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Archiv "Disease-Management-Programme: ... und sie wirken doch!" (24.08.2009)

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A 1650 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 34–35

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24. August 2009

DISEASE-MANAGEMENT-PROGRAMME

. . . und sie wirken doch!

V

or rund fünf Jahren behaupte- te Dr. med. Gabriele Müller de Cornejo bereits: Chronikerpro- gramme wirken. „Eine qualitative Untersuchung in Westfalen-Lippe bestätigt den Erfolg des Disease- Management-Programms (DMP) Typ-II-Diabetes“, erläuterte die da- malige Projektleiterin DMP beim AOK-Bundesverband auf einem Seminar. Allerdings: Das erste Pro- gramm war in Deutschland gerade ein Jahr zuvor gestartet, und Müller de Cornejos Einschätzung beruhte auf einer Befragung von nur 250 Patienten (DÄ, Heft 27/2004).

Heute sieht die Sache anders aus.

Chronikerprogramme sind Gegen- stand mehrerer umfangreicher Stu- dien. Deswegen klingt es nun eher nach Erkenntnis als nach Wunsch- denken, wenn die AOK berichtet, DMP hätten die Qualität der Versor- gung chronisch kranker Frauen und Männer verbessert. Genau das be- tonte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Dr. Herbert Reichelt, Ende Juni auf einem Se- minar: „Die positiven Ergebnisse zeigen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Allein in die Programme der AOK haben sich schon mehr als 2,6 Milllionen Ver- sicherte eingeschrieben.“

Insgesamt, so ergänzte der stell- vertretende AOK-Geschäftsführer Versorgung, Evert Jan van Lente, be- trägt die Zahl bei allen Krankenkas- sen nun knapp 5,8 Millionen. Er ver- wies auch darauf, dass es in Zukunft

eher darum gehen wird, Multimorbi- dität in den bestehenden Program- men besser zu berücksichtigen, als neue DMP zu schaffen. Hypertonie ist bereits Bestandteil der strukturier- ten Versorgung bei Diabetes und koronarer Herzkrankheit (KHK), das Modul Herzinsuffizienz wurde zum 1. Juli in das letztgenannte DMP aufgenommen. Derzeit berät der Gemeinsame Bundesausschuss nur über ein neues DMP Adipositas.

Bei der AOK stand das Erreichte im Vordergrund. So verwies Rei- chelt auf die Ergebnisse der AOK- Bundesauswertung zur gesetzlichen Evaluation. Bei Patienten, die ent- weder am DMP der AOK für koro- nare Herzkrankheit oder an dem für Diabetiker teilgenommen hatten, verbesserten sich demnach die er- hobenen medizinischen Werte im

Verlauf des Beobachtungszeitraums von rund zweieinhalb Jahren deut- lich, wie die Auswertungen von Infas, Prognos und dem Wissenschaftli- chen Institut der Ärzte Deutsch- lands ergaben. So verringerte sich der Anteil der herzkranken Patien- ten, die an Brustschmerzen litten, um rund 20 Prozent.

Auch bei der Arzneimitteltherapie zeigten sich positive Effekte: Die be- troffenen Patienten erhielten häufi- ger eine leitliniengerechte Medikati- on als zuvor. Die Auswertung hat in- des einen Schönheitsfehler: Es lie- gen keine Ergebnisse für eine Ver- gleichsgruppe vor, deren Teilnehmer nicht in ein DMP eingeschrieben sind. Denn per Gesetz ist zwar fest- gelegt worden, dass die Chroniker- programme evaluiert werden müs- sen, aber nicht, dass die Versorgung von eingeschriebenen Patienten mit der von Erkrankten außerhalb der Programme zu vergleichen ist.

Doch mittlerweile gibt es auch solche Untersuchungen. So hat das Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheits- wesen am Helmholtz-Zentrum Mün- chen im Rahmen der KORA-Bevöl- kerungsstudie eingeschriebene mit nicht eingeschriebenen Patienten verglichen. Erfasst wurden Selbst- auskünfte, die Medikation, Angaben der behandelnden Ärzte, dazu ka- men standardisierte medizinische Untersuchungen und Laboranalysen.

„Wir konnten zeigen, dass sich die Qualität der Versorgung von Dia- betikern mit Einführung der DMP deutlich verbessert hat“, berichtete Studienleiter Prof. Dr. med. Rolf Holle bereits am 21. Juli, einige Ta- ge vor dem Seminar. „Die Patienten werden regelmäßiger untersucht, häufiger in Bezug auf ihr Gesund- heitsverhalten beraten und erhalten öfter die richtigen Medikamente für die Behandlung ihrer Erkrankung.“

Während rund 83 Prozent der DMP-Teilnehmer angaben, in den vergangenen zwölf Monaten seien ihre Augen untersucht worden, wa- ren es bei Nichtteilnehmern nur 59 Prozent. Fußuntersuchungen wurden demnach bei 67 Prozent der Patienten in DMP vorgenommen, aber nur bei 38 Prozent in der Vergleichsgruppe. DMP-Teilnehmer Chronikerprogramme

waren anfangs umstritten.

Nun belegen mehr und mehr Studien, dass

eingeschriebene Patienten besser versorgt sind als andere. Warum das so ist – das wüssten die Forscher gern noch genauer.

Deutlich mehr Fußuntersuchungen an Patienten im DMP Diabetes als in der Vergleichs- gruppe

Foto: ddp

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24. August 2009 wa ren zudem zu einem höheren Pro-

zentsatz geschult worden und nah- men öfters die für ihre Erkrankung angezeigten Medikamente ein.

Verbesserungsbedarf sieht Holle dennoch: Nur zwei Drittel der Dia- betiker in einem DMP hatten eine Schulung besucht. Zudem schnitten sie in Bezug auf den Taillenum- fang und den Body-Mass-Index schlechter ab als Patienten außer- halb der Chronikerprogramme. Holle verweist aber darauf, dass sie be- reits vor der Einschreibung dicker waren und unregelmäßiger Sport trieben.

Er stellte zudem klar, dass die Chronikerprogramme noch viele Fragen aufwerfen, vor allem, wenn Patienten im Schnitt erst zwei oder drei Jahre eingeschrieben sind.

„Dieser Zeitraum ist vergleichswei- se kurz, wenn man feststellen will, ob und wie sich aufgrund der struk- turierten Behandlung die medizini- schen Werte verändert haben“, so Holle. „Weitere Effekte der Be- handlung und Betreuung im DMP lassen sich erst über einen längeren Zeitraum ermitteln.“

Zufrieden, aber neugierig auf weitere Erkenntnisse ist auch Prof.

Dr. med. Joachim Szecsenyi, der un- ter anderem Ergebnisse der ELSID- Studie des Universitätsklinikums Heidelberg vorstellte. Dafür wurde die Versorgung von mehr als 20 000 Diabetikern in rund 500 Praxen ana- lysiert. Danach starben in der DMP- Gruppe weniger Patienten (elf Pro- zent) als in der Vergleichsgruppe derjenigen, die nicht eingeschrieben waren (14 Prozent). Zudem ergaben die Auswertungen, dass vor allem multimorbide Patienten von der Teil- nahme am DMP profitierten. Sie er- zielten bei der Befragung zu ihrer gesundheitsbezogenen Lebensquali- tät bessere Ergebnisse als Patienten außerhalb des DMP.

Szecsenyi verwies aber auch da- rauf, dass in beiden Gruppen das Ni- veau der Verordnungen ähnlich hoch war. Darin zeigt sich seiner Meinung nach, dass mehr und mehr Ärzte Diabetiker leitliniengerecht behan- deln. Entsprechend gering fielen die Kostenunterschiede aus: Sie lagen in der Kontrollgruppe im ersten Jahr noch rund zehn Prozent über denen

der DMP-Gruppe, im zweiten Jahr nur noch rund fünf Prozent.

Szecsenyi betonte, dass man mit der Studie „auf einen fahrenden Zug aufgesprungen sei“: Das Diabetes- DMP lief schon eine Zeit, die Ver- sorgung von Diabetikern war des- halb bereits insgesamt wohl schon strukturierter als in den Jahren zu- vor. Dennoch bestehen Unterschie- de. In der DMP-Gruppe würden beispielsweise sogenannte Chronic- care-Elemente besser umgesetzt, sagte der Heidelberger Forscher.

Der AOK-Bundesverband hatte es sich nicht nehmen lassen, auch die Konkurrenz einzuladen, die ebenfalls zu Chronikerprogrammen forscht. Dr. med. Christian Graf, Ab- teilungsleiter Gesundheits- und Ver- sorgungsmanagement bei der Bar- mer, berichtete über die eindeutigen Ergebnisse einer vergleichenden Be- trachtung von mehr als 220 000 Ver- sicherten, von denen knapp 80 000 nie am DMP Diabetes teilgenom- men hatten, während knapp 81 000 seit dem Jahr 2005 fortlaufend ein- geschrieben sind. Die Daten wurden

altersstandardisiert und zudem ge- schlechtsspezifisch ausgewertet.

Der Vergleich der Barmer zeigte systematische Versorgungsunter- schiede. DMP-Patienten wurden seltener wegen schwerer Kompli- kationen im Krankenhaus behan- delt, und wenn, dann war die Ver- weildauer kürzer. Schlaganfälle und Amputationen traten signifikant seltener auf. Und auch die Untersu- chungen beim Augenarzt erfolgten in dieser Gruppe häufiger. Dafür war ihre spezifische Arzneimittel- therapie auch etwas teurer.

Dennoch: Die Forscher möchten mehr wissen. Bei den DMP kämen viele Elemente zusammen wie klare Behandlungsstandards, Feedback für die Ärzte, ein Engagement der Kas- sen. Was an dieser Mixtur genau wie wirke, wisse man nicht, sagte Szecsenyi. Er findet aber, man könne aus den vorhandenen Studien einiges lernen, und sei es, wie sich die Chro- nikerprogramme noch „feintunen“

lassen. Insgesamt habe man „noch einen sehr deskriptiven Blick auf die Daten“, räumte auch Dr. Wolfgang Riedel von der Prognos AG ein, die für die gesetzliche Evaluation mit- verantwortlich ist. Eigentlich müsse man die Studienergebnisse noch tie- fer gehend analysieren und dafür den medizinischen Fachgesellschaften zurufen: „Stellen Sie uns Fragen!“ ■

Sabine Rieser

Welche Versorgungsansätze und Strategien im Ausland dazu beitragen, dass chronisch Kranke besser versorgt werden, war eben- falls Thema des AOK-Seminars:

Dr. med. Nick Goodwin, The King's Fund, Lon- don, berichtete von Ansätzen, Risiko patienten mithilfe von Telemedizin und speziell qualifi- zierten Krankenschwestern so zu versorgen, dass beispielsweise Krankenhausaufenthalte verhindert werden können. Sein Resümee: Der Einsatz von Krankenschwestern beim Fall- und Versorgungs management kann kosteneffektiv sein, aber nur, wenn die Patienten angespro- chen werden, die sich darauf auch einlassen wollen.

Prof. Dr. med. Guus Schrijvers, Universität Utrecht, stellte ein Programm zur Diabetiker-

versorgung vor, das ebenfalls Gemeinde- schwestern einbindet. Er riet, nicht zu ver - gessen, dass Patienten für ihren Lebensstil und ihren Alltag verantwortlich sind. Professio- nelle Helfer würden sich stets nur einige Stun- den im Jahr mit ihnen befassen.

Prof. Dr. med.Andreas C. Sönnichen, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, legte erste Ergebnisse des DMP

„Therapie aktiv“ vor. Dafür wurde die Versor- gung von Diabetikern in und außerhalb des DMP in rund 100 von 275 Arztpraxen ver - glichen. Die DMP-Gruppe schnitt besser ab, was Schulungen, Augen- und Fußuntersu- chungen betraf.

Weitere Infos zu den Vorträgen:

www.aok-bundesverband.de.

DMP IM AUSLAND

Die positiven Ergebnisse

zeigen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Dr. Herbert Reichelt

P O L I T I K

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