A3272 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007
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rst unsterblich werden, dann sterben“ steht in großen Let- tern an der Wand der Ausstellungs- räume im Deutschen Hygiene-Mu- seum geschrieben. Der Tod trifft – früher oder später – alle Menschen.Und obwohl die Medien gefüllt sind mit Bildern von Tod und Gewalt, wird in den westlichen Kulturen der direkte Kontakt zu Toten gemieden.
Inzwischen delegieren die Men- schen den Tod an Experten, und Lei- chen haben im Alltag der Menschen keinen Platz mehr.
Den Tod wieder ins Bewusstsein gerückt
In sechs Kapiteln und mit 135 Expo- naten, wie Zeichnungen, Fotografien und Videoinstallationen, bringt die Ausstellung „Six Feet Under – Au- topsie unseres Umgangs mit Toten“
den Besuchern den Tod wieder ins Bewusstsein. „Gestorben wird im- mer“ – das erklärt schon der Unterti- tel zur gleichnamigen amerikani-
schen Fernsehserie, an deren Namen die Ausstellung angelehnt ist. Wohl auch, um ein jüngeres Publikum an- zulocken.
Die Darstellung kann ironisch- distanziert sein, wie etwa bei dem Totenschädel von Pinocchio von Mi- quel Barceló oder dem Sarg des US- amerikanischen Künstlers Joe Scan- lan. Er hat das bekannte Billy-Regal von Ikea umgearbeitet. Eine entspre- chende Installationsanweisung lie- fert er nach dem „Do-it-yourself- Prinzip“ gleich mit. Der Tod kann aber auch traurig-schön sein. In sei- nen Fotografien zeigt der japanische Fotograf Izima Kaoru den inszenier- ten Tod verschiedener Models. Fast so, als wäre das Lebensende ein Life- styleelement in einer Hochglanz- modezeitschrift. Aber auch der To- tenschädel hat in der heutigen Zeit einen ästhetischen und modischen Charakterzug bekommen. Kaum noch haftet ihm eine christliche Symbolik an, stattdessen wurde er in
der westlichen Kultur zu einem de- korativen Modeaccessoire.
Die Ausstellung will nicht schockieren, und doch geht es nicht ganz ohne Schockeffekte. Großfor- matige Detailaufnahmen aus einem Leichenschauhaus zeigen beispiels- weise den Tod durch Ertrinken, Feu- er, Meningitis und Erschlagen. Die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles setzt sich ganz anders mit dem Sterben auseinander. Man sieht Decken, in die Gewaltopfer gehüllt waren, und getrocknete Körperflüs- sigkeiten von Toten. Alles Weitere spielt sich in der Fantasie des Be- trachters ab: Die Leichen sind nicht zu sehen. Als ehemalige gerichtsme- dizinische Assistentin hat sie die Bil- der, die ihr im Leichenschauhaus von Mexiko-Stadt begegnet sind, künst- lerisch verarbeitet.
Nach dem Tod weiterleben
Während des Rundgangs kommt eine Durchsage des Hygiene-Mu- seums: Mehrere mexikanische Frau- en werden gebeten, sich an der Infor- mation zu melden – sie werden aber nicht auftauchen. Es handelt sich um die Namen einiger Frauen, die seit 1993 Opfer von Gewaltverbrechen in Mexiko wurden. Die Dresdner Künstlerin Claudia Schoetz hat die- se Soundperformance eigens für die Ausstellung im Deutschen Hygiene- Museum angefertigt.Zum Schluss – nach dem Rund- gang durch eine sehr schöne, aber auch recht kühle Ausstellung – gibt es den Leichenschmaus: 79,4 Kilo Bonbons dienen dem Verzehr durch den Besucher. Hierdurch soll die Er- innerung an den an Aids verstorbe- nen Freund des kubanischen Künst- lers Félix González-Torres, der ex- akt so viel wog, weiterleben. n Sunna Gieseke
INFORMATIONEN
Bis zum 30. März 2008 zeigt die Ausstellung „Six Feet Under – Autopsie unseres Umgangs mit Toten“ den Umgang der zeitgenössischen Kunst mit dem Tod.
Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden. Dienstags bis sonntags, feiertags: 10 bis 18 Uhr, geschlossen: montags, 1. Januar, 24. und 25. Dezember.
Weitere Informationen im Internet unter www.dhmd.de.
AUSSTELLUNG HYGIENE-MUSEUM DRESDEN
Zur Zukunft gehört der Tod
Die Ausstellung „Six Feet Under – Autopsie unseres Umgangs mit Toten“
im Hygiene-Museum in Dresden versucht, den Tod mit zeitgenössi- scher Kunst wieder ins Bewusstsein des Betrachters zu rücken.
Death Seminar II Araya Rasdjarm- rearnsook (*1974, Thailand), 2002, Videoprojektion, Courtesy of the artist
Foto:Deutsches Hygiene-Museum Dresden