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Archiv "Die genetische Beratung soll erweitert werden: Bericht zum Tagesordnungspunkt III: „Genetische Beratung und pränatale Diagnostik“" (08.06.1978)

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Die Information:

Bericht und Meinung

81. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Die genetische Beratung soll erweitert werden

Bericht zum Tagesordnungspunkt 111:

"Genetische Beratung und pränatale Diagnostik"

"Eine Gesellschaft, die eine Mög-

lichkeit ärztlicher Kunst, wie sie die genetische Beratung und die pränatale Diagnostik darstellen, nicht jedem Ratsuchenden zu- kommen läßt, ist unmoralisch."

Diese Mahnung setzte Professor Dr. med. Jan-Diether Murken (Lei- tender Oberarzt an der Kinderpoli- klinik, Pettenkoferstraße 8a, Mün- chen 2) an den Schluß seines "Re- ferates" zum Tagesordnungs- punkt 111/"Genetische Beratung und pränatale Diagnostik" (Der Wortlaut des Vortrags ist auf Seite 1379 des vorliegenden Heftes do- kumentiert.)

Der Münchner Kinderarzt und Hu- mangenetiker hatte auf die prekä- re Situation hingewiesen, daß En- de dieses Jahres die finanzielle Förderung der Deutschen For- schungsgemeinschaft (DFG) für das Schwerpunktprogramm "Prä- natale Diagnostik genetischer De- fekte" ausläuft. Der aktuelle Stand . genetischer Vorsorgemedizin je-

doch geht in den einzelnen Bun- desländern mit Ausnahme von Ba- den-Württemberg, Berlin und Nie- dersachsen über vage Absichtser- klärungen kaum hinaus.

Die Probleme der praktischen An- wendung genetischer Beratungen und pränataler Diagnostik, ver- bunden mit den offenen Fragen, die durch das Auslaufen der For- schungsförderung der DFG ent- stehen, hatten im vergangenen Jahr den 80. Deutschen Ärztetag bewogen, dem Themenkomplex einen eigenen Tagesordnungs- punkt einzuräumen.

Professor Murken sprach fünf Aspekte der genetischen Beratung und pränatalen Diagnostik an:

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Indikationen

zur pränatalen Diagnostik ...,. erhöhtes Alter der Mutter;

...,. vorangegangenes Kind mit Chromosomenaberration;

...,. balancierte Chromosomenaber- ration bei einem Elternteil;

...,. Vorliegen eines X-chromoso- mal rezessiven Erbleidens; ...,. Vorliegen eines rezessiv erbli- chen Stoffwechselleidens

...,. genetisches Risiko für einen of- fenen Neuralrohrdefekt

f) Erforderliche Kapazitäten für genetische Beratung und pränatale Diagnostik Die Gesamtzahl der Frauen, bei denen eine pränatale Untersu- chung indiziert ist, schätzt Profes- sor Murken auf etwa 53 000 pro Jahr. Bei der Annahme, daß nur etwa 20 Prozent aller Frauen, für die eine Untersuchung angebracht wäre, sich dieser auch unterzei- hen, wären demnach 11 000 bis 12 000 Untersuchungen pro anno zu fordern. Die vorhandenen hu- mangenetischen Institute und Be- ratungsstellen reichen jedoch nicht einmal aus, um etwa 20 Pro- zent der gefährdeten Risikogrup- pe Untersuchungen anbieten zu können.

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Entschließung

der Gesundheitsminister- Konferenz (GMK)

"Es ist offensichtlich", so Profes- sor Murken, "daß die pränatale Diagnostik auch in der ferneren Zukunft nur einen Teil der geneti- schen Risiken in der Schwanger- schaft eliminieren kann. Deshalb kommt der genetischen Beratung

1376 Heft 23 vom 8. Juni 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

zur Vorbeugung von Erbkrankhei- ten eine erhebliche Bedeutung im Rahmen der Präventivmedizin zu. Im Gegensatz zur pränatalen Dia- gnostik, die durch die Initiative der DFG in der Bundesrepublik eta- bliert werden konnte, sind die per- sonellen Voraussetzungen für die genetischen ·Beratungen in den meisten Bundesländern unzurei- chend." Daran, so Murken, änder- te auch die Entschließung "Hu- mangenetische Beratung" nichts, die von der 40. Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständi- gen Minister und Senatoren der Länder (GMK) Anfang November 1977 in Berlin veröffentlicht wor- den ist. Darin heißt es unter ande- rem: Um das humangenetische Beratungsangebot zu erweitern, wird die GMK bemüht sein, Mög- lichkeiten der genetischen Bera- tung auch an den Gesundheitsäm- tern und anderen Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdien- stes mit dem Ziel zu verbessern, daß dort Beratungen in enger Zu- sammenarbeit mit den wissen- schaftlichen Instituten durchge- führt werden können. Die Fortbil- dung des dafür geeigneten Perso- nals wird die GMK in Zusammen- arbeit mit diesen Instituten und den Akademien für öffentliches Gesundheitswesen nachdrücklich fördern. Sie geht davon aus, daß auch die ärztliche Fortbildung durch die Berufsvertretungen sich dieser Frage intensiv annehmen

wird. Die GMK spricht sich im übri-

gen für die Einrichtung von hu- mangenetischen Instituten an al- len Universitäten aus.

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Kosten und Nutzen genetischer Beratung und pränataler Diagnostik Im vierten Abschnitt seines Refe- rats untersuchte Professor Mur- ken Kosten und Nutzen der Prä- vention durch pränatale Diagno- stik. Er sieht den Sinn solcher Analyse darin, daß dadurch den Entscheidungsträgern im Gesund- heitswesen die notwendigen Op- tionen erleichtert werden. Im Falle des Mongolismus zum Beispiel entstünde durch Untersuchung al-

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Die Information:

Bericht und Meinung Genetische Beratung

ler Frauen über 40 Jahren und durch Schwangerschaftsabbruch bei pränatal diagnostizierten mon- goloiden Feten ein monetärer Nut- zen von mehr als 16 Millionen DM.

Stellt man die jährlich anfallenden Kosten für eine genetische Bera- tungsstelle mit 650 000 DM in Rechnung, durch deren Arbeit pro Jahr die Geburt von 200 bis 250 erbkranken Kindern verhindert werden könnte, dann kann man folgern, daß sich jährlich etwa 20 bis 25 Millionen DM an Folgeko- sten einsparen ließen.

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Ethische Überlegungen Der Referent wandte sich am Ende seines Vortrags gegen das Argu- ment, die Einführung der pränata- len Diagnostik bewirke ein Anstei- gen der Zahl der Schwanger- schaftsabbrüche. Er vertrat die Auffassung, die Möglichkeiten der pränatalen genetischen Diagno- stik ermutigten Eltern mit geneti- scher Belastung vielmehr, Schwangerschaften zu planen, die ohne die Anwendung dieser neuen Methode als zu hohes Risiko emp- funden würden. Entsprechendes gelte auch für die sachgerechte genetische Beratung: Erst die ge- netische Beratung mit einer ge- nauen Abgrenzung des Risikos, das meist wesentlich geringer sei, als von den betreffenden Eltern subjektiv angenommen, könne den Wunsch nach einer weiteren Schwangerschaft aufkommen las- sen. Der Schwangerschaftsab- bruch sei die Ausnahme; nur etwa drei Prozent der pränatalen Unter- suchungen führten zum Abbruch.

Aus diesen Gründen kam Profes- sor Murken zu dem Schluß, es ge- be zur Zeit kaum stärker geburten- fördernde Maßnahmen als geneti- sche Beratung und pränatale Dia- gnostik.

Diskussion um

Fragen der Praktikabilität An das mit starkem Beifall aufge- nommene Referat des Münchner Kinderarztes und Humangeneti- kers schloß sich eine längere De-

batte der Delegierten des Ärzteta- ges an, in der es im wesentlichen um Fragen der Praktikabilität von Vorsorgemaßnahmen im Bereich der pränatalen Diagnostik und der genetischen Beratung ging.

Das generelle Hypothyreose- Screening nach der Blutentnahme post partum wurde in Diskussions- beiträgen als sinnvolle Früherken- nungsmaßnahme dargestellt, die nicht nur sozial und ökonomisch nützlich sei, sondern eine echte ethische Verpflichtung darstelle.

Ein Streit um Zuständigkeiten zwi- schen Organisationen oder Mini- sterien dürfe sich im Interesse der Sache nicht entwickeln. Neugebo- renen-Screen ing-Untersuchungen zur Diagnose von Schilddrüsener- krankungen — so verlangten es einige Diskussionsteilnehmer — sollten von den auf diesem Gebiet erfahrenen niedergelassenen Ärz- ten vorgenommen werden, nicht aber in zentralen staatlichen Insti- tuten, wie in Hessen.

Entschließungsanträge lagen zum Tagesordnungspunkt III: Geneti- sche Beratung und pränatale Dia- gnostik vor, denen die Delegierten des 81. Deutschen Ärztetages mehrheitlich zustimmten. Die Ent- schließungen lauteten im einzel- nen:

Einrichtung und Ausstattung der Institute für Humangenetik

❑ „Der Deutsche Ärztetag be- trachtet die genetische Beratung einschließlich der pränatalen Dia- gnostik als vordringliche Aufga- ben der präventiven Medizin.

Er begrüßt den mit Hilfe der Deut- schen Forschungsgemeinschaft erreichten Aufbau der pränatalen Diagnostik in Deutschland.

Dagegen nimmt er mit Bedauern zur Kenntnis, daß bisher nur in we- nigen Ländern der Bundesrepu- blik die notwendigen Maßnahmen getroffen wurden, auch nur die Fortsetzung der bisherigen geneti- schen Diagnosemöglichkeiten nach dem Auslaufen der Förde-

rungsmaßnahmen der DFG mit Ende des Jahres 1978 sicherzu- stellen.

Auch die Einrichtungen für die ge- netische Beratung Gefährdeter und ihrer Familien sind in der Bun- desrepublik unzureichend ausge- stattet.

Der Deutsche Ärztetag appelliert an die zuständigen Länderministe- rien, die personelle und sachliche Ausstattung der Institute für Hu-

mangenetik und der entsprechen- den Einrichtungen an den Univer- sitäten so zu verstärken, daß der dringende Bedarf an genetischer Beratung und Diagnostik erfüllt werden kann und daß die Weiter- bildung einer ausreichenden Zahl von Ärzten auf dem Gebiet der me- dizinischen Genetik ermöglicht werden kann."

Neugeborenen-Screening auf Hypothyreose

❑ „Die zuständigen Gesundheits- behörden der einzelnen Bundes- länder werden aufgefordert, bald- möglichst ein generelles Neuge- borenen-Screening auf Hypothy- reose (Schilddrüseninterfunktion) einzuführen."

❑ „Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung wird gebeten, auf- grund der Bereitschaft der Deut- schen Gesellschaft für Laborato- riumsmedizin zur sofortigen Auf- nahme der für die Früherkennung der angeborenen Schilddrüsen- mangelzustände erforderlichen Laboratoriumsuntersuchungen das Programm der Früherkennung der angeborenen Hypothyreose baldmöglichst in die Tat umzuset- zen."

❑ „In der Bundesrepublik Deutschland sollen nach der Blut- entnahme post partum unverzüg- lich die Voraussetzungen geschaf- fen werden, daß Neugeborenen- Screening-Untersuchungen zur Schilddrüsen-Diagnostik durch die auf diesem Gebiet erfahrenen, niedergelassenen Ärzte durchge- führt werden können." UV

1378 Heft 23 vom 8. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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