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Archiv "Eugenik: Mörderische Folgen" (10.11.2006)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4510. November 2006 A3051

K U LT U R

D

as in Dresden beheimatete Deutsche Hygiene-Museum zeigt bis zum 24. Juni 2007 die aus Washington übernommene Ausstel- lung „Tödliche Medizin. Rassen- wahn im Nationalsozialismus“ und behandelt damit auch selbstkritisch die eigene Geschichte. Denn das Hygiene-Museum propagierte an hervorragender Stelle Eugenik und Rassenhygiene im Dienste der Na- tionalsozialisten, selbst dann noch, als die Unmenschlichkeit der Ras- senpolitik offensichtlich wurde.

Man habe „sehr viel Schuld auf sich geladen“, gesteht heute Museums- direktor Klaus Vogel ein.

Umso bemerkenswerter ist es, dass das Washingtoner Holocaust- Museum seine Ausstellung „Deadly Medicine“ gerade dort zeigt. Für Dresden wurde sie ein wenig neu ar- rangiert. Das Washingtoner Muse- um hat seit seiner Eröffnung 1993 einen guten Ruf als Ausstellungs-

und Forschungsstätte zur NS-Zeit, bekannt wegen seines verblüffen- den Fundus an Originalia und der gekonnten Präsentationstechniken.

Von beidem profitiert die Ausstel- lung „Deadly Medicine“. Sie trägt im Original den Untertitel „Creating the Master Race“.

Und der passt. Besser noch als der vom Hygiene-Museum unter- stellte „Rassenwahn“. Denn die Nazis wussten, was sie taten. Sie konnten sich bei Zwangssterilisati- on und Zuchtwahl auf international verbreitete wissenschaftliche Lehr- meinungen berufen. Selbst die als Euthanasie bezeichnete Ermordung von Behinderten und die Experi- mente an Menschen in Konzentrati- onslagern wurden wissenschaftlich bemäntelt und von Ärzten, die sich als Wissenschaftler gerierten, exe- kutiert. Den Gashahn aufzudrehen war einem Arzt vorbehalten.

Die Ausstellung beginnt folglich mit der ideologischen („wissen- schaftlichen“) Grundlegung und verschweigt dabei nicht, dass Eu- genik lange vor der Nazizeit in Deutschland wie im Ausland, etwa in England und den USA, weit ver- breitet war. In Deutschland folgte die Radikalisierung, bis hin zur in- dustriellen Tötung von Menschen, vor allem Juden, die „Endlösung“.

Mit dieser radikalen Umsetzung be-

schäftigt sich der zweite Teil der Ausstellung.

Auch wer aus der Literatur das Thema kennt, ist doch gepackt da- von, dass eine wissenschaftliche Lehre solch mörderische Folgen ha- ben konnte. Die Ausstellung be- wegt. So einfach wie effektvoll wird das Schicksal der Opfer nahege- bracht: Die Brille, die nach der Ver- gasung übrig blieb. Ein gekachelter Raum, an den Wänden Fotos von kleinen Kindern, die „euthanasiert“

wurden; die kahlen Wände symboli- sieren sowohl die Sterilität, unter der die Morde stattfanden, wie die Einsamkeit der Kinder, die nicht wussten, wie ihnen geschah.

In der Nähe Dresdens liegt die Stadt Pirna, hoch über ihr das Schloss Sonnenstein. 1940 und 1941 wurden in der dort unterge- brachten psychiatrischen Anstalt 14 751 Patienten umgebracht. Son- nenstein war eins der sechs Tötungs- zentren der Aktion T4. In Dresdens Umgebung liegen auch die Anstal- ten Großschweidnitz und Zschad- raß, beide Sammelstellen für Son- nenstein und auch selbst aktiv an Zwangssterilisation und „Euthana- sie“ beteiligt. Großschweidnitz zeigt sich heute betroffen darüber, Zentrum der „wilden Euthanasie“

(die auf T4 folgte) gewesen zu sein.

Zschadraß arbeitet in einem Projekt kunst+museum die Geschichte

künstlerisch auf. n

Norbert Jachertz

EUGENIK

Mörderische Folgen

Das Washingtoner Holo- caust-Museum zeigt seine Ausstellung „Deadly Medicine“ in Dresden – im Deutschen Hygiene- Museum, das einst für die Nationalsozialisten Propaganda machte.

Informationen: Die Ausstellung im Deutschen Hygiene- Museum läuft bis 24. Juni 2007 und ist geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Zur Ausstellung wird ein umfangreiches Begleitprogramm in Gestalt von Tagungen, Vorlesungen und Vorträgen angeboten. Beteiligt sind daran unter anderem die TU Dresden und das Hamburger Institut für Sozialforschung. Kontaktadresse: Deutsches Hygiene- Museum, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden, Telefon:

03 51/4 84 66 70. Internet: www.dhmd.de. Die Sächsische Landesärztekammer richtet im Februar und März 2007 eine Vortragsreihe („Ethik und Verantwortung in der modernen Medizin“) aus. Informationen unter Telefon:

03 51/8 26 71 60 und www.slaek.de. Die Gedenkstätte auf dem Sonnenstein (www.pirna-sonnenstein.de) ist montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr geöffnet, die Dauerausstellung kunst+museum in Zschadraß mittwochs von 13 bis 17 Uhr (oder nach Vereinbarung).

Internet: www.ort-jenseits-der-Strasse.de.

Foto:United States Holocaust Memorial Museum

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