tionsbereich“ zugelassen sind. Ist diese Bezeichnung identisch mit dem offi- ziellen Ausdruck „Anwendungsgebiet“
und ist gewährleistet, dass Konkurrenz- präparate, die in unterschiedlichen An- wendungsgebieten zugelassen sind, oh- ne Rücksprache mit dem Patienten ent- sprechend ausgetauscht werden kön- nen? Was geschieht, wenn der Patient dem Apotheker aus datenschutzrechtli- chen oder persönlichen Gründen oder auch aus Unkenntnis eine Auskunft zu seiner Erkrankung verweigert?
3. Ein handschriftlich so wenig wie möglich veränderbares Formular ist vor Verfälschungen am besten gesichert.
Wer überprüft, ob das jetzt notwendige Kreuz für die Abgabe eines Original- präparates vom Arzt angebracht wurde?
Zu diesen offenen Fragen kommen noch einige, zum Teil theoretische haf- tungsrechtliche Bedenken wie
❃Haftung für Qualitätsmängel eines ausgetauschten Generikums,
❃Haftung bei unerwünschten Arz- neimittelwirkungen, die in einzelnen Packungsbeilagen von Generika unter- schiedlich aufgeführt werden,
❃Haftung bei Unverträglichkeit ge- genüber einem Hilfsstoff eines ausge- tauschten Generikums.
Enge Kooperation
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker kann grundsätzlich zu einer praktikablen und sinnvollen Anwendung einer Aut-idem-Regelung im Einzelfall führen. Medizinisches Wissen über den individuellen Patien- ten und pharmazeutisches Wissen über die Qualität eines Arzneimittels können sich zum Wohl und zur Sicherheit der Patienten ergänzen. Dazu bedarf es kei- nes Gesetzes, das nach derzeitigem Stand eher verwirrt, von unbewiesenen Einspareffekten ausgeht und rechtliche Fragen offen lässt. Da die Aut-idem- Regelung nicht die einzige Schwach- stelle dieses Einspargesetzes zu sein scheint, kann schon von verpflichtender Tradition gesprochen werden: Die Ge- setzgebung hat schon immer wenig auf ärztlichen und praktischen Sachver- stand gehört. Dr. med. Günter Hopf Der Verfasser ist außerordentliches Mitglied der Arznei- mittelkommission der deutschen Ärzteschaft.
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A682 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 11½½½½15. März 2002
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m 8. Februar hat das Bundesge- sundheitsministerium vier Krank- heiten benannt, für die die Kran- kenkassen auf der Grundlage des Geset- zes zur Reform des Risikostrukturaus- gleichs ab Mitte des Jahres Disease- Management-Programme anbieten kön- nen: Diabetes mellitus (Typ 1 und 2), koronare Herzkrankheit, jeweils unter besonderer Berücksichtigung der Hy- pertonie, chronisch obstruktive Atem- wegserkrankungen (Asthma, COPD) und Brustkrebs.Innerhalb von vier Wochen, also bis zum 11. März, sollte die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten, Kran- kenhäusern und Krankenkassen nach dem Willen des Gesetzgebers einen Ka- talog von Anforderungen an die Durch- führung der strukturierten Behand- lungsprogramme definieren. Dies ist ein aberwitzig kurzer Zeitraum. Das Gesetz verlangt, dass Ärzte, Kranken- häuser und Krankenkassen gemeinsam Anforderungen formulieren an die
Behandlung nach evidenzbasier- ten Leitlinien unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors
erforderlichen Qualitätssicherungs- maßnahmen
Voraussetzungen für die Einschrei- bung von Versicherten
Schulungen von Patienten und Leistungserbringern
notwendige Dokumentation
Evaluation der Behandlungspro- gramme.
Verbindlich für die Programme wird ein solcher Anforderungskatalog aber erst durch Rechtsverordnung des Bun- desgesundheitsministeriums. Anhand der Rechtsverordnung wird das Bundes- versicherungsamt prüfen, ob die Ver- träge der Krankenkassen zur Durch- führung strukturierter Behandlungs- programme dem Anforderungskatalog
entsprechen. Ist dies der Fall, erhält die Krankenkasse für jeden darin ein- geschriebenen Versicherten besondere Ausgleichszahlungen aus dem Finanz- ausgleich zwischen den Krankenkas- sen. Diese Konstruktion zwingt die Krankenkassen, aus ökonomischen Gründen möglichst viele ihrer chro- nisch kranken Versicherten zur Teil- nahme an den Programmen zu bewe- gen. Der Anforderungskatalog des Ge- setzgebers soll bewirken, dass die Pro- gramme trotz der anders gerichteten ökonomischen Anreize einem hohen Qualitätsstandard genügen.
Konfliktfeld: evidenzbasierte Leitlinien
Erst langsam dämmert den Verantwort- lichen in Politik und Ministerien, dass hier unter der Zielvorgabe „Verbesse- rung der Versorgung“ eine schier unlös- bare Aufgabe gestellt wurde. Dreh- und Angelpunkt sind die „Anforderungen an die Behandlung nach evidenzbasier- ten Leitlinien“. Nach übereinstimmen- der Auffassung der Selbstverwaltungs- partner heißt dies, dass die für die Qua- lität des Behandlungsverlaufes maßgeb- lichen Eckpunkte der Diagnostik und Therapie konkret definiert werden müs- sen. Aus Sicht der Krankenkassen sind einheitliche Empfehlungen unerläss- lich, denn im Risikostrukturausgleich liefern die Programme die Berechti- gung, auf den gemeinsamen Finanztopf der Krankenkassen zuzugreifen; dies geht nur zu gleichen Voraussetzungen.
Ärzte und Krankenhäuser befürch- ten absurde Zustände, wenn Kranken- kassen unterschiedliche Leitlinien zur Grundlage ihrer Disease-Management- Programme machen könnten und zum Beispiel für Diabetiker mit AOK- und
Disease-Management-Programme
Unter absurdem Zeitdruck
Ärzteschaft und Krankenhäuser befürchten chaotische
Zustände , wenn die strukturierten Behandlungsprogramme
für chronisch Kranke nicht solide vorbereitet werden.
BKK-Mitgliedschaft jeweils andere Be- handlungsmaßstäbe gelten würden.
Trotz dieses prinzipiell gemeinsa- men Interesses konnte im Arbeitsaus- schuss bislang keine Einigung auf kon- krete Empfehlungen erzielt werden.
Der Grund liegt neben der knappen Zeitvorgabe des Gesetzgebers vor al- lem in unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen beider Seiten. Der eklatante Mangel an deutschen evi- denzbasierten Leitlinien muss behoben werden. Zwar liegen international evi- denzbasierte Leitlinien vor. Diese las- sen sich jedoch nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen, denn Thera- pieempfehlungen, die in Neuseeland oder Schottland konsensfähig sind, müssen im deutschen Versorgungs- system nicht zwangsläufig vorbildlich sein.
Leitlinien: Ärzte plädieren für praktikable Verfahren
Andererseits lassen sich aus der Summe methodisch gut bewerteter internationa- ler Leitlinien bestimmte wiederkehrende und gut belegte zentrale Empfehlungen mit „ubiquitärer“ Relevanz ableiten.
Die Auswertung praktizierter Leitlinien wird bislang jedoch von den Kranken- kassen zurückgewiesen. Stattdessen prä- sentierte ein großer Kassenverband ein Papier einer kleinen Autorengruppe, in dem die Studienlage zu Behandlungsver- fahren bei den genannten Krankheits- bildern zusammengetragen wurde. Der Krankenkassenverband verweist darauf in einer Beilage zu Heft 10/2002 des Deutschen Ärzteblattes.
Daraus ergeben sich je nach Studien- lage stark eingeengte Therapieempfeh- lungen; im Hinblick auf Therapieend- punkte nicht ausreichend belegte Be- handlungsverfahren werden negiert.
Nach Auffassung der ärztlichen Vertre- ter im Arbeitsausschuss ist eine solche Vorlage, ganz abgesehen von Fragen der Vollständigkeit der Literaturaus- wahl und der problematischen Ein- engung der Fragestellung auf bestimm- te Aspekte des Behandlungsverlaufes, nicht hinreichend.
Therapieempfehlungen, die im Rah- men strukturierter Behandlungspro- gramme für die Behandlung einer gro-
ßen Zahl chronisch Kranker maßgeb- lich werden sollen, müssen, um die nöti- ge Akzeptanz zu erhalten, durch ein Peer-Review-Verfahren mit den Fach- gesellschaften und den betroffenen ärzt- lichen Berufsverbänden gegangen sein.
Dieses Grundprinzip der Leitliniener- stellung würde eklatant verletzt, bliebe das Papier der Kassen und die ihm zu- grunde liegende Methodik einzige und unveränderte Grundlage der Anforde- rungsprofile an strukturierte Behand- lungsprogramme.
Der Prozess der Konsentierung deutscher evidenzbasierter Leitlinien in den vier Krankheitsbereichen ist in Kenntnis des Entscheidungsdrucks im Arbeitsausschuss nicht nur bereits ein- geleitet, sondern auch mit engen zeit- lichen Vorgaben versehen. Gleichwohl ist es fraglich, ob er in der kurzen Zeit, die der Gesetzgeber lässt, abgeschlos- sen werden kann.
Die Lösung kann nur sein, dass das Bundesgesundheitsministerium der Selbstverwaltung mehr Zeit gibt, die für die Behandlungsprogramme maßgebli- chen Therapieprinzipien abzustimmen.
Würde aus Zeitgründen auf die Defini- tion der medizinischen Inhalte der Pro- gramme verzichtet, würde nicht nur das Herzstück fehlen. Sollte die Rechtsver- ordnung in diesem Punkt unbestimmt bleiben, droht das Chaos in der Versor- gung. Es ist kaum zu erwarten, dass die bis dahin nicht abgestimmten medizini- schen Inhalte in den Durchführungs- verträgen zwischen den Vertragspart- nern unterschiedlichster Interessen ein- heitlich vereinbart werden können.
Konfliktfeld: Dokumentation
Ein zweiter Konflikt: Die Krankenkas- sen erwarten, dass für jeden in Disease- Management-Programmen behandel- ten Patienten ein definierter Befundda- tensatz zur Dokumentation des Be- handlungsverlaufes versichertenbezo- gen an die zuständige Krankenkasse ge- liefert wird. Welche Akzeptanz werden Behandlungsprogramme bei Patienten und Ärzten haben, wenn die Kranken- kasse auf diese Weise im übertragenen Sinne mit im Behandlungszimmer sitzt?
Abschreckend sind hier Beispiele aus den USA, wo die Kostenträger auf Ba-
sis ähnlicher Datensätze regelhaft und in unerträglicher Weise für das Vertrau- ensverhältnis zwischen Arzt und Pati- ent im Behandlungsgeschehen interve- nierten. In den USA längst als Irrweg erkannt, sollen in Deutschland nun die Voraussetzungen für eben diese Fehl- entwicklungen geschaffen werden.
Zur Durchführung der Programme ist es völlig ausreichend, wenn die Kran- kenkassen regelmäßig aggregierte Da- tensätze ohne Identifizierung einzelner Versicherter oder der behandelnden Ärzte erhalten. Die Krankenkassen brauchen dabei verlässliche Vertrags- partner, die verbindlich vereinbarte Steuerungsfunktionen in den Behand- lungsprogrammen übernehmen. Gefor- dert sind hier die Kassenärztlichen Ver- einigungen. Disease-Management-Pro- gramme sind eine Chance, bestehende Struktur- und Versorgungsdefizite in der vertragsärztlichen Versorgung anzuge- hen. Die Kassenärztlichen Vereinigun- gen werden dies in Verträgen mit den Krankenkassen jedoch nur anstreben können, wenn sie als Vertragspartner ernst genommen werden. Erhalten die Krankenkassen künftig arzt- und versi- chertenbezogene Behandlungs- und Ab- rechnungsdaten, dürfte sich eine Betei- ligung der KVen an den Behandlungs- programmen verbieten.
Datensammlung mit hohem Missbrauchspotenzial
Zudem würde mit solchen Datenban- ken ein hohes Missbrauchspotenzial bei den Krankenkassen geschaffen. Zahl- reiche Studien aus den USA oder der Schweiz belegen, dass Krankenkassen die Transparenz über die sich aus Pra- xisstandort, unterschiedlichen Behand- lungsschwerpunkten und weiteren Aspekten ergebende ungleiche Vertei- lung schwerer und leichter Fälle auf Arztpraxen zu selektiven Vertrags- strategien nutzen. In der Gesetzlichen Krankenversicherung wäre dies ein fol- genschwerer Irrweg. Das Disease Man- agement darf einen solchen Weg nicht ebnen.
Dr. rer. pol. Dominik von Stillfried Kassenärztliche Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Straße 3
50931 Köln P O L I T I K
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