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uf dem großformatigen Zeichenblatt ist eine bunte und fröhlich wir- kende Gesellschaft versam- melt. Überwiegend handelt es sich um Kopffüßler-Figuren, eine jede in unterschiedlichen Farben gezeichnet. Der Ein- druck eines clownesken oder karnevalistischen Treibens wird noch dadurch verstärkt, dass alle Figuren Hüte oder zumin- dest Kappen zu tragen schei- nen. Lediglich der Kopffüßler unten rechts fällt aus dem Rahmen, da er nur eine Reihe von Punkten im zentralen Rund aufzuweisen hat; zwei weitere Gebilde in der Mitte oben und rechts sind nicht zu- zuordnen.Womit haben wir es hier zu tun? Hat ein drei- bis vier- jähriges Kind seiner Fantasie und Lebensfreude freien Lauf gelassen? Allein schon aus for- malen Gründen sind Zweifel anzumelden, denn die Ver- wendung von so vielen Farben bei nur einer Figur sowie die
konstante Gestaltung von Kopfbedeckungen wäre sehr ungewöhnlich.Tatsächlich han- delt es sich auch nicht um eine Kinderzeichnung, sondern um die Zeichnung einer 75-jähri- gen Patientin auf einer geria- trischen Station. Bei Maria F.
war fünf Jahre zuvor ein Hirn- tumor diagnostiziert worden, der aufgrund seiner Lage nicht zu operieren war. Im Laufe der Zeit stellte sich eine zu- nehmende Verwirrtheit ein, welche die stationäre Aufnah- me notwendig machte.Auf der Station beteiligte sich die Pati- entin regelmäßig an der Be- schäftigungstherapie – und so entstand die hier gezeigte Ar- beit. Bedingt durch die hirnor- ganischen Beeinträchtigungen hat Maria F. auf das in uns al- len angelegte Bildschema des Kopffüßlers zurückgegriffen – eine Rückkehr zu den Anfän- gen. Die Hüte oder als Kap- pen imponierenden Gebilde können ein Hinweis auf eine Vorliebe für schöne Hüte im
Leben von Frau F. sein – sie könnten aber auch ein Hin- weis auf den Hirntumor sein.
Selbst Kinder geben in ihren Zeichnungen oftmals den Sitz
einer schwerwiegenden Er- krankung genau wieder, ob- wohl über die Erkrankung mit ihnen nicht gesprochen wor- den ist. Hartmut Kraft V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3023. Juli 2004 AA2135
Foto:Eberhard Hahne
„ohne Titel“ (1982), farbige Wachskreiden auf Papier, 56,3 cm
× 63 cm, unsigniert, undatiert
Biografie Maria F.:
Geboren 1907. Über die Lebensge- schichte der Patientin liegen keine Angaben vor. Diagnose eines inope- rablen Hirntumors 1977
Literatur
Kraft H: Die Kopffüßler – Eine transkultu- relle Studie zur Psychologie und Psycho- pathologie der bildnerischen Gestaltung.
Stuttgart: Hippokrates, 1982.
Kraft H: Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie. Köln: DuMont, 1998.
Petzold H: Mit alten Menschen arbeiten.
München: Pfeiffer, 1985.
Kunst und Psyche
Zurück zu den Anfängen
Samuel Hahnemann
Wertvolle Handschrift erworben
D
as Institut für Geschichte der Medizin (IGM) der Robert Bosch Stiftung verfügt in Stuttgart über die größte Sammlung an Original- manuskripten des Begründers der Homöopathie, Dr. Sa- muel Hahnemann (1755–1843).Vor kurzem konnte ein umfangreiches Hah- nemann-Manuskript er- steigert werden, das zu den Spitzenobjekten der Frühjahrsauktion von Reiss
& Sohn gehörte. Es handelt sich um die zweite, verbesserte und vermehrte Auflage (abwei- chend von den Angaben im Auktionskatalog) des sechsten Teils der „Reinen Arzneimittel - ehre“ (1827 im Druck erschie-
nen). Darin werden Wirkungen von neun Arzneimitteln und Heilpflanzen beschrieben. Eine Handschrift ähnlichen Umfangs kam zuletzt 1955 zur Versteige- rung. Das IGM besitzt damit nun Manuskripte von allen wichtigen Hahnemann- Werken. Der schwä- bische Industrielle Ro- bert Bosch (1861–1942) hat in den 20er-Jahren mit dem Aufkauf der Pri- vatsammlung eines Stuttgar- ter Arztes den Grundstock des heutigen Homöopathie-Archivs im Institut für Geschichte der Medizin geschaffen, dessen Be- standsverzeichnis über das In- ternet zugänglich ist (www.igm- bosch.de/f3.htm). EB
Hygiene-Museum
Neue ständige Ausstellung
Die gläserne Frau
Foto:Werner Lieberknecht
Ein wichtiges Etappenziel ist im Rahmen der Generalsanierung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden nach eigenen Angaben er- reicht. Am 2. April wurde auf einer Fläche von 1 500 Quadratmetern der erste Teil der neu konzipierten ständigen Ausstellung durch Kul- turstaatsministerin Christina Weiß eröffnet. Die Ausstellung – auf ei- ner Fläche von dann 2 500 Quadrat- metern – und das komplett sanier- te Gebäude werden voraussichtlich im April 2005 eröffnet. Die ersten vier Abteilungen beschäftigen sich mit Fragestellungen, die traditio- nell zu den Schwerpunktthemen (beispielsweise der gläserne Mensch, Leben und Sterben, Essen und Trinken, Sexualität) des Hauses gehören. Weitere Informationen:
www.dhmd.de. EB