ja. Es gibt keine merkwürdigen Blicke mehr, von daher denke ich auch, dass das gesamte

Erscheinungsbild wieder passt und ich wieder als Frau draußen gelte. - Gauruder: Und Sie fühlen sich auch komplett wohl in der Rolle? Sie sind ja jetzt Mutter geworden, haben ne Familie und wie geht's Ihnen in der Situation jetzt damit? - Sabrina: Ich muss sagen, mir geht's immer besser damit. Ich fühl mich so langsam auch wohl. Das hat ein bisschen gedauert mit dem Kind.

Nachdem Sabrina jahrelang als Mann gelebt hat, ist die Schwangerschaft vor allem gegen Ende eine große Herausforderung für sie. Obwohl sie sich das Kind wünscht, kann sie es manchmal kaum aushalten, das heranwachsende Leben in sich zu spüren.

Sabrina: Dass da irgendwie etwas in mir ist, was sich ständig bewegt, was tritt. Wo man nicht weiß, wo man liegen soll, wie man schlafen soll. Und ich hatte irgendwie immer so ein leichtes Ekel-Gefühl vor mir selbst. Fast wieder so wie damals, bevor ich die erste Transition gemacht habe. Ich habe meinen Körper in dem Moment wirklich wieder gehasst.

Das Kind, ein gesunder Junge, kommt dann mit Kaiserschnitt auf die Welt. Unmittelbar nach der Geburt verfällt sie in eine lähmende Depression. Es soll fast ein Jahr dauern, bis sie eine Beziehung zu ihrem Sohn aufbauen und ihre Mutterschaft annehmen kann.

Gauruder-Burmester: Es gibt keine Zweifel mehr bei Ihnen, dass der Schritt in diese Richtung zurück der verkehrte gewesen sein könnte? - Sabrina: Nein, gibt es nicht. Ich bin sehr froh, dass ich wieder zurückgegangen bin, und ich muss sagen, ich bin in meinem Leben angekommen. Die Rolle als Frau oder eine Frau zu sein, ist für mich genau das Richtige. - Gauruder: Wie haben Ihre Eltern, Ihre Familie, wie haben die darauf reagiert? Haben Sie da ein Feedback bekommen? - Sabrina: Darauf, dass ich eine Frau bin? Sie sind alle sehr froh darüber, dass sie ihre Tochter wieder haben, ihre Schwester wiederhaben, ihre Kusine (lacht).

Das hört sich alles gut an, doch Annett Gauruder-Burmester gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden.

Gauruder-Burmester: Wenn Sie so im Nachblick nochmal tiefer nachdenken würden, was hätten Sie sich denn anders gewünscht? Oder was hätte anders laufen sollen, damit Sie diesen Schritt nicht gegangen wären? - Sabrina: Da gab's, da gibt's nichts. Selbst wenn mein Zukunfts-Ich gekommen wäre und mir erzählt hätte, du gehst irgendwann wieder den Weg zurück, du hast Fehler gemacht, die du jetzt bereust. Ich

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weil ich mir das gerade so festgesetzt hatte. - Gauruder: Also hier möchte ich einfach mal hinterhaken. Das seh ich ein bisschen anders. Weil wenn Sie damals zu mir gekommen wären als Gutachter oder als Person, die Sie im Alltagstest betreut hätte, ich hätte Ihnen nicht das Go gegeben. Auch wenn das für Sie so schien, dass es der richtige Weg ist, es war aber nicht der richtige Weg. Und deshalb denke ich, dass das, was Sie an Unterstützung und an Support bekommen haben, nicht genug gewesen ist.

Weil vielleicht hätten Sie sich dann auch in ne andere Richtung entwickeln können.

Aber Sie hatten die Chance nie. Zum Glück ist es jetzt so, wie es ist und das freut mich sehr für Sie.

Annett Gauruder-Burmester begrüßt die größere gesellschaftliche Freiheit, beobachtet aber die steigende Zahl von Transitionen auch mit Sorge. Selbstzweifel gehören zur Identitätssuche dazu, weiß die Ärztin. Doch sollte genau hingesehen werden, ob

wirklich das zugeschriebene Geschlecht die Ursache aller Zweifel sei. Vor allem sollten nicht vorschnell Entscheidungen getroffen werden, die sich möglicherweise nie mehr revidieren lassen. Hilfreich wäre es ihrer Meinung nach, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz dafür wachsen würde, sich weder als Mann noch als Frau definieren zu müssen.

Für Sabrina aber waren Transition und Detransition letztlich ein langer Weg, um bei sich selbst anzukommen.

Sabrina: Also wenn ich die männlichen Bilder sehe, denke ich: hübscher Kerl. Es stört mich jetzt auch nicht oder macht mich wehmütig oder sonst irgendwas. Ich find den jungen Mann einfach nur sympathisch, der da drauf ist. Keine Ahnung. Könnt auch mein Zwillingsbruder sein (lacht). Aber letztendlich bin ich jetzt das, was ich

ursprünglich hätte werden sollen (lachen), über Umwege. Und die Zweifel sind jetzt weg.

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