AUSSPRACHE
Was der Arzt
über die Fett-Kampagne wissen muß
Eine Stellungnahme zum Gesamtproblem
Die Annahme, es sei den Herausge- bern des DEUTSCHEN ÄRZTEBLAT- TES schwergefallen, einzugestehen, daß die Publikation einer Art "medi- zinischer Boulevardzeitung" den Wissenschaftlichen Beirat der Bun- desärztekammer bewogen habe, sei- ne offizielle Stellungnahme über Ri- sikofaktoren bei degenerativen Herz- und Gefäßerkrankungen zu korrigieren*), ist falsch.
Bedauerlich dagegen ist die Form, mit der von Professor Dr. Pflanz Ein- wände gegen den ursprünglichen Text vorgebracht, und die Art, mit der in Teilen der Presse die weitere Bearbeitung des Fragenkomplexes durch den Wissenschaftlichen Bei- rat kolportiert wurden.
Sie war dazu angetan, das Ansehen von Professor Dr. Schettler als Initia- tor der Empfehlungen zu schmälern und seine Integrität in Frage zu stellen.
Aus der Feststellung, daß "zum ge- genwärtigen Zeitpunkt dezidierte, an die Gesamtbevölkerung gerichte- te Empfehlungen zum qualitativen Fettverzehr wissenschaftlich nicht ausreichend begründet sind", kann keinerlei negativer Schluß auf die wissenschaftlichen Arbeiten und In- tentionen von Professor Dr. Schett- ler gezogen werden.
Die Mehrheit der auf dem Gebiet der
Beziehungen zwischen Herz- und
Gefäßkrankheiten und Fettstoff- wechselstörungen tätigen, interna- tional maßgebenden Experten und Gr.emien teilt, gestützt auf die Ergeb- nisse epidemiologischer, prophylak-
*) Dt. Ärztebl. 77 (1980) 67
tischerund klinischer Studien sowie tierexperimenteller Untersuchun- gen, die Ansicht von Professor Schettler, daß ein teilweiser Ersatz gesättigter durch mehrfach ungesät- tigte Fettsäuren zur Prävention der koronaren Herzkrankheit beitragen kann.
Die Empfehlungen des Wissen-
schaftlichen Beirats beziehen sich,
wie deutlich zu lesen ist, auf die Ge- samtbevölkerung und nicht nur auf Kranke mit bereits erkannten Risiko- faktoren.
Nur für den wirklich Gesunden gilt die nachträgliche Korrektur, weil für die präventive Wirkung bei dieser Gruppe der methodisch nur schwer zu erbringende eindeutige statisti- sche Beweis auf der Grundlage kon- trollierter epidemiologischer Stu- dien noch aussteht.
Der Wert der ursprünglichen Emp- fehlungen, deren Intention durch die oft unsachliche Pressekampagne auch für viele Kollegen verdeckt worden ist, wird durch die nachträg- liche, als "ergänzende Stellungnah- me" bezeichnete Korrektur einerih- rer Punkte nicht geschmälert.
Was soll der Arzt nun raten, wenn er gefragt wird, wie man dem Auftreten von Risikofaktoren bezüglich dege- nerativer Herz- und Kreislauferkran- kungen vorbeugen und bei bereits nachgewiesenen Risikofaktoren die Gefährdung verringern kann?
Der Vorbeugung von Risikofaktoren dienen
..,. Einschränkung der Gesamtkalo- rienzufuhr
744 Heft 12 vom 20. März 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT
..,. Reduzieren des Fettverzehrs auf nicht mehr als ein Drittel der zuge- führten Energie
..,. Vermeiden eines überhöhten Ver- brauchs von Zucker und Alkohol ..,. ausreichende körperliche Bewe- gung.
Sind Risikofaktoren bereits vorhan-
den, so richten sich seine Ratschlä-
ge nach deren Art:
..,. Wird eine Erhöhung des Serum- cholesterins gefunden, so ist dessen Normalisierung auf Werte unter 220 mg/dl anzustreben. Die abgestufte Therapie beginnt mit der Beseiti- gung von Übergewicht und mit fett- armer Diät. Bei Erfolglosigkeit die- ser beiden Maßnahmen ist zusätz- lich eine Diät ratsam, die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren
ist. Wenn erforderlich, muß die Diät
durch medikamentöse Behandlung ergänzt werden.
..,. Zigarettenrauchen gehört zu den Risikofaktoren erster Ordnung. Beim Hinzutreten weiterer Risiko- faktoren muß deshalb besonders dringend und mehrfach geraten werden, das Rauchen einzustellen. ..,. Eine Hypertonie muß behandelt werden.
..,. Diabetes, ob manifest oder latent, muß durch Beseitigung von Überge- wicht und andere diätetische Maß- nahmen, erforderlichenfalls auch durch Arzneimittel, so optimal wie
möglich eingestellt werden.
..,. Übergewicht, auch wenn es nicht mit Diabetes oder Hypercholesterin- ämie verbunden ist, muß durch Ein- schränkung der Kalorienzufuhr ab- gebaut werden.
Die gegenwärtigen Anzeigenkam- pagnen, die die Öffentlichkeit zum Verzehr gesättigter Fette, gleichgül- tig ob pflanzlicher oder tierischer Herkunft, überreden sollen, stehen im Gegensatz zur medizinischen Lehrmeinung (K. Ball, The Lancet, February 2, 1980). L/Z/A