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Archiv "Integrierte Versorgung: Der kurze und der lange Weg" (05.04.2002)

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002 AA909

KOMMENTAR

V

on der modellhaften Umsetzung der integrierten Versorgungsfor- men hatte sich der Gesetzgeber starke Impulse bei der Qualitätssiche- rung und Effektivierung im Gesund- heitswesen versprochen. Trotz vieler Vorschusslorbeeren ist in Deutschland bisher keine einzige integrierte Ver- sorgungsform nach § 140 a SGB V ent- standen. Dafür wird neben bisher kaum durchschaubarer juristischer Komplexität eine Reihe von Gründen angeführt. Diese haben meist mit man- gelnder Überschaubarkeit der lang- fristigen Kosten zu tun, zumal in Deutschland der Datenschutz bisher eine Erstellung ausreichender Daten- grundlagen für eine Planung er- schwert.

Welche Entwicklung ist in den nächsten Jahren im deutschen Gesundheitswesen zu erwarten?

Finanzielle Engpässe der Ge- setzlichen Krankenversicherung beruhen derzeit im Wesentlichen auf verminderten Einnahmen. In zehn Jahren müssen schlimm- stenfalls bei gleichem Geld von der gleichen Zahl von Beschäftigten dop- pelt so viele Kranke versorgt werden.

Die dafür notwendigen Strukturen müssen jetzt entworfen werden, um sie dann in den nächsten Jahren umsetzen zu können. Ein Blick auf die erkenn- baren Rationalisierungsreserven: Die von der Politik angepeilte rund 30-pro- zentige Einsparung im stationären Be- reich entspricht immerhin 70 Prozent der derzeitigen Kosten ambulanter ärztlicher Versorgung.

Ist eine derartige Kostenersparnis realistisch? Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren viele realitätsferne universitäre Sicherheitsstandards auf kaum vergleichbare Basisversorgung übertragen. Nicht zu vergessen ist die oft lähmende Flut von Formularen und Verwaltungstätigkeiten. Zudem bedeu- tet auch die Umsetzung der diagnosebe- zogenen Fallpauschalen (DRG) einen enormen zeitlichen Mehraufwand, der vorübergehend zu einer Lähmung vie- ler stationärer Betriebe führen wird.

Ab Beginn des Jahres 2004 werden die eingesparten Gelder zunächst im Krankenhaussektor verbleiben – im ambulanten Bereich wird dann wegen der steigenden Kosten für Pflege und Versorgung frühzeitig entlassener Pati- enten eine zunehmende Versorgungs- lücke drohen. Hier ist dringend ein Ko- stenausgleich erforderlich, andernfalls werden die nicht ausbehandelten Kranken sofort wieder eingewiesen, und der Sinn der DRG-Reform ver- pufft. Die stärksten Effekte wird ver- mutlich die Einführung übergreifender ambulant-stationärer DRGs zeigen – ab etwa 2006/2007. Als unmittelbare Folge dieser übergreifenden DRGs

muss der Sicherstellungsauftrag und damit die Rolle der Kassenärztlichen Vereinigung zumindest im kranken- hausnahen städtischen Bereich neu de- finiert werden.

Währenddessen ist der ambulante Bereich von 2002 bis mindestens 2004/

2005 mit der Umsetzung der Disease- Management-Programme (DMP) gut beschäftigt. Weil die Krankenkassen die Kosten für die teilnehmenden Patienten als Kopfpauschalen rechnen müssen, werden diese zunehmend zu Pauschal- vergütungen im haus- und spezialärzt- lichen Bereich führen – und damit einer den DRGs sehr ähnlichen Struktur.

Über die parallele Einführung von DRGs einerseits und DMP andererseits wird in den nächsten Jahren für ei- nen großen Bereich der medizinischen Versorgung eine ambulant-stationäre Systemkonvergenz erzwungen und wer- den die Grundlagen einer integrierten Gesamtstruktur gelegt.

Wie sind die Chancen einer eigen- ständigen modellhaften Entwicklung

integrierter Versorgungsstrukturen? Bei Gesprächen mit Krankenhausträgern vor Ort zeigte sich, dass die Kranken- häuser zunächst eines von einer inte- grierten Versorgung erwarten: die Ge- winnung zusätzlicher Gelder aus dem Topf ambulanter Behandlung für fach- ärztliche Spezialambulanzen. Das wi- derspricht der politischen Zielsetzung diametral: Ein relativ unwirtschaft- licher Bereich will sich sanieren, indem er noch mehr Geld fordert.

Da es aber in Zukunft mehr als genug Arbeit im Gesundheitswesen geben wird, wird es auch genug Stellen geben.

Wir haben allerdings die Wahl, ob wir plötzliche Krankenhauspleiten mit Massenentlassungen oder eine sorgfältig gesteuerte regionale Umstrukturierung wollen. Aller- dings werden sich die Arbeitsbe- reiche ändern – für alle.

Dies gilt für beide Entwick- lungsmöglichkeiten: für die lang- samere Entwicklung via DRG und DMP ebenso wie für das schnellere regionale Modell der integrierten Versorgung über den

§ 140 a SGB V. In beiden Fällen be- steht die Notwendigkeit, die niederge- lassenen Ärzte, insbesondere Hausärz- te, intensiv zu beteiligen. Denn diese müssen schon seit Jahrzehnten fach- übergreifend, kostensparend und effi- zient arbeiten und kennen überdies die individuellen häuslichen und gesund- heitlichen Gegebenheiten am besten.

Nach dem Hin und Her der letzten Jahre bedarf es klarer Strukturen und glaubhafter Aussagen, um diese Berufs- gruppe für eine Entwicklung zu gewin- nen. Wichtig ist ein stimmiges Konzept, das zeigt, wie eine integrierte Versor- gung nicht zu einer weiteren unsinnigen Vermehrung von Verwaltungsarbeit führt, dass die Reformen nicht schon wieder auf dem Rücken der niederge- lassenen Ärzte ausgetragen werden und dass eine integrierte Versorgung tat- sächlich zu einer besseren Gesundheits- versorgung führt. Uwe Popert*

* Allgemeinarzt und Vorsitzender des Gesundheits- netzes Nordhessen, Kassel

Integrierte Versorgung

Der kurze und

der lange Weg

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