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Archiv "Krankenhäuser: Die Mittelknappheit schadet den Patienten" (12.09.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 37

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12. September 2014 A 1491

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ie negativen Folgen der struk- turellen Unterfinanzierung der Krankenhäuser lassen sich kaum mehr leugnen: 70 Prozent der Chefärzte vertreten in einer aktuel- len repräsentativen Umfrage die Ansicht, dass sich die Mittelknapp- heit im Krankenhaus negativ auf die Patientenversorgung auswirkt.

Von den Pflegedirektoren glauben dies sogar 82 Prozent, von den Ge- schäftsführern immerhin 66 Pro- zent. Vor allem die persönliche Zu- wendung zum Patienten und die Pflege der kranken Menschen kom- men demnach im stressigen Kran- kenhausalltag zu kurz. Es passiert aber auch, dass den Patienten aus Kostengründen nützliche Leistun- gen vorenthalten werden und dass Eingriffe nur deshalb erfolgen, um den Umsatz der Klinik zu steigern.

Dies sind Ergebnisse des For-

schungsprojekts „Umgang mit Mit- telknappheit im Krankenhaus“ des Lehrstuhls für Medizinmanage- ment der Universität Duisburg-Es- sen von Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem, die am 5. September in Es- sen vorgestellt wurden. An der Stu- die beteiligten sich 1 432 Chefärz- te, 396 Pflegedirektoren und 284 Geschäftsführer.

Stille Rationierung

„Es lässt sich allgemein feststel- len, dass der wirtschaftliche Druck im Krankenhaussektor gegenwärtig vom Großteil der Befragten als sehr stark wahrgenommen wird und folglich mit erkennbaren Rationie- rungstendenzen in der Patientenver- sorgung verbunden ist“, fasste An- tonius Reifferscheid, wissenschaft- licher Mitarbeiter am Lehrstuhl, die Ergebnisse zusammen.

45 Prozent der Chefärzte nehmen im Klinikalltag häufig Entschei- dungskonflikte zwischen ärztlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen wahr. So geben 21 Prozent der Chef- ärzte an, mindestens einmal im Mo- nat eine für den Patienten nützliche Leistung nicht durchzuführen oder diese durch eine günstigere und we- niger effektive Maßnahme zu erset- zen. 46 Prozent haben einem Patien- ten zumindest einmal in den vergan- genen sechs Monaten eine nützliche Leistung vorenthalten. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Fachrich- tungen kaum Unterschiede. „Ratio- nierung scheint somit kein exklusi- ves Problem von Hochkostenberei- chen zu sein, sondern ist in praktisch allen Fachabteilungen verbreitet“, analysierte Reifferscheid.

Neben der Rationierung sind Krankenhäuser auch versucht, der KRANKENHÄUSER

Die Mittelknappheit schadet den Patienten

Rationierung von Leistungen, überflüssige Eingriffe, wenig Zuwendung – ein aktuelles Forschungsprojekt kommt zu erschreckenden Ergebnissen.

Ein Krankenhausbündnis sendet einen Notruf an die Politik.

Foto: imagebroker

P O L I T I K

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A 1492 Deutsches Ärzteblatt

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12. September 2014 Nicht selbstver- ständlich: DKG- Hauptgeschäftsfüh- rer Baum, BÄK-Prä- sident Montgomery und DPR-Präsident Westerfellhaus präsentieren die gemeinsame Re- solution.

Foto: DKG

Unterfinanzierung durch Mengen- ausweitungen in lukrativen Leis- tungsbereichen zu begegnen. Hier zeigt die Essener Studie, dass die ökonomisch motivierte Überversor- gung von einem relevanten Anteil der Chefärzte als Problem wahrge- nommen wird: 39 Prozent vertreten tendenziell die Ansicht, dass öko- nomische Gründe zu nicht erforder- lichen Eingriffen führen. Dies mei- nen besonders Chefärzte aus den Bereichen Kardiologie, Unfallchi- rurgie und Orthopädie.

Ein gemeinsamer Weckruf

„Die Mittelknappheit in unseren Krankenhäusern trifft jeden Patien- ten direkt“, kommentierte Dr. med.

Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, bei der Tagung in Essen die Studiener- gebnisse. Es sei absolut fahrlässig gewesen, dass man seit 1995 aus Kostengründen 15 Prozent Pflege- personal abgebaut habe: „Die Folge ist eine enorme Arbeitsverdichtung und letztlich eine Zunahme bei den Krankenhausinfektionen, den Deku- bitalulcera und den Burn-out-Syn- dromen. Für menschliche Zuwen- dung ist sowieso kaum noch Zeit.“

Im Ärztlichen Dienst sei die Situati- on nur scheinbar entspannter. Zwar steige die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken seit einigen Jahren absolut, dennoch nehme die Arbeitsverdichtung zu, weil zugleich die durchschnittliche Arbeitszeit je Kopf sinke, erläuterte Windhorst und verwies auf das verschärfte Arbeits - zeitgesetz sowie die wachsende Zahl von Teilzeitarbeitsverhältnis- sen. Auch wegen immer mehr büro- kratischer Pflichten verbrächten Ärz- te heute deutlich weniger Zeit am Pa- tientenbett als früher. Das Fazit des Kammerpräsidenten: „Die Kranken- häuser werden kaputt gespart.“

Diese Sorge haben auch die Bundesärztekammer (BÄK), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Deutsche Pflege- rat (DPR). Am 4. September traten deshalb BÄK-Präsident Prof. Dr.

med. Frank Ulrich Montgomery, DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum und DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus vor die Bundespres- sekonferenz in Berlin und präsen-

tierten ihre „Gemeinsame Resoluti- on für eine qualitätssichernde Kran- kenhausfinanzierung“.

Seit Jahren müssten die Kran- kenhäuser einen anhaltenden Kos- ten- und Rationalisierungsdruck be- wältigen, heißt es in dem „Not- und Weckruf an die Politik“ (Baum).

Trotz größter Anstrengungen könn- ten immer mehr Häuser ihre laufen- den Kosten nicht decken, sie seien zudem mit absolut unzureichen- den Investitionsmitteln konfron- tiert: „Demgegenüber steht ein ste- tig steigender medizinischer Leis- tungsbedarf der älter werdenden Bevölkerung, gepaart mit höchsten Ansprüchen an die medizinische Leistungsfähigkeit, an die Qualität und an die Patientensicherheit.“

Vor diesem Hintergrund appellie- ren die Verbände gemeinsam an die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform (die am 8. Sep- tember erneut tagte), die Besonder- heiten des Krankenhaussektors als medizinisch-sozialen Leistungsbe- reich der Daseinsvorsorge zu stärken:

„Insbesondere gilt es, die Grenzen ökonomischer Prinzipien in der ge- sundheitlichen Versorgung zu beach- ten.“ Konkret fordern BÄK, DKG und DPR, den Kliniken die für eine gute medizinische, pflegerische und

menschliche Patientenversorgung notwendigen Personalausstattungen zu finanzieren, die Entwicklung der Betriebskosten besser im Orientie- rungswert abzubilden und den Inves- titionsstau in den Einrichtungen auf- zulösen. Die Verbände erinnern an ei- ne vom Bundesgesundheitsministeri- um beauftragte Kalkulation des Insti- tuts für das Entgeltsystem im Kran-

kenhaus. Danach würden jährlich mindestens sechs Milliarden Euro für die Krankenhausinvestitionsfinanzie- rung benötigt. Stattdessen stellten die Bundesländer den Krankenhäusern gerade einmal Mittel in Höhe von derzeit nur 2,7 Milliarden Euro jähr- lich zur Verfügung.

Ein gemeinsamer Appell von Pflege, Ärzteschaft und Verwaltung sei „nicht ganz selbstverständlich“, betonte Westerfellhaus vor der Hauptstadtpresse. „Aber uns eint die Sorge, dass aus dem Krankenhaus ein krankes Haus wird“, ergänzte Montgomery. Deshalb brauche es auch eine echte Reform der Kran- kenhausfinanzierung und kein „Re- förmchen“, stellte der BÄK-Präsi- dent klar: „Wir erwarten von Bund und Ländern ausreichend Mittel und hochwirksame Instrumente zur Be- wältigung der drängenden Probleme im stationären Sektor.“

Zweckentfremdete Mittel

„Wir haben strukturelle Probleme im Krankenhaus, die sich im Zeitverlauf verstärkt haben“, meinte auch Ge- sundheitsökonom Wasem bei der Ta- gung in Essen. Hauptproblem sei die mangelnde Investitionsbereitschaft der Länder, weshalb die Kranken- häuser gezwungen seien, Investitio-

nen aus den Mitteln für die Pa - tientenbehandlung herauszuschnei- den. „Wenn Investitionen mit Geld aus der Patientenversorgung bezahlt werden müssen, sollte man sich auch nicht wundern, dass dann die Pa - tientenversorgung darunter leidet“, brachte Kammerpräsident Windhorst das Problem auf den Punkt.

Jens Flintrop, Sabine Rieser

P O L I T I K

Referenzen

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