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Doch läßt sich auch heute noch bei dem Thema "Religion in China&#34

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EINIGE METHODISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUR

RELIGIONSGESCHICHTE CHINAS

Von Helwig Schmidt-Glintzer, Bonn

Im Rahmen einiger methodischer Überlegungen zur Religionsgeschichte

Chinas möchte ich im wesentlichen auf drei Punkte eingehen:

1. möchte ich einige Thesen zu dem Satz beisteuern: "Es ist irreführend,

von einem säkularen Charakter der traditionellen chinesischen Gesellschaft

zu sprechen. "

2. geht es mir darum, die Zusammengehörigkeit von religiösen und nicht¬

religiösen Traditionen wahrscheinlich zu machen.

3. muß ich aber auf eine methodische Schwierigkeit hinweisen, vor der wir

stehen, wenn wir Religionsgeschichte Chinas als einen Teil der Geschichte

Chinas betrachten wollen.

Zur Rede von der "Diesseitsbezogenheit"

Solche Aussagen wie "China ist de facto religionslos, nicht nur in den oberen

Klassen, sondern in der ganzen Bevölkerung" (l) wird kaum einer mehr gel¬

ten lassen. Doch läßt sich auch heute noch bei dem Thema "Religion in China"

allenthalben eine fundamentale Unsicherheit feststellen, so daß immer wieder

solche Aussagen auftauchen wie: die Chinesen hätten eigentlich keine Reli¬

gion (2), in China lasse sich nur eine "diffused religion" feststellen, etc. (3).

Ferner ist noch die "minimalistische Lösung" zu nennen, wiesle zu Beginn

unseres Jahrhunderts deGroot formuliert hat: "In Wirklichkeit sind die er¬

wähnten drei Religionen Äste eines gemeinsamen Stammes, der seit uralten

Zeiten bestanden hatj dieser Stamm ist die Religion des Universums, des

Weltalls, Universismus ist die eine Religion Chinas" (4). Dieser

minimalistische Begriff sucht eine Grundstruktur zu kennzeichnen und mag

von daher seine Berechtigung haben. Allerdings ist er zu cülgemein und thema¬

tisiert die historische Dimension nicht. Mirist übrigens keine Studie zu einem

religiösen Phänomen in China bekannt, die auf diesem Begriff aufbaut (5).

Es liegt auf der Hand, daß die Unsicherheit im Gebrauch des Begriffes "Re¬

ligion Chinas" wesentlich auf der Tasache beruht, daß unser eigener Begriff

davon, was unter Religion zu verstehen sei, selbst keine festen Konturen

hat (6). Nur daher ist auch der Vorschlag zu verstehen, Religion und deren

Geschichte nicht mehr zum Gegenstand einer besondern Disziplin zu machen,

sondern bisherige Religionsgeschichte aufgehen zu lassen in anderen Diszipli¬

nen. Für den Fall Chinas hat Marcel Granet einen solchen Vorschlag gemacht,

indem er forderte, man dürfe "der Religion [in der Darstellung der chinesi¬

schen Kultur] kein besonderes Kapitel widmen" (7). Granet ging von der Be¬

obachtung aus, daß "in China die Religion ebensowenig wie die Rechtspflege

zu einer differenzierten Funktion des Gesellschaftslebens geworden" sei (8).

(2)

Von der Religionswissenschaft selbst, die ja eigentlich "zuständig" wäre, können wir keinen leistungsfähigen Begriff von der "Religion in China" er¬

warten, zumal sich China in keines der bisher entwickelten Stadienkonzepte

religiöser Entwicklung einordnen läßt (9). Selbstverständlich können solche

Stadienkonzepte dann eine Hilfe darstellen, wenn mit in Betracht gezogen

wird, daß es Ungleichzeitigkeiten geben und jedes Stadienmodell zunächst nur

heuristischen Status haben kann.

Die Einschätzung dessen, was unter dem Thema "Religion in China" von der

abendländischen Sinologie verstanden wurde, ist immer aufs engste verknüpft

gewesen mit dem jeweiligen eigenen Verständnis von Religion. (Diesem Dik¬

tum werden auch wir uns unterwerfen müssen. ) Berechtigt erscheint heute

eine methodische Betrachtung aus zwei Gründen. Einmal hat sich unser Ver¬

ständnis von Religion in den letzten Jahrzehnten nachweislich stark gewandelt,

und zudem sind neue Texte und Materialien in das Blickfeld der Sinologie ge¬

rückt, die auch Dokumente zur Religionsgeschichte darstellen. Ich nenne nur

die, sicher noch lange nicht abgeschlossene, Serie neuerer Ausgrabungsfunde

die pao-chüan-Literatur (10), die sogenannte Volksliteratur und die große

Masse zwar bereits bekannter, aber doch recht stiefmütterlich behandelter

Literatur des Tao-tsang . der buddhistischen Literatur und die durch die ganze

offizielle Literatur verstreuten Berichte, ganz zu schweigen von Religion bei

den Hua-chiao oder in den Grenzgebieten Chinas. - Eine weitere Rechtferti¬

gung viel grundsätzlicherer Natur ist der in den Gesellschaftswissenschaften

insgesamt zu verzeichnende Fortschritt in der Diskussion methodologischer

Fragen.

Statt von einer langatmigen Darlegung und Kritik der bisherigen Beschäfti¬

gung mit der Religion Chinas auszugehen, möchte ich einen - wie mir scheint

den fundamentalen - Aspekt bisheriger Beschäftigung mit der Religionsge¬

schichte Chinas herausgreifen: die Rede von der Diesseitigkeit der chinesi¬

schen Weltanschauung. Bei dieser Trennung in Diesseits und Jenseits, in Kon¬

fuzianismus und andere Religionen, in "Staatsreligion", die "eigentlich keine Religion" sei, und "Volksreligion" wird der Bereich des Religiösen ausdiffe¬

renziert und gesondert behandelt; d.h., es wird von vornherein ein bestimm¬

tes Stadium der Evolution vorausgesetzt. Religion wird ausgegrenzt oder aber

eliminiert, wie es etwa Cheng Te-k'un tut, wenn er sagt, in China sei Reli¬

gion eine soziale Institution (ll), der Mensch stehe im Mittelpunkt aller Spe¬

kulationen (12), und damit spezifisch religiöse Aspekte bestreitet. Am pro¬

nonciertesten hat dies Liang Ch'i-ch'ao formuliert, der behauptete, Chinas

eigene Kultur kenne keine Religion, und die Geschichte der Religionen in

China sei im wesentlichen eine Geschichte von Fremdreligionen. Zwar sei

der Taoismus eine chinesische Religion, doch ihn in eine Geschichte der chi¬

nesischen Religion aufzunehmen sei eine große Beleidigung, da er häufig das

Volk durch seine heidnische Magie verführt und Frieden und Sicherheit ge¬

fährdet habe (13).

So ist Religion in China von vielen Chinesen selbst, sicher auch unter dem

Einfluß westlicher Rationalität, in den Bereich des Unschicklichen abgedrängt

worden. Ein anderes Argument ist jenes, daß das Religiöse in China eine Aus¬

drucksform sei, die sich "Fast zwangsläufig mit dem Gedanken der Erneu¬

erung, Mobilität und Revolution verbindet" (l4). Dem korrespondiert, daß

der Kulturrevolution in China eine starke religiöse Komponente zugesprochen

(3)

wurde (l5). Bei näherer Uberprüfung läßt sich diese Diesseits-Jenseits-Un¬

terscheidung, so sehr sie dem abendländischen Betrachter auch zusagen mag,

jedoch nicht halten. Auch ist es m.E. eine überzogene Einschränkung, das

Religiöse in China auf einige Umsturzbewegungen und manchen Volksglauben

zu beschneiden. Denn: von dem areligiösen, dem innerweltlich-ethischen,

dem agnostischen Charakter traditioneller konfuzianischer Weltainschauung

zu sprechen, ist nur dann sinnvoll, wenn ich die gesamte Welt darstelle, vor

der sich eben diese Ausgrenzung immer wieder neu vollziehen und konstitu¬

ieren mußte - und dies geschah auf recht unterschiedliche Weise, temporär,

lokal, schichtenspezifisch.

Fassen wir das bisher gesagte zusammen, so kommen wir zu folgendem

Zwi schenergebnis :

a) Für unser Verständnis davon, was wir unter chinesischer Religion bis¬

her verstanden haben, müssen wir zunächst unser eigenes Verständnis von

Religion verantwortlich machen. Ich möchte hier nur an Hegel erinnern, der

Religion als "die Innerlichkeit des Geistes in sich, indem er sich in sich, was

sein innerstes Wesen ist, vorstellt", auffaßte (l6), der zwischen Innen und

Außen, zwischen Glaube, commitment, und Kirche unterschied und so den

Religionsbegriff an ein bestimmtes Stadium der Evolution band.

b) Es gibt daher zunächst auch keinen vernünftigen Grund für die Annahme,

China habe "weniger" Religion als andere Gesellschaften.

c) Wir stehen also vor der Alternative, entweder die Geschichte der Reli¬

gionen in China unter einem neu überdachten Religionsverständnis neu zu

schreiben, und das hieße dann auch, eine auf China bezogene Religionsge¬

schichte zu betreiben, oder aber noch einen Schritt weiter zu gehen, und die

Religionsgeschichte Chinas in den Rahmen einer universal gesehenen Ge¬

schichte Chinas zu integrieren. Die meisten werden den zweiten Weg vorzie¬

hen wollen. Doch ganz abgesehen von der arbeitsökonomischen Schwierigkeit,

diesem Anspruch gerecht zu werden, gibt es dabei eine prinzipiellere Schwie¬

rigkeit, deren Formulierung eine Voraussetzung dafür ist, daß wir uns nicht

bloß auf einen Holzweg begeben. Bevor ich mich auf diese Schwierigkeit ein¬

lasse, möchte ich ein Beispiel aus der Religionsgeschichte anführen, anhand

dessen wir manche Schritte unserer methodischen Überlegungen erhellen

können. - Als Beispiel wähle ich die "Weiße-Lotus-Gesellschaft". Denn unter

allen religiösen Phänomenen sind es die Sekten und Geheimgesellschaften,

die bei der Ausgrenzung des Religiösen am meisten Schwierigkeiten bereiten.

Das Beispiel der Weißen-Lotus-Gesellschaft

Von manchen sind Sektenrebellionen oder Aufstände von Geheimgesell¬

schaften als Folgen sozialer Unruhe, korrupter Regierung und/oder Natur¬

katastrophen bezeichnet worden (l7). Solches waren zweifellos häufig die

auslösenden Faktoren. Doch wir wissen, daß Elend und materielle Not nicht

allein schon zu solchen Unruhen führen müssen, sondern daß ganz bestimmte

ideologische und religiöse Bedingungen erfüllt sein müssen, um solchen Auf¬

ständen auch den Nährboden zu liefern. So hatten die Gelben Turbane und die

Fünf-Scheffel-Reis-Bewegung ihre Ideologie. Sie hatten das Ziel einer idealen

Welt, die hier und jetzt errichtet werden sollte, mit einer friedlichen Be¬

völkerung und einem heiligen Fürsten auf dem Thron. Solche Visionen sind

(4)

bespielsweise auch die Herrschaft Maitreyas, der zukünftige Buddha, Amita-

bhas Reines Land auf Erden, die Lichtherrschaft der Manichäer, der Große

Friede unter dem Perfekten Fürsten oder die Ankunft des konfuzianischen Er¬

leuchteten Herrschers. Immer waren solche Bewegungen der Ausdruck der

Frömmigkeit einer Gemeinde und der Suche nach Erlösung.

Wenn ich hier die "Weiße-Lotus-Gesellschaft" herausgreife, so auch des¬

halb, weil sie weitgehend bekannt ist und ich mich auf eine knappe Skizze

beschränken kann (l8). - Im Jahre 1133 n.Chr. von Mao Tzu-yüan begrün¬

det - unter Berufung auf Hui-yüans Laiengruppe auf dem Lu-shan (19) - , ist

ihre Existenz nachweisbar bis zur grausamen Niederwerfung i . J . 1813. Be¬

kämpft wurde diese Sekte nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch von

dem etablierten buddhistischen Klerus. So verurteilte Chih-p'an, der Ver¬

fasser des Fo-tsu t'ung-chi (20), die "Weißen-Lotus-Vegetarier" , die sei¬

nes Erachtens zu Unrecht die Bezeichnung "buddhistische Lehre" für sich in

Anspruch nahmen (21). Daß es gerade ein Mönch war, von dem eine Laien¬

bewegung begründet wurde, und daß der etablierte Klerus besonders heftig

gegen die neue Bewegung eiferte, dies sind "typische" Erscheinungen, für

die jeder weitere Beispiele aus der Geschichte Chinas wird anführen können.

Daß Mao, der 1131 wegen staatsfeindlicher Umtriebe nach Kiangsi ins

Exil geschickt worden war, im Jahre 1133 von Kao Tsung begnadigt und an

den Hof geholt wurde, um die Ch'ing-tu-Lehre zu predigen, ist ein typischer

Fall dafür, daß der Herrscher dissidente Personen zu domestizieren suchte,

was in diesem Fall allerdings nicht gelang.

Aus der Zeit der Mongolenherrschaft ist uns eine Eingabe an Kublai Khan

aus dem Jahre 1281 überliefert, in der von einer Pailien-hui in Kiang-nan

( = Kiangsu und Anhwei) unter Anführung eines Tu Wan-i berichtet wird.

Diese Gruppe habe "ein Mantra von fünf Fürsten" (Wu-kung chou) ein T'ui-

pei t'u (22), ein Blutbecken (Hsüeh-p'sin) und ein illustriertes Astrologie-

Buch (T'ien-wen t'u-shu) (23). Auf diese Eingaben hin wurde eine Unter¬

drückungskampagne gegen die Weiße-Lotus-Bewegung eingeleitet. - Im Yüan-

shih, Kap. 22, heißt es in einem Edikt aus dem Jahre 1308: "Die Weiße-

Lotus-Gesellschaft (Pai-lien-she) ist zu verbieten, ihre Tempel sind zu zer¬

stören, ihre Mitglieder haben nach Hause zurückzukehren". - Von einer Pai-

lien-tao-Gruppe in Kiangsi und Fukien heißt es in einer Eingabe aus dem

gleichen Jahre 1308, sie seien alle verheiratet, lebten mit Weib und Kind in

eigenen Klöstern, usf. und am Ende, sie beteten für ein langes Leben des

Herrschers. Der Herrscher befahl dennoch deren Auflösung (24). - Die

Frage ist hier, ob das Verbot durch die - im übrigen synkretistischen -

Züge der Ideologie und Praxis hervorgerufen wurde oder aber auf Interven¬

tion bestimmter Gruppen oder Funktionsträger zurückzuführen ist.

Doch unter der Yüan-Dynastie geschah es auch, daß die Weiße-Lotus-Ge¬

sellschaft eine Zeitlang offiziell anerkannt war (1313-1322), und zwar unter

dem Herrscher Jen Tsung (reg. 1312-1321). Unter dem Einfluß des Weißen-

Lotus-Führers Hsiao Chüeh-kuei erließ er eine Anordnung, in der er alle

Beamten aufforderte, die Gemeinden der Weißen-Lotus-Gruppe unbehelligt

zu lassen. Die Mitglieder dieser Gruppe, die er, selbst Anhänger der bud¬

dhistischen Lehre, offenbar für eine buddhistische Gruppe hielt, würden für das

Wohl der Obrigkeit und langes Leben der Oberen beten. Aus dem Edikt geht

ferner hervor, daß diese Weiße-Lotus-Gemeinden starke ökonomische Aktivi-

(5)

täten entfalteten (und übrigens ihre Tempelgründungen auf bis dahin nicht

kultiviertem Land vornahmen! ). Zugleich mit dem Gebot der Duldung dieser

Sekte versuchte jedoch auch Jen Tsung, diese Gemeinden zu kontrollieren:

durch Vorschriften, jeder Tempel habe einen Vorsteher (chu-chih) zu haben,

und das Gebot, gute Werke zu tun und für ein langes Leben des Herrschers

zu bitten (25). -

Obwohl sich in der Zeit seit der Gründung der Pai-lien-chiao bis zur Auf¬

standsbewegung Han Shan-t'ungs im Jahre 1351, außer der oben erwähnten

kleinen Erhebung Tu Wan-is, also in über 200 Jahren, keine Erhebung von

ihrer Seite ereignete, wurden die Anführer häufig exiliert und die Anhänger

zerstreut oder gar verfolgt. Dabei handelte es sich nicht um eine geheime

Bewegung oder eine Sekte mit Umstürzlerischen Zielen, sondern, wie der

oben erwähnte Erlaß Jen Tsungs belegt, um eine offene soziale Organisation

mit ökonimischen Unternehmungen. - Erst durch die offensive Unterdrückung

von selten der orthodoxen Konfuzianer und lokalen Machthaber, die um ihr

Machtprivileg fürchteten, wurden sie verketzert und wurden geneigt, ihre

Vorstellungen gegen die herrschende Dynastie zu richten, nicht jedoch gegen

die Institution des Herrschers selbst! - Die Aggression ging also in der Re¬

gel "von oben" aus. Die Sekten scheinen nicht unterdrückt worden zu sein,

weil sie einen Umsturz anstrebten, sondern sie scheinen einen Umsturz dann

angestrebt zu haben, wenn sie unterdrückt wurden.

Und ein letztes Beispiel aus der Geschichte der Weißen-Lotus-Bewegung:

Chu Yüan-chang (1328-1398) (26), der seit 1355 in Han Linerhs Armee dien¬

te,- sagte sich i.J. 1366 von den Weißen Lotus los, und 1370, zwei Jahre nach

seiner Installation, erließ er strenge Gesetze gegen häretische Lehren. - Die

Bewegung also, die seinen Aufstieg erst ermöglichte, wird von ihm, als er

selbst Herrscher ist, verfolgt. Ähnliche Erscheinungen können wir in der Ge¬

schichte Chinas immer wieder feststellen; dem korrespondiert, daß die Le¬

gitimation der Bewegung und die Legitimation nach erfolgtem Umsturz nicht

identisch sind. Die Kontinuität dieser Struktur, die A.F. Wright einmal im

Hinblick auf die Gründung taoistischer Theokr ati scher Staaten als "move from

rebellion to establishment" bezeichnet hat (27), zeigt sich an der Häresie-

Gesetzgebung nach der Errichtung einer neuen Dynastie (28). Gerade dieser

Umschlag ist es, der die Annahme von der Zusammengehörigkeit von ortho¬

doxem Konfuzianismus und sog. Volksreligiosität nahelegt.

Solche "typische" Erscheinungen, wie ich sie am Beispiel der Weißen-Lo¬

tus-Gesellschaft gezeigt habe, können dazu verführen, daraus Gesetzmäßig¬

keiten abzuleiten und von einer funktionalen Rolle von Religion zu sprechen.

Doch läßt sich leicht zeigen, daß ein solcher funktionalistischer Ansatz schwer¬

wiegende Mängel hat.

Der funktionalistische Ansatz und seine Grenzen

Die Attraktivität des sozialwissenschaftlichen Funktionalismus, der heute

die Szenerie der Sozialwissenschaften fast vollständig beherrscht, hat im

wesentlichen darin ihren Grund, daß die Theorie sozialen Handelns seit ihrer

ersten systematischen Exposition bei Max Weber nicht soweit fortentwickelt

wurde, daß erklärende Generalisierungen aus ihr ableitbar wären. Verständ¬

licherweise kann ich hier nicht auf die damit verknüpften wissenschafts- und

(6)

theoriegeschichtlichen Fragen eingehen, sondern ich möchte meine Ausein¬

andersetzung mit dem funktionalistischen Ansatz am Beispiel Yang Ch'ing-

k' uns führen.

Die Frage, die Yang interessiert, lautet: "What functions did religion

perform in Chinese social life and organization so as to provide a basis for

its existence and development, and through what structural forms were these

functions carried out?" (29). Sein Indikator für Religiöses ist das "Uber¬

natürliche" (supernatural). So unterscheidet er zwischen zwei Ebenen, der des

Volkes (Religiosität ohne ethische Konnotationen) (30) und einer anscheinend

agnostischen konfuzianischen Tradition säkularer Orthodoxie. Er verwirft die

bereits zitierte These Liang Ch'i-ch' aos ebenso wie das Abdrängen des "Super¬

natural" in die Folklore (Bodde) mit dem verständnisvollen Hinweis, diese Ur¬

teile seien zum Teil auch eine Folge der weltweiten Säkularisation. Yang stellt

fest, "religious influence, in the supernatural sense, permeates every aspect

of Chinese social life, but without developing a position of general structural

importance in social organization" (3l). Solche "dominantsubordinate working

relationship" zwisehen Religion und einem weitgehend rationalistischen Denk¬

system sei durch folgende drei Faktoren ermöglicht worden:

a) Das Vorhandensein bestimmter religiöser Elemente im konfuzianischen

Denken.

b) Die Trennung zwischen Ethik und Religion, die eine Kooperation zwischen

Konfuzianismus und Religion direkt hervorruft. Dabei versteht er den Konfu¬

zianismus als eine diesseitige, moralorientierte soziopolitische Doktrin mit

religiösen Qualitäten (32).

c) Die organisatorische Schwäche chinesischer Religionen, die Religion

immer in einer strukturell untergeordneten Position halten konnte. Als wesent¬

lichsten Faktor darüberhinaus vermutet er "the dominance of diffused religions

in Chinese social life" (33).

Obwohl also Yang die chinesische Gesellschaft als durch und durch von reli¬

giösen Faktoren beeinflußt sieht, kommt auch er nicht über die Unterscheidung

in "classical religion", von der er schreibt "classical religion had long been diffused into major secular institutions", und die Rolle des "supernatural"

hinaus und bleibt befangen in der Diesseits-Jenseits-Unterscheidung. Dies

hängt wesentlich mit seinem methodischen Ansatz zusammen. Yang bezieht

Religion als Teilsystem des sozialen Systems auf eine Teilumwelt, zu der das

Religionssystem besondere interchange-Beziehungen unterhält. Er nennt die¬

sen Umweltteil "the supernatural", was etwa dem entspricht, was T. Parsons

(wohl in Anlehnung an Paul Tillich) "ultimate reality" nennt (34). Ein ent¬

scheidender Mangel dieses systemtheoretischen Ansatzes ist, daß er die Be¬

zugspunkte, die Sollwertbestimmungen sozialer Systeme nicht formulieren

und daher die historische Dimension nicht thematisieren kann. Um dies zu

können, brauchte man für den Bereich des kulturellen Systems ein evolutio¬

näres Phasenmodell. Uber ein überzeugendes evolutionäres Phasenmodell

verfügen wir jedoch bis heute nicht (35). (Allerdings können wir anhand be¬

reits verfügbarer Daten heuristische Annahmen machen, die uns schritt¬

weise und kontrollierbar einem solchen Modell näherbringen. )

Wollte man die Funktion der Religion in strenger Analogie zur Funktion

wissenschaftlicher Erkenntnis, vermittels deren soziale Systeme sich auf

eine physische Natur beziehen, konzeptualisieren, so müßte man als "Um-

(7)

gebung" der religiösen Vorstellungen das, wasParsons "ultimate reality"

nennt, angeben. Und man müßte die - für die Systemtheorie entscheidende -

Annahme machen, daß die Umgebung für das jeweilige System den Charakter

einer nicht frei manipulierbaren Gegebenheit hat. Dem ist jedoch entgegenzu¬

halten, daB religiöse Symbolsysteme für ihren expliziten Gegenstand (ultimate

reality) in einem viel strengeren Sinne konstitutiv sind als es die Naturwissen¬

schaft für die Natur ist. - Ein weiterer Einwand wissenschaftslogischer Art

ist der, daß sich funktionalistische Aussagen kausal-analytisch reformulieren

lassen. Niklas Luhmann, der diesen Einwand dadurch aufzufangen versucht,

daß er das Fundierungsverhältnis von Kausalität und Funktionalität umkehrt,

hat aus dieser Umkehrung eine These zustande gebracht, die auf den ersten

Blick eine Lösung verspricht.

Luhmann geht davon aus, daß Religion an die Ebene des gesamtgesellschaft¬

lichen Systems gebunden bleibt (36). Seine Überlegungen verlaufen etwa fol¬

gendermaßen: Wenn, beispielsweise, jemand anders handeln kann, als er¬

wartet wurde, und wenn dies antizipierbar ist, entsteht das Problem rechtli¬

cher Normierung und verfalirensmäßiger Abwicklung von Konflikten und Ver¬

stößen. Wenn mehr Möglichkeiten sichtbar werden, wenn die Realität als

"auch anders möglich" bewußt wird, werden Einrichtungen notwendig, die Se¬

lektion und Verwerfung ermöglichen, Formeln wie ein bestimmtes Prinzip

politischer Legitimität, wie Pietät, etc. Die Instituierung solcher Formeln

sei Sache von Religion gewesen. Zur Kontrolle solcher Formeln sei jedoch

in dem Maße, indem sie Struktur gewinnen, eine unmittelbare religiöse Le¬

bensorientierung entbehrlich, ja hinderlich. In einer eigentümlichen Weise

beruhten sie auf Religion, übernähmen ihre Funktion - und distanzierten

zugleich von Religion.

Mit dieser Formulierung gewinnen wir m.E. auch eine fruchtbarere Be¬

schreibung dessen, was Yang noch als "religious diffusion" bezeichnet. Was

er als "versteckt religiösen Konfuzianismus" beschreibt, entpuppt sich als

ein bestimmtes System von Kontingenzformeln, das sich von Religion distan¬

ziert und dabei doch nicht hinreichend ist, so daB es zur Selektion immer

wieder Religion zulassen muß (37). Dies findet seinen Ausdruck darin, daß

in unsicheren Verhältnissen immer wieder religiöse Sinngewinnung, und d.h.,

in der Sprache Luhmanns, Reduktion von Komplexität, Orientierung und Aus¬

wahl aus vielen Möglichkeiten, notwendig wurde.

Damit ist ein Zusammenhang hervorgehoben, dessen Beachtung uns zwei¬

erlei ermöglicht: Wenn wir das, was wir bisher als orthodoxen Konfuzianis¬

mus zu bezeichnen gewöhnt sind, als die Institution von Formeln ansehen,

für deren Kontrolle eine unmittelbare religiöse Lebensorientierung entbehr¬

lich, ja hinderlich ist, die selbst jedoch auf Religion beruhen, ihre Funktion

übernehmen und zugleich von Religion distanzieren, dann können wir auf eine

befriedigendere Erklärung dafür hoffen, warum beispielsweise der Agnostische

Fan Chen auch von Konfuzianern abgelehnt wurde, warum der offiziell gedul¬

dete Buddhismus und Taoismus großen Teilen der Bevölkerung nicht genügte.

Allerdings geschieht die Instituierung solcher Formeln wie Legitimität,

Pietät, etc. nicht willkürlich, sondern unter bestimmten Randbedingungen;

es handelt sich also nicht um eine "freie Wahl", sondern höchstens um die

Wahl unter sehr wenigen, in der Regel nur wenig voneinander unterschiede¬

nen, Möglichkeiten, deren Rahmen durch Tradition und Sprache, durch tra-

(8)

dierte Deutungssysteme, etc. bedingt ist. Dies wird plausibel durch die an

dem Beispiel der Weißen-Lotus-Gesellschaft als "typisch" erkannten Er¬

scheinungen, auf die wir freilich heuristische Annahmen stützen können, um

bestimmte Phasen religiöser Entwicklung zu formulieren (38).

Der Versuch jedoch, religiöse Entwicklung unter Rückgriff auf das System-

Umwelt-Schema darzustellen, muß aus bereits angedeuteten Gründen schei¬

tern. Wenn man nämlich, wie Robert N. Bellah, die religiöse Entwicklung

als einen Prozeß beschreibt, in dem die Unterscheidung zwischen "really

ultimate conditions" und solchen, die verfügbar sind, zunehmend klar werde,

verkennt man, daß es in religiösen Deutungssystemen nicht um die Verfügbar¬

machung einer Umwelt handelt, sondern um den Sinn der "letzten Bedingungen"

des menschlichen Lebens, die eher DefinitionsmerkmEile des Systems selber

als eine Umwelt darstellen. Der Religion ist daher auch keine funktionale Rol¬

le in sozialen Systemen zuzuweisen, da sich letztere gerade erst durch die

Entwicklung von Regel- und Orientierungssystemen, mithin von Religion, kon¬

stituieren (39). Hier ist jedoch eine Unterscheidung geboten: Wir müssen

m.E. unterscheiden zwischen "really ulimate conditions" einerseits und an¬

dererseits jenen sonstigen sogenannten höheren oder "Überbau"-Bereichen

der Kultur, in denen wir zweifellos am ehesten mit Einschränkungen der ra¬

tionalen Kommunikation und Assoziation durch autoritäre Repressionen und

Tabuisierungen von Worten und Handlungen zu rechnen haben, mit ideologischen

Fixierungen der Selbstentfremdung der vergesellschafteten Menschen. Von Vor¬

stellungswelten allerdings, die sich auf die "really ultimate conditions" bezie¬

hen, die am Ende übrig bleiben mögen, läßt sich gegenwärig schon allein des¬

halb nicht sinnvoll reden, weil in allen uns bekannten Weltbildern und religiösen

Vorstellungswelten die eben vorgenommene Unterscheidung sich nicht erkenn¬

bar zeigt, sondern nur als verborgen vermutet werden kann (40).

Wenn v/ir Religionsgeschichte beschreiben wollen und diese ganz allgemein

als einen Reflexionsprozeß verstehen, innerhalb dessen sich die Menschheit

in zunehmendem MaJ5e Klarheit über ihr eigenes Wesen verschafft und sich

von dem quasi-naturwüchsigen Zwang herrschender Normensysteme emanzi¬

piert, und wenn wir einsehen, daß dieser Prozeß durch Veränderungen im öko¬

nomischen Sektor ermöglicht und durch Auseinandersetzungen mit den politi¬

schen Institutionen vorangetrieben wird, dann bedeutet dies für die Religions¬

geschichte Chinas, das "nicht immer konfuzianisch (war) und ... es auch

in Zukunft nicht sein (wird)" (O. Franke), daß wir, wenn wir nach den Be¬

dingungen der Religionsformen und - Inhalte in China fragen, die politischen

Institutionen mit untersuchen müssen. Und es bedeutet zugleich, daß zur Kennt¬

nis der Erhaltungsbedingungen der politischen Institutionen wie ihrer Veränder¬

barkeit die Einsicht in die Erscheinungsformen der Religion unerläßlich ist.

Es kommt also darauf an, den Zusammenhang zwischen Religionsgeschichte

und der "anderen" Geschichte zu erhellen. Dabei dürfen wir uns nicht auf die

Geschichte der institutionalisierten Religion beschränken, sondern Fragen

wie die nach der Legitimation von Herrschaft, dem Rechtssystem, der Dul¬

dung, Kanalisierung oder Unterdrückung abweichender Meinung, etc. gehören

mit in diesen Zusammenhang. Dabei kann die Funktionalistische Methode

zwar die Grundlage für einige heuristische Annahmen abgeben, doch die Frage

nach Veränderungen kann sie nicht beantworten. Daran ändert der mögliche

Einwand nichts, die "typischen" Beispiele zeigten doch gerade eine relative

(9)

Gleichförmigkeit, denn eine funktionalistische Analyse kann uns auch bei der

Beantwortung der Frage nicht helfen, warum es so wenig Veränderung, warum

es diese Gleichförmigkeit gegeben habe.

Anmerkungen

1. Bertrand Rüssel, zitiert nach Lily Ahegg, Ostasien denkt anders , Mün¬

chen (Desch) 1970, p. 132.

2. So beispielsweise Cheng Te-k'un, The Religious Outlook of the Chinese .

The China Society, London 19 56, p. 1.

3. Siehe die Arbeiten C.K. Yangs, der methodisch im wesentlichen der

strukturfunktionalistischen Schule folgt; vgl. auch Marcel Granet, La

Religion des Chinois . Paris ^1951, bes. p. 162.

4. J.J.M. deGroot, Universismus, Die Grundlage der Religion und Ethik .

des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas , ßerlin 1918, p. 2.

5. Auf die Schwierigkeit, den Religionsbegriff im Zusam menhang mit China

zu definieren, weist auch Werner Eichhorn, Die Religionen Chinas . Stutt¬

gart 1973, p. 11, hin.

6. Vgl. beispielsweise die Dokumentation verschiedener Interpretations¬

ansätze bei Christoph Elsas (Hrsg. ) Religion , München 1975.

7. Marcel Granet, Das Chinesische Denken (Deutsch von Manfred Porkert),

München 1963, p. 318.

8. Ebd.

9. Eine aufschlußreiche Dokumentation über Geschichte und Stand der Re¬

ligionswissenschaft hat jüngst G. Lanczkowski vorgelegt: Selbstverständ ¬

nis und Wesen der Religionswissenschaft , Darmstadt 1974. - Das be¬

deutet freilich nicht, daß wir nicht Disziplinen wie etwa der Religions¬

soziologie wichtige Anregungen entnehmen könnten; bis zu gewissem

Grade können uns auch Arbeiten vergleichender Religionshistoriker hel¬

fen (etwa Friedrich Heiler, Erscheinungsformen und Wesen der Religion .

Stuttgart 1961), doch ist auch dort zur Religionsgeschichte Chinas nur

das verarbeitet, was die Sinologen produziert haben.

10. Siehe hierzu vor allem die Arbeiten von Mizuho Sawada.

11. Cheng Te-k'un op.cit. , p. 1.

12. Ebd., p. 2.

13. Siehe Liang Ch'i-ch'ao. Yin-ping-shih ch'üan-chi XXIII, 138-41.

14. Siehe Wolfgang Bauer, China und die Hoffnung auf Glück , München 1972,

p. 571.

15. Vgl. u.a. Adrian Hsia, Die chinesische Kulturrevolution , Neuwied/Ber¬

lin 1971, bes. p. 262 ff.

16. G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte . Ffm.

1969, p. 166, vgl. auch ders.: Vorlesungen über die Philosophie der

Religion . Bd. 2, Ffm. 1969, p. 322; mit denen Hegels nahezu identische

Formulierungen zur Religion in China finden sich beispielsweise bei

Erich Schmitt in Alfred Bertholet (Hrsg. ), Religionsgeschichtliches

Lesebuch . Die Chinesen . Tübingen 1927, p. 1.

17. Vgl. Vincent Y.C. Shih, Some Chinese Rebel Ideologies, TP 44 (1956),

p. 150-226, hier p. 218.

18. Informationen zur Pai-lien-chiao finden sich z.B. bei Vincent Y.C. Shih,

op.cit., sowie in der von T'ao Hsi-sheng in Shih-huo 1 (1935) über-

(10)

setzten Arbeit Shigematsu Shunshos. Siehe ferner die Bibliographie in

Jean Chesneaux, et al., Mouvements Populaires et Societes Secretes

en Chine aux XIX© et XXe Siecles . Paris 1970, p. 472-488.

19. Siehe hierzu Eric Zürcher, The Buddhist Conquest of China . Leiden

1959.

20. Zum Fo-tsu-t' ung-chi (compl. i.J. 1269) siehe Jan Yün-hua, The Fo-

tsu-1'ung-chi, a Biographical and Bibliographical Study , in: Oriens

Extremus 10 (1963) p. 61-82.

21. Taisho-Edition, Bd. 49, No. 2035, p. 475al5.

22. Vincent Y.C. Shih, op. cit., 107: T'ui-pei t'u "a book with pictures

describing the rise and fall of dynasties"; zur Gattung T'ui-pei t'u siehe

neuerdings Wolfgang Bauer, Das Bild in der Weissage- Li teratur Chinas .

München 1973.

23. Ta Yüan t'ung-chih t'iao-ke. che. 28., p. 30a/b.

24. T'ung-chih t'iao-ke . ch. 29, p. 17 a/b.

25. Yüan Tien-chang . ch. 33, p. 12 a/b.

26. Zur Legitimation T'ai-tzus s.a. A. K. Seidel, A Taoist Immortal of the

Ming-Dynasty: Chang San-feng. in: Wm.Th. de Bary (Hrsg. ), Self and

Society in Ming Thought . New York/London 1970, p. 488-492.

27. A.F. Wright, A Historians Reflections on the Taoist Tradition , in: History

of Religions 9, 2/3 (Nov. 1969/Febr. 1970) p. 255.

28. Für solche Häresie-Gesetzgebung nach Errichtung einer neuen Dynastie

finden sich seit der Erlasse Liang Wu-tis gegen den Taoismus in jeder

Dynastie Beispiele. Allerdings waren solche Gesetze nicht immer leicht

durchzusetzen, wie zum Beispiel zu Beginn der T' ang-Dynastie. Auch

finden wir den umgekehrten Fall, daß eine Sekte (hier: buddhistische

Schule) dadurch Ansehen und Verbreitung fand, daß sich ein Herrscher

auf sie berief; dazu neuerdings Stanley Weinstein, Imperial Patronage

in the Formation of T' ang Buddhism , in: A.F. Wright/D. Twitchett

(Hrsg. ) Perspectives on the T' ang , New Häven/London 1973.

29. C.K. Yang, Religion in Chinese Society , Berkeley 1961, p.l.

30. Ebd., p. 3.

31. C.K. Yang, The Functional Relationship between Confucian Thought and

Chinese Religion , in: J.K. Fairbank (Ed.), Chinese Thought and In ¬

stitutions , Chicago/London 19 57, p. 289.

32. CK. Yang, Religion in Chinese Society , p. 26.

33. CK. Yang, The Functional Relationship , p. 290. In dieser Ver¬

schränkung sieht er auch einen Grund dafür, daß es nicht zu einer Ent¬

wicklung eines "rationalen" sozialen Systems in China gekommen sei.

34. Vgl. Paul Tillich, Biblical Religion and the Search for Ultimate Reality .

Chicago 1955.

3 5. Robert N. Bellah hat in einem vielbeachteten Artikel (Religious Evo¬

lution, American Sociological Review 29 (1964) p. 358-374.) den Ver¬

such unternommen, die Entwicklung von belief-systems in einem system-

theoretisch-konzeptualisierten Phasenmodell zu fassen. Zur Kritik an

diesem Versuch s.u.a. Rainer Döbert, Systemtheorie und die Entwick ¬

lung religiöser Deutungssysteme , Ffm. 1973.

36. Siehe Niklas Luhmann, Religiöse Dogmatik und gesellschaftliche Evo¬

lution , in: K.W. Dahm, et al., Religion - System und Sozialisation .

Darmstadt/Neuwied 1972, p. 15-132, hier bes. p. 20 ff.

(11)

37. Vgl. allgemein zu diesem Zusammenhang auch Karl Bünger, Religiöse

Bindungen im chinesischen Recht, in: Karl Bünger und Hermann Trimborn,

Religiöse Bindungen in frühen und in orientalischen Reichen , Wiesbaden 1952.

38. Gegen das, was wir am Beispiel der Weißen-Lotus-Gesellschaft als

"typisch" erkannten, läßt sich natürlich mit Peter Winch einwenden, "daß

jede beliebige Reihe von Handlungen eines Menschen durch die eine oder

andere Formel erfaßt werden kann, wenn man nur eine hinreichend kom¬

plizierte Formel wählt." S. Peter Winch, Die Idee der Sozialwissenschaft

und ihr Verhältnis zur Philosophie , Ffm. 1966, p. 42. - Es kommt also

darauf an, das unverzichtbare Interesse am "Verstehen" des "Sinnes"

von Handlungen aufrechtzuerhalten. Gegen den Einwand Winchs ist man

im Bereich der historischen Forschung dann gefeit, wenn man sich be¬

müht, funktionalistische Hypothesen unter Befragung der relevanten Texte

kausalanalytisch aufzulösen versucht.

39. Luckmann und Berger haben diese These ausführlicher zu untermauern

versucht; siehe T. Luckmann, P. Berger, Die gesellschaftliche Kon¬

struktion der Wirklichkeit . Ffm 1969.

40. Darin liegt m.E. auch der stärkste Einwand gegen die u.a. von Eliade

vertretene Auffassung von der Reversibilität von Religions geschichte ,

siehe M. Eliade, Schamanismus und archaische Ekstasetechnik . Zürich/

Stuttgart, o. J. , p. 7 f.

(12)

DER CHINA-EROBERUNGSPLAN DES TOYOTOMI HIDEYOSHI

Von Arcadio Schwade, Bochum

Toyotomi Hideyoshi wird von den japanischen Historikern als eine der

größten und am meisten bewunderten Persönlichkeiten in der Geschichte Ja¬

pans angesehen. Innenpolitsch war es ihm gelungen, das von Oda Nobunaga

begonnene Werk der Wiedervereinigung des Reiches erfolgreich fortzusetzen.

Die von ihm in Japan geführten Feldzüge waren praktisch alle mit großer

Sorgfalt und Voraussicht geplant und siegreich durchgeführt worden. Eine

weniger glückliche Hand hatte er jedoch bei seinen außenpolitischen Unter¬

nehmen, vor allem mit seinem China-Eroberungsplan.

In dieser Studie soll untersucht werden, wie Hideyoshi überhaupt auf den

Gedanken kam, das Reich der Ming zu erobern und welche Ziele er damit

verfolgte ?

Entstehung des China-Eroberungsplanes

Eine der ersten deutlichen Äußerungen von Hideyoshi über seine Absicht,

China zu erobern, fiel am 4. Mai 1586, beim Empfang des Vizeprovinzials

der Jesuiten, Gaspar Coelho und seiner Begleitung. Einer der Augenzeugen,

P. Luis Frois (l), berichtet über Hideyoshis Worte wie folgt: "Nach der

Unterwerfung Japans unter seine Macht wolle er nicht noch mehr Reiche,

Gold und Silber besitzen. Davon habe er jetzt in ausreichender Menge. Was

ihm vor allem am Herzen liege, sei, nach seinem Tode, Ruhm und Glanz

seiner Macht zu hinterlassen. Er habe vor, die Angelegenheit Japans so zu

regeln, daß ihm ein dauerhafter Friede gesichert bliebe. Danach wolle er die

Herrschaft seinem Bruder, dem Minodono (2), übergeben. Er selbst beab¬

sichtige, die Reiche Chinas zu erobern. Zu diesem Zwecke werde er das

Holz für den Bau von zweitausend Schiffen schneiden lassen, um mit ihnen

sein Heer nach Korea überzusetzen. Von den Patres wünsche er nur, daß

sie ihm (von den Portugiesen) für Geld, zwei große Schiffe besorgten ..." (3)

Wie aus diesem Bericht hervorgeht, dachte Hideyoshi spätestens schon

im Jahre 1586 ernsthaft an eine Eroberung Chinas. Unter den japanischen

Geschichtsschreibern besteht keine einheitliche Meinung darüber, wie Hide¬

yoshi auf diesen Plan gekommen ist. Kuwata Tadachika vertritt die Meinung,

daß dieser Plan schon aus dem Jahre 1585 stamme. Nach der Unterwerfung

des Sasa Narimasa soll Hideyoshi bereits in einem Brief an KatS Mitsuyasu

den Plan, China zu erobern, erwähnt haben (4).

Während der Vorbereitung des Kyüshüfeldzuges (1586) soll er bei der Zu¬

teilung einer Handelserlaubnis an Mori Terumoto dieselbe Absicht geäußert

haben (5). Um dieselbe Zeit teilte Hideyoshi auch dem Feudalherrn der In¬

sel Tsushima, Sö Yoshishige, mit, er wolle nach dem Kyüshüfeldzug Korea

erobern und forderte ihn gleichzeitig auf, ihn dabei zu unterstützen (6). Sö

Yoshishige jedoch wehrte sich gegen den Plan seines Herrn und ließ ihm

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