A 536 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 12|
22. März 2013KRANKENHÄUSER
Darf’s ein bisschen mehr sein?
Die Entwicklung der Landesbasisfallwerte hinkt auch in diesem Jahr den Tarifkostensteigerungen hinterher. Die Politik verspricht einen Nachschlag.
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as DRG-Forum 2013 begann mit einer Enttäuschung für die 900 Klinikmanager, die am 14. März den Weg nach Berlin- Neukölln gefunden hatten. Denn die Frage von Moderator Andreas Mihm, wie viele Hundert Millionen er den Krankenhäusern mitgebracht habe, wollte Jens Spahn so nicht beantworten: „Ich kann Ihnen heute noch keine Summe nennen, weil wir uns erst mit unserem Koali - tionspartner abschließend einigen müssen“, sagte der gesundheitspoli- tische Sprecher der CDU-Bundes- tagsfraktion: „Aber wir wollen was tun. Und wir werden was tun.“Vielleicht durfte Spahn aber auch nicht konkret werden, was die Höhe der Finanzspritze für die Krankenhäuser angeht. Schließlich war Bundesgesundheitsminister Da- niel Bahr (FDP) nur wenige Tage später, am 19. März (nach Redak - tionsschluss dieses Heftes), als Hauptredner beim Frühjahrsemp- fang der Deutschen Krankenhaus- gesellschaft (DKG) angekündigt.
Gut möglich, dass der Minister dort persönlich die gute Nachricht an die Krankenhäuser übermitteln wollte.
Eine gesellschaftliche Frage
Den akuten kurzfristigen Finanz - bedarf der Krankenhäuser, weil die Personalkosten seit einigen Jahren schneller steigen als die Erlöse, er- kannte Spahn zwar an. Er glaube aber nicht, „dass wir Tarifsteigerun- gen von vier, fünf oder gar sechs Prozent in den Krankenhäusern be- sonders lange durchhalten werden“.Überhaupt fließe jedes Jahr mehr Geld in die Kliniken, allein im ver- gangenen Jahr seien es 2,5 Milliar- den Euro mehr als 2011 gewesen.
Das könne so nicht weitergehen, betonte der Unionspolitiker, und verwies auf die Mengendynamik in den Krankenhäusern, die nicht al-
lein mit der Alterung der Gesell- schaft und dem technischen Fort- schritt zu erklären sei.
„Menge ist nicht gleich Menge“, betonte hingegen DKG-Präsident Alfred Dänzer. Wo es medizinisch notwendig sei, müssten Mengen- steigerungen immer erlaubt sein.
Den Prognosen zufolge werde die Zahl der Fälle in den Krankenhäu- sern bis 2030 mit dem demografi- schen Wandel um 19,3 Prozent stei- gen. Dänzer: „Eine gesellschafts - politische Debatte darüber, ob wir das bezahlen wollen, ist überfällig.“
Mittel- und langfristig könne die Diskussion über die Krankenhaus- finanzierung nicht geführt werden, ohne die Bundesländer in die Pflicht zu nehmen, unterstrich Spahn. Denn wegen der mangelhaf- ten Investitionsfinanzierung der Länder bezahlten immer mehr Krankenhäuser immer mehr Inves- titionen aus den DRG-Erlösen.
Spahn: „Das kann es doch nicht sein.“ Wie es zwischen Bund und Ländern in der Krankenhausversor- gung weiterlaufe, müsse vor diesem Hintergrund zum „Mega-Thema“
der nächsten Bundesregierung wer- den. Der Gesundheitsexperte be- zweifelte in diesem Zusammen- hang auch, ob in Ballungsräumen so viele Krankenhäuser notwendig sind, wie es sie heute gibt. „Da beißt sich Landes- mit der Bundes- politik“, sagte Spahn mit Verweis auf die Landesbedarfspläne.
Für DKG-Präsident Dänzer führt dieses Schwarze-Peter-Spiel zwi- schen Bund und Ländern zu nichts:
„Das eine entschuldigt doch das an- dere nicht.“ Die Tariflohn-Erlös- Schere klaffe seit Jahren immer weiter auseinander und sei für die Krankenhäuser kaum noch zu schultern. Die von Spahn in Aus- sicht gestellte Tarifausgleichsrate müsse in ausreichender Höhe kom-
men. Dänzer forderte die Regie- rungskoalition zudem auf, die den Krankenhäusern als Beitrag zur Sanierung der Krankenkassen für 2013 auferlegten Preiszuwachsbe- grenzungen zu streichen: „Dass das Bundeskabinett den Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds soeben weiter gekürzt hat, belegt doch, dass man die gesetzliche Kranken- versicherung für auskömmlich fi- nanziert hält und ein Sanierungsbei- trag somit nicht mehr notwendig ist.“ 40 Prozent aller Krankenhäu- ser schrieben rote Zahlen.
Ein „Wahlkampfgeschenk“
Durchaus offen zeigte sich der DKG-Präsident für eine Diskussion über die Schließung von Kranken- hausstandorten – „allerdings ist die Debatte nicht tiefgreifend genug, wenn der Abbau von Standorten mit dem Abbau von Kapazitäten gleich- gesetzt wird“. Wenn 400 Kranken- hausstandorte geschlossen würden, müsse die Versorgung von 3,5 bis vier Millionen Menschen anderwei- tig gesichert sein. Dänzer forderte, vor allem Personal für Notfallsitua- tionen vorzuhalten.
Der stellvertretende Vorstands- vorsitzende des GKV-Spitzenver- bandes sprach sich dagegen aus, dass die Krankenkassen die Tarif- lohnsteigerungen in den Kranken- häusern anteilig mitfinanzieren:
„Ich bin gerne bereit, das kleine be- darfsnotwendige Krankenhaus auf dem Land – wenn nötig – zu för- dern. Aber ich bin dagegen, das Geld per Gießkannenprinzip zu ver- teilen“, sagte Johann-Magnus von Stackelberg. Entsprechende Pläne seien ein Wahlkampfgeschenk: „Es gibt zu viele nicht bedarfsnotwendi- ge Krankenhäuser. Wer wüsste das besser als Sie?“, fragte der streitlus- tige Kassenvertreter in den Saal.
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Jens Flintrop