Krankenhäuser:
Mehr Streitigkeiten vor den Schiedsstellen
Immer mehr Pflegesatzstreitig- keiten werden inzwischen vor Schiedsstellen ausgetragen, die auf Landesebene eingerichtet wurden.
So hat es in Baden-Württemberg in diesem Jahr bereits 15 Verfahren ge- geben (Stichtag: Mitte August). Dies entspricht etwa \}ier Prozent al- ler Pflegesatzverhandlungen, bei de- nen eine Vertragspartei (Kranken- kasse/Krankenhausträger) von die- ser Konfliktregelungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Der Schiedsstelle Rheinland (Düssel- dorf) lagen für den Pflegesatzzeit- raum 1987 insgesamt 17 Anträge auf Festsetzung der Pflegesätze und für den Pflegesatzzeitraum 1987 41 An- träge vor. Für den Pflegesatzzeit- raum 1986 wurden zwei Anträge auf Neufestsetzung des Budgets für den laufenden Pflegesatzzeitraum und für den Pflegesatzzeitraum 1987 29 Anträge auf Festsetzung der Pflege- sätze wieder zurückgezogen. In zwei Fällen haben Krankenkassen Klage sowohl gegen die Schiedsstelle als auch gegen die Genehmigungsbe- hörde eingereicht.
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Auch für den Pflegesatzzeit- raum 1988 ist zu erwarten, daß bun- desweit die Zahl der Schiedsstellen- verfahren zunehmen wird- nicht zu- letzt wegen der härteren Gangart bei den Pflegesatzverhandlungen seitens der Krankenkassen und der Auffor- derung des Bundesarbeitsministeri- ums, in Konfliktfällen dieses Ver- fahren einzuleiten. Bisher konnte in 90 Prozent der Fälle eine Budget- steigerung von 4 Prozent, in Extrem- fällen von 15 und mehr als 20 Pro- zent(!) erzielt werden.Ungeachtet dessen wird von In- sidern über erhebliche Unsicher- heitsmomente, ein "rechtsstaat- liches Defizit" und unterschiedliche, oftmals interessenbezogene Stand- punkte zur Legalinterpretation die- ses neuen Rechtsinstituts berichtet.
Hinzu kommt: Die Inanspruchnah-
me-Frequenzen und die Strategien zur Anrufung des Schiedsamtes dif- ferieren von Land zu Land und von Partei zu Partei. Divergierende gut- achtliche Stellungnahmen erschwe- ren zudem eine einheitliche Rechts- anwendung.
Über die Erfahrungen mit Schiedsstellenverfahren berichtete Dr. jur. Michael Quaas, Partner der Anwaltssozietät Prof. Dr. Rüdiger Zuck und Dr. Michael Quaas, Stutt- gart, vor den 6. Biersdorier Kran- kenhausgesprächen. Die bisherige Praxis veranlaßte den Rechtsexper- ten zu kritischen Anmerkungen: Die relativ langen , ,Laufzeiten'' von Schiedsamtsstreitigkeiten widerspre- chen der Auflage des Gesetzes, wo- nach die Schiedsstelle unverzüglich tätig werden und den Pflegesatz auf Antrag einer Vertragspartei festset- zen müsse (§ 18 a Abs. 4 KHG). In der amtlichen Begründung zu § 18 a KHG heißt es, "daß die Entschei- dung keinen Aufschub verträgt und grundsätzlich innerhalb von vier bis sechs Wochen ergehen sollte". Die zögerliche Haltung der Vertragspar- teien und die latente Rechtsunsi- cherheit sind nach Meinung von Dr.
Quaas vor allem darauf zurückzu- führen, daß der Gesetzgeber bei der Einführung dieses Instituts "sui ge- neris" rechtlich unsauber und mehr- deutig gearbeitet habe. Dies ist auch das Fazit eines Rechtsgutachtens von Prof. Dr. jur. Konrad Redeker, Bonn, und einschlägiger Kommen- tare in der Fachliteratur. Hinzu kommt: Die Frage der Anwendbar- keit der Schiedsamtsverfahrensre- geln liegt bei den Verfahrensgeset- zen. So werden in Nordrhein-West- falen zum Teil die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) ange- wandt, ein Verfahren, das nach Mei- nung von Quaas "nicht hinreichend der Rechtsnatur der Schiedsstelle und den gesetzgeberischen Vorga- ben zum Verfahren nach den §§ 18, A-3110 (34) Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987
18 a KHG und § 17 BPflV sowie den Regelungen der landesrechtliehen Schiedsstellenverordnung Rechnung tragen". Vieles spreche dafür, die Rechtsgrundsätze des jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgeset- zes analog anzuwenden, soweit sie nicht durch Sondervorschriften des neuen Finanzierungsrechtes und die Schiedsstellenverordnung des Lan-
des verdrängt werden.
Ein Experte der Schiedsstellen- praxis, Helmut Kemmerling, Mit- glied der Schiedsstelle KHG-Rhein- land (für den Verband der Angestell- ten- Krankenkassen) wußte zu berich- ten: In vielen Fällen wurde die Schiedsstelle vorschnell und "zweck- entfremdet" angerufen. Auf Grund einer oftmals pauschalen Betrach- tungsweise vor Ort wurden die Pfle- gesatzverhandlungen in die Schieds- stelle hinein verlagert. Darüber hin- aus konnte man sich in vielen Fällen zunächst auch nicht auf die Ausgangs- basis für die Beurteilung der Budget- und Pflegesatzforderungen der Kran- kenhäuser einigen.
I Konfliktregelung nach gestuftem Verfahren
..,. Fazit: Es ist eine Fehlmei- nung der Vertragsparteien, wenn sie über Schiedsstellen das nachholen wollen, was in den vorangegangenen Pflegesatzverhandlungen nicht er- reicht wurde. Im Falle der Konflikt- regelung ist jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität der Schiedsstelle und des Schiedsstellenverfahrens zu beachten (gemäß dem Grundsatz von Selbstverwaltungsverfahren). In der ersten Stufe haben die Vertrags- parteien ernsthaft zu verhandeln mit dem Willen, ein Ergebnis zu verein- baren. Erst im Konfliktfall ist in ei- ner zweiten Stufe auf Antrag einer Vertragspartei ein Schiedsverfahren durchzuführen. Der Verhandlungs- spielraum von Schiedsstellen ist oh- nedies begrenzt. Je mehr der Pflege- satzzeitraum verstrichen ist, um so weniger kann die Schiedsstelle strit- tige Daten im einzelnen prüfen.
Auch hier bildet die Mitwirkungslast der Beteiligten die Grenze der die Schiedsstelle treffenden "Amtser- mittlung''. Harald Clade