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Archiv "Integrierte Versorgung: Löcher in die Sektorengrenze" (05.01.2015)

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A 14 Deutsches Ärzteblatt

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5. Januar 2015

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ie größte Baustelle im deut- schen Gesundheitswesen ist seit Jahren die Sektorengrenze zwi- schen dem ambulanten und dem sta- tionären Bereich. In zahlreichen Ge- setzeswerken haben sich wechseln- de Koalitionen darin versucht, diese Grenze durchlässiger zu machen – mit mäßigem Erfolg. Nun steht mit dem Versorgungsstärkungsge- setz (VSG) ein neuerlicher Versuch an. Insbesondere von der Einrich- tung eines Innovationsfonds ver- sprechen sich die Politiker neue Im- pulse für eine barrierefreiere Versor- gung. Mit 225 Millionen Euro pro Jahr sollen „innovative, sektoren- übergreifende Versorgungsprojekte“

gefördert werden. Weitere 75 Millio- nen Euro werden für Versorgungsfor- schung zur Verfügung gestellt, „die darauf abzielt, die Versorgungseffek- tivität und -effizienz zu fördern“.

Künftig sollen Projekte gefördert werden, so heißt es im Kabinetts- entwurf zum VSG, die die Versor- gungsqualität und -effizienz ver- bessern, Versorgungsdefizite behe- ben, die Zusammenarbeit innerhalb

und zwischen verschiedenen Ver- sorgungsbereichen, Versorgungsein- richtungen und Berufsgruppen opti- mieren, die interdisziplinäre und fachübergreifende Versorgungsmo- delle verwenden, die zu Erkenntnis- sen führen, die auf andere Regionen oder Indikationen übertragen wer- den können, deren Implementie- rungskosten im Verhältnis zum an- gestrebten Nutzen stehen sowie Pro- jekte, die evaluiert werden können.

„Kriterien sind sehr weich“

Nicht alle diese Kriterien werden al- lerdings als sinnvoll erachtet. „Eine Übertragbarkeit auf andere Indika- tionen und Regionen kann unsinnig sein“, befand der Leiter des IGES- Instituts, Prof. Dr. med. Bertram Häussler, auf dem 11. Bundes - kongress der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung (DGIV) Mitte Dezember in Berlin. „Wenn etwas in der Region Güstrow hilft, muss es nicht in der Region Stutt - gart-Mitte helfen.“ Eine zwingende Verhältnismäßigkeit zwischen In- vestition und Ertrag „könnte zudem

als Ablehnungsgrund missbraucht werden“. Die Evaluierbarkeit hält Häussler für überflüssig: „Wenn sich Effekte zeigen, wird man sie auch feststellen können.“ Insgesamt seien die Kriterien weich, und bei der Aus- gestaltung komme es sehr darauf an, wer diese vornehme.

Häussler wies darauf hin, dass aus dem Innovationsfonds nur die Kos- ten der Projekte gezahlt werden, die die Krankenkassen nicht im Rahmen der Regelversorgung über nehmen.

„Aus dem Fonds muss also nicht das Krankenhaus und müssen nicht die Ärzte bezahlt werden. Gezahlt werden muss nur, was obendrauf kommt“, sagte er. Deshalb werde die Zahl der Projekte, die der Gemeinsa- me Bundesausschuss (G-BA) för- dern könne, sehr hoch ausfallen.

„Wir haben mehrere dicke Pro- jekte, an denen wir schon heute ar- beiten. Wir sehen aber auch das Mengenproblem“, erklärte im An- schluss der unparteiische Vorsitzen- de des G-BA, Josef Hecken. „Mei- ne Idee war es ursprünglich, die Mittel in kommende Jahre zu über-

Foto: Fotolia/Anton Vakhlachev

P O L I T I K

INTEGRIERTE VERSORGUNG

Löcher in die Sektorengrenze

Einmal mehr versucht eine Bundesregierung, Schwung in die sektorenübergreifende Versorgung zu bringen. Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz will sie Modellprojekte finanzieren oder

den Abschluss von IV-Verträgen attraktiver machen. Nicht alle Vorhaben stoßen auf Gegenliebe.

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5. Januar 2015 A 15 tragen: Wir bewilligen zum Bei-

spiel ein Viertel der Mittel aus dem Fonds und stellen den Rest zurück.

So wären die Projekte dann auch für die gesamte Laufzeit ausfinan- ziert.“ Schließlich ergäbe es keinen Sinn, „225 Millionen Euro heraus- zuwerfen, wenn man dafür am En- de Modellprojekte erfinden muss“, meinte Hecken.

Der G-BA arbeite zurzeit an ei- ner rechtssicheren Lösung, die die Übertragbarkeit der Mittel ermögli- che. Wenn dies allerdings nicht ge- linge und es dabei bleibe, dass die 225 Millionen Euro in jedem Jahr ausgegeben werden müssten, dann

„ist es bald wie auf dem Hamburger Fischmarkt. Das darf doch nicht der Zweck eines solchen Fonds sein“.

Im Versorgungsstärkungsgesetz wollen Union und SPD auch Ände- rungen im Bereich der integrierten Versorgung (IV) vornehmen. Unter anderem sollen die Krankenkassen künftig erst nach vier Jahren und erst nach Aufforderung durch die Auf- sichtsbehörde die Wirtschaftlichkeit von IV-Verträgen nachweisen müs- sen. Prof. Dr. rer. pol. Eberhard Wille hält das für eine sehr sinnvolle Neure- gelung. „Der Grundsatz der Beitrags- satzstabilität war das größte Hinder- nis für die IV-Verträge“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Sach- verständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswe- sen auf dem DGIV-Kongress. „Wenn Sie diesen Maßstab auch bei Inves - titionen in anderen Branchen anlegen würden, würden Sie auch dort nie- manden finden, der investiert.“

Die im Sozialgesetzbuch V ent- haltenen Regelungen zu Selektiv-

verträgen will der Gesetzgeber im VSG im neuen § 140a unter dem Begriff „Besondere Versorgung“

zusammenfassen. „Die bisherigen Strukturverträge werden in der ‚Be- sonderen Versorgung‘ aufgehen, können inhaltlich aber weiter be- trieben werden. Sie laufen lediglich unter einem anderen Namen“, er- klärte Wille. Dies führe zu einer ge- wissen Konzentration, die auch er- forderlich gewesen sei.

Bereinigung von Beginn an In der hausarztzentrierten Versor- gung soll mit dem VSG „eine funk- tionierende Bereinigung eingeführt werden“, wie es Wille formulierte.

Diese solle nun schon zu Beginn des Vertrages erfolgen. „Ohne eine solche Bereinigung würden die Kranken kassen doppelt bezahlen“, so der Gesundheitsweise. „Wer als Kasse etwas Großes vorhat, ist auf eine Bereinigung angewiesen.“

Wille wies jedoch darauf hin, dass eine Bereinigung bei progredient verlaufenden Krankheiten „unge- heuer schwierig“ sei. Er selbst habe bei Budgetbereinigungen immer mit dem Betrag bereinigt, den der Pa- tient im vergangenen Jahr gekostet habe. „Wenn eine Krankheit aber progredient verläuft, kommt ein Ärz- tenetz damit nicht aus“, sagte Wille.

„Dann bräuchten wir eine progre- diente Bereinigung, eine Bereini- gung also mit einem Betrag, den der Patient in Zukunft kosten wird.“

Die Spielregeln zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) will der Gesetzgeber eben- falls im kommenden Jahr verän- dern. So soll künftig auch Qualität

ein Kriterium sein, das Ärzte erfül- len müssen, die an der ASV teilneh- men wollen. Der G-BA soll dafür die „Arbeitsergebnisse“ des neuen Qualitätsinstituts bei der Regelung der Qualitätsanforderungen an die spezialfachärztlichen Leistungser- bringer einbeziehen.

In der früheren Version des § 116b Sozialgesetzbuch V, in dem heute die ASV geregelt ist, konnten Kranken- häuser für die Behandlung seltener Erkrankungen oder Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen für die ambulante Versorgung geöff- net werden. Von dieser Möglichkeit haben die einzelnen Bundesländer jedoch sehr unterschiedlich Ge- brauch gemacht. „In Baden-Würt- temberg wurden Krankenhäuser nur in 14 Fällen für die ambulante Ver- sorgung nach § 116b, alt, geöffnet, in Schleswig-Holstein in 224“, erklärte G-BA-Chef Hecken.

Kritik am Bestandsschutz Diese Krankenhäuser sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nun einen unbefristeten Bestandsschutz erhalten, also auch künftig ambu- lante Behandlungen erbringen dür- fen. Dieses Vorhaben kritisierte He- cken deutlich: „Wenn ich ein Kran- kenhaus in Schleswig-Holstein wä- re, würde ich sagen: ‚Warum sollte ich mich den Qualitätsrichtlinien zur ASV unterwerfen? Ob ich die Leistung noch erbringen kann, brauche ich ja gar nicht mehr nach- zuweisen. Und ob ich es verlernt habe, prüft keiner mehr.‘“ Die Krankenhäuser in Baden-Württem- berg, die keinen Bestandsschutz hätten, würden hingegen die vom G-BA vorgeschriebene Qualität bei der ASV erbringen müssen. „Das führt zu nicht hinzunehmenden Un- wuchten in der Qualität der Versor- gung“, so Hecken.

Dennoch zeigte er sich optimis- tisch, dass die ASV noch zu einem Erfolg wird. „Die ASV wird sich nicht zu einem großen stationserset- zenden Bereich entwickeln. Sie kann aber zu einem wichtigen Ver- sorgungsbereich werden, der dabei hilft, dass Schnittstellen und Brü- che, die es in der Regelversorgung gibt, überwunden werden.“

Falk Osterloh Seit dem unter Bundesgesundheitsministerin An-

drea Fischer (Die Grünen) im Jahr 2000 verab- schiedeten Gesundheitsreformgesetz haben Krankenkassen die Möglichkeit, Verträge zur inte- grierten Versorgung (IV) mit ambulanten Leis- tungserbringern und Krankenhäusern zu schlie- ßen. Die im Rahmen von IV-Verträgen erbrachten Leistungen werden außerhalb der Gesamtvergü- tung honoriert.

Unter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt erhielten IV-Verträge mit dem GKV-Mo-

dernisierungsgesetz im Jahr 2004 eine Anschub- finanzierung. „2004 gab es bei der integrierten Versorgung eine große Aufbruchstimmung“, sagte der Leiter des IGES-Instituts, Prof. Dr. med. Bert- ram Häussler, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung. „2014 nun stellen wir fest, dass nur ein ganz kleiner Teil der Verträge in die Regelversorgung übergegan- gen ist. Damals hatte man erwartet, dass die Re- gelversorgung partiell ersetzt wird. Heute weiß man: Sie ist nur ergänzt worden.“

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