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A668 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 105. März 2004
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er Fall: Der Kläger un- terhält Einrichtungen zur Beratung und Be- treuung Hilfsbedürftiger, dar- unter Drogenberatungsstel- len und Substitutionsambu- lanzen zur medizinischen und psychologischen Behandlung, Betreuung und Beratung von Drogenabhängigen und Aids- kranken. Der Beklagte arbei- tet auf Basis eines Dienstver- trages als „Arzt im Fachbe- reich Drogen- und Aidshil- fe“ in einer solchen Substitu- tionsambulanz des Klägers.Der Bereich der vertragli- chen Tätigkeit des Beklagten ist die Durchführung der Substitutionsbehandlung von drogenabhängigen Patienten, die den Kläger aufsuchen.
Die Finanzierung der Sub- stitutionsambulanz erfolgte bis vor fünf Jahren im Rah- men von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz.
Zum 1. Juli 1999 trat eine Än- derung der NUB-Richtlinien (NUB = Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) ein. Danach wurde die Substi- tutionsbehandlung zur Lei- stung der Gesetzlichen Kran- kenversicherung. Dies hatte wegen des Subsidiaritätsgrund- satzes nach dem Bundessozial-
hilfegesetz zur Folge, dass zunächst die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversiche- rungen in Anspruch genom- men werden mussten. Da dem Kläger keine Institutionser- mächtigung erteilt werden konnte und damit seine Finan- zierung nicht mehr sicherge- stellt war, bat er den beklagten Arzt, eine persönliche Er- mächtigung bei seiner Kas- senärztlichen Vereinigung zu erwirken. Diese Ermächti- gung wurde auch erteilt.
Daraufhin erbrachte der Arzt in den Diensträumen des Klägers weiterhin die ärztliche Substitutionsbehand- lung einschließlich der erfor- derlichen Behandlung von Neben- und Folgeerkrankun- gen von Drogenabhängigen und rechnete die Leistungen mit der Kassenärztlichen Ver- einigung ab. Dieses kassen- ärztliche Honorar verlangt der Kläger nunmehr von dem Beklagten heraus.
Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass der Be- klagte zur Herausgabe der Beiträge, die er als angestell- ter Arzt des Klägers von der Kassenärztlichen Vereinigung für seine Tätigkeit als er- mächtigter Arzt erhalten hat, verpflichtet ist (Az.: 4 Sa 262/02). Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln urteilte: Die Herausgabe- pflicht folgt aus § 667 BGB, der im Arbeitsverhältnis ent- sprechend anwendbar ist. Mit der Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen, die den Kläger aufsuchten in den Diensträumen des Klägers, führte der Beklagte ein Ge- schäft des Klägers aus, zu dem er arbeitsvertraglich ver- pflichtet war. Dementspre- chend hat er das Erlangte herauszugeben, wobei es nicht darauf ankommt, wem das Erlangte im Innenver- hältnis zwischen dem „beauf- tragten“ Arbeitnehmer (Be- klagten) und dem Geschäfts-
partner (Kassenärztlichen Ver- einigung) zustand. Da der Kläger als „Arzt im Fachbe- reich Drogen- und Aidshilfe“
beschäftigt ist, erstreckt sich sein Arbeitsvertrag auf alle in der Einrichtung des Klägers anfallenden ärztlichen Aufga- ben im Zusammenhang mit der Drogen- und Aidshilfe – und insbesondere auf die Substitutionsbehandlung und die damit zusammenhängen- den ärztlichen Aufgaben. Der Beklagte konnte auch nicht von einer konkludenten Ver- einbarung mit dem Inhalt ausgehen, er dürfe einen Teil der Einnahmen von der Kas- senärztlichen Vereinigung be- halten. Vor dem Hintergrund der Finanzierungsproblema- tik des Klägers musste dem Beklagten klar sein, dass ihm die Aufgaben des Klägers nicht und auch nicht teilweise neben der fortlaufenden Ge- haltszahlung durch den Klä- ger zum Eigennutz überlas- sen wurden, sondern dass es sich lediglich um eine im Ein- vernehmen mit allen Beteilig- ten vorgenommene Kon- struktion zur weiteren Finan- zierung des Klägers handelte.
Dem Kläger stehen damit die von dem Beklagten bezoge- nen Einnahmen zu. Der Arzt muss die von der Kassenärzt- lichen Vereinigung erhaltene Vergütung an die Beratungs- stelle weiterleiten.
André Ueckert CBH Rechtsanwälte, Köln
Substitutionsambulanzen
Zur Herausgabe von Drittleistungen
Foto:BilderBox,Hahne [m]
Ein wesentliches Problem der medizinischen Versorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist die starre Ab- schottung der Sektoren (ambulant, stationär, Rehabilitation, Pflege). Mit In-Kraft-Treten des „GKV-Gesundheitsreform- gesetzes“ am 1. Januar 2000 sollte die Integrierte Versor- gung (IV) nachhaltig gefördert werden. An den Versor- gungsstrukturen hat sich seitdem jedoch
nicht viel geändert. Auch das seit dem 1. Januar 2004 gültige „GKV-Modernisie- rungsgesetz“ soll der IV neue Impulse ge- ben. Krankenkassen und Leistungserbrin-
ger können jetzt auchohne Zustimmung der Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) Verträge zur integrativen Versor- gung nach § 140a SGB V abschließen. In der Startphase von 2004 bis Ende 2006 wird der Grundsatz der Beitragssatzsta- bilität ausgesetzt. Die Krankenkassen dürfen auch dann in- tegrierte Versorgungsverträge abschließen, wenn sie dafür die Beitragssätze erhöhen müssen. Von ihren Zahlungen an die KVen und für die stationäre Behandlung können die
Krankenkassen von 2004 bis 2006 bis zu einem Prozent ab- zweigen und für in Integrationsverträgen vereinbarte Vergü- tungen verwenden (§ 140d SGB V). Damit stehen für IV-Ver- träge jährlich bis zu 680 Millionen Euro zur Verfügung (ein Prozent der ärztlichen Gesamtvergütung = 220 Millionen Euro; ein Prozent der Krankenhausbudgets = 460 Millionen Euro). Zur Schließung von Versorgungs- lücken, bei Teilnahme an Disease-Man- agement-Programmen und für hoch spe- zialisierte fachärztliche Leistungen wur- den die Krankenhäuser für die ambulante Behandlung geöffnet (§ 116 SGB V).Auch durch Führung ei- nes Medizinischen Versorgungszentrums über eine Ma- nagementgesellschaft können sich die Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung beteiligen (§ 95 SGB V). Eine Regi- strierungsstelle bei der BQS Bundesgeschäftsstelle Qua- litätssicherung soll dafür sorgen, dass den Abzügen der Krankenkassen entsprechende Verträge nach § 140a SGB V
gegenüberstehen. JF