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Archiv "Civil War Medicine Museum: Erinnerung an die Namenlosen" (12.03.1999)

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„. . . auf daß die Regie- rung des Volkes, durch das Volk, für das Volk nicht von der Erde verschwindet.“

Diese hehren Worte Abra- ham Lincolns verkörpern für die Amerikaner nach wie vor die Essenz des Bürgerkrie- ges, in dem von 1861 bis 1865 Bruder gegen Bruder stand und ein Riß durch die Nation ging, der nach mehr als ei- nem Jahrhundert nur mühse- lig, wenn überhaupt, geheilt ist.

Der erste moderne Krieg Weit prosaischer als die Worte des Märtyrerpräsi- denten, doch von ebensol- cher Symbolkraft für das gi- gantische Ringen zwischen Nord und Süd, zwischen Uni- on und Konföderierten, ist jenes Instrument, das im samtbeschlagenen Arztkof- fer trotz kleiner Rostflecken unheimlich im

Scheinwerferlicht funkelt – die Kno- chensäge. Der Amerikanische Bürgerkrieg wird der erste moderne Krieg genannt, mit Massenarmeen und Panzerschiffen, mit dem ersten U-Boot und mit Luftauf- klärung per Fessel- ballon – seine me- dizinische Seite wird jedoch domi- niert von jenem In- strument, das auf allen Schlachtfel- dern der Neuzeit ultima ratio der Chirurgen war.

Auch im Ameri- ka jener bewegten Jahre wurde in ei-

nem unvorstellbaren Aus- maß amputiert, ein Eingriff, der als einziger Ausweg er- achtet wurde, um das Leben des Patienten vor dem Wundstarrkrampf und ande- ren Infektionen zu retten.

Augenzeugen beschrieben voll Grauen die Berge ampu- tierter Gliedmaßen, die am Rande jedes Feldlazarettes zu beobachten waren, an den Orten, die sich in blutroten Lettern ins Buch der ameri- kanischen Geschichte ein- schrieben: Antietam und Gettysburg, Chancellorsville und Cold Harbor, Atlanta und Richmond.

Im Amerikanischen Bür- gerkrieg wurde die medizini- sche Versorgung, das gesam- te ärztliche Können der Epo-

che auf eine Probe von gi- gantischen Proportionen ge- stellt – und diese Probe wur- de, wenngleich unter vielen Opfern, bestanden. Es war dem Einsatz Tausender von Menschen, von Ärzten, aber auch von Krankenschwe- stern und freiwillig sich dem humanitären Dienst ver- pflichtender Frauen zu ver- danken, daß eine medizini- sche Versorgung bislang un- bekannten Ausmaßes aufge- baut werden konnte und der Steckschuß, das Fieber, die Enteritis nicht automatisch einem Todesurteil gleichka- men.

Eine knappe Autostunde nordwestlich von Washing- ton erinnert ein einzigartiges Museum an das Wirken der

Medizin im Schatten jener Giganten, die in Amerika je- des Schulkind kennt. Im Ci- vil War Medicine Museum in Frederick, Maryland, wird nicht von Abe Lincoln und Ulysses S. Grant, von Robert E. Lee und Stonewall Jack- son berichtet, sondern von den Namenlosen, die das un- ermeßliche Leid des ersten modernen Krieges zu lindern versuchten.

Bemühungen um Hygiene

Die Aufgabe, vor der sich die Ärzte und ihre Helfer ge- stellt sahen, begann, lange bevor die Rekrutierten sich in Marsch setzten. Junge Männer aus allen Teilen des Landes strömten mit einem dem Nachgeborenen kaum verständlichen Hurra-Pa- triotismus zusammen – und waren schon in akuter Le- bensgefahr, lange bevor sie den Feind zu Ge- sicht bekamen.

Binnen kurzem er- krankten bereits in den Ausbildungsla- gern viele jener Re- kruten schwer an Masern, Mumps und Windpocken, die nie mit Kinder- krankheiten in Berührung gekom- men waren. Viele starben, bevor sie sich an ihre Uni- form gewöhnt hat- ten.

Doch diese vira- len Erreger waren noch fast harmlos im Vergleich zu je- nen Bakterien, die für das weite Feld der Enteritiden verantwortlich wa- A-636 (60) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 10, 12. März 1999

V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN

Civil War Medicine Museum

Während des Amerikanischen Bürgerkrieges wurde eine medizinische Versorgung bisher unbekannten Ausmaßes aufgebaut.

Erinnerung an die Namenlosen

Krücken und Rollstühle waren in den Lazaretten des Bürgerkrieges unverzichtbar – die Amputation war

die mit Abstand häufigste Operation. Fotos: Ronald D. Gerste

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ren. Die Diarrhö forderte während des Krieges mehr Opfer als die Kampfhand- lungen selbst. Ob als (in ihrer Symptomatik den Ärzten oft kaum unterscheidbar) En- terokolitis, Typhus oder Ruhr, es war jene Art des Sterbens, die am allerwenig- sten mit der angeblichen Glorie des Krieges gemein hat.

Die bis an die Grenze der körperlichen und psychi-

schen Erschöpfung arbeiten- den Mediziner konnten al- lenfalls ahnen, daß ihr schlimmster Feind nur sub- mikroskopisch zu identifizie- ren war – die großen Ent- deckungen der Bakteriologie lagen in nicht mehr allzu fer- ner Zukunft. Doch mehr oder weniger unbewußt be- mühten sie sich um eine Hy- giene, die allmählich diesen Namen verdiente. Verbands- material wurde zunehmend ausgekocht; überall im Land – daran erinnert der Ausstel- lungsraum über die „Home Front“ – wurde sauberer Stoff gesammelt. Die große Errungenschaft der Antisep- sis kam für die Opfer des Bürgerkrieges zu spät, den anderen epochalen Durch-

bruch in der Medizin des 19.

Jahrhunderts machten sich die Armeeärzte – entgegen anderslautenden Klischees – in hohem Maße zunutze. Die segensreiche Erfindung der Narkose, die nur 15 Jahre vor Ausbruch des Krieges in Bo- ston ihre Uraufführung er- lebt hatte, linderte die schlimmsten Qualen der Knochensäge, Chloroform- und Ätherflaschen gehörten zur Grundausrüstung der mit

den Armeen durch Virginia oder entlang dem Mississippi ziehenden Chirurgen.

Großkliniken Doch nicht nur medizini- sches Wissen und Können waren gefordert, sondern auch das Organisationstalent des Sanitätswesens. Die auf- einanderprallenden Armeen stellten größenmäßig fast al- les in den Schatten, was die an Kriege bis zum Überdruß gewöhnte Menschheit je ge- sehen hatte. Wo Hunderttau- sende auf engstem Raum manövrierten, marschierten und fochten, stellte die Ver- sorgung und der Transport der Verwundeten eine neue Dimension dar. Ambulanz- wagen, wie sie das Museum in Frederick zeigt, von ein oder zwei Pferden gezogen, fuhren unter Gefahr für Sa- nitäter und Ärzte über die Blutäcker, um die um Hilfe Schreienden einzusammeln.

Wer die ersten Stunden in ei- nem Behelfs-Lazarett, im Zelt, häufiger noch in der

nächsten Kirche oder Schule, überlebt hatte, wurde in ei- nes jener Hospitäler ge- bracht, die auf beiden Seiten der Front aus dem Boden schossen und ein neues Zeit- alter genormten Kranken- hausbaus einläuteten.

In der für das 19. Jahr- hundert typischen Pavillon- bauweise (noch heute an manch deutscher Uniklinik zu sehen) entstanden wahre Großkliniken. Unübertrof- fen war das Chimborazo ge- nannte Hospital in Rich- mond, der Hauptstadt des Südens, das über 10 000 Bet-

ten verfügte. In Kliniken wie dieser arbeiteten nicht nur Hunderte von Ärzten, son- dern auch jene engagierten Frauen, die den Beruf der Krankenschwestern auch in Amerika endgültig etablier- ten. Die Medizin im Ameri- kanischen Bürgerkrieg – es ist die Geschichte von Hoff- nung in der schlimmsten al- ler Zeiten.

Anschrift des Verfassers Dr. med. Dr. phil.

Ronald D. Gerste Büdericher Allee 37 40667 Meerbusch

A-637 Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 10, 12. März 1999 (61)

V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN

Weitere Informatio- nen: National Museum of Civil War Medicine, 48 East Patrick Street, Frederick, Maryland 21705-0470, USA. Tel 0 01/3 01/6 95-18 64. Fax:

0 01/3 01/6 95-68 23.

Medizinische Geräte aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkrieges

Eine grüne Flasche mit der Aufschrift „Berliner Sol- wasser“ steht auf einem sil- bernen Tablett. Ein weißhaa- riger Mann geht zögerlich auf die Flasche zu, schenkt sich einen kleinen Becher ein und leert ihn, ohne mit der Wimper zu zucken. Was wie eine Szene aus

Fellinis „8 ½“

wirkt, spielt sich nicht in einem mondänen Kur- haus, sondern in der Naturwis- senschaftlichen Sammlung der Stiftung Stadt- museum in Ber- lin (Schloß- straße 69a) ab.

Noch bis zum 30. Juni ist dort die Ausstellung

„Der Berliner Untergrund“ zu sehen. Anhand von Fotos, Mo- dellen und Schautafeln stellt die Aus- stellung die we-

sentlich von der letzten Eis- zeit geprägte erdgeschichtli- che Entwicklung Berlins dar.

Daneben zeigt sie kon- krete Anwendungen wissen- schaftlicher Erkenntnisse:

1887 drangen Geologen erst- mals bis in die in 210 Meter Tiefe liegende sole-führende Gesteinsschicht vor. Durch

Druck trat das Salzwasser an die Oberfläche. Findige Ge- schäftsleute gründeten be- reits 1888 eine AG, ver- schrieben die Ärzte damals doch Sole-Kuren bei Gicht, Rheuma, Gelenk-, Magen- oder Darmleiden. Innerhalb kürzester Zeit wurden acht

Solebadeanstalten in Berlin eröffnet. Der Badeboom ging mit dem Ersten Welt- krieg zu Ende, doch wer sich von dem Hinweis „Kein Trinkwasser im rechtlichen Sinn“ nicht abschrecken läßt, kann im Museum das eisen- haltige salzige Heilwasser probieren. Gerlind Vollmer

Der Berliner Untergrund

Die Reproduktion eines Fotos von 1908 zeigt das abge- rissene Brunnenhäuschen des Luisenbades (heute: Ge- sundbrunnen). Foto: Stadtmuseum Berlin

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