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Archiv "Integrierte Versorgung: Marketing oder Quantensprung?" (15.04.2005)

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ie soll Effizienz und Qualität der Pa- tientenversorgung steigern, den Krankenkassen möglichst Geld spa- ren und dadurch die Beitragssätze stabi- lisieren. Die Rede ist von der Integrier- ten Versorgung, einem Lieblingsprojekt der Bundesgesundheitsministerin. Ulla Schmidt ließ es sich nicht nehmen, bei der Vorstellung des ersten bundesweiten Integrationsvertrages zwischen der Bar- mer, dem Deutschen Hausärzteverband und dem Deutschen Apothekerverband Ende letzten Jahres persönlich dabei zu sein. Zuvor hatte sie im Rahmen der Ge- sundheitsreform dafür gesorgt, dass das aus ihrer Sicht unbewegliche „Kartell“

der Kassenärztlichen Vereinigungen von der Integrierten Versorgung ausge- schlossen blieb.Als Motivationshilfe ste- hen den Vertragspartnern bis Ende 2006 jährlich jeweils bis zu einem Prozent der vertragsärztlichen Gesamtvergü- tung und der Krankenhausrechnungen zur Verfügung. 2004 belief sich diese Summe auf gut 680 Millionen Euro. In- zwischen gibt es 342 registrierte Verträge nach § 140d SGB V, für die rund 157 Mil- lionen Euro als „Anschubfinanzierung“

ausgegeben wurden.

Zu einer Diskussionsveranstaltung darüber, ob dieses Geld sinnvoll ange- legt ist, hatte die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) am 7. April Ver- treter aus Politik und Verbänden nach Berlin eingeladen. „Flexible Vertrags- formen – Perspektive für Patienten oder Spielwiese für Funktionäre?“ lautete das provokante Motto. Der KBV-Vorsitzen- de Dr. med. Andreas Köhler zog am En- de des Tages ein zwiespältiges Fazit. „Wir haben zu früh über die Frage der Güte von Integrationsverträgen diskutiert, und wir haben nicht über die Perspekti- ve für die Patienten gesprochen.Von da-

her war dies schon in gewisser Weise eine Spielwiese für Funktionäre.“

Sorge bereiten KBV und KVen zwei Punkte. Zum einen befürchten sie ange- sichts der Vielzahl von Verträgen mit den unterschiedlichsten Akteuren und Reichweiten eine Zersplitterung der Versorgungslandschaft. Zum anderen sehen sie die Gefahr, dass das Geld für die Integrierte Versorgung letztlich in der Regelversorgung fehlen wird.

Startphase verlängern

Diskutiert wurde in Berlin in erster Linie am Beispiel des Barmer Hausarzt-/Haus- apothekervertrages. Den einen galt er als Marketing-Gag, den anderen als Quan- tensprung. Die Barmer verspricht sich durch die Beseitigung von Unwirtschaft- lichkeiten Einsparungen, die Apotheker hoffen auf Kundenbindung, und die Ver- sicherten sparen 30 Euro Praxisgebühr im Jahr. Ob der Vertrag jedoch die Pati- entenversorgung verbessert oder sich rechnet, ist noch offen. „Die spannende Frage ist, wie der Barmer-Vertrag in drei Jahren aussieht, wenn die Anschubfinan- zierung ausläuft“, sagte KBV-Vorsitzen- der Köhler. „Wie finanziert man dann die Integrierte Versorgung, ohne dass der Regelversorgung Geld verloren geht?“ Prof. Dr. Jürgen Wasem, Lehr- stuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg/Essen, der ver- schiedene Integrationsprojekte eva- luiert, vermochte die Skepsis nicht zu zerstreuen. Nach seiner Ansicht reicht die Zeit bis Ende 2006 für die Kranken- kassen nicht aus, um die Integrationsver- träge finanziell zu bewerten und die Ge- samtvergütung entsprechend zu bereini- gen. „Wir wollen grünes Licht von der

Politik, dass wir die Startphase verlän- gern können“, forderte Wasem.

Entgegenkommen signalisierte in diesem Punkt Dr. Ulrich Orlowski, Lei- ter der Unterabteilung Krankenversi- cherung im Bundesgesundheitsministe- rium. Dem Ministerium liegt daran, die Versorgungsdefizite an den Schnittstel- len zu beseitigen. Mit dem Barmer-Ver- trag sei Bewegung ins Vertragsgesche- hen gekommen. „Der Vertrag ist in der Tat ein Quantensprung im Gegensatz zu den indikationsgebundenen Schmal- spurverträgen der ersten Stunde“, lobte Orlowski. Erstmals sei ein bundesweiter sektorenübergreifender Vertrag mit ei- ner großen Krankenkasse geschlossen worden. „Jetzt muss der Vertrag mit Le- ben erfüllt werden“, forderte Orlowski.

Dies ist der Knackpunkt. Bei der Dis- kussion in Berlin drehte sich zwar alles um den Wettbewerb und darum, im neu- en, flexiblen Vertragsgeschäft den An- schluss nicht zu verpassen. Aus dem Blickfeld gerieten dabei jedoch die Pati- enteninteressen. „90 Prozent der Dis- kussion betreffen das eine Prozent der Vergütung“, kritisierte der Gesundheits- referent des Verbraucherzentrale-Bun- desverbandes, Dr. Stefan Etgeton. „Inte- grierte Versorgung muss von den Be- dürfnissen der Patienten ausgehen und an den Sektorengrenzen ansetzen, an de- nen die Patienten angestoßen sind.“ Kri- tik übte Etgeton darüber hinaus – eben- so wie KBV-Vorstandsmitglied Ulrich Weigeldt – an der Intransparenz der neu- en Vertragslandschaft. Es besteht weder eine Pflicht zur Registrierung noch eine zur Offenlegung der Vertragsinhalte. Sie müssten aber transparent sein, verlangte Weigeldt. Nur dann könne man vonein- ander lernen. Weigeldt hatte bereits zu Beginn betont, dass die KBV in Sachen Integrierter Versorgung keine Blocka- de-Haltung einnehmen wolle. „Sie bietet Chancen für die Patienten und für eine bessere Zusammenarbeit der Gesund- heitsberufe“, betonte er. „Wir dürfen nicht nur Angst davor haben, dass uns et- was weggenommen wird.“ Die KBV werde sich damit befassen, wie sie den Vertragsärzten als Dienstleister im neu- en Vertragsgeschäft zur Seite stehen könne. „Wir werden sinnvolle Integrati- onsverträge unterstützen“, bekräftigte auch KBV-Vorsitzender Köhler, „daran führt kein Weg vorbei.“ Heike Korzilius P O L I T I K

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A1022 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1515. April 2005

Integrierte Versorgung

Marketing oder Quantensprung?

Experten aus Politik und Verbänden diskutierten in Berlin über Chancen und Risiken neuer Vertragsformen.

Die Patienten gerieten dabei aus dem Blickwinkel.

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