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Zum Thema „Die Frau, die auszog, ihren Mann zu erlösen"

im malaiischen Syair Saudagar Bodoh (±1861)

von der Dichterin Raja Kalzum*

Von Edwin R Wieringa, Münster

Einführung

In der letzten Zeit ist „die Frau im Islam" ein Modethema und

somit populärer Anlaß für viele Bücher, Aufsätze und Kongresse

geworden. Sie behandeln, fast ohne Ausnahme, die Frauenthe¬

matik in den sog. , Hauptzentren' des Islams, also den arabi¬

schen, persischen und türkischen Ländern. Zwar ist Indonesien

das Land mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil in

der Welt, aber für die meisten Islamwissenschaftler scheint der

Islam in Indonesien nicht zu existieren. In einem rezenten Buch,

das von deutschen Fachleuten für eine breite Öffentlichkeit ge¬

schrieben worden ist, heißt der Beitrag über Südostasien bedeu¬

tungsvoll: „Islam in der Diaspora", als ob die Muslime dort eine

Minderheit wären' !

In diesem Aufsatz möchte ich mich mit dem Thema „Die Frau,

die auszog, ihren Mann zu erlösen" in der traditionellen malai¬

ischen Literatur befassen. Ich beschränke mich auf einige Syair

aus dem 19. Jahrhundert, insbesondere das Syair Saudagar Bo¬

doh, ,das Gedicht von dem dummen Kaufmann'. Syair sind

Kunstgedichte, die recht umfangreich sind und aus Gruppen von

je vier Zeilen mit je vier Wörtern mit dem Reimschema a-a-a-a

Ich danke der Von Humboldt-Stiftung (Bonn) für ihre finanzielle Unterstüt¬

zung, die es mir ermöglichte, diesen Aufsatz zu verfassen.

' Karl Heinz Pampus: Islam m der Diaspora. Anmerkungen zu Südostasien.

In: Gernot Rotter (Hg.): Die Welten des Islam. Neunundzwanzig Vorschläge das Unvertraute zu verstehen Frankfurt am Main 1994, S. 145-158.

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bestehen. Im 19. Jahrhundert gehörten die Syair zu der beliebte¬

sten Gattung traditioneller malaiischer Literatur. Die Top ten der

gedruckten Werke wurde von sieben Syair angeführt^. Es ist auf¬

fallend, daß in vier Syair dieser Liste das Thema der „Frau, die

auszog, ihren Mann zu erlösen" vorkommt^.

Sigrid Früh hat in ihrem Buch über dasselbe Thema in euro¬

päischen Frauenmärchen Erzählungen präsentiert, in denen, so

die Herausgeberin, die starke, aktiv handelnde Frau, die „mit

List und Klugheit ihr eigenes Geschick, das ihres Reiches und

Volks in die Hand nimmt", auftritt'*. Früh gerät dann über die

Großen Mütter, Muttergottheiten und das Matriarchat ins

Schwärmen. Natürlich ist es verlockend, das Thema der „Frau,

die auszog, ihren Mann zu erlösen" zumindest als emanzipato¬

risch einzustufen. So schreibt Abdul Mutalib Abdul Ghani, der

Herausgeber des Syair Siti Zubaidah, daß Frauenemanzipation

zu den Hauptanliegen des Gedichtes zählt Das Gedicht hat die

Absicht zu zeigen, behauptet er, daß, „Frauen nicht nur in der

Küche auftreten sollten"^. Auch Abu Hassan Sham meint, daß es

im Syair Saudagar Bodoh „Elemente der Frauenemanzipation"

gäbe.*

Frauenemanzipation ?

Ich habe meine Bedenken bezüglich der sog. , Frauenemanzi¬

pation' in der traditionellen malaiischen Literatur. Nehmen wir

z. B. das soeben genannte Syair Siti Zubaidah. Kurz gesagt, er¬

zählt dieses Gedicht, wie die fromme und weise Siti Zubaidah,

^ Die sieben Syair waren (der Popularität nach): Abdul Muluk, Siti Zubai¬

dah, Haris Fadhillah, Juragan Budiman, Unggas, Kiamat und Dagang. I. Proud- foot: Early Malay printed books. A provisional aecount of materials published in the Singapore-Malaysia area up to 1920, noting holdings in major public collections.

o.O. 1993, S.29.

^ Diese vier waren: Abdul Mutuk, Siti Zubaidah, Haris Fadhillah und Jura¬

gan Budiman. Proudfoot: Early Malay printed books, S.30.

" Sigrid Früh (Hg.) : Die Frau, die auszog, ihren Mann zu erlösen. Frankfurt am Main 1985, S.144.

^ Abdul Mutalib Abdul Ghani (Hg.) : Syair Sid Zubaidah perang Cina Kuala Lumpur 1983, S.xix.

* Abu Hassan Sham: Pengarang-pengarang dari kalangan bangsawan ketu-

runan Bugis di Riau. In: SiTi Hawa Haji Saleh (Hg.): Cendekia; Kesusasteraan Melayu tradisional. Kuala Lumpur 1987, S.204.

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als Mann verkleidet, nach langen Wanderungen und vielen Feld¬

zügen, ihren Mann Sultan Zainal Abidin aus der Gefangenschaft

bei den ungläubigen Prinzessinnen von China befreit. So zeigt

sie, daß sie, obschon von niedriger Geburt, eine bessere Ehefrau

ist als die anderen Frauen ihres Mannes, die alle von königli¬

chem Geblüte sind. Nachdem die chinesischen Prinzessinnen

von Siti Zubaidah im Kriege besiegt worden sind, bekehren sie

sich zum Islam.

Ich kann in diesem Gedicht keinen feministischen Ansatz ent¬

decken. Siti Zubaidah ist ein Muster an ehelicher Treue, die

nicht aus Eigennutz handelt, sondern um ihren Mann zu retten'.

Als Frau ist das für sie nur möglich, indem sie sich als Mann ver¬

kleidet und sich auch entsprechend verhält. Nachdem sie die

Aufgabe bewältigt hat, verliert sie ihre Macht wieder*. Die Moral

der Geschichte ist, wie Gus Koster schreibt, eine islamische und

zwar, daß Siti Zubaidah keine Wundertaten aus eigener Kraft voll¬

bringt, sondern nur dank der Gnade Allahs, auf den sie vertraut'.

M.E. steht die .starke' Frau, wie Siti Zubaidah, literarisch auf

derselben Ebene wie der Wurm oder die Mücke. Die Erzählung

über den nichtigen Wurm, der auf mirakulöse Weise in einem

Stein leben konnte, illustriert die Vorsehung Gottes'". Der Koran

(Sure 2,26) erwähnt die winzige Mücke als Beispiel dafür, wie

Allah die Menschen durch Gleichnisse belehrt. In den „Ge¬

schichten der Propheten" wird gezeigt, wie die Mücke, das klein¬

ste Insekt, den mächtigsten Tyrannen überwinden kann". So soll

' Vgl. Stith Thompson: Motif-index of folk-Uterature. Volume three. Bloo¬

mington & Indianapolis 1955, S.283, wo beim Motiv R152 ,Wife rescues hus¬

band' nach T210 , Faithfulness in marriage' verwiesen wird.

* Vgl. ähnliche Bemerkungen über das Syair Abdul Muluk von Monique Zai-

ni-Lajoubert: Le Syair Cerita Siti Akbari de Lie Kim Hok (1884), un avatar du Syair Abdul Muluk (1846) In: Archipel 48 (1994), S. 117.

' G.L. Koster: Auteurschap als noodzakelijk kwaad. De Verteiler als vreemde¬

ling in het Maleise sjair-gedicht. In: W.L. Idema, P.H.Schrijvers und P. J.Smith (Hgg.) : Het beeld van de vreemdeling in westerse en niet-westerse literaturen. Baarn 1990, S.220.

Literaturhinweise über die muslimische Erzählung (aus Aceh) von dem mi-

rakulösen Wurm findet man in G. W.J. Drewes: Two Achehnese poems. Hikajat

Ranto and Hikajat Teungku di Menke'. The Hague 1980, S.44. In der malaiischen Sprache ist die Geschichte durch ein Sprichwort bekannt: „Ulat di dalam batu pun hidup juga" (C.C.Brown: Malay sayings. London 1951, S.90).

" Vgl. Annemarie Schimmel: Die Zeichen Gottes. Die religiöse Welt des Islam.

München 1995, S.50.

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auch die Hterarische Gestalt der , starken' Frau, normalerweise ja

das , schwache Geschlecht', von der Allmacht Allahs zeugen.

Ein Gedicht aus dem ,goIdenen Zeitalter' von Riau

Ich möchte auf die Frage, ob das Thema „Die Frau, die aus¬

zog, ihren Mann zu erlösen" in der malaiischen traditionellen

Dichtung feministisch geprägt ist, anhand des Syair Saudagar

Bodoh näher eingehen. Das Gedicht wurde um 1861 von Raja

Kalzum, der Tochter des bekannten Schriftstellers Raja Ali Haji

aus Riau, verfaßt. Es stammt aus der Periode, die Indonesier

und Malaysier heute gerne als das , goldene Zeitalter' oder sogar

,die Renaissance' der traditionellen malaiischen Literatur in dem

Riau-Lingga-Archipel bezeichnen'^.

„Obschon Riau in seinem goldenen Zeitalter sehr stark an der

Religion und den malaiischen Sitten und Gebräuchen festhielt",

so Abu Hassan Sham, „bot sich trotzdem Gelegenheit für Schrift¬

stellerinnen, von denen die Mehrheit Raja Ali Hajis eigener Fa¬

milie angehörte, sich Hterarisch zu betätigen."'^ Syair waren da¬

mals sehr beliebt in Riau: Abu Hassan Sham zählt 41 Gedichte

aus dem goldenen Zeitalter, darunter drei von Dichterinnen : Das

Syair Abdul Muluk von Raja Zaleha, das Syair Kumbang Meng-

indera von Raja Safiah und das Syair Saudagar Bodoh von Raja

Kalzum'"*. Alle drei waren Raja Ali Hajis nächste Verwandte:

Raja Zaleha war seine Schwester, Raja Safiah und Raja Kalzum

waren seine Töchter.

Klinkert, der von der niederländischen Bibelgesellschaft nach

Riau gesandt worden war, um dort , reines' Malaiisch für eine

verbesserte Übersetzung der Bibel zu studieren, kaufte schon En¬

de 1864 oder Anfang 1865 eine Handschrift des Syair Saudagar

Abu Hassan Sham: Puisi-puisi Raja Ali Haji. Kuala Lumpur 1993, S.77

spricht z.B. von einem „zaman kegemilangannya" und Ding Choo Mino: Raja Aisyah Sulaiman (c. 1870 -c. 1925), dernier ecrivain de la noblesse du royaume de Riau-Lingga. In: Archipel 47 (1994), S.40 von einer „Renaissance".

'■' Abu Hassan Sham : Puisi-puisi Raja Ah Haji, S. 77.

Abu Hassan Sham: Syair-syair Melayu Riau. Kuala Lumpur 1995, S.351-

353. Die Autorschaft des Syair Abdul Muluk ist aber umstritten: Raja Au Haji hat sich in einem Brief als Urheber genannL vgl. Jan van der Putten und Al Az¬

har (Hgg.): Di dalam berkekalan persahabatan. ,In everlasting friendship'. Letters from Raja AH Haji. Leiden 1995, S. 11.

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Bodoh. Er zahlte dafür zwei Gulden, d. i. etwa der Preis von zwei

Hähnchen'^. Diese Handschrift wird jetzt in der Leidener Uni¬

versitätsbibliothek unter der Signatur Kl(inkert) 164 aufbe¬

wahrt'*. Der Text besteht aus 22 Folios und ist auf europäischem

Papier in Heftform geschrieben. Das Wasserzeichen ist ,K&S'

mit dem Jahre ,1863' als Kontermarke. Im Jahre 1297 A. H./l 880

A. D. erschien das Gedicht als Steindruck in Singapur. Es kostete

$0,10 und zählte 51 Seiten". Fokker hat diese Lithographie im

Jahre 1908 in Lateinschrift herausgegeben'*.

Im bekannten Handbuch der klassischen malaiischen Literatur

von Sir Richard Winstedt lesen wir über unser Gedicht: „(...),

Raja Kalzum, wrote a Sha'ir Saudagar Bodoh on a rich but fool¬

ish merchant who failed under the test imposed by his wife but

was saved by her."" Dieser Satz ist keineswegs hinreichend, und

so möchte ich an dieser Stelle den Inhalt des Syair Saudagar Bo¬

doh ausführlicher referieren, bevor wir uns der Analyse zuwen¬

den. Meine Zusammenfassung gründet auf Fokkers Ausgabe.

Zusammenfassung des Syair Saudagar Bodoh

Ein steinreicher Kaufmann in Damaskus hat einen Sohn. Der

Kaufmann weiß, daß das Ende seines Lebens sich nähert, und

als letzten Willen gibt er seinem Sohn den Auftrag, eine Jungfrau

zu heiraten. Nachdem er dieses ausgesprochen hat, stirbt er. Der

Sohn führt die Anweisung seines Vaters aus und heiratet eine

Jungfrau. Er versteht aber nicht, was sein Vater damit bezwecken

wollte und läßt sich bereits nach zwanzig Tagen von ihr scheiden.

" In einem Brief an die niederländische Bibelgesellschaft (Abk. NBG) vom 17. Februar 1865 gibt Klinkert eine Liste von MSS, die er seit dem 2. Dezember 1864 gekauft hatte, u.a. das Syair Saudagar Bodoh. In einem Brief an die NBG vom 15. März 1865 stellt er eine Liste von Preisen der primären Lebensbedürfnisse zusammen (Archiv NBG zu Haarlem).

Ph. S. van Ronkel: Supplement-catalogus der Maleische en Minangkabausche handschriften in de Leidsche Universiteits-Bibliotheek Leiden 1921, S. 72-73.

Ein Exemplar wird in der School of Oriental and Afriean Studies (London) unter Signatur IBA 810 36504 aufbewahrt, s. Proudfoot: Early Malay printed books, S.463.

A.A. Fokker: Maleisch Leesboek bevattende proza-stukken en een volledig verhütend gedieht (Sair). Zutphen 1908, S. 115-168.

" Richard Winstedt: A history of classical Malay literature. Kuala Lumpur 1969 (Oxford in Asia historical reprints), S. 192.

(6)

Er sucht eine andere Frau, heiratet sie und läßt sich wieder

scheiden. Schließlich hat er hundert Frauen geheiratet, aber im¬

mer nur für zwei bis drei Tage, dann hat er sich wieder scheiden

lassen. Letztendlich wirft der dumme Kaufmann ein Auge auf

eine hübsche Frau, die er heiraten möchte. Sie ist aber ein , leich¬

tes Mädchen', dessen Eltern man nicht kennt, weil sie schon ge¬

storben sind. Sobald er sie geheiratet hat, verhält sie sich anma¬

ßend und erschöpft das Kapital. Der dumme Sohn des reichen

Kaufmannes wird ganz mager vor Traurigkeit und weiß sich kei¬

nen Rat mehr.

Nach einem Jahr besucht ihn der Pflegebruder seines Vaters,

Malik-Khasani. Er ist ein steinreicher Kaufmann und wohnt in

Maskat (Hauptstadt von Oman). Malik-Khasani rät ihm, seine

Frau zu verlassen und sein Haus zu verauktionieren. Danach soll

er mit ihm nach Maskat reisen. Wie gesagt, so getan. Viele reiche

Kaufmänner versammeln sich auf der Versteigerung und bieten

hohe Preise für das Haus, weil der Reichtum des verstorbenen

Kaufmannes weit und breit bekannt war. Das Haus wird gut ver¬

kauft, aber welch ein Schreck: es ist leer und nichts mehr wert.

Die Kaufmänner klagen die Ehebrecherin vor Gericht an, weil

sie alles verschwendet hat. Der König verurteilt sie zu einem Mo¬

nat Folter.

Der dumme Kaufmann fährt mit seinem Onkel nach Maskat.

Malik-Khasani schlägt ihm vor, seine hübsche Tochter Siti Day-

nah zu heiraten. Sie ist weise, fromm und belesen im Koran und

den religiösen Büchern. Zunächst hat der dumme Kaufmann

Angst zu heiraten, weil er bereits hundert Frauen geheiratet

hatte, bis ihn schließlich eine Diebin um sein Vermögen gebracht

hat. Sein Onkel nennt ihn einen Dummkopf. Ein Mann soll bei

einer Frau auf vier mal vier Dinge achten: (1) ihr Körper, ihr

Herz, ihre Augen und Nägel™ sollen weiß sein; (2) ihre Haare,

Pupillen, Wimpern und Augenbrauen sollen schwarz sein; (3) ih¬

re Haare, ihre schlanke Gestalt, ihre Scharfsinnigkeit und Finger

sollen lang sein; (4) ihr Blick, ihre Schritte, ihre Stimme und ihr

Gehör sollen klein sein.

Der dumme Kaufmann heiratet Siti Daynah, aber sie will

Fokker: Maleisch Leesboek, S. 131 (Vers 127c) hat: „Keempat putih dua be- lah kakinya", aber in Kl. 164, Folio 9 verso liest man: „Keempatnya putih dua pu- luh kukunya". Ein Irrtum mit den Wörtern kakinya und kukunya liegt auf der Hand; auch belah und puluh sind leicht vertauschbar.

(7)

nichts mit ihm zu tun haben. Sie sagt ihrem Vater, daß ihr Ehe¬

mann zu dumm sei. Er solle Kamele im Ausland verkaufen, da¬

mit er endlich über Gewinn und Verlust Bescheid wüßte, denn

bisher hätte er von Tuten und Blasen keine Ahnung. Sollte er Er¬

folg haben, würde sie ihrem Ehemann immer willig gehorchen.

Malik-Khasani ist mit dieser Probe einverstanden und schickt

den dummen Kaufmann nach Jemen, wo er vierzig beladene Ka¬

mele verkaufen soll.

In Jemen begegnet der dumme Kaufmann einem Händler, der

das Ohr eines Kamels anfaßt und fragt, wieviel alles kostet. Der

dumme Kaufmann nennt den Preis und der Händler ist damit

einverstanden. Der gerissene Geschäftsmann nimmt jedoch alle

Kamele, während der dumme Kaufmann nur an ein Tier gedacht

hat. Es kommt zum Prozeß, aber der Richter verurteilt den dum¬

men Kaufmann. Vor Scham wagt er es nicht, nach Hause zurück¬

zukehren. Arm und verloren lebt er in der Fremde als Sklave.

Unterdessen wartet Siti Daynah vergebens auf die Rückkehr

ihres Ehemannes. Nach einer gewissen Zeit beschließt sie, ihn zu

suchen. Verkleidet als muslimischer Rechtsgelehrter mit dem Na¬

men Khatib Muda reist sie ihm nach. In Jemen macht sie dem

Richter ihre Aufwartung und wird in sein Haus eingeladen. Eines

Tages sieht sie ihren unglücklichen Ehemann vorbeikommen. Sie

läßt ihn zu sich rufen und fragt ihn, wer er sei. Der dumme Kauf¬

mann erzählt die ganze Geschichte. Sie lehrt ihn, wie er vom geris¬

senen Händler seine Kamele zurückbekommen kann: Er soll den

Ringfinger des Händlers fassen und fragen, wieviel alles kostet.

Der dumme Kaufmann wäscht sich und zieht schöne Kleider

an. Dann geht er zum Händler und tut, wie ihm geraten war.

Wieder kommt es zum Prozeß. Zuerst meint der Richter, daß der

dumme Kaufmann unrecht habe: Natürlich stand nur der Ring

zum Kauf, der Finger gehörte nicht dazu. Khatib Muda vertei¬

digt den dummen Kaufmann: Wieso ist diese Sache anders als

die mit den Kamelen? So bekommt der dumme Kaufmann seine

Kamele zurück.

Der dumme Kaufmann kehrt nach Hause zurück. Er lädt Kha¬

tib Muda ein, ihn später aufzusuchen. Er erkennt in seiner

Dummheit nicht, daß Khatib Muda seine Frau ist. Zu Hause er¬

zählt er Malik-Khasani und Siti Daynah alles, was ihm passiert

ist. Abends will er mit Siti Daynah schlafen, aber sie verweigert

sich ihm. Der dumme Kaufmann begreift es nicht und ist ver¬

rückt vor Verliebtheit.

(8)

Am nächsten Tag werden die Vorbereitungen für den Empfang

des Khatib Muda getroffen. Siti Daynah schleicht sich heimlich

davon; zu ihren Dienern sagt sie, daß sie ihre kranke Mutter be¬

suchen möchte. Als Khatib Muda kommt, fühlt der dumme Kauf¬

mann sich beschämt, weil seine Frau nicht zur Begrüßung seines

Retters da ist. Die beiden essen zusammen, aber der dumme Kauf¬

mann erkennt seine Frau nicht. Khatib Muda sagt, daß er am fol¬

genden Tag noch einmal käme, um Siti Daynah zu sehen. Der

dumme Kaufmann geht zu seiner Frau und sagt ihr Bescheid.

Am nächsten Tag verkleidet Siti Daynah sich wieder als Kha¬

tib Muda und der dumme Kaufmann sucht seine Frau überall.

Schließlich zieht sie ihn an der Nase und schlägt ihn ins Gesicht,

während sie lacht und ihn einen großen Dummkopf nennt, weil

er nicht einmal seine eigene Frau erkennt. Sie stellt ihn nach¬

drücklich über seine Dummheit zur Rede. Der dumme Kauf¬

mann fühlt sich ein bißchen beschämt, aber er lacht und setzt Siti

Daynah auf seinen Schoß. Die beide scherzen miteinander und

aus Mitleid läßt Siti Daynah ihn in ihr Schlafzimmer. So findet

nach fünf Jahren endlich der Vollzug der Ehe statt: der dumme

Kaufmann hat den letzten Willen seines Vaters ausgeführt"^'.

Dolce et utile

Das Syair Saudagar Bodoh beginnt mit den folgenden Wor-

Dengarkan tuan suatu rencana Disuratkan oleh dagang yang hina Sajaknya janggal banyak tak kena Daripada faham belum sempuma

Hört eine Erzählung, ihr Herren, von einem armseligen Fremden verfaßt.

Die Verse des Gedichtes sind unbeholfen und reimen manchmal nicht,

weil seine Gedanken noch ungeordnet sind.

Man sollte die Einführung natürlich nicht wortwörtlich auffas¬

sen; sie ist lediglich eine Captatio benevolentiae. Es gehört zur li¬

terarischen Konvention, das Gedicht als Schund und sich selber

^' Die Handschrift Kl. 164 hat einen anderen Schluß: Nach dem Abenteuer

mit dem jemenitischen Kaufmann kehren der Khatib und der dumme Kaufmann

in ihr Land zurück. Zu Hause zieht die Frau sich wieder um und wartet auf ihren Mann. Als er angekommen ist, gibt sie sich sofort zu erkennen.

" Fokker: Maleisch Leesboek S.115 (Vers 1). Die Handschrift K1.164 hat eine andere Lesart: Dengarkan tuan suatu peri/ cerita konon orang (yang) baha- ri/seorang saudagar lela jauhari/ kayanya tidak lagi terperi//. Alle Zitate aus Fokkers Edition habe ich der heutigen Rechtschreibung angepaßt.

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als Verseschmied vorzustellen. Auch am Ende des Gedichts hö¬

ren wir^^ :

Tammallah Syair Saudagar Bodoh Das Gedicht vom dummen Kaufmann ist

vollendet,

Ceritanya buruk khatnya uduh seine Geschichte ist häßlich, die Hand¬

schrift schlecht.

Und in der Handschrift Kl. 164 etwas ausführlicher^'*:

Tammallah sair nan tuan Menyurat duduk berhati rawan Karangan tidak ada berketahuan Laksana pungguk merindukan bulan

Das Gedicht ist vollendet, ihr Herren.

Ich habe es mit traurigem Herz verfaßt.

Die Komposition sieht nach nichts aus, (ich bin) wie eine Eule, die sich nach dem Mond sehnt^^.

Meistens liest man am Anfang eines Syair, daß die Erzählung

Trost durch Ablenkung zum Ziel hat, es soll Entspannung bieten

{menghibur, menglipur). Die Syair dienten, um mit Vladimir

Braginskv zu sprechen, einem , psychotherapeutischen' Zweck^*.

Es hat den Anschein, daß die Syair nicht als ernsthafte Dichtung

aufgefaßt wurden, weder von ihren Dichtern noch von ihrem Pu¬

blikum. Am Anfang des Syair Siti Zubaidah heißt es^':

Lagi kerja tiadayang lain Ich hatte gerade nichts anders zu tun,

Disuratkan syair Jadi permain ich schrieb das Gedicht aus Vergnügen.

Raja Ali Haji schätzte die Syair nicht hoch ein. Man las, so

schreibt er, die Syair aus Vergnügen: Ihr Ziel war es, den Lesern

Fokker: Maleisch Leesboek, S. 168 (Vers 425).

Kl. 164, Folio 22 verso.

Dieses Sprichwort ähneh dem deutschen ,nach dem Mond greifen'. Als

legendäre Erklärung der Sehnsucht der Pungguk (Ninox scutulata) wird angege¬

ben, daß diese Eule früher in dem Mond wohnte, aber eines Tages Wasser

auf einem Blatt für Silber oder Gold hieh und auf die Erde herunter kam. Seitdem will die Eule wieder zurück und wehklagt, wenn sie den Mond sieht {Brieven van H. N. van der Tuuk betreffende het Lampongsch. In: Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde 19 (1870), S.386). Über ihren Klang wird gesagt, daß „It is a persistent caller and its note is rather monotonous" (A.G.Glenister:

The birds of the Malay peninsula, Singapore & Penang. Kuala Lumpur 1971, S. 154), während M. W. F. Tweedie: Common Malayan birds. London 1960, S.21, schreibt, daß „it is the author of the ghostly monosyllabic ,pook' so often heard if one walks through a rubber estate or open wooded country at night."

^* Siehe V. I. Braginsky: The concept of , the Beautiful' (Indah) in Malay Classi¬

cal Literature and its Muslim roots. In : Ders. : The system of Classical Malay litera¬

ture. Leiden 1993, S. 76-91. Vgl. Muhammad Haji Saleh: Narrating Nestapa: Early Malay aesthetics of sorrow. Leiden 1993.

" Abdul Mutalib Abdul Ghani: ^ya/r 5///' ZuiaWa/i, S. 1 (Vers4c-d).

(10)

eine FreudeTO zu machen, wenn sie müde, lustlos oder verärgert

waren .

Daß die Syair primär als tröstende Texte {penglipur lara) ge¬

wertet wurden, schließt nicht aus, daß sie zugleich nützlich (ber-

faedah) sein könnten. Raja Ali Haji schrieb, daß er in seinem

Wörterbuch gewisse Wörter durch Erzählungen {kissah^ cerita'^)

und Gedichte (syair^) zu erklären versucht habe, mit dem Ge¬

danken, daß junge Leute sie auf diese Weise leichter verstehen

würden^'. Die Syair könnten beispielhaft moralische Gedanken

verdeutlichen und ihre Zuhörer oder Leser belehren. Gedichte

wie z. B. das Syair Mekkafi dan Medinah über den Hadsch, das

Syair Ta''bir Mimpi über die Traumdeutung und Raja Ali Hajis

Syair Hukum Nikah über das Eherecht sind didaktisch-morali-

sierende Texte, die man kaum als Unterhaltungsliteratur bezeich¬

nen kann^°.

Der Erzähler als Dagang

In der Einführung ist auch ein anderer Topos vertreten, näm¬

lich das Stereotyp vom Erzähler als Dagang, d.h. ein Fremder

(im Ausland). Ein Kaufmann oder ein Bettler {Fakir) in der

Fremde, so liest man am Anfang vieler Syair, möchte ein Gedicht

verfassen, aber bringt nicht viel zustande, weil er zu dumm oder

zu traurig über sein schweres Schicksal ist. Im Syair Lampung

Karam (,Gedicht über die Flutwelle in Lampung') heißt es^' :

Bismilläh itu permulaan kata „Im Namen Gottes" sind die Anfangsworte, Alhamdulillah puji yang nyata „Lob sei Gott" ist die wahre Lobpreisung.

Berkat Muhammadpenghulunya kita Unter dem Segen Muhammads, unseres

Imams,

Fakir mengarang suatu cerita verfaßt dieser Bettler eine Erzählung.

Fakir yang daif dagang yang hina Dieser unfähige Bettler und armselige

Fremde,

Siehe Van der Putten und Al Azhar: Letters, S. 19, 98, 202.

^' Van der Putten und Al Azhar: Letters, S. 19, 107.

'° Die Herausgeber des Syair Hukum Nikah bezeichnen dieses Gedicht als

ein „Handbuch der Sexologie" („semacam kitab seksiologi"), aber das ist m. E. zu

stark ausgedrückt (UU. Hamidy, Hasan Junus, R. Hamzah Yunus und Ahmad Yu¬

nus (Hgg.): Syair Suluh Pegawai (Hukum Nikah). o.O. 1990, S. 15).

" G. L. Koster: Roaming through seductive gardens: Readings in Malay narra¬

tive. Diss. Leiden 1993, S. 94-95. Meine Übersetzung weicht von Kosters ab.

(11)

Mengarang syair sebarang guna verfaßt ein Gedicht, das auch nutzbringend ist.

Sajaknya janggal banyak tak kena Die Verse des Gedichtes sind unbeholfen

und reimen manchmal nicht,

Daripada akal tidak sempuma weil seine Gedanken ungeordnet sind.

Jikalau ada khilaf dan sesat Wenn es Fehler und Irrtümer enthält,

Janganlah tuan sahaya diumpat dann beschimpft Euren Diener nicht, ihr

Herren.

Diambil kalam dicecah dakwat Er nimmt seinen Schreibstift und taucht ihn

in die Tinte.

Hati mengingatkan tangan menyurat Während sich das Herz erinnert, schreibt die Hand.

Am Ende dieses Prologs beschreibt der Dagang den Schaffens¬

prozeß mit den Worten: Hati mengingatkan tangan menyurat,

„Während sich das Herz erinnert, schreibt die Hand". Das

Schlüsselwort ist mengingatkan, also ,sich erinnern', , gedenken',

, denken an'. Die Verszeile bedeutet, daß der Dagang sich seiner

Vorlage erinnert, die er mit der Hand kopiert. Der Dagang ist im

bildlichen Sinn Abschreiber: Er ist ein Bindeglied innerhalb ei¬

ner Traditionskette. Als Stimme der Tradition führt er altüberlie¬

ferte Themen weiter.

Gus Koster hat den Dagang als , Prediger' und solche Ge¬

dichte als , Predigtliteratur' bezeichnet^"^. Die Thematik in den

Syair mit Dagang ist in der Regel islamisch geprägt. Es ist des¬

halb nicht zufällig, daß das Syair Saudagar Bodoh sich im Mitt¬

leren Osten abspielt. Die literarische Elite in dem Riau-Lingga

Archipel war zu der Zeit arabophil^^. Viele Syair waren damals,

so Vladimir Braginsky, „Middle Eastern in content, Weltan¬

schauung and setting. In such works the religious-didactic con¬

tent intensified, and more prominence was given to , merchant'

and , female' themes reflecting, to some extent, everyday life,

and bearing a pronounced Muslim character."-''' Diese Syair

spiegeln wider, daß der indonesische Islam sich zu der Zeit stär¬

ker an der Orthodoxie orientierte.

Über den Dagang als Narrator, s. Koster: Auteurschap und ausführlicher, Köster: Roaming, S. 80-110.

Vgl. Virginia Matheson: Suasana budaya Riau dalam abad ke-19: Latar be- lakang dan pengamh. In: Zahrah Ibrahim (Hg.): Tradisi Johor-Riau. Kertas kerja hari sastera 1983. Kuala Lumpur 1987, S. 116.

Braginsky: System of Classical Malay literature, S. 73.

(12)

Das weibliche Idealbild

Wovon handeh die Predigt des Dagangs itn Syair Saudagar

Bodoh'! Um zu eruieren, ob sie feministisch geprägt ist oder

nicht, soll nun das Frauenbild im Gedicht genauer beleuchtet

werden. Die eigentliche Geschichte fängt mit dem Rat des ster¬

benden Vaters für den dummen Kaufmann an^^:

Jikalau luan hendak beristeri „Wenn Du heiraten möchtest,

Anak dara tuan nin cari so suche eine Jungfrau.

Perempuan yang elok jangan digemari Freue dich nicht über hübsche Frauen,

Merusakkan hati sehari-hari sie machen dich ständig traurig.

Iniiah pesan ayanda suatu Dies ist deines Vaters letzter Wille:

Carilah anak dara yang tentu Suche ein Mädchen, das sicher eine Jung-

Der dumme Kaufmann versteht die Aufgabe nicht und sucht rat¬

los, während er immer wieder aufs neue heiratet, bis er schlie߬

lich der hübschen Frau begegnet, vor der sein Vater ihn gewarnt

hatte. Diese Frau - die bezeichnenderweise namenlos bleibt - be¬

handelt ihn schlecht, betrügt ihn und bringt ihn nahezu an den

Bettelstab. Der dumme Kaufmann vertraut seinem Retter Malik-

Khasani an, daß er von den Frauen genug habe. Sein Onkel lacht

und erklärt ihm, daß er eine verständige, weise Frau suchen soll.

Wie eine ideale Frau aussehen soll, lehrt ihn Malik-Khasani an¬

hand der vier mal vier Merkmale (Sipat).

In Indonesien spielt die Vier eine wichtige Rolle als Ordnungs¬

zahl, und deswegen könnte man eine einheimische Herkunft die¬

ser Lehre vermuten^*. Ich denke aber, daß Malik-Khasanis Klas¬

sifizierung des weiblichen Schönheitsideals nicht aus Indonesien

stammt, sondern, direkt oder indirekt, auf eine arabische Quelle

zurückgeht, und zwar „Das Buch der Aufklärung über die Ge¬

heimnisse der Eheschließung". Dieses Ehebuch wurde von einem

Aleppiner Arzt aus dem 11. Jahrhundert verfaßt. „Die Experten

stimmen darin überein", so schreibt der Arzt, „daß an Gesicht

" Fokker: Maleisch leesboek, S. 118 (Verse 20-21).

Über die Bedeutung der Vierzahl in Indonesien gibt es sehr viel Literatur.

Für eine Übersicht siehe Christiaan Frans van Fraassen: Temate, de Molukken en de Indonesische archipel. Van Soa-organisatie en vierdeling: een Studie van tradi- tionele samenleving en culluur in Indonesie. Diss. Leiden 1987, S.41 9-454.

Jikalau dapat demikian itu Buatlah isteri ianya itu

frau isL

Wenn Du sie gefunden hast, sollst Du sie zu deiner Frau machen.'

(13)

und Körper einer Frau folgendes zu preisen ist: vier schwarze

Dinge: Haupthaar, Wimpern, Augenbrauen und das Schwarze in

den Augen; vier weiße Dinge: die Haut, das Weiße in den Au¬

gen, die Zähne und Augäpfel; (...) vier lange Dinge: der Hals,

die Gestalt, die Augenbrauen und das Haar; (...) vier kleine Stel¬

len: der Mund, die Hände, die Füße und die Brüste."^' In dem

Ehebuch werden auch noch vier rote, vier runde, vier wohlrie¬

chende und vier weite Dinge genannt. Es besteht kein Zweifel,

daß die Frau hier vorwiegend als Sexualobjekt des Mannes gese¬

hen wird-'*. Von Frauenemanzipation kann überhaupt keine Rede

sein!

Es ist deutlich, daß Malik-Khasanis eigene Tochter das weibli¬

che Idealbild verkörpert. Der Dagang beschreibt sie folgender¬

maßen^':

Malik itu ada anaknya

Seorang perempuan sangat eloknya Bijaksana dengan baktinya Kitab dan Koran semua didapatnya

Terlalu fasih berkata-kata Amal-ibadat terlalulah nyata Parasnya elok bagai dipeta

Tujuh laksana lengkap semata

Malik hatte eine Tochter, eine sehr hübsche Frau.

Sie war weise und treuergeben,

in den religiösen Büchern und dem Koran belesen.

Sie sprach sehr fließend,

ihre frommen Werke waren auffallend.

Ihr Äußeres war bildschön,

sie besaß alle sieben Merkmale der Schön¬

heit"".

Der Dagang läßt sich nicht lang und breit über Siti Daynahs

Schönheit aus; in seiner Rolle als Prediger betont er mehr ihre

Frömmigkeit und Weisheit. Siti Daynah werden zwei Kontrastfi¬

guren gegenübergestellt, so daß ihre guten Eigenschaften klar

hervortreten: Die eine ist die frühere, schlechte Frau ihres Ehe¬

mannes; die andere ist der Ehemann selbst, ein schwacher, dum¬

mer Mann, der seinen , Erfolg' als Kaufmann allein dem Rat und

der Hilfe seiner guten Frau verdankt.

K. Amdja : Das Buch der Auflclärung über die Geheimnisse der Eheschließung (Med. Diss. Erlangen-Nürnberg 1976), S.4 f., zitiert in Wiebke Walther: Die Frau im Islam. Leipzig 1980, S. 147.

Walther: Die Frau im Islam, S. 147.

" Fokker: Maleisch Leesboek, S. 129 (Verse 109-110).

Eine stehende Wendung für weibliche Schönheit, s. H.C. Klinkert: Nieuw Maleisch-Nederlandsch woordenboek met Arabisch karakter. Leiden 1930; 4. Aufla¬

ge, S.922.

(14)

Eine weibliche Gegenstimme

Raja Kalzum, die Dichterin des Syair Saudagar Bodoh, vermit¬

telt die Geschichte durch einen fiktiven, männlichen Erzähler,

den Dagang. Die Welt wird also aus einer männlichen Perspekti¬

ve geschildert. Trotzdem denke ich, daß auch eine weibliche Ge¬

genstimme spürbar isL Betrachten wir einmal das Verhältnis zwi¬

schen Mann und Frau im Gedicht Siti Daynah wird von ihrem

Vater an den dummen Kaufmann verheiratet. Sie ist aber nicht

willig, die Ehe zu vollziehen. Man könnte sagen, daß es nur de

jure eine Ehe gab, nicht aber de facto. Von Anfang an will Siti

Daynah nichts von ihrem Ehemann wissen und lehnt den Ge¬

schlechtsverkehr ab. Zudem spricht sie kein einziges Wort mit

ihm. Schließlich fragt der Vater, der sehr beschämt und böse zu¬

gleich ist, seine Tochter, was eigentlich los sei. Sie sagt, daß ihr

Mann unglaublich dumm sei. Sie will einer wirklichen Ehe erst

dann zustimmen, wenn ihr Mann eine Aufgabe erfüllt hat

Wir begegnen hier einer Variante des Motivs der sog. , suitor

tests' (H 310-359 in Thompsons Motiv-Index)"*'. Ein bekanntes

Beispiel dieses Motivs ist die Rätselprinzessin: Die Rätselprin¬

zessin will sich nicht vermählen, weshalb sie ihren Bewerbern

schwere Rätsel aufgibt''^. Bei einer anderen Variante, dem , Brun¬

hilde-Motiv', handelt es sich um eine starke Frau, die nur den

Mann heiraten will, der sie unterwerfen kann'*''. In vielen Ge¬

schichten mit den , suitor tests' ist das Grundthema der Kampf

zwischen Mann und Frau, in dem am Ende der Mann siegen

soll.

Im Syair Saudagar Bodoh stellt der Test nicht eine unmögliche

Aufgabe dar, wie es in anderen Geschichten üblich ist, sondern

Stith Thompson : Motif-index of folk-literalure. Volume three. Bloomington

& Indianapolis 1955, S. 398-408.

Vgl. Max Lüthie: Die Rätselprinzessin: List, Scherz und Klugheit In: Ders., Es war einmal ... Vom Wesen des Volksmärchens. Göttingen 1983 (6., durchges.

Aufl.), S. 90-102. Siehe auch E.P. Wieringa: The Javanese story of Dewi Maleka.

A transformation of a Persian or Perso-Urdu tale. In: Bijdragen tot de Taal-, Land¬

en Volkenkunde 150 (1994), S. 584-587.

Über das , Brunhilde-Motiv' in der arabischen Literatur, vgl. Sophia

Schwab: Drei altarabische Erzählungen aus dem Beduinenleben uniersucht und

übersetzt Diss. Nürnberg 1965, S. 52-55 und Remke Kruk: Warrior women in Ara¬

bic popular romance: Qannäsa bint Muzähim and other valiant ladies. Journal of Arabic literature 24 (1993), S.217fL

(15)

ist eine Art praktischer Eignungsprüfung: Der Mann soll bewei¬

sen, daß er seine Familie selbständig ernähren kann, da er bisher

immer alles geschenkt bekommen hatte. Im Grunde stellt Siti

Daynah hier eine wesentliche Frage zu ehelichen Rechten und

Pflichten. Sie soll ihrem Mann gehorchen, aber laut islamischem

Gesetz ist der Mann für ihren Lebensunterhalt {nafkah, vom ara¬

bischen nafaqa) verantwortlich. Wenn ein Mann diese eheliche

Pflicht nicht erfüllt, kann die Frau die Scheidung beantragen"*'*.

Obschon Siti Daynahs Aufgabe einfach ist, scheitert der Mann,

so daß seine Frau ihn retten muß. Zeigt die Dichterin hier nicht,

daß Frauen den Männern weit überlegen sind?

Es ist interessant zu beobachten, warum Siti Daynah auszieht,

ihren Mann zu retten. Sie hat schon lange nichts mehr von ihm

gehört und nimmt deswegen an, daß er im Ausland beschwindelt

worden ist. Dann überlegt sie"*^:

Jikalau tidak aku mencari Sollte ich ihn nicht suchen,

Jahatlah namaku di dalam negeri ruiniere ich hierzulande meinen Ruf.

Kerana aku Jadi isteri Weil ich Ehefrau geworden bin,

Hinalah namaku orang yang bari würde ich mich sonst als eine namhafte

Frau blamieren.

Das Bestreben, einen guten Ruf zu haben, ist ein wichtiges Motiv

in der traditionellen malaiischen Literatur, das manchen Held zu

Abenteuern treibt"**. Die malaiische Kultur ist das, was Anthro¬

pologen als , shame culture' bezeichnen würden. In der traditio¬

nellen malaiischen Kultur war der Prüfstein für das menschliche

Tun und Lassen nicht das innerliche Gewissen, sondern die äu¬

ßerliche Reputation. Hier ist das Motiv negativ formuliert: um

ihren guten Ruf nicht zu verlieren, muß die Frau ihren Mann ret¬

ten. Zwischen den Zeilen könnte man also lesen, daß Siti Day¬

nah am liebsten zu Hause geblieben wäre.

In einer von Männern dominierten Öffentlichkeit kann Siti

Dayah nur als Mann verkleidet ausziehen. In den europäischen

Märchen kreist das Kleidermotiv immer um das Thema der Iden-

^ Th.W.Juynboll: Handleiding tot de kennis van de Mohammedaansche wet

Leiden 1930, S. 199-200.

Fokker: Maleisch Leesboek, S. 143 (Vers 221).

Vgl. Edwin Wieringa : The quest for a name in the Hikayat Raja Nadir Syah : A Malay theme in a supposedly historical story about the Persian king Nadir Shäh Afshär (r. 1736-1747); dieser Aufsatz wird im nächsten Heft der Zeitschrift Teng- gara, Journal of Southeast Asian Literature 38 (1997) erscheinen.

(16)

tität: Wer ist der Held? Katalin Horn faßt die Ergebnisse ihrer

Untersuchung des Kleidermotivs in europäischen Märchen fol¬

gendermaßen zusammen: „Der Mensch strebt nach Selbstver¬

wirklichung und sucht Anerkennung. Es ist sein schweres Los,

daß er oft falsch eingeschätzt und beurteilt wird, daß er in eine

Rolle gezwungen wird, die seiner wahren Persönlichkeit nicht

entsprichL Unser Motiv drückt in einfacher Form die Hoffnung

aus, daß der Mensch die Möglichkeit habe, seinem wahren Ich

trotz allem zum Sieg zu verhelfen, daß er fähig sei, den ihm ge¬

bührenden Platz in der Welt einzunehmen.'"*' Stellt die Dichterin

also auf subtile Weise die traditionelle Rollenverteilung zwischen

Mann und Frau in Frage? Ich denke nicht Die Verkleidung ist

das in der traditionellen malaiischen Literatur vielleicht am häu¬

figsten verwendete Motiv, so daß man sagen kann, daß Raja

Kalzum hier der literarischen Konvention folgt. In den europäi¬

schen Märchen sind z. B. ein Bettler und ein König äußerlich

zwei verschiedene Personen, aber sie sind in Wirklichkeit iden¬

tisch. Im Syair Saudagar Bodoh jedoch drückt das Kleid keine

, innere Wahrheit' aus, sondern ist lediglich ein Mittel, um durch

List den Mann zu retten. Die Frau Siti Daynah ist nicht mit ei¬

nem Rechtsgelehrten gleichzustellen; sie hätte auch eine andere

Verkleidung wählen können***.

Am Ende der Erzählung zeigt die Dichterin, daß sie die tradi¬

tionelle Rollenverteilung nicht in Frage stellen kann oder will.

Als der dumme Kaufmann nach der Rettung seine Frau noch im¬

mer nicht wiedererkannt hat, enthüllt sie ihre Identität und erteilt

ihm eine Lehre über seine Dummheit. Der Mann schämt sich

zwar ein wenig, setzt sich dann aber lachend darüber hinweg. Siti

Daynah denkt in ihrem Herzen, während sie ihren Mann mit¬

leidsvoll ansieht"*':

Sabenamya orang sedang lamanya „Eigentlich hat er schon lange gewartet, Baik kuturut barang katanya am besten gehorche ich seinen Worten."

Am Ende siegt abrupt die Tradition : die Ehe ist nun auch de fac¬

to geschlossen. Siti Daynah hat sich plötzlich mit ihrer traditio¬

nellen Rolle abgefunden, indem sie sich ihrem Mann unterwirft

Katalin Horn: Das Kleid als Ausdruek der Persönliehkeit: Ein Beitrag zum Identitätsproblem im Volksmärchen. In: Fabula 18 (1977), S. 104.

Vgl. Horn: Das Kleid, S. 103.

Fokker: Maleisch leesboek, S. 164 (Verse 418 c-d).

(17)

Sie ist zur idealen Ehefrau geworden, denn nun ist sie nicht nur

hübsch, sondern auch noch fügsam. Sie entspricht völlig einer

Charakterisierung Muhammads, der, laut einer Überlieferung auf

die Frage, wie die beste Frau beschaffen sein müßte, geantwortet

habe: „Die ihn erfreut, wenn er sie ansieht, ihm gehorcht, wenn

er befiehlt, und sich ihm nicht widersetzt in Dingen, die er für

sie und für sich ablehnt."^"

An dem Ausgangspunkt hat sich nichts geändert: Siti Daynahs

Mann ist noch genau so dumm wie fünf Jahre zuvor. Siti Day¬

nahs Probe konnte er nicht erfüllen, aber er weiß, daß der Auf¬

trag seines Vaters erledigt ist^' :

Selama ini aku mencarinya „Die ganze Zeit habe ich sie gesucht,

Barulah ini aku mendapatnya jetzt erst habe ich sie gefunden."

Die Quintessenz der Predigt des Dagangs ist klar: Männer soll¬

ten anständige Frauen heiraten und Frauen sollten wissen, daß

ihre Männer über ihnen stehen. Hinter dem Dagang, dem Ab¬

schreiber der Tradition, steht jedoch die Dichterin, die die Tradi¬

tion zwar unterschreibt - oder unterschreiben muß -, aber nicht

ohne ihre ironische Stimme hören zu lassen.

Walther: Die Frau im Islam, S. 37.

" Fokker: Maleisch leesboek, S. 168 (Verse 421 c-d).

(18)

Etymological Dictionary

By V. Orel, Tel Aviv, O. Stolbova, Moscow

In the 146 volume of the ZDMG our respected colleagues

I. Diakonoff and L. Kogan have published detailed Addenda et

Corrigenda to our Hamito-Semitic Etymological Dictionary (Lei¬

den, 1995). This publication is particularly welcome insofar as it

corresponds to our wishes expressed in the preface to our Dic¬

tionary: we hope that our colleagues from various fields of Hami¬

to-Semitic studies would contribute various additions and emen¬

dations thus allowing us to improve our database and, in future,

to prepare a considerably enlarged and critically checked edition

of the Dictionary. Numerous emendations (and even corrections

of inevitable typos) suggested by Diakonoff and Kogan, mostly

for the Semitic data, will help us to verify our material and, in

many cases, to add more precision to our etymologies. At the

same time, the Addenda et Corrigenda contributed by Diakonoff

and Kogan contain quite a few unproved, controversial and/or

erroneous statements that should be corrected in their turn as far

as otherwise the reader may be easily misled.

Some of these disputable observations are connected with cer¬

tain etymologies suggested in the Dicfionary. Even though dis¬

agreements in concrete etymological interpretations per se could

be easily ignored, many of them deserve our attenfion as far as

they reflect a serious and much more global argument in which,

as we see it, Diakonoff and Kogan represent the tradition of se¬

mantically frail and virtually unfounded Wurzeletymologie, aban¬

doned by other branches of historical linguistics but, occasion¬

ally, still preserved in Afro-Asiatic studies. Some examples fol¬

low (numbers correspond to the numbers of our etymologies in

the Dictionary).

31. The connection between Sem 'alldn and 'allä needs addi¬

tional proofs. In any case, the existence of the suffix -dn- in

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