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Archiv "Hat der Praktische Arzt ausgedient?" (17.05.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FORUM

Im Interesse aller Ärzte

Als der Deutsche Ärztetag 1968 auch für die Allgemeinmedizin eine 4jäh- rige Weiterbildung beschloß und als er in Westerland für den Wegfall des Facharzttitels stimmte, hat er damit nicht nur eine äußerliche Gleichstel- lung der Allgemeinärzte erreichen wollen, sondern eine durchgängige Qualifizierung aller in der ambulan- ten Krankenversicherung tätigen Ärzte angestrebt. Es war dies einer der wichtigsten Beiträge zur Erhal- tung der Einheit der Ärzteschaft.

Wenn sich in den vergangenen Jah- ren zahlreiche Kollegen, so auch un- ser „Verdener Arbeitskreis für Allge- meinmedizin", mit den Bemühun- gen um eine qualifizierte Weiterbil- dung identifiziert haben, dann nicht für eine formale „Werbe- und Schil- derordnung", sondern weil wir der Überzeugung sind, daß es nur quali- fiziert weitergebildeten Ärzten er- laubt sein sollte, selbständig in eige- ner (Kassen-)Praxis voll verantwort- lich Patienten zu behandeln. Und genau dies erwarten Patienten und Gesellschaft von den Selbstverwal- tungsorganen der Ärzteschaft: nicht bloß interne Regelung von Konkur- renzproblemen, sondern die Garan- tie, daß der in einem Fachgebiet zur selbständigen Krankenbehandlung zugelassene Arzt die Anforderungen erfüllt, die an einen Vertreter dieses Gebietes derzeitig gestellt werden müssen. Dies gilt natürlich auch für das Fachgebiet „Allgemeinmedi- zin

Früher herrschte die Ansicht, Allge- meinmedizin sei die Summe aller Spezialdisziplinen auf einem niedri- geren Niveau. Inzwischen hat sich die Tätigkeit in der Allgemeinpraxis weiterentwickelt und besondere Aufgaben erhalten, ich nenne nur:

Vorsorge, Früherkennung, Kompe- tenzabgrenzung, Langzeitbehand- lung...

Leider gibt es noch immer einige Ärzte, die diese Entwicklung nicht sehen (wollen?) und die der Einheit der Ärzteschaft dadurch schaden, daß sie aus kurzsichtigen tagespoli- tischen Erwägungen in dasselbe Horn blasen wie jene, die den ein- heitlichen Willen der Ärzteschaft zur Qualität unterminieren wollen (siehe Naschold): Wenn es nämlich auch in Zukunft möglich sein sollte, ohne Weiterbildung als Kassenarzt in der Allgemeinpraxis tätig zu sein, dann wird im bevorstehenden Honorar- verteilungskampf eine wachsende Gruppe nicht weitergebildeter Prak- tischer Ärzte für den ausreichenden Sprengstoff sorgen und darüber hinaus den Anlaß schaffen, uns den Sicherstellungsauftrag zu ent- ziehen.

Es ist zu hoffen, daß sich in letzter Minute auch in den entscheidenden Gremien die Überzeugung durch- setzt, daß ein System so gut ist wie sein schwächstes Glied und daß mangelhafte Qualität in der Allge- meinpraxis zu unaufholbaren Ver- säumnissen und zum Absinken der Effizienz des gesamten Systems der ärztlichen Versorgung (einschließ-

lich Krankenhausversorgung) füh- ren würde.

Die Forderung Häußlers, nur noch Allgemeinärzte mit abgeschlossener Weiterbildung zuzulassen, liegt also im Interesse der gesamten Ärzte- schaft. In unseren Nachbarländern ist es längst eine Selbstverständlich- keit, daß nur Ärzte mit abgeschlos- sener Weiterbildung zur Krankenbe- handlung in eigener Praxis zugelas- sen werden, so zum Beispiel in Dä- nemark, Holland und Österreich.

Mit der Zulassung zur Tätigkeit in selbstverantwortlicher eigener Kas- senpraxis wird einem Allgemeinarzt eine besonders hohe Verantwortung für das Leben seiner Patienten zuer- kannt; das damit verbundene Risiko

Zu der Kontroverse zwischen Prof. Dr. med. Siegfried Häuß- ler („Der anstößige Antrag — Zukünftige kassenärztliche Versorgung ohne Allgemein- ärzte?") und Prof. Dr. med. Ul- rich Kanzow („Prinzipien?"), beide in Heft 6/1979 erschie- nen, wurden Leserzuschriften

in den Heften 11, 14, 16 und 19 veröffentlicht. Mit den nach- stehenden Zuschriften been- den wir die Aussprache, ein Schlußwort mag der Deutsche Ärztetag sprechen. DÄ

ist für einen nicht weitergebildeten Arzt untragbar! Nur durch eine qua- lifizierte Weiterbildung wird es er- träglich.

Daneben wird einem Kassenarzt die Fähigkeit zuerkannt, über die Aus- gabe hoher Geldbeträge zu ent- scheiden, sei es nun die Ersparnisse der Versichertengemeinschaft (Arz- neikosten veranlaßte Leistungen) oder das Sozialprodukt (Arbeitsun- fähigkeit). In den ersten Jahren nach dem Staatsexamen ist ein Arzt über- fordert, wenn er die dafür erforderli- chen Entscheidungen alleinverant- wortlich treffen soll, ohne entspre- chend weitergebildet zu sein. Sind wir nicht verpflichtet, den in der All- gemeinpraxis tätigen Kollegen ebenso gut auf seine verantwor- tungsvolle selbständige Tätigkeit vorzubereiten wie einen Chirurgen?

Wir sind das vor allem unseren Pa- tienten schuldig, die erwarten, daß sie sich allen im Bereich der kassen- ärztlichen Versorgung tätigen Ärz- ten ohne Bedenken anvertrauen können.

Nicht zuletzt werden immer wieder juristische Bedenken in die Diskus- sion geworfen; vom Grundgesetz über die Approbationsordnung bis zu den Römischen Verträgen wer- den alle Gesetzestexte herangezo- gen, um zu beweisen, daß wir einen Hochschulabsolventen nicht daran

Hat der Praktische Arzt ausgedient?

Zu den Artikeln Häußler/Kanzow in Heft 6/1979

1402 Heft 20 vom 17. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Weiterbildung und Ausbildung

hindern dürften, sich in eigener Pra- xis niederzulassen. Gegenfrage: ist nicht das bedrohte Leben von Pa- tienten ein höheres Rechtsgut? Fra- ge an die Juristen: ist auch dort ge- plant, Hochschulabsolventen auf den Richterstuhl zu setzen?

Im übrigen ist gar nicht zu begreifen, warum das Angebot der Allgemein- ärzte nicht angenommen wird, die bereit sind, in großem Umfange As- sistentenstellen in Allgemeinpraxen einzurichten (wenn die Finanzierung durch Krankenkassen und Staat un- terstützt wird), damit eine Arbeitslo- sigkeit von Jungärzten vermieden wird.

Alle niedergelassenen Kollegen, die sich seit Jahren um eine Verbesse- rung der Qualität der ärztlichen Ver- sorgung bemühen, haben die Hoff- nung, daß der Vorstand der Bundes- ärztekammer die Bedeutung der an- stehenden Entscheidung für die Ein- heit und Zukunft der deutschen Ärz- teschaft erkennt und daß er — unab- hängig von der Tagespolitik — den Antrag von Herrn Professor Häußler _unterstützt und daß er die zu erwar- tende positive Entscheidung des Deutschen Ärztetages zügig ver- wirklicht.

Dr. med. Eckart Sturm Arzt für Allgemeinmedizin 2819 Thedinghausen

Ausbildungsziel

„Basisarzt"

Was brauchen die Patienten, was wollen wir Ärzte, was konstruieren die Politiker?

Stark vereinfacht gesagt: der Politi- ker muß etwas zum Vorzeigen ha- ben, das anders und billiger ist als das Bisherige (gleich Fortschritt und Reform), der Arzt will seinen Besitz- stand wahren. Und der Patient? Der möchte nur richtig behandelt und gesund werden. Zugegeben, das kann man auch ganz anders aus- drücken und seitenweise begrün- den. Tatsache ist jedoch für die Wei- terbildung zum sogenannten Fach-

arzt: Der Klinikchef, möglichst ein Professor, wirkt wissenschaftlich hoch qualifiziert und muß sich in Klinikleitung und praktischem Tun (besonders eindrucksvoll in operati- ven Fächern) erst einmal einarbei- ten. Assistenzärzte großer Kliniken werden intensivst in Bereichen trai- niert (spezielle Untersuchungstech- niken, Operationen), die sie später, da sie sich entsprechend unserem System niederlassen müssen, nie wieder verwenden. Dafür sieht der frischgebackene, niedergelassene Facharzt sich Problemen gegen- über, zum Beispiel psychosomati- scher Art, von denen er nie etwas gehört hat. Nicht anders sieht es beim praktischen oder Allgemein- arzt aus. Ob er sich nun nach einer Chirurgieweiterbildung niederläßt oder sogenannte Allgemeinarztstel- len durchlaufen hat. Diese werden bekanntlich an Krankenhäusern ent- weder gar nicht oder aus politischen Gründen (zum Vorzeigen) angebo- ten. Auf die Bedürfnisse des Berufs- alltages scheinen diese Weiterbil- dungsstellen in den seltensten Fäl- len ausgerichtet zu sein. Der zukünf- tige Allgemeinarzt sammelt wahllos Facharztteilwissen (oder können Sie mir sagen, wozu ein Praktiker Cho- lezystektomien oder Hysterektomien sammelt?). Um so höher meine Ach- tung vor den Leistungen der Prakti- ker und dem Mut derjenigen Kolle- gen, die diesen Weg gehen.

Fazit: Ausbildungsziel, Ausbildung und Studentenzahlen müssen so ge- staltet werden (notfalls „rückschritt- lich"), daß

> in der Ausbildung theoretischer (Systematik) und praktischer Unter- richt den Vorrang finden mit Aufwer- tung der Famulatur im Krankenhaus und Verwirklichung eines effizienten Praktischen Jahres,

> in der Ausbildung der Mensch als Ganzes mit Soma und Psyche ver- mittelt wird,

> am Ende der Ausbildung die Ba- sis zum gesamtärztlich, praktisch ar- beitenden Arzt gelegt ist (nicht Bar- fuß-, sondern Basisarzt!); Berufser- fahrung läßt sich in der Ausbildung natürlich nicht erwerben,

D nur eine kurze, fachspezifische Weiterbildung für Ärzte mit Wunsch nach einer Gebietsbezeichnung ge- fordert werden muß.

Die Mängel in der Ausbildung müs- sen vor der Approbation, also im und durch besseren Ablauf des Stu- diums einschließlich der darin ent- haltenen praktischen Ausbildung beseitigt werden.

Dr. med. Olaf M. Ganschow Bismarckstraße 124 a 4900 Herford

Anständige Prinzipien!

Herr Häußler hat in seinem Beitrag („Der anstößige Antrag — zukünftige kassenärztliche Versorgung ohne Allgemeinärzte?") die Forderung er- hoben, künftig nur noch weitergebil- dete Ärzte zur kassenärztlichen Ver- sorgung zuzulassen. — Dies würde bedeuten, daß in Zukunft minde- stens eine 4jährige Weiterbildung nach der Approbation absolviert werden muß. Die Möglichkeit zur ärztlichen Tätigkeit ohne eine spe- zialisierende Weiterbildung wäre da- mit im Bereich der ambulanten Pa- tientenversorgung, zumindest der RVO-versicherten Kranken, ausge- schlossen. Die herkömmliche Tätig- keit des praktischen Arztes wäre dann nicht mehr möglich.

Ich habe in meiner Gegendarstel- lung („Prinzipien?") dargelegt, war- um diesem Vorschlag nicht gefolgt werden sollte, daß er auf falschen Prämissen aufbaut und schlimme Folgen hätte.

Die anschließenden Stellungnah- men in Leserbriefen haben mehr- heitlich die Forderung von Häußler unterstützt und mit Argumenten be- gründet, die vorwiegend emotiona- ler Art sind. Auf eine sachliche Aus- einandersetzung mit meinen Argu- menten wurde wenig Wert gelegt! — Es wurde auch die historisch falsche Behauptung aufgestellt, wonach mit der Einführung der Gebietsbezeich- nung „Allgemeinarzt" die allgemein anerkannte Absicht verbunden ge-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 17. Mai 1979 1403

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Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen

Weiterbildung und Ausbildung

wesen sei, den herkömmlichen praktischen Arzt aus dem Spektrum ärztlicher Tätigkeitsfelder ver- schwinden zu lassen.

Es ist hier nicht möglich, auf jede einzelne der Zuschriften einzuge-

hen. Um die weitergehende Diskus-

sion nicht ausufern zu lassen, werde ich mich auf einige mir wesentlich erscheinende Feststellungen be- schränken. Sie sollen den Entschei- dungsspielraum noch einmal aufzei- gen, damit künftige, hoffentlich ver- nünftige Entscheidungen nicht durch Mystifikationen gefährdet werden. ln Zeiten mit tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Gefah- ren haben falsche Propheten stets besonders leichtes Spiel.

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Die deutsche Ärzteschaft hat in den letzten 30 Jahren auf Ärztetagen viele der gesundheitspolitischen Entwicklung förderliche Entschlie- ßungen verabschiedet. Einen Be- schluß, den praktischen Arzt "aus- sterben zu lassen", gibt es darunter nicht! Vielmehr wurde bei der Dis- kussion auf dem Ärztetag in Norder- ney (1962) und auf folgenden Ärzte- tagen immer wieder auf die Feststel- lung Wert gelegt, daß die Einfüh- rung eines Weiterbildungsganges auf dem Gebiet der Allgemeinmedi- zin analog der Facharztweiterbil- dung den Status des praktizieren- den Arztes nicht tangieren darf.

Ebensowenig wie die Einführung ei- ner der vielen anderen Gebietsbe- zeichnungen in unserer Berufsord- nung den Status des praktischen Arztes in Frage stellen konnte, darf das mit der Gebietsbezeichnung

"AIIgemeinarzt" versucht werden.

Die Diskussion kann also nicht so umgemünzt werden, wie Herr Häuß- ler es tut, wenn er fragt, ob die kas- senärztliche Versorgung künftig

"ohne Allgemeinärzte" stattfinden soll. Natürlich soll sie nicht ohne All- gemeinärzte stattfinden, und ent- sprechend den Bestimmungen der Berufsordnung und unter Beach- tung nationaler und supranationaler Rechtsnormen muß die Mitwirkung der Ärzte für Allgemeinmedizin si- chergestellt bleiben. -Aber: Neben den Ärzten für Allgemeinmedizin ha-

ben die praktischen Ärzte ebenso ih- ren Platz wie neben Internisten, Chirurgen, Kinderärzten, Frauenärz- ten usw. - Die Berufsordnung und ebenso die Zulassungsordnung können nicht als ungebührlicher Schutzwall für ungerechtfertigte Gruppeninteressen mißbraucht werden!

f) Da der Arzt die Aufgabe hat, kran- ke Menschen zu behandeln und ih- nen in ihren körperlichen, seeli- schen und soziologisch bedingten Nöten beizustehen, muß es das Zi~l

der Ausbildung zum Arzt sein, die Voraussetzungen für diese ärztliche Tätigkeit zu schaffen. Das Studium der Medizin muß deshalb so ausge- richtet werden, daß alle notwendi- gen theoretischen und praktischen Kenntnisse und handwerklichen Fertigkeiten, soweit sie zur ärztli- chen Versorgung im Rahmen der primärärztlichen Betreuung notwen- dig sind, vermittelt werden. Es wäre eine abwegige und geradezu unsin- nige Planung, wenn ein zur Zeit 6jähriges Studium vorsätzlich so an- gelegt würde, daß dieses Ziel ver- fehlt werden muß! - Die gewaltigen finanziellen lnvestitibnen in unsere Medizinischen Fakultäten wären dann vor den steuerzahlenden Bür- gern nicht zu vertreten, und eine falsch programmierte Ausbildung der Medizinstudenten geriete in die Gefahr, als Sozialschmarotzertum angeprangert zu werden. Dies träfe dann Studenten wie akademische Lehrer gleichermaßen!

f) Die jetzt in Ausbildung befindli- chen Medizinstudenten sind in ihren geistigen und moralischen Anlagen nicht schlechter als der ärztliche Nachwuchs in früheren Jahrzehnten (- vielleicht sind sie sogar [noch!]

besser? -). Ihr theoretisches Wissen ist dem vieler praktizierender Ärzte weit überlegen, weil sie - wie es selbstverständlich ist- mit dem jetzt aktuellen Kenntnisstand in unserer Wissenschaft vertraut gemacht wur- den. Daß die praktische Unterwei- sung in den letzten Jahren Not lei- det, liegt an Entwicklungen, für die die in Ausbildung stehenden Medi- zinstudenten nicht verantwortlich gemacht werden können. Wer die

1404 Heft 20 vom 17. Mai 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Entwicklung der heute gültigen Be- rufsordnung und der Approbations- ordnung über 30 Jahre berufspoliti- scher Tätigkeit aufmerksam verfolgt hat, sich der dabei deutlich gewor- denen Interessenunterschiede und -konflikte, der Gründe und Hinter- gründe mancher nur nach langen Verhandlungen und mit Kompromis- sen zustande gekommenen Ent- scheidungen innerhalb der "großen Arztfamilie" erinnert, weiß, daß die jetzt zutage getretene Fehlentwick- lung im Curriculum der Medizin- studenten von uns Ärzten mitverant- wortet werden muß.

..,.. Ein kardinaler Mangel der heute gültigen Approbationsordnung ist die fehlende klare Zielbestimmung!

Jeder Eingeweihte weiß, daß dieser Mangel von jenen Ärzten in die Aus- bildungsordnung .,eingebaut" wur- de, die den von Herrn Jungmann in seinem Beitrag dargelegten Zielvor- stellungen anhingen. Bereits vor Er- laß der heute gültigen Approba- tionsordnung ist von mir immerwie- der darauf hingewiesen worden, daß dies ·zu folgenschweren Fehlent- wicklungen führen würde, was in- zwischen unzweifelhaft ist. Der künftige Historiker wird hier einen der nicht wenigen Vorgänge finden, bei denen ein nachteiliger Einfluß von Gruppeninteressen auf die Ent- wicklung des Arztrechtes festzustel- len ist. Ohne genaue Zielvorgabe zerfließt jede Unterrichtsbemühung, Lehrende und Lernende werden un- sicher, ja sogar manchmal gleich- gültig.

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Die Ausbildung zum Arzt bedarf nicht ständig neuer Approbations- ordnungen, sie muß nur endlich wie- der auf die praktischen Belange ärztlicher Tätigkeiten zentriert und zielstrebig durchgeführt werden.

Dies ist wahrscheinlich auch im Ge- rüst der heutigen AO bei vergleichs- weise geringen Änderungen der Rechtsvorschriften möglich. Es gibt kaum Wertvolleres im Leben eines Menschen als die Lebensjahre in der bildungsfähigen Jugend. Sie müs- sen genutzt und dürfen nicht durch eine schlechte Ausbildung und un- sinnige Prüfungsordnung vertan werden, woraus sich dann zwangs-

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läufig die Forderung nach immer längerer Aus- und Weiterbildung ab- leiten läßt.

Da die behandlerische Tätigkeit des Arztes zuallererst an den Bedürfnis- sen der Praxis orientiert werden muß, hat es wenig Sinn, die Ausbil- dung nur im Hörsaal und an Patien- ten der für die sog. Spitzenversor- gung vorgesehenen Universitätskli- niken vorzunehmen. Die Zusam- mensetzung der Kranken und das Spektrum der Krankheiten ist in der primärärztlichen Versorgung, aber auch zum Beispiel bei ambulant tätigen Internisten, Kinder- oder Frauenärzten, ganz anders, als es sich in Universitätskliniken und gro- ßen Krankenhäusern darstellt, damit aber auch die Problemstellung. für ärztliches Handeln. Deshalb muß in Zukunft den Studenten schon früh, vor und während der studentischen Ausbildung, die verpflichtende Gele- genheit gegeben werden, das Feld ihrer künftigen ärztlichen Betäti- gung hautnah kennenzulernen. ..,.. Leider ist dies auch von der alten Bestallungsordnung nicht bewirkt worden, weshalb unter anderem die gültige Approbationsordnung in die Weit gesetzt wurde. Gelernt hat der Arzt von jeher das meiste Praxis- relevante nach seiner Niederlassung im Erfahrungsfeld seiner Praxis.

Dies läßt sich unter anderem auch aus den Lebensläufen mancher der verdienten und noch heute aktiven Ärzteführer ablesen.

Es wird wohl niemand widerspre- chen, wenn ich behaupte, daß pri- märärztliche Versorgung nur dort erfahren und gelernt werden kann, wo sie praktiziert wird. Dies ge- schieht nun mal nicht in Kliniken und Krankenhäusern! - Wenn die niedergelassenen Ärzte die Sorge um die künftige Betreuung der Mit- bürger und die dazu notwendige Ausbildung des ärztlichen Nach- wuchses ernst nehmen, werden sie sicherlich bereit sein, die aus einem neuen, praxisbezogenen Konzept des Medizinstudiums für sie erwach- senden Pflichten bei der Ausbildung der Studenten freudig zu überneh- men.- Darüber wird auf dem Ärzte-

Weiterbildung und Ausbildung

tag in Nürnberg ausführlich zu spre- chen sein. Festgestellte Mängel in der Ausbildung zum Arzt müssen jetzt schnell behoben werden, damit die schon im Studiengang befindli- chen so starken Jahrgänge davon noch profitieren können.

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Mit der Approbation wird die Be- rechtigung zur Betätigung als Arzt ausgesprochen. Inhalt und Dauer(!) der Ausbildung zum Arzt müssen davon richtungsweisend bestimmt werden, natürlich auch die notwen- digen Prüfungen, de·nein eine erheb- liche Bedeutung für die Unterrichts- gestaltung und Lernmotivation zu- kommt. Es ist ein Irrtum zu glauben, ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus könne ohne Approbation oder mit gemindertem Status (sog. "Teil-Ap- probation") ausgeübt werden. Dem stehen nicht nur grundsätzliche rechtliche Bedenken, sondern vor allem die im Krankenhaus oft beson- ders große ärztliche Verantwortung entgegen. Wer dies nicht sehen will, muß sich den Vorwurf mangelnder Sachkunde gefallen lassen.

(:t Die zwischen den EG-Ländern geltenden Verträge lassen eine Än- derung der Zulassungsordnung im Sinne des Häußlerschen Antrages nicht zu, es sei denn, man will den deutschen ärztlichen Nachwuchs gegenüber jungen französischen, belgischen, holländischen, engli- schen, italienischen und anderen Ärzten ganz entscheidend benach- teiligen (dazu sei auf Ausführungen von Sewering in Heft 16 dieser Zeit- schrift verwiesen). - Übergroße Nachwuchszahlen lassen sich über die Zulassungsordnung nicht mehr kanalisieren! Entgegen oft beteuer- ter fürsorglicher Hilfsbereitschaft gegenüber dem ärztlichen Nach- wuchs(-"unsere lieben jungen Kol- legen!" -) droht, wie schon öfter in der Geschichte unseres Berufes, auch heute wieder die Gefahr, daß Konkurrenzangst und wirtschaftli- che Befürchtungen zur Triebfeder falschen Handeins werden!

Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow Rheinstraße 50

5650 Solingen-Ohligs

Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen BRIEFE AN DIE REDAKTION

CAROSSA

Zu der ergänzenden Mitteilung von Frau Kampmann-Carossa im Heft 9/1979, Sei- te 599:

Kolossal wichtig!

Wir müssen uns also merken, daß Hans Carossa nie Mitglied der Preu- ßischen Akademie der Künste war.

Dr. med. Martin Schmidt 3072 Langendamm

FL YING DOCTOR

Der Autor der Reportage über die Aben- teuer eines fliegenden Buscharztes in Australien hat viele Briefe bekommen, die er hier beantworten möchte:

Keine Romantik

Überrascht über die Tatsache, wie- viel Interesse der Bericht über meine ärztliche Tätigkeit in Australien (Heft 10, Seite 667) gefunden hat, möchte ich folgendes feststellen:

Ein romantisches Bild vom Arztberuf in Australien und ungeahnten medi- zinischen Möglichkeiten ist nicht angebracht. Auch dort besteht ein unaufhaltsamer Trend zum "Fort- schritt", wenn auch die Technokra- tie in der Medizin noch nicht deut- sche Dimensionen erreicht hat.

Dafür gibt es eine Einwanderungs- bürokratie mit teilweise unüber- windlichen Hindernissen. Wer möchte schon sämtliche Examina wiederholen, um später unter ver- einfachten Bedingungen und kaum vergleichbarer physischer Anstren- gung arbeiten zu dürfen?

Allerdings ist wahr, was mir eine Kollegin über ihre Erfahrung im fünften Kontinent bestätigte: "We have discovered ourselves, and the knowledge that the greatest treasure we can possess is the ability to keep life simple ... and human".

Dr. med. Jürgen Rathenberg Northeimer Straße 4

3353 Bad Gandersheim

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 20 vom 17. Mai 1979 1405

Referenzen

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