RSA führe jedoch dazu, dass sich Kran- kenkassen selbst dann, wenn sie vom Nutzen der DMP nicht überzeugt sind, daran beteiligen müssen, weil sie sonst unwirtschaftlich handeln würden. Un- ter diesem Zwang sähen sich die Kran- kenkassen zudem mehr und mehr in ei- ner ungünstigen Verhandlungsposition gegenüber den Kassenärztlichen Verei- nigungen (KVen).
Auch Prof. Dr. med. Bertram Häuss- ler, Geschäftsführer des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung in Berlin, hält die Anbindung von Dis- ease-Management-Programmen an den RSA für wenig sinnvoll. Zwar könnten DMP gesundheitlichen Nutzen stiften und zur Vermeidung ineffizienter Be- handlung von Krankheitsfällen beitra- gen; unabdingbar sei aber eine individu- elle Potenzialermittlung, bei welchem
Patienten konkret ein Behandlungs- erfolg mit DMP wahrscheinlich ist. So seien etwa von Diabetes mellitus Typ 2 insbesondere ältere Menschen aus so- zial schwachen Schichten betroffen, sodass eine spezielle Ausrichtung der Behandlungsprogramme notwendig er- scheint. Ein solcher eher individueller Ansatz stehe aber den ökonomischen Interessen der Krankenkassen nach Einschreibung möglichst vieler Patien- ten in ein DMP entgegen.
Vorerst keine Einsparungen
Die Vorstellung, mit Disease-Manage- ment-Programmen kurzfristig Kosten zu verringern, hält Häussler für illu- sionär. Wirksame Programme seien be- treuungs- und kostenintensiv, und nur
unter optimalen Bedingungen sei lang- fristig eine Ausgabenentlastung vor- stellbar. Hochrechnungen zufolge führe der ideale Verlauf eines DMP Diabetes mellitus Typ 2 aufgrund von vermiede- nen Krankheitsfällen kurzfristig zu jährlichen Einsparungen in Höhe von 154 Millionen Euro. Dem stünden zu- sätzlich entstehende DMP-Kosten in Höhe von 294 Millionen Euro jährlich gegenüber, wobei die Ausgaben für Arzneimittel noch nicht einmal berück- sichtigt sind. Für diejenigen Ärzte, die aufgrund DMP-konformer Medika- mentenverordnung ihr Arzneimittelvo- lumen überschreiten, forderte Markus März, KV Hessen, eine Befreiung vom Regress. Grundsätzlich sieht er unter den gegenwärtigen Bedingungen in den KVen keine Akzeptanz mehr für die Umsetzung von DMP. Thomas Gerst P O L I T I K
A
A2836 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4431. Oktober 2003
W
enn wir für die Disease-Manage- ment-Programme (DMP) keine di- gitale Zukunft schaffen, haben DMP keine allzu lange Zukunft mehr“, warnte Bernhard Brautmeier, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung Nord- rhein (KVNo), bei einer Veranstaltung des Zentrums für Telematik im Gesund- heitswesen, Krefeld.Im Gebiet der KVNo sind die DMP zu Brustkrebs und Diabetes mellitus am weitesten fortgeschritten. Der auf Grundlage der 4. Verordnung zur Ände- rung der Risikostruktur-Ausgleichsver- ordnung (RSAV) abgeschlossene Ver- trag zum DMP Brustkrebs wurde bereits im Oktober 2002 unterzeichnet und durch das Bundesversicherungsamt (BVA) akkreditiert. Die kassenüber- greifende Vertragsgestaltung in Nord- rhein sieht einen gemeinsamen Doku- mentationsbogen für alle Kassen vor.
Die Dokumentation läuft seit März 2003. 905 von rund 1 200 Gynäkologen und 61 Krankenhäuser nehmen an dem Programm teil. 410 Gynäkologen (45,3 Prozent) haben bislang rund 4 000 Do-
kumentationsbögen bei der KVNo, die übergangsweise als Datenstelle fungiert, eingereicht. Die Fehlerrate betrug dabei 15 Prozent. Die Bögen sind nicht be- druckbar und nicht scannbar. In Nord- rhein ist der niedergelassene Gynäkolo- ge verantwortlicher DMP-Arzt. EDV- Programme für die elektronische Verar- beitung in der Arztpraxis sind jedoch bislang kaum vorhanden.
Der Vertrag für das DMP Diabetes mellitus wurde im Mai 2003 unterzeich- net. Die Akkreditierung durch das BVA steht noch aus. Mit der Dokumentation wurde zum 1. Juli 2003 begonnen. Ärzte erhalten als Vergütung für das DMP Diabetes 25 Euro für die Erstdokumen- tation und 15 Euro für die Folgedoku- mentation. Bislang beteiligen sich circa 2 000 Ärzte, wobei die Zahl wächst. Für dieses DMP gibt es seit dem 1. Oktober 2003 eine Online-Übermittlungsmög- lichkeit über die D2D-Schnittstelle. Al- lerdings sind bislang nur wenig Ärzte mit Software ausgestattet, die dies un- terstützt. Das Softwarehaus Duria, Düren, beispielsweise hat eine von der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung be- reits zertifizierte Lösung einschließlich integrierter Plausibilitätsprüfung ent- wickelt und in sein Praxisprogramm in- tegriert. Damit lassen sich Fehler schon vor dem Versand an die Datenannah- mestelle vermeiden. Weitere Soft- warehäuser werden in Kürze folgen.
Auch für dieses DMP hat die KVNo übergangsweise die Funktion der Da- tenstelle übernommen. Eingesandt wur- den bislang rund 110 000 Bögen. Die Kosten der Datenstelle liegen bei 1,27 Euro je Bogen. Anfangs lag die Fehler- quote nach Angaben von Brautmeier bei 90 Prozent; inzwischen konnte die Fehlerrate auf 70 bis 80 Prozent gesenkt werden.
Für beide DMP sollen Anfang 2004 überarbeitete Dokumentationsbögen vorliegen, in die die bisherigen Erfah- rungen einfließen. Als größter Hemm- schuh erweist sich nach Brautmeier, dass das BVA die elektronische Über- mittlung der Datensätze nicht erlaubt.
K.-o.-Kriterium sei die Unterschrift des Patienten, die der Datenstelle vorliegen müsse. Bei der Masse der Daten sei die manuelle Erfassung jedoch viel zu auf- wendig und mit zu hohen Fehlerraten behaftet. Tausende der Bögen müssten zurzeit an die Ärzte zur Korrektur zurückgereicht werden. Die gesetzliche Regelung zur RSAV habe eine Ver- bürokratisierung mit sich gebracht, die ihresgleichen suche, kritisierte Braut-
meier. KBr