Universitäts- und Landesbibliothek Tirol
Innsbrucker Nachrichten. 1854-1945 1928
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Nummer 13 Dienstag , den 17. Jänner 1928 75. Jahrgang
Wochenkalender : Montag. 16. Marzellus. Dienstag, 17. Anton Ems. Mittwoch. 18. Priska . Donnerstag, 19. Kanutus. Freitag, 20. Fab. und Scb. Samstag, 21. Agnes. Sonntag, 22 Vinzenz.
Einigung Wer die Strafrechtsreform.
Die gemeinsamen deutsch - öfterreichischen Beratungen beendet . - Differenzen nur noch wegen
der Einführung
Berlin , 17. Minner.
Die österreichisch -deutsche parlamentarische Straf¬
rechtskonferenz ist am Samstag im Reichstag zu ihrer zweiten Sitzung zusammengetreten. Für Oesterreich nahmen teil die Abgeordneten Dr . Waber, Dr . Rintelen, Dr . Odehnal, Dr . Schönbauer, Dr . Renner und Doktor Eisler , für Deuischland die Abgeordneten Lohmann, Dok¬
tor Barth , Dr . Kahl, Schulte, Hampe, Emminger, Brodanf, Dr . Rosenfeldt, Dr . Sänger und Torgler.
Der Vorsitzende Dr . Kahl begrüßte die österreichischen Herren in sehr herzlichen Worten. Reichsttistizminister Hergt sprach den beiden Ausschüssen den aufrichtigen Dank der Reichsregierung für die bisher geleistete erfolg¬
reiche Arbeit aus . Es sei sehr erfreulich, daß es der eifri¬
gen Arbeit des Ausschusses gelungen sei, das Arbeits- Programm bisher innezuhalten und den allgemeinen Teil
nochvor Weihnachten zu Ende zu führen. Die Reichs¬
regierung hoffe weiterhin, daß die Ausschüsse etwa bis zum M a i ihre Arbeiten zu einem erfolgreichen Ende führen würden. Das Interesse der Oeffenllichkeit an der Reform habe
sichin erfreulicher Weise belebt.
Vizekanzler Dr. W a b e r dankte für
dieBegrüßung und bat im Namen seiner österreichischen Freunde Geheimrat Kahl
auchin dieser Sitzung den Vorsitz zu führen.
Das Ergebnis der Beratungen.
KB. Berlin , 17. Jänner . Die Verhandlungen der Sonderausschüsse des österreichischen und des deutschen Parlaments für die gemeinsame Reform des Strafrechtes wurden bezüglich des allgemeinen Teiles heute zu Ende geführt. Der Vorsitzende der Konferenz, Geheimrat
Die verfasfungsrechtliche Neugestaltung des
Deutschen Reiches.
Beginn der großen Beratungen in Berlin.
Berlin , 17. Jänner . Gestern begann im Kongrcßsaal
der
Reichskanzlei die große Konferenz
derReichsregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder,' für die Kon¬
ferenz sind bereits in ganz außerordentlichem Um¬
fange Vorbereitungen getroffen worden. Der Kongreß- faal der Reichskanzlei, der bisher nur zweimal zu gro¬
ßen politischen Tagungen benützt wurde, und zwar bei seiner Eröffnung im Jahre 1878 für den Berliner Kongreß und 1918 für eine Revolutions¬
konferenz, ist
fürdie jetzigen Beratungen besonders hergerichtet worden. Es mutzte für mehr als hun¬
dert Personen Platz gemacht werden, da 18 Mini¬
sterpräsidenten mtt ihren 15 Innenministern , weiter zahlreiche Referenten der Länder, alle Mitglieder des Reichskabinettes und viele Referenten der Reichsregie- rung erwartet werden. Das Programm der Konfe¬
renz ist nach der mehrfach inoffiziell bekanntgegeüenen Auffassung der Retchsregierung so gehalten, daß man von dem Beginn der Beratungen über grund¬
legende Abänderungen der Reich so erfas- sung sprechen und dieser Konferenz die gleiche Be¬
deutung geben kann, die die Beratungen des Verfas- sungsausschusses in Weimar hatte.
Politisch gesehen ist die Konferenz das Eingeständ¬
nis , daß die Weimarer Verfassung in den ent¬
scheidenden Punkten , namentlich dem des Aufbaues des Reiches und der Länder, versagt habe. Heute wird das Verfassungstbema behandelt werden, wobei nach Ansicht der Reichsregierung nicht etwa grundsätz- l t
chüber den Einheitsstaat verhandelt werden soll.
Die Begrüßungsansprache des Reichskanzlers.
Reichskanzler Dr . Marx führte in seiner Begrüßungs¬
rede u. a. ans : Der Gedanke, daß die Beränderungen, die, ob wir wollen oder nicht, nach der Entwicklung der Dinge notwendigerweise in der inneren Gestaltung un¬
seres Reiches vvrzunchmen sind, uruß uns alle auf den Weg loyaler Verständigung und friedlicher Zusammen¬
arbeit führen. Für gewisse, nicht absolut lebensfähige Länder
scheintes wüuschenswert, Wege einzuschlagen, die die Weiterentwicklung ihrer inneren Gestaltung günstig beeinflussen. Ich will nur darauf Hinweisen, daß es höchste Zeit ist, die zahlreichen Enklaven und Exkla»
der Todesstrafe.
Dr . K a h l, konnte am Schlüsse der heutigen Sitzung fest¬
stellen, daß es nach einer eingehenden Debatte gelungen sei, fast alle Gegensätze zu bereinigen. Die wichtigsten Differenzen bezogen
sichaus die Bewährungsfrist
bei der bedingten Verurteilung , auf ihre Voraussetzungen hinsichtlich des Strafausmaßes , auf die Frage der Ber- jährungstermine, ferner auf die Frage der Be¬
strafung von Delikten, die
sichaus Rechtsquellen beziehen, die inzwischen bereits weggefallen sind. Hinsichtlich des Versuches mit untauglichen Mitteln kam eine An¬
näherung an den strengeren Standpunkt der deutschen Reichstagskommission zustande, allerdings unter dem Vorbehalt der nochmaligen Verhandlung der Frage im österreichischen Strafrechtsausschuß.
Hinsichtlich der mittelbaren Täterschaft wurde dem österreichischen Standpunkte Rechnung getragen, wornach dieser Begriff zu entfallen hat. Bei dem be¬
dingten Straferlaß wurde insoferne die öster¬
reichische
Auffassung angenommen, als er bei einer Ver¬
urteilung zu einer Gefängnisstrafe bis zu
sechsMonaten zugelassen ist. Offen bleibt
nochdie Frage des Einslulses der Verurteilung auf den Verlust der Rechts¬
anwaltschaft. Darüber sind die Meinungen sehr ge¬
teilt. Zurückgestellt wurde insbesondere die Frage der Todesstrafe, bezüglich der bekanntlich eine tief¬
gehende Meinungsverschiedenheit zwischen den Parteien besteht. Da die Angleichung an den deut-,
schen
Standpunkt eine Zweidrittelmehrheit im österreichi¬
schen
Nationalrat für die Wiedereinführung der Todes¬
strafe zur Voraussetzung hätte, ist vorläufig kein Weg sichtbar, der in dieser grundlegenden Frage zur Einigung >
führen würde.
ven in den verschiedenen Ländern zu beseitigen. Jeden¬
falls werden unsere Besprechungen dazu führen, daß wir ums in dem Gedanken zusammenfinden, daß das Notwen¬
digste für unsere Nation und für unser Volk die Ein¬
heit des Reiches und die möglichst einheitliche Zusammenfassung aller Kräfte der Nation dar¬
stellt. Diesem gesamten und allgemeinen Ziel sollen un¬
sere Besprechungen in erster Linie dienen.
In der Tagesordnung hielt zuerst der H a m- burger Bürgermeister Tr . Petersen ein zweistün¬
diges, ausführliches Referat über den ersten Punkt des Konfcrenzvrogrammech nämlich
Das Verhältnis zwischen Reich nnd Länder.
Dr . Petersen ging von dem Grundgedanken der Wei¬
marer Verfassung aus und erklärte, daß die einheitliche Durchführung dieses Grundgedankens wegen innevpoliti- scher Widerstände nicht möglich gewesen sei. Das Reich sei aber als Träger der Außenpolitik und als Gesamt¬
schuldner der Reparationsglänbiger gezwungen, auf dem Wege der finanziellen Vereinheitlichung vorwärts zu schreiten. Im Reichsrat sei die Vertretung Preußens im Vergleich zu seiner Volkszahl viel zu gering. Die heutige Gliederung Deutschlands sei nur geschichtlich zu erklären und stimme weder mit den Stammesgrenzen
nochmit den Wirtschastszusammen- hängen liberein. Tie Eigenart der verschiedenen Kultur¬
mittelpunkte könne auch bei einer Aendernng der Reichs¬
gliederung erhalten bleiben.
Am st 8 r k st e n habe sich die Eigenart in Süd- deutschland erhalten, und man müsse künftig auch mit einer ähnlichen Einstellung in Oesterreich rechnen.
Dr . Petersen schlug schließlich einen S a chv e r stän¬
dig e n a u
sschu ß vor, der einzelne Fragen ausarbeiten soll. Grundsätzlich müsse man
sichüber die S t ä r ku n g der Reichsgewalt einig werden. Die Bildung freier Reichsländer mit eigenem Landtag sei abzulehnen, weil die Voraussetzung dazu die Zerschlagung Preußens sei.
Nach Dr . Petersen sprach der württembergischeStaats¬
präsident Bazille , der von der R e i chs ve r f a s s u n g Bismarcks ausging und erklärte, daß das Verhält¬
nis Mischen Reich und Ländern durch rein Vernunft- 1 mäßige Betrachtungen nicht gelöst werden könne, weil es
sich
auch uni
eilte
seelischeFrage
handle. Man müsse
sichvor jeder Ueberstürzung hüten.
Dte Weimarer Verfassung habe ohnehin das Gleichgewicht
der Kräfte aufgehoben, das in der Verfassung Bismarcks bestanden habe. Die Parteipolitik habe die Schwierigkeiten nur vermehrt. Staatspräsident Bazille forderte eine Stei¬
gerung der Rechte des Reichsrats und die Rückgabe der Finanz Hoheit über die Wichtigsten direkben Steuern an die Länder. Die Umbildung Preußens zum Reichsland werde lediglich Verwirrung Hervor¬
rufen. Nur bei Abschaffung des rein parlamentarischen Systems könne man an eine Personalunion der obersten Spitzenämter des Reiches und Preußens denken.
Die Bevölkerung Süddeutschlarrds sei dem Reichs»
gedanke« treu ergeben, wolle aber nach eigenen Ge»
«whnhetten und Ideale » leben und werde niemals einen Zwang ertragen, von dessen Berechtigung sie nicht überzeugt sei.
Weder in einem zentralisierten noch in einem dezen¬
tralisierten Einheitsstaat werde viel Rücksicht auf ihre Eigenart genommen werden. Sie befürchtet ferner mit Recht, daß ihre wirtschaftlichen Interessen , wenn ihr Land zu einer von Berlin völlig abhängigen Provinz gewor¬
den ist, nicht mit derselben Sorgfalt und Liebe gepflegt werden und daß die Berlin näheren Reichsteile bevor¬
zugt werden. Die in den einzelnen Staaten vereinigte Bevölkerung fühle
sichals eine Einheit und selbstän¬
dige Staatspersönlichkeit und sei, von Aus¬
nahmen vielleicht abgesehen, nicht gesonnen, diesen Zu«
stand preiszugeben. Rur die äußerste Vorsicht und die schleunige Rückkehr zu den Grundsätzen der
Staatsweisheit, die Deutschland vor dem Welt¬
krieg groß gemacht haben, rönne Deutschland vor der Entwicklung zur Anarchie und Diktatur bewahren.
Der bayerische Ministerpräsident Dr . Held führte in seinem Referat, dgs natürlich rein födera¬
listisch eingestellt war, aus , daß er
sichauf . die Auf¬
fassung der überwiegenden Mehrheit des ganzen bayeri¬
schen Voltes stützen könne. Er wandte
sicheingehend gegen Sen Einheitsstaat und wies nach, daß dieser eher eine Mehrbelastung als eine Einschränkung brin¬
gen würde. Er warnte auch vor übertriebenen Hoffnun¬
gen in bezug auf Sparmaßnahmen und Behördenabbau und betonte, daß die notwendige Verbilligung im Bun¬
desstaate mindestens ebenso erreichbar sei, wie im Ein¬
heitsstaat. Auch der dezentralisierte Einheits¬
staat müsse a b g e l e h n t werden, ebenso die Bildung von Reichsländern oder die Bildung von Berwaltungs -- gemeinschaften zwischen einzelnen Ländern. Auch für die kleinen Staaten lehnte Dr . Held einen Zwang entschie¬
den ab und erklärte, daß nur freiwillige Lösun¬
gen durch Zusammenschlüsse und Anschlüsse in Frage kommen dürften, wofür es im Rahmen des Reichs- gefüges mehr Möglichkeiten gebe.
Die Rede des ' preußischen Ministerpräsiden¬
ten Braun stand den Ausführungen des bayerischen Ministerpräsidenten ähnlich gegenüber wie am Vormit¬
tag die Auffassungen Petersens . Der erste Beratungstag hat insoferne schon eine bedeutsame Klärung gebracht, als eine weitgehende Uebereinftimmung zwi - schen Bayern und Württemberg zutage trat.
Heute vormittags setzt die Länderhonferenz ihre Be¬
ratungen fort mtt der Aussprache über die heutigen Reben. Tann sollen weitere Referate über Er¬
spar u n g sm ö g l i
chkei t e n und über die B e r w a l- tnngsreform folgen.
Günstige Beurteilung der Beratungen.
KV. Berlin , 17. Jänner . In politischen Kreisen
istman vom bisherigen Verlaus der Konferenz der Länder durch¬
aus befriedigt. Naturgemäß läßt
sicham Abend des ersten Tages
nochnicht sagen, zu welchen Beschlüssen die Konferenz kommen wird. So viel aber kann man immer¬
hin bereits feststellen, daß die heutigen Verhandlungen die ganzen Probleme freimütig offen gelegt haben, so daß
sichnunmehr aus der heute beginnenden Diskussion die schließlichen Ergebnisse der Konferenz herauskristallisieren können.
München gegen Berlin.
„Bayerns Recht auf eigenes kulturelles nn » wirtschaft¬
liches Lebcu."
München, 16. Jänner . Eine große Anzahl Rührender Persönlichkeiten-Bayerns aus Wissenschaft , Kunst, Lite¬
ratur , Industrie , Hanbel, Gewerbe und Landwirtschaft erlätzr einen Aufruf, der mit Schärfe das Recht Bayerns auf sein eigenes kulttirelles unb wirt¬
schaftliches Leben und auf seine
geschichtlicheAufgabe in
Deutschland verteidigt. In dem Aufruf beißt es unter
arrderin:
Sette 2. Nr. 13.
Die Berliner ZentraWeruny . die staatSpoMffche Eirt- rechtung der Länder schufen die Unmöglichkeit , anck nur Sie notwendigsten Kmtturaufgaben zn erfüllen. Die ersten Kräfte auf Men Gebieten Ser Wrffen- sckatt und Kunst lmlte nmn
sichnrit Hilfe des Geldes nmdf ) Berlin . Ein VcMeich Zwischen den Universitäten Berlin und NSün- cheil zeigt, daß Miinchen nuverhältnltsmäsrrg wenig Do¬
zenten besitze . Die Geiser der in Reichseigentrrm iwer- gegangenen öffentlichen Betriebe, wie de» Bost und der Bahnen , nmnderterr nasio Berlin , wo eigene neue Zen¬
tralen errichtet rvirrden und die »Mbeschränkt « Bersitgrrngs- Sewalt über alle Reichsmittel znnr Schade» der Länder ffüge. Bei den LieferuMAauHväMn der RAchsäntter komme die bamrifthe J -nAtttrje 'stets zu kurz.
Der Anfnrf schließt mit den Worten : Der heutige Kampf Bayenis um weitgehende finanzielle Selbstbestimmung ist nnerläWch. Wir wollen Bundesstaat sein und nicht vom Berliner Zentra¬
lismus beherrschte Provinz sein, N»rr auf diesem SSege des deutschen Bundesstaaibgodankens wird die Einigkeit und die nationale Einste»! aller Deutschen gesickert, nur so bei wirklicher bundesstaEcher Struktur des Reiches und seiner Verfassung ist der JnsamunenschluH mit Dentschösterrrich und die Wisdepgewinnurrgder verlEN- geganMnen gre»i.zsm:ttchen Dprachge,biete möglw.
Revolte in der deutschen Zentrumspartei.
Die christlich «» GeWei'ksckafte « gegen ine ..« kademtker- ÄB. Oberbau sen, 16. Jänner . Im einer Verfamnrluna der Arbetterwähler des Zentrums ,rächte » der Zen- trnmsabgeorArete und Borstand des Gewerk¬
schaft skartells christlicher Bergarbeiter , Jmbusch, Ausführungen über verschiedene Zustände in der Zen«
trumspartei . Er richtete heftige Angriffe gegen den Reichskanzler Dr . Marx als Parteiführer und sagte, heute seien so manche Kreise, wie Akademiker, Beamt«, Wirtschaftler nsw., die innerlich dem Zentrum fern-
• steh
en,zur Partei gekommen, um durch
sieeinen Posten p erreichen.
>Den Arbeitern fohle der ihnen gebührende Einfluß in der Partei . In der Zentrumsfraktton seien zu viel Beamte vertreten und bei der Besoldungsreform habe inan maßlose Dummheiten gemacht.
Vorwürfe iu »er Zcntrumsvrefl «.
l TU. Berti », 17. Jänner . Tie „Germauia " schreibt zu der Rede des Abg. Jmbusch in Oberhansen, es liege im Wesen des Führertums , in einer Polemik eine Form zu wählen, die das gebotene Maß der Würde und Rück¬
sicht
nickt verlasse. Mit wachsender Besorgnis müsse fest- gestellt werden, daß die Parteileitung und Z e n- irumsarbeiterfchaft sich voneinander ent¬
ferne n.
Der „Badische Beobachrer" schreibt, die Angriffe des Äbg. Jmbusch gegen den Reichskanzler offenbaren einen ganz neuen Geist, der bisher im Zentrum »
sichtSitte war . Entgegen der Behauptung Jmbusch' habe in der Zentrumssräkttün eine ganze Anzahl, von Gewerk- schaftsbeamten Mandate inne.
Hinter den Missen.
c. Innsbruck , 17. Jänner.
Die „V.-Z." brachte imter diesem Titel einen Artikel des inoffiziellen Organs der sozialdenrokrasischen Partei , des »Abend", der
sichin der
schärfstenWe'-
sLgesen den Präsidenten der Berwalturrgskourmission der öster¬
reichischen Bundesbahnen Dr . G ü n t He r richtet. Präsi¬
dent Dr . Günther
deckt vekarurtkich denBeschluß des Vor¬
standes der Bundesbahnen auf Einstellung der wei¬
teren Elektrifizierung der Bundesbahnen . Der „Abend"
macht ihm in
demArtikel den Bovwurf, daß er als leiten¬
der Herr im Verwaltnngsrate der
tschechischenBerg- nnd Hüttemverköge-sellschast , die große KrAenMUben im Ostraner und Karwiner Reviere hat, mehr die Inter¬
essen dieser Gesellschaft vertrete als jene der Österreichi¬
schen Bundesbähneil , wenn er
fickgegen Ae Fortsetzung der Elektrifizierung wende. Wir haben es nie bestritten, daß die beiden Stellen, die Präsident Dr . Günther gegen¬
wärtig innehat, unverelnbarlich sind . Ist » Gegen¬
teile, wir haben immer und immer wieder auf diese Tat¬
sache aufmerksam gemacht und haben noch im vorigen Monate auf den
sei ner zeitigen
diesbezüglichen Beschluß des National rate s aufmerksam genmcht.
Die „B.-Z." hat zu den» von ihr gebrachten Artikel des ,^Abend" keinerlei Bemermnü gemacht. Sie deck : demnach den genannten Artikel und wtä saunt bei den Lesern derr Eindruck erwecken, daß die soziMbenrokratische Partei ebenfalls gegen Präsidenten Tr . Günther und gegen die Einstellung der Elekrrifiziermrg sei.
81ns Aase Weise will die Sozialdemokratie die Bevölke¬
rung , Ae
sichfast in ihrer Gesamtheit für Ae Fortsetzung der Elektrifizierung ausgesprochen hat, für
sichgewirrnen.
Denselben Zweck verfolgte die DrtnglichkeitSanfrage der 'Abg. Dr . Ellenbogen und (
sierlvssenvom 22. Novem¬
ber t). I . im Nationalrate . Auch diese Anfrage wurde nicht desdalb gestellt, um die Bundesbahnnerwalckrngund die Regierung auf Ae Fortsetzung der Elektrifizierung festzulegen, sondern um den Schell» zn erwecken, als ob Ac Sozialdernokratie für Ae Fortsetzung der Elektristzie- ruirg iväre. Hinter den Kulissen siehk.es in Wirklichkeit ganz anders aus.
Es ist ohne weiteres zuzugebev, daß der alte Bor- Mmpfer Ar Elektrifizierung der Balmen, Abg. Dr . El¬
lenbogen, persönlich für Ae Fortsetzung der Elektrisi- Aiernng ist. Seiire Partei Lenkt aber anders . Wäre es nicht so, wäre der Vorstand der Bundesbahnen nie zu.
seinem Einstellungsbeschluß gekommen. Die Sozialdeuw- kraste hat doch auf Ae Verwaltung der Bundesbahnen einen unbegrenzten Einfluß, namentlich auf Direktor Taufsig, der als Haupterponent für de»» Einstellmms-
beschlutz
gilt. Gerade der Einfluß auf Direktor Taufsig war ja
sogroß, daß er anläßlich des politischen Berkehrs- stretkes im Juli vorigen Jahres »ein Bureau für die Streikleitung zur Verfügung stellte. Wenn schon dies möglich war . sollte es "der iozialdemokrasti^ eit Partei unmöglich gewesen sein. Direktor Taufsig zu Wer- zeugsn. daß Ae Einstellung der Eleiriftzierung gegen
>
jgFintS » *« « et Nachrichten" Dbenstag, den 17. ^ Jänner 1828.
Ae Interessen der Partei und gegen
dieArbeiter gerichtet rst? Man kann überzeugt sein, Laß. »venu ein derartiger Einspruch erfolgt wäre, der Einst ' 'iunsSsteWuH nie das Licht der Welt erblickt hätte.
Aber auch die Wertung des Präsidenten Dr . Günther durch A-e » ozialdemokratlsche Partei ist eine ganz andere, als das inoffizielle Blatt der 'Partei glanven »machen möchte. Abg. Dr . Ellenbogen -agte
dochals offizieller Redner seiner Partei am 22. November
1927im Nattvnal- rate:
„Nun mutz man der Bermasinng der B »l»rde-so,ch»ien.
an deren Spitze Herr Präsident Dr . Güncher steht, dos -Zeugnis ausstellen, daß sie wiEch wie ein sorgsamer Kaufmann ihre Geschäfte führt. Insbesondere mutz ich von Herrn Ingenieur Günther mohrheitsgemäß fest¬
stellen,
Latzer zu den bedeutendsten Jndustrisverwal- tern unseres Bundes gehört, daß er
sichbei der Ord¬
nung unserer Bundesbahnen ganz mrßcrorüenMche Verdienste erworbe.»» hat und -daß er Ae DnrchoiWnn- sieruug. Ae straffe Zusammenfassung des Betriebes gegenüber der alten SchlcknrperA , die noch von der Monarchie her herrsckste . derart durchge5ührt fwt, Latz wirklich die Bundesbabuerr gegenwärng ein vorzüglich verrvaltetcs Institut sind."
Äbg. Dr . Ellenbogen h>u es bei der Sitzring As S4er- kehrsansschusseS des Nastonairares aur 11. und 12. Jä »r- ner ö. I . uniterlassen, Ae Argurrrente des BundesmtndstLrs Dr . Schür ff und des gvotzdeuMMN Mg . Dr . Grat- ler , Ae
sichbeide in der
errtschiedetfftLNWeise für Ae Fortsetzirng der ElrkiristOerrrng aussprachen, zu unter, stützeir. Er »mhry auch bei dieser Sitzur-g eine zwie¬
spältige Haltung ein und » rächte Ae mtvebingten An- tzäiiMr
derFortsetzung
derElektrifizierung a» rf den hol>c»r Zinsfuß airfmerkfain. der, um mit Direktor Soest und Minister Dr . Kienböck zu sprechen, eine Fortsetzung der Elektriffzierung unmöglich macht. Daran ändert auch der »mm Abg. Dr . Ellenbogen gestellte und rückgestellte Antrag nichts.
So steht es in Wirklichkeit hinter den MMsten aus.
Radikale Hausbesitzer.
Wie berichtet, fand in Wien am Sonntag eine Ver¬
sammlung der Hausbesitzer statt, in der es sehr stünntsch zuging. Besonders Heftig waren Ae Aussäüe der Redner des Zentralverbandes gegen den Nationalrat Pistor . NM dem Bericht der „Korrespondenz Herwai"
führte der Präsident des Zentralverbandes Dr . Stark u. a. ans:
„Der Pistor bat nicht eher gericht, bis er
sichein Man- daterl erschnorrt hat, jetzt droht er uns urit der Diffe¬
renzierung. Zustimmung ( und Widerspruch.) Pistor wurde in der Zeitung „Der Republikaner" der Unter- schriftenfälschung bezichtigt, aber geklagt bar er nicht.
(Stürmischer Widerspruch, Beifall und Lärm. Der Vor¬
sitzende fordert die Gegner auf,
sichruhig zu verhalten, da er sonst genötigt wäre, die Ruhestörer durch die Ord¬
ner entfernen zu lassen.) Pistor, der Urarier ,
sitztiin jüdischen Direkttonsrat der „Phönix" aber für die Hausbesitzer bat er im Parlament Ae Schnutte noch nicht aufgenmcht. Das Verhalten des Ministers Dr. Reim in der RNeteusrage muß zum leidenschaftlichsten Protest her- ausfordern . Rufe : Ein Bolschewik , ein Salonbolschewik!
Einige Cüristlichsoziale protestierten gegen diese Aus¬
drücke, »vas schließlich große Sturmszenen hervorrief.
Ein Hausbesitzer sprang ans das Podium hinauf und bedrohte den Vorsitzenden mit einem Stock. Dieser rvehrte der» erregten Hausbesitzer ab: cs gelang dam» einigen Ordnern, des Mannes habhaft zu werden, der unter Piiffen und Stößen ans dem Saal befördert wurde. Prä¬
sident Stark konnte hierauf unter Lärm seine Rede sort- setzen, wobei er ausführte ,
Artzdas Mietengesetz auf der»
Mtstüanfen gehört. Zwischenrufe: Recht hat er !) Das neue Mtetengesetz muß ternriniert werden.
GR . Huber meinte , daß die Uneinigkeit uv .ter den Hausbesitzern aus die bisherigen Mißerfolge z»rrück- zuführen sei. Im 13. Bezirk ser er von einer Versamm¬
lung mit Bra »chialgemalt yiiurusgedrängt worden..
(Rufe : Ja ! Hinausgeworfen!) Redner apostrophierte eine anwesende Daine : Sie sind eine Anhärigerin Pistors, Sie waren in dieser Versammlung gegen mich. (Diese ruft : Jawohl . Gegenrufe : Sie blöde Gans !)
Die Novellienrng des ÄNetensiesetzes.
Wien, 17. Jänner . (Priv .) Bon führender parlamen¬
tarischer Seite »vtrd Mitgeteilt, daß die demnächst dem Nationalrate vorzulegende Novelle zum Mtetengesetz derzeit arrsgearbeitet »vtrd. Die Arbeit in den Ministerien vollzieht
sichunter stre»» gstLr Geheimhaltmrg.
sodaß »neder die parlamentarischen Klubs der Mehrheit und auch nicht einmal jene Abgeordneten,
dieals ausgesprochene Mieter¬
oder Hausbesitzervertreter anzirsehen sind, Infor¬
mationen erhalten . Ob und inwieweit die Forderun¬
gen der Hausbesitzervertrcter Berücksichstguug fiilden rverden und können, entzieht
sichder Kenntnis der parla-
»nentarischen Kreise.
Allerdings kann gesagt werden, daß die neue Mieter- vorlage so gechalic »» sein »vird . daß
siesowohl die Mieter, sofern«
sienicht aus Sem Standpunkt der Enteigrrung des Hausbesitzes stehen, als auch Ae Hausbesitzer, wofern«
diese der Meinung sind. daß. um ihren» Ziele »rüher zu komuien, »Mr ein etappenweises Vorgehen » nöglich ist, ihr zustiinmen können. Tatsache »st, daß anch bei den parlamentarischen Klubs der Mehrheit die Anschauung vorherrscht, daß Ae Vorlage so bald als möglich im Nationalrate eingebracht werden wird.
Die Politik der Deutschnativnalen in der Tschechoslowakei.
KB. Prag , 16. Jänner . Gestern und am Sarnstag fanden Beratungen der durch Vertrauensmänner ver¬
stärkten R e i chs p a r t e i l e i t u n g der deutsch- nationalen Partei statt . In einer einstimmig an- gcnommenen Entschließung billigte und begrüßte die Rcichsparteileitnng die von» Klub der Abgeordneten und Senainren mit großer Entschiedenheit geführte Ver¬
ständigungspolitik, weil sie
sichvon der Zu¬
sammenfassung aller s-ndetendeutschen Kräfte eine erfolgversprechende Führung der Poltttk erhofft. Sv sehr der Partei daher die Erreichrrng der Zw sammerrarbeit aller deutschen Parteien am Herzen liege, düric dieses Streben nicht Selbstzweck werden . Dir Partei denke nicht daran , von ihren prograomrattschen Grundsätzen und dem Hochziel der Erreichung des Selbstbe
stim »nun gsr echtes auch nur im ge¬
ringsten abzurücken oder Mr ei;»e Regierrrng zu unter¬
stützen, in der zwar den Deutschen Sitz und Stimme, aber kein Einfluß gewährt »verde, so daß es nicht gelun¬
gen sei, weitere
schrvereSäMtgimgen des Lndetendenttck .- tmns zn verhindern.
Präsident Masoryk über die staatüchev Aufgaben des DeuLschlums.
Prag . 17. Jänner . (Priv .) Gestern »vurden Ae reil¬
nehmer der EAkursion der reichsdeutschen Journalisten von Präsident M a saruk empstrngen. In seiner Ant¬
wort auf Ae Begrüßung ging Masaryk davon aus , daß Deutschlarw und Ae
TschechvslcwaLeiin ihrer Enüvicklung und Geschuhte mehrfache Analogien austveisen. Das
deutsche
Volk, dem er große Achtung entgegenbringe. Habe nach seiner Auffassung die Aufgabe, sich in mehrerer»
Staaten auszuwirken , vor allem im Deutschen Reiche«nd im österreichischen Staate . Hiezu kourme die Schweiz um'1 in diesem Zusammenhang könne nmn auch Ae Dscheckw skowakei betrachten, in der Ae drei Millionen deutscher Staatsbürger »
sichtals Minderheiten zn betrachten seien, sondern einen organischer » Bestandteil des Staates bilden. Ter Präsident
schloßAe Unterredung mit dein Hinweis daraus, daß die freundlichen Beziehungen zwischen
derchristlichjozialen Presse der tschechofforvakischen Republik und Deuffchlands zn dauernden guten Verbindungen zwischen den beiden Staaten führen mögen.
Hierauf wurden Ae Gäste vim» Prager ErzbischofK o r- da c empfanaen. In sei»rer Ansprache wünschte Kvrdac.
daß durch den
Besuchdie Deutschen in der Tschechoslorvakei in ihrer Religion und ihre»»» BolkStum gestärkt werde»».
Durch ihre Teilnahme an der Regierung hätten
dieDeut¬
schen »vesentlich zur Konsolidierung des Staates bei- getragen. Die Derbindurrg mit den Katholiken Deutsch¬
lands werde den deutschen Katholiken in der Tschecho¬
slowakei Ae Kraft geben,, als gleichberechtigte Bürger dieses Staates die Individualität ihres Deutschtums
zrrentwickeln.
Ein Dm» Mujsylinis?
Eine Agra»ner Zeitung : „Tie Stimme des kroatischen Volkes" weiß von einem Duell zn berichten, das M u s s> o- I i n i mit dom Schwager des italienischen Kronprinzen, dem Grafen Calvi, ausgesvchter» haben soll. Das kroa- tische Blatt schildert den Sachverhalt rvie folgt:
Der italienische Ministerrat stiatte die Herausgabe einer neuen M ü n e beschlossen. Sie sollte das Bild Mussolinis mit der Inschrift ..Duce Mussolini" tragen. Mussolinibegab sichnach dem Ministerrat zum König, um dieses Dekret zur Unterschrift vorzulegen. Der König wollte nichts davon iviffen: dach M»»si0' lini bestand energisch aufder Approbierüng. Der König riet ihm dann, umsichaus der schwierigen Situation zu rette»», sichmit den» Kronprinzen ins Einvernehmen zu setzen. Es scheint, daß bei dieserGelegenheitder König von Italien dieSlbsicht geäußert habe, eher zugunsten des Kronprinzen a b z u d a n k e n, als eine derartige Erniedrigung zu dulden, dahnämlich auf Münzen das Bild Mussolinis undnicht das seine geprägt würde.
Somit lieh Mussolini den Kronprinzen rufen und benachrich' tigte ihn von seinem Vorhaben. Der Kronprinz Humbert ant- wortete ihm, daß ersichdarübernochmit seinem Schwager, den»
(grafen Calvi aussprechen müsse. So kam es dennbald daraus
?,»»' einer Unterredungzwischen Mussolini, dem Kronprinzen und dem Grafen Calvi. Dieser letztere, ehemaliger Rittmeister der Kavallerie und jetzt Mitglied des königlichen Hauses, »vider.
setztesichauf dasentschiedenste dem Willen Mussolinis, weil die Durchführung des Vorschlages eine Herabsetzungdes Ansehens der regierenden Dynastie bedeutet hätte.
Auf disenergische Antwort des Grafen Calvi »ourde Mussolini nervös und liehsichzu Beleldigungen gegen den Grafen und die ganze königliche Familie hinreihen. Kronprinz Hurnber.
verlieh den Saal , während Graf Calvi Mussolini zrrin Duell forderte. Das Duell fandtatsächlich in einemWäldchen im Tier¬
garten statt. Bekanntlich galt Graf Calvi als -einer der besten Söbelsechter des italienischen Heeres. Während des Duells kam es zu einem »reinlichen und unerivarteten Zwischenfall, der im
Eh reu Kodex nichtvorgesehen ist. Mussolini präsentierte sichmit
seinem S t a h I p a n z e r, den er geivöhnlick» zu tragen pflegt, umsich gegen Attentate zu schützen.
Als Graf Calvi ihn totsäohlich nrit dem Säbel in der Herz¬
gegend traf, da zersprang die Klinge am stählernen Widerstand und dem Grasen verblieb der abgebrochene Säbel-
stumpf in der Hand. Außer sichvor Entrüstung, schleuderte - er den Säbelstumpf gegen Mussolini, nannte ihn einen erbärm¬
lichen Feigling und venvundeie ihn am Halse. Rach dem Duell verließ Mussolini nie mehr den Palazzo , Chigi. Er nahm dort seine Sveisen ein, schlief dort, um zu verhindern, daß die An¬
gelegenheit in der Oessentlichkeitbekannt würde.
Tie römische Zcituirg ,.Teve»:c" erklärt, Ac annze Ge¬
schichte
sei erfunden, was schon daraus herrwrgehc. daß Mussolini, zur Zeit als er das Duell gehabt haben soll, de»» kroatischen Balrernfsthrer Radic mpfangen « hätte.
Einberufung dos großen faschisttsche « Rates.
ÄB. Rom. l6. Jänner . Ter große
faschistischeRat ist auf den 30. Jänner etnberüfen worden. 3t»tf seiner Tagesordnung steht an erster Stelle der, Gesetzentwurf über Ae Reform der Bolcksvertretung.
(Sin Erfolg der Italiener in Tripolis.
TU. !Hm», 17 . Jänner . Molmmed Senuffi. de »' mährelch der letzten fünf Jahre das Haupt des Anfftan- des gegen Italien in der Cyrenatka gewesen ist, hat
sich
den Italienern bedingungslos unterworfen. Er soll zwangsweise verschickt werden.
Dos jüngste Attentat in Mazedonien.
Die Vorgeschichte.
Belgrad, lö. Jä »»ner. Die Alten täte rin Maro Bnljew war , wie nachträglich aus Skoplj -e gomeWet
»vivd, nrit dem aktiven bulgarischen Rittn »eisier Hran
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DtottStss,
frett17. JSimsr 1SM. »N« « SSrircker Nachrichten* Nr. IS. Seit « 8.
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oxoverheiratet. Sie wuröe als Mitglied des üul.
gartschen mazedonischen Komitees von letzterem bereits vor einem Jahre nach Skoplje als angeblich geschiedene Frau mit der Wetsmrg erttsarM, sich dort niederzulns- fen und weitere Aufträge des Komitees abzuwarten. In einem bei der Mtcntäterin vovgefmr- erren Schreiben wurde sie vom Komitee ermahnt, das gegen den Jnstiz- rofeventen P r c l t t s ch vom Komitee gefällte Todes¬
urteil zu vollfübren. Mara Brrljcw, die sich durch euren
Schrrtzin die Brrrst lebensgefährlich verletzt Hatte, gab kurz vor ihren: Ableben ihrem Bedauern darüber Ausdruck, daß sie PreAtsch cruwrdet trabe, da dieser in Stopfte allgemein als Mensch von groher Her- zensglUe bekannt war. Sie habe
jedochden Auftrag des Komitees ohne Weigerung ausführen miissen. Die Atten¬
täterin wurde von einem gehetmeir Piitgfted des Ko¬
mitees überwacht. Die Polizei fahndet nach einem Jn- dividinm , das in der Nähe des Tatortes bemerkt wurde und das
nachdem Attentat spurlos verschwand.
KB . Belgrad , 16. Jänner . Wie aus Nesküü gemeldet wird, ist der Justizrefercnt Prelitsch, gegen den vor einigen Tagen ein Revolverattentat verübt worden war.
seinen Verletzungen erlegen.
Aenderuvg der Regierungspolitik in Rumänien.
TU . Bukarest, 17. Jänner . (Priv .) Die
Regentschafttrat die Initiative zur Einleitung von Verhandlungen zwischen der Regierung und der oppositionellen Bauernpartei ergriffen. Die Regierung soll damit ein¬
verstanden sein, Mitte März z n r ü ckz u t r e t e n, um einer neutralen Regierung Play zu machen, doch müsse
sichdie Bauernpartei bis dahin ruhig verhalten.
Englische Füegerakkion gegen die Wcchabiken.
London, 18. Jänner . Der FowZng der Jrak -Regiernng gegen den Wahabitenscheik Feisal ed Dowisch hat begonnen. Vorgestern unternahmen vier britische F l u g z e n g st a f f e l n mehrere Flüge in das Gebiet des Schelks. Unter anderem flogen sie auch nach Artarv- tyah, dem HauptstützpmrktFeisal ed Dowischs , fanden dort aber nur Frauen und Kinder vor. Alle männlichen Slanmresmttgfteder waren verschivnnden. Die britischen Flugzengstaffeln ^bestrafen", wie der Bericht des „T-i- meö"-Korrespondenten aus Begdad besagt, alle Akh- wan - Stämme, von denen mm: amttmurtz das; sie oen Scheik unterstützt haben, mit anderen Worten, ote englische Luftwaffe vergnügt sich damit, unvertei¬
digte Araberdörfer mit Bomben zu belegen und mit Maschinengewehren Männer . Frauen , Kinder und Vieh
zusammenznschießen, weil sie im Verdacht stehen, den Scheik unterstützt zu haben. Jbn Saud soll nach einer nnbestätigten Meldung Feisal ed Dorynch gefan- ge»genommen haben.
Der panamerikanische Kongreß.
Rtcaragna nnd die Bereinigten Staate « .
KB . Washington, 16. Jänner . In der Umgebung des Präsidenten Coolidge wird bemerkt,
dieDelegation der Vereinigten Staaten werde ans der panamerikani¬
schen Konferenz erklären , daß
dieVereinigten Staa¬
ten für
sichkeine besonderen V o r r e cht e aus der westlichen Halbkugel in Anspruch nehmen, keine egoisti¬
schen Ziele verfolgen und daß das gegenwärtige Ein¬
greifen der Bereinigten Staaten in Nicaragua sich nicht gegen die dortige Regierung richte, sondern im Einverständnis mit beiden Parteien erfolge und lediglich der Stabilisierung des Regierungs- systems in Nicaragua dielten solle. Diese Aufgabe sei den Bereinigten Staaten durch den Fünsmächtevertrag
von 1923 zur Pflicht
genrächtworden.
H n g h e ö, der frühere Staatssekretär , äußerte
sichbe¬
friedigt über eine Erklärung des
kubanischenPräsidenten M a cha d o, wonach die Konferenz nicht befugt sei, über die Politik der Bereinigten Staaten in Nicaragua zu Gericht zu sitzen. Hughes äußerte in gleicher Weise seine Genugtung über di« versöhnliche Haltung des Präsidenten von Mexiko. Calles. Hiedurch sei die Gefahr einer Opposition Mexikos und der der zentralamerikairischen Staaten ansgeschaltet.
Präsident Coolidge über den Frieden der Völker.
Auf der panamerikanischen Konferenz hielt Präsident Coolidge eine Aiiipraäre, in der er u. a. sagte: Es herrscht eine friedliche und vom gnien Wille !» geleitete Haltung unter unseren Völkern. Die Entschlossenheit, Streitigkeiten unter uns nicht durch Gewalt , sondern durch Anwendung der Grundsätze von Gerechtigkeit rrnd Billigkeit zu entscheiden,
isteine unserer hcrvortretensten Etgeirschäften. Die S o u v e r ä n i t ä t kleiner Völ¬
ker wird geachtet. Um diesen Grundfätzen eine größere Sicherheit zu geben, ist diese Konferenz einberufen wor¬
den. Unser heiligster G l a n be war und ist die Aus- rechterhaltung, die A u s b r e i t u n g des G e iste s der Demokratie. Neben dem Prinzip der Selbstregierung
stehtfür uns
dieFriedenspolitik . Man sagt
kaumzn viel, wenn mau behauptet, daß die von unseren Staaten 150 Jahre lang unternommenen Kriege fast vollständig dem
Zrveckegalten , die Unabhängigkeit zu
sichernund die
Herrschaftder
menschlichenFreiheit zu erweitern.
Wtr haben zudem einen Geist der Anpassung, des guten Willens , des Vertrauens und
dergegenseMgen Hilfsbereitschaft entwickelt. Alle hier vertretenen Nationen werden aus dem Fuße der Gleichberechtigung behandelt. Das bestehen dieser Konferenz, die
sichnur mit amerikanischen Angelegenheiten beschäftigt,
schließtleinen Gegensatz zn irgend einem Teil der Welt oder zu irgend eirrer anderen Organisation in sich. Was
sichauf dieser Halbkugel absptelt, ist für uns von einem viel größeren Lebenstnieresse als was über irgend einem der Ozeane sich ereignet. Die Beilegung internationaler
Streitigkeiten ans dem amerikanischen Kontinent ist glücklicherweise
schonso weit fortgeschritten, daß nur noch wenige Fragen ungelöst bleiben. Wir sollten uns vergegenwärtigen , daß das oberste Recht Rücksicht,
» i.
Zusammenarbeit, Freundschaft und Nächstenliebeist. Ohne diese gibt es keinen Frieden
mrdkeinen Fortschritt, keine Freiheit mrd keine Republik.
*
lieber di« Bedeutung und den Zweck der panamerikanischen Konferenz schreibt der Sonderberichterstatter des . Berliner Tage¬
blattes " : Die Vereinigten Staaten brauchen Frieden in der südlichen Hülste des amerikanischen Doppelkontincnts , nicht nur im Interesse der Ausdehnung ihres Handels , für den Süd - und Mittelamerika schonheute einer der aufnahmefähigsten Märkte ist und noch große Ausbaumöglichkeiten für die Zukunft verspricht, sondern mehr noch in Rücksicht aus die überaus ernsten Probleme, vor die sichdie Union in den nächsten Jahrzehnten in der großen Gefahrenzone des pazifischen Ozeans gestellt sehen wird . Es kann und darf es für die Weltmacht Amerika keine Z w e i f r o n te n st e l l u n g geben. Europa ist, wie man dieDinge in Washington sieht, nur mehr indirekt ein Faktor in der Welt¬
politik . In den beiden anderen großen Sphären aber , in Süd¬
amerika und im Pazifik, sind Probleme von weittragender Bedeutung für Amerikas Schicksal gestellt, und auf lange Sicht Werden die pazifischen Sorgen eine bei weitem ernstere Belastungs¬
probe für die Staatsmannskunst der Amerikaner bedeuten . Nicht im Atlantik , sondern im Pazifik wird sich die Spannung zu England am stärksten auswirken . Hawar und die Philippinen sind Schnittpunkte der japanischen Expansion, China wird dereinst eine pazifische Macht sein, und durch China wird Rußland zuin großen Ozean hinüberreichen , wenn für die nächste Generation die neue Gruppierung der Weltmächte voll¬
zogen sein wird . Diese Entwicklung aber ist noch nicht bis zum akuten Stadium gediehen.
Auf der anderen Seite stehen die amerikanischen Län¬
der spanischer und portugiesischer Zunge . große lateinische Block der westlichen Hemisphären , der Nachbarkontinent im Süden mit seinen unermeßlichen Naturschätzen und mit poten¬
tiellen politischen Energien , die sicheinstweilen mir ahnen lassen.
Für den „Koloß des Nordens " gilt es, sichdie wohlwollende Neutralität oder zumindesien ein kühles Desinteressement Lateinamerikas zu sichern. Die Beibehaltüngder Vorpostenjtellung am Karibischen Meer und vor allem der Position am Panama¬
kanal , der Archillesferse ihres ganzen strategischen Verteidigungs¬
systems, ist für die Vereinigten Staaten eine Lebensfrage.
Der starke Widerhall , den die Ereignisse des letzten Jahres sMexiko und Nicaragua ) in ganz Südamerika gefunden haben, lieferte indessen den Beweis für die Stärke der sentimentalen Faktoren , die hier neben den politischen und kommerziellen ins Gewicht satten. Praktisch gesehen, bedeutet Lateinamerikas Verstimmung über das nordamcrikanische Vordringen eine Abwendung vom panamerikanischen Gedanken und eine gefühlsmäßige Annäherung an Europa und damit an den V ö l k er b u n d, womit zugleich vom Standpunkt Washing¬
tons eine Gefährdung der Monroe -Doktrin gegeben ist. Allerdings werden diese Auswirkungen in ihrer Tragweite leicht überschätzt.
Die südamerikanischen Großmächte stellen sich mit den zentral¬
amerikanischen Republiken keineswegs auf ein und dieselbe Stufe , und sie sind weit davon entfernt ,sich zu einer geschlossenen Aktionsgemcinschast zusammenzufinden . Lateinamerika ist einst¬
weilen und wohl noch für lange Zeit ein Begriff ohne Ron»
kretenInhalt. Und auf dieser Erkenntnis beruht die Stärke der nordamerikanischen Position . Präsident Coolidge tut ein Uebriges — fein Entschluß wird von den südamerikanischen Regie¬
rungen entsprechendhoch bewertet —, wenn er durch seine Reise nach Havanna den ehrlichen Friedenswillen der Vereinigten Staaten gegenüber den amerikanischen Schivesternativnen bekun¬
det und ihnen die Hand reicht zur Befestigung der Solidarität der Völker der neuen Welt.
DieVerbamnmg
derrussischen Oppositionsführer.
KB . Berli « , 16. Jänner . Ter Arvskauer Berichterstatter des berliner Tageblatt " gibt Einzelheiten über eine Ab¬
änderung irr den S t r a f vr a tzn a h m e n gegen die Oppositionsführer, über die, wie er feststellt, in den Zeitungen noch strengstes Stillschweigen bewahrt wird, obgleich die ersten Befehle
schonzehn Tage zurück- liegen . 'Trotzti soll nunmehr auf Grund des Art. 58 (Konterrevolution ) dos Sowictstrafgesetzes nach W j e r n y an der chinesrsch -
turkestarftschenGrenze
verschicktwerden und mutz am Montag aüreisen. Rakowski wird nach Astrachan verbamtt. Radek , Breo brajenski und andere werden Souittag in
denPolizeibezirk Ural fahren, wo ihnen ihre weitere Bestimmung ,
dieebenfalls geändert scheint, mttgeterlt werden soll. Käme new wird
sichin Pensa niederlassen, Srnowiew in Tambow . Rund 50 Oppositionelle sind
schonanfangs vergangener
Wochever¬
schickt
worden. Ebenso haben in den Provinzen zahl¬
reiche B e r s chi ckn n g e n stattgefnnderr.
Die endgültige Festsetzung der Behandlung der Oppo- sitionssührer
Haisichverzögert, weil ihre Verbannung ur¬
sprünglich in der Fornr von Anweisung von Arbeiten
durch diePartei erfolgte, wogegen die Betroffenen remon¬
strierten, nur die Klarstellung des wahren Charakters ihrer Behandlung zu erzwingen . Das Zentralkomitee nahm daraufhin teilweise Verschärfungen der ur¬
sprünglichen Befehle vor. Dies ist vor allem bei Trotzkt der Fall , der in einen äußerst erttlegene« Teil verbaurrt ist. Die Befehle gegen Sinowiew und Karnenew werden als eine Milderung ihrer Lage betrachtet, da sie nur in Orte des europäischen Rußland
rrerbanntwerderr. In
verschiedenenFällen wurde
auchauf
derrGesundheits¬
zustand der Oppositionellen
Rücksichtgenommen.
Die deutschen Sozialdemokraten gegen Moskau,
An leitender Stelle des „Vorwärts "
erschienjüngst ein Artikel: „Wendepunkt in Rußland ", in dem die
schwereinnere Krise des Sowjetsystems in den düstersten Farben
geschildertwird:
„Das Erwachen wird schrecklich sein! Der russische Ther¬
midor, das heißt das Ende der „kommunistischen" Maskerade in Rußland , wird in ungeheurem Motze die Zersetzung des Kommunismus in Westeuropa beschleunige'!. Dann werden die kommunistischen Arbeiter überall vor die Wahl gestellt: ent¬
weder in die Reihen der Sozialdemokratie zurückkehren ober
sichin unbedeutende anarchosyndikalistische Sekten zu verlieren ."
Besondere Bedeutung gewinnen die Schlußansftthrun- geil des offiziellen Organs der deutschen Sozialdemo¬
kratie, in derren das Weltproletariat ausdrücklich ?,nm Einschreiten gegen die bolschewistische Ge¬
waltherrschaft aufgeiordert wird.
„Die sozialistische Arbeiterschaft Westeuropas Kann und darf sich nicht auf den Standpunkt der „gegenseitigen Nichteinmi¬
schung" stellen, wenn sie nicht gewillt ist, das unterdrückte russische Proletariat in schwerster Zeit im Stich zu lassen. Nur die demokratische Ileberwindung der terroristischen Bolschewistendiktatur kann ihre bonapartistische Entwicklung mit allen ihren sriedensgefährlichen Folgen vereiteln . Zu passiv)
zu schwach, zu verwirrt sind nach zehn Jahren der Gewalt¬
herrschaft die russischen Arbeiter , um ohne die aktivste Unter¬
stützung der gesamten sozialistischen Arbeiterschast ihren Kampf für Koalitionsfreiheit , Bürgerrechte , demokratische Republik ausnehmen zu können . Bleibt diese Unterstützung aus , dann entsteht die lyefahr, daß die durch den Zusammenbruch der Oktoberillusionen verzweifelten russischen Opfer zum Opfer des Faschismus werden und für lange Zeit für die Befreiungsbewegung des Weltproletariats verloren gehen.
Die russische Krise mahnt das gesamte Proletariat West¬
europas an seine Pflicht der internationalen Solidarität gegen¬
über der russischen Arbeiterklasse , die. geistig und organisatorisch entwaffnet , einer schweren Krise entgegengeht . . ."
Welch
ein
Unterschiedergibt
sichin der Haltung und in der Stellungnahme zu Moskau zwischen der deut¬
schen Sozialdemokratie und den österreichi¬
schen Marxisten! Dort kühnes, klares Denken und Folgern , ein weltumfassendes Verantwortungsgefühl- strikte Ablehnung einer als verderblich erkannten Rich¬
tung — hier leidenschaftliches, blindes Jagen
nachwelt¬
fernen Hirrrgesptsten , verantwortungsloses Verhetzen mrd Aufpeitschen der niedrigsten Instinkte , Lobhudeln und Liebedienern vor Moskau!
Die Opposition gibt den Kampf
nichtans.
Tll . Moskau , 17. Jänner . Tie „Pravda " veröffentlicht zwei von der G. P . U. beschlagnahmte Briefe der Trotzkischcn Opposition, die nach dem Ausland abgesandt werden sollten In den Briefen wird darauf hingewiesen, daß die Opposition den Kampf
rrichtauf- gebe und die ausländische Opposition wird aufgefor¬
dert, ihre Kräfte zur Bekämpfung der heutigen Parteiführung zu sammeln.
Pernerstorfer bei Exkaiser Karl.
Anläßlich des zehnten Todestages Engelbert Pcrnerstors fers, der übrigens immer ein wahrhaft deutscher Demokrat war und schon 1915 die Sozialdemokraten vor dem
„Klüngel " von Akademikern warnte , dem sie jetzt ganz verfallen sind, teilt ein ehemaliger hoher Beamter beim Verwaltnngs- gerichtshos im „NcuigkcitS-Weltblatt " mit , was ihm Pernerstorfer) der übrigens ein glänzender Erzähler war , über eine Unterredung mit dem letzten Kaiser anvertrautc:
Eines Tages war an das Präsidium der sozialdemokratischen Partei die Einladung gelangt , zn einer Besprechung zum Kaiser Karl nach Reichenau zu kommen. Sowohl Adler als auch Seitz lehnten die Aufforderung ab, weil hinter ihnen däv düstere Gesicht des rückgckchrtcn Dr . Dauer stand, aber Perner- storser erklärte schmunzelnd: „I bin a befferer Demokrat als ihr, i red a mit einem Kaiser ." Nachdem er die Ver¬
sicherung bekommen hatte, daß er sichin keinen Gehrock zu stürzen brauche, noch auch „Eure Majestät " sagen müsse, nahm er für seine Person die Anregung an und fuhr an einem schönen Früh¬
lingstag in einem Hosautomobil nach Reichenau, wo ihn der Kaiser ebenso zwanglos und ungeniert in der kommoden Generals¬
bluse erwartete . "A
Das Gespräch begann mit einer Klage des Kaisers über die F o r tdauer des Krieges, die ihn zur Verzweiflung bringe : es sei fürchterlich, daß die Deutschen mit Verbissenheit an Elsaß bängen, daß die Annexion dieses Landes die einzige Ursache des Haffes zwischen Frankreich und Deutschland sei; er begreife überhaupt nicht, welche Bedeutung das Elsaß für Deutschland habe und warum sein Besitz zu einer nationalen Frage gemacht werde, wegen der Hundcrttausende und Hundert¬
tausende unter fürchterlichsten Qualen ihr Leben im Stacheldraht verhauchen müssen.
„Ich hörte mir diese trotz des gedämpften aristokratischen Organs sehr leidenschaftlich vorgebrachten Meinungen, " erzählte Pernerstorfer , „ruhig an , dann begann ich ihm von dem Ver¬
lust des clsäffischen Bodens durch die protestantischen Ereignisse, dem Frieden von Münster und die Politik Louis ' XIV. zu er¬
zählen. Es ivar ganz eigen, daß ich, der Sozialist und Republi¬
kaner, dem Ururgroßnefsen Josefs I., der durch Prinz Eugen den ersten Krieg um das Elsaß nach Frankreich hatte tragen lassen, eine Belehrung über die Traditionen deutscher Kaiserpolitik und l>absburgischer Machtbestrebungen geben mußte . Er hatte scheinbar von alldem nie etwas gehört, aber während ich noch im Zug des Erzählens >var , merkte ich, daß in seinen Augen eine andere Sorge saß, eine Frage , die ihn mehr bedrängte, als die Zugehörigkeit des Elsaß ; ich kürzte deshalb meine Aus- sührungen ab und brauchte auch nicht mehr lang zu warten , um über die psychologischenUrsachen dieses seltsamen Wunsches nach einer Aussprache mit dem Präsidium des sozialdemokratischen Ver¬
bandes ins Klare zu kommen.
Er war nämlich plötzlich sieben geblieben und sagte mit ein¬
dringlicher, aber' ganz objcktivisierter Stimme : „Herr Präsident, rvas halten Sie von der Zukunft der Monarchie in Europa im allgemeinen und in Oesterreich im besonderen?"
Da blickte auch ich ibn ernst an , sah in dieses junge, ehrliche, aufrichtig bekümmerte Gesicht und sagte: „Majestät , setzt sage ich Ihnen Majestät , Sie haben recht, wenn Sie glauben , daß ein alter , deutscher Republikaner wie ich aus seinem Herzen keine Mördergrube machen wird . Majestät , es steht schlecht um die Zukunft der Monarchien !"
Und nun setzte ich ihm die Gründe auseinander , erklärte ihm die Ursache des Verfalles in Rußland , meinte aber, daß die Monarchie in Oesterreich bestehen bleiben werde, weil die Dynastie die einzige Möglichkeit biete , dieses Döl- kergemenge zusammen zu halten , dessen Bestand eine Notwendig¬
keit für Europa , die Kultur und das Deutschtum sei. Ich ver¬
wies darauf , daß ich stets gegen die sogenannte Großmachistel- lung gewesen war und schon vor Jahr .«» in einem viel mur auch übel bemerkten Zwischenrufe die Ansicht ausgedrückt hatte, wir werden binnen kurzem in zwei kleine Staaten ' zerfallen, daß
ichaber gegenwärtig trotz allem an den D e st a n d d e s R e i chc s glaube und seine Erhaltung im dringendsten Inter¬
esse der , deutschen und su d e t e n l ä n d i s che n Ar¬
beiter wünsche , deren Produktion das gemeinsame Zollgebiet, braucht. Ich suchte ihm begreiflich zu machen, daß er sein:
Reich und die Dynastie nur als „sozialer Kaiser" bervahrc»
könne, daß er alles daran setzen müsse, das Berttauen der unteren Klassen zu gennnncn und dadurch die .Herrschaft zu bewahren.
Er dankte mir herzlichst, schien aber skeptisch und nicht ganz uberzeugt zu sein. Die Unterredung währte über drei Stunde « ! Aus die Frage , was Pernerstorfer denn vom Kaiser persönlich halte, enviderte der alte Parlamentarier : „Er ist der reizendste, sympathischeste, woblerzogenste, bescheidenste und einsichtsvollste anstokrarische K a v a l l e r i e o f f i z i e r , den ich in meinem ganzen Leben kennen gelernt habe."